AP Recht - KoLaWiss

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KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 104 von 163 ren Erscheinungsbild des Vertrages von den Erwartungen abweicht, die der redliche Ge- schäftsverkehr typischerweise an den Vertragsinhalt knüpft 226 . Überraschend ist eine Klausel dann, wenn zwischen ihrem Inhalt und den berechtigten Erwartungen des Kunden eine solche erhebliche Diskrepanz besteht, dass der Klausel ein Überrumpelungseffekt innewohnt 227 . Ab- zustellen ist dabei auf den vertragstypischen Kundenkreis 228 , in den hier relevanten Fällen also Fremdforschern bzw. fremden Forschungseinrichtungen. i. Verschwiegenheitsklausel Das Verbot der Weitergabe von wissenschaftlichen Daten ist nicht unüblich, so dass Forscher, die an fremden Forschungseinrichtungen Daten abrufen, erwarten können, dass ein solches Verbot besteht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass zur Erhebung dieser Daten oftmals erhebliche Forschungsmittel aufgewendet werden mussten und die Universität damit ein für außenstehende erkennbares Interesse daran hat, dass sie die Weitergabe der Daten kontrollieren kann. Somit wohnt dem Weitergabeverbot auch kein Überrumpelungseffekt inne; vielmehr wird ein durchschnittlicher Wissenschaftler oder wissenschaftlicher Mitarbei- ter mit einer solchen Klausel rechnen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein erhebli- cher Teil der Daten aus dem medizinischen Bereich stammt, so dass es sich oftmals um medi- zinische personenbezogene Daten handeln wird und die Universität bezüglich der Weitergabe dieser datenschutzrechtlich sensiblen Daten besondere Sorgfaltspflichten zu treffen hat 229 . Damit stellt eine derartige Klausel keine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB dar. ii. Vertragsstrafe Als überraschende Klausel könnte sich indes die Vereinbarung einer Vertragsstrafe darstellen. Dabei sollte eine solche Klausel jedoch sowohl durch die gewählte Drucktype als auch eine drucktechnisch herausgestellte Überschrift, aus der der Klauselinhalt eindeutig hervorgeht, hervorgehoben werden, so dass erwartet werden kann, dass der Verwender von ihr Kenntnis nimmt. Darüber hinaus sollte ein ausdrücklicher Hinweis in die AGB auf die drohende Ver- tragsstrafe aufgenommen werden 230 . Des Weiteren sollte die Klausel neben ihrer optischen 226 BGH NJW-RR 2004, 780, 781; NJW 2000, 1179, 1181; Grüneberg in Palandt, § 305c Rn. 3; H. Schmidt in Bamberger/Roth, § 305c Rn. 11; K.P. Berger in Prüttinge/Wegen/Weinreich, § 305c Rn. 5. 227 BGH NJW-RR 2002, 485; NJW 2001, 1416 f.; K.P. Berger in Prüttinge/Wegen/Weinreich, § 305c Rn. 6. 228 BGH NJW-RR 2001, 439, 440; NJW 1994, 2145; NJW 1981, 117, 118; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 305c Rn 14. 229 Zu medizinischen Daten siehe bereits Frage 5/6 S. 83. 230 BGH NJW 1992, 1822, 1823; 1985, 848, 849; BGH NJW 1978, 1519, 1520; Heinrichs in Palandt, § 305c Rn. 4; P. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305c Rn. 24. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 105 von 163 Hervorhebung auch verständlich verfasst sein, so dass ihre inhaltliche Bedeutung und Trag- weite erkennbar ist, um eine überraschende Wirkung von vornherein zu vermeiden 231 . Da die Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade abschreckend wirken soll, um die Weitergabe der Daten zu verhindern, ist eine Hervorhebung der Klausel ohnehin im Interesse des Langzeit- archivierungsverbundes. d) Unwirksamkeit der Klauseln nach den §§ 307 – 309 BGB Soweit die Klauseln Vertragsbestandteil geworden sind, stellt sich ferner die Frage, ob sie einer Prüfung nach § 307 BGB standhalten. Ob bei der Prüfung die §§ 308 und 309 BGB Anwendung finden, hängt davon ab, ob es sich bei dem jeweiligen Fremdforscher bzw. der Forschungseinrichtung um einen Unternehmer im Sinne der §§ 310 Abs. 1, 14 BGB handeln wird. Forschungseinrichtungen werden dabei in der Regel juristische Personen sein, so dass die Unternehmereigenschaft hier in der Regel gegeben sein wird. Die Wirksamkeit der Ihnen gestellten AGB ist damit gem. § 310 Abs. 1 BGB nur an § 307 BGB zu messen 232 . Bei Fremdforschern ist danach zu differenzieren, ob diese den Vertrag mit dem Langzeitarchivie- rungsverbund im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit schließen oder als Anges- tellte. Dabei wird grundsätzlich Letzteres der Fall sein, weshalb diese Fremdforscher regel- mäßig als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen sein werden. Die Ihnen gestellten AGB unterfallen damit auch der Prüfung der §§ 308 und 309. i. Unwirksamkeit der Verschwiegenheitsklausel Unabhängig davon, ob die §§ 308 und 309 BGB im jeweiligen Fall Anwendung finden oder ob sie nach § 310 Abs.1 BGB ausgeschlossen sind, ist ein Verstoß gegen die §§ 308 und 309 BGB durch Vereinbarung eines Weitergabeverbotes nicht ersichtlich. Somit bleibt zu prüfen, ob ein derartiges Verbot gegen § 307 BGB verstoßen würde. Zum einen ist jedoch keine Ab- weichung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ersichtlich. Zum anderen wird auch keine Gefährdung des Vertragszwecks gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ge- geben sein. Denn Grundlage des Nutzungsvertrages wird die Förderung der Forschung ande- rer Wissenschaftler sein, denen die an der Universität gewonnenen Daten zum Abruf bereit- gestellt werden. Dieser Vertragszweck wird jedoch nicht dadurch gefährdet, dass dem Fremd- forscher die Weitergabe an Personen untersagt wird, mit denen er nicht zusammenarbeitet. Solange sich das Weitergabeverbot also nicht auch auf Kollegen des Fremdforschers bezieht, die mit ihm unmittelbar zusammen arbeiten, wird seine forschende Tätigkeit, und damit die 231 BGH NJW 1996, 191, 192; WM 1984, 1056, 1058; P. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305c Rn. 24. 232 Siehe dazu bereits Frage 7 S. 90. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

<strong>KoLaWiss</strong>-Gutachten <strong>AP</strong> 4: <strong>Recht</strong> Seite 105 von 163<br />

Hervorhebung auch verständlich verfasst sein, so dass ihre inhaltliche Bedeutung und Trag-<br />

weite erkennbar ist, um eine überraschende Wirkung von vornherein zu vermeiden 231 . Da die<br />

Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade abschreckend wirken soll, um die Weitergabe der<br />

Daten zu verhindern, ist eine Hervorhebung der Klausel ohnehin im Interesse des Langzeit-<br />

archivierungsverbundes.<br />

d) Unwirksamkeit der Klauseln nach den §§ 307 – 309 BGB<br />

Soweit die Klauseln Vertragsbestandteil geworden sind, stellt sich ferner die Frage, ob sie<br />

einer Prüfung nach § 307 BGB standhalten. Ob bei der Prüfung die §§ 308 und 309 BGB<br />

Anwendung finden, hängt davon ab, ob es sich bei dem jeweiligen Fremdforscher bzw. der<br />

Forschungseinrichtung um einen Unternehmer im Sinne der §§ 310 Abs. 1, 14 BGB handeln<br />

wird. Forschungseinrichtungen werden dabei in der Regel juristische Personen sein, so dass<br />

die Unternehmereigenschaft hier in der Regel gegeben sein wird. Die Wirksamkeit der Ihnen<br />

gestellten AGB ist damit gem. § 310 Abs. 1 BGB nur an § 307 BGB zu messen 232 . Bei<br />

Fremdforschern ist danach zu differenzieren, ob diese den Vertrag mit dem Langzeitarchivie-<br />

rungsverbund im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit schließen oder als Anges-<br />

tellte. Dabei wird grundsätzlich Letzteres der Fall sein, weshalb diese Fremdforscher regel-<br />

mäßig als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen sein werden. Die Ihnen gestellten<br />

AGB unterfallen damit auch der Prüfung der §§ 308 und 309.<br />

i. Unwirksamkeit der Verschwiegenheitsklausel<br />

Unabhängig davon, ob die §§ 308 und 309 BGB im jeweiligen Fall Anwendung finden oder<br />

ob sie nach § 310 Abs.1 BGB ausgeschlossen sind, ist ein Verstoß gegen die §§ 308 und 309<br />

BGB durch Vereinbarung eines Weitergabeverbotes nicht ersichtlich. Somit bleibt zu prüfen,<br />

ob ein derartiges Verbot gegen § 307 BGB verstoßen würde. Zum einen ist jedoch keine Ab-<br />

weichung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ersichtlich. Zum<br />

anderen wird auch keine Gefährdung des Vertragszwecks gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ge-<br />

geben sein. Denn Grundlage des Nutzungsvertrages wird die Förderung der Forschung ande-<br />

rer Wissenschaftler sein, denen die an der Universität gewonnenen Daten zum Abruf bereit-<br />

gestellt werden. Dieser Vertragszweck wird jedoch nicht dadurch gefährdet, dass dem Fremd-<br />

forscher die Weitergabe an Personen untersagt wird, mit denen er nicht zusammenarbeitet.<br />

Solange sich das Weitergabeverbot also nicht auch auf Kollegen des Fremdforschers bezieht,<br />

die mit ihm unmittelbar zusammen arbeiten, wird seine forschende Tätigkeit, und damit die<br />

231 BGH NJW 1996, 191, 192; WM 1984, 1056, 1058; P. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305c Rn. 24.<br />

232 Siehe dazu bereits Frage 7 S. 90.<br />

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