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1 Das chinesische Weisheitsbuch Tao-te ching - und die Facette ...

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Im wei<strong>te</strong>ren beschränke ich mich vorwiegend auf den HSK-Kommentar in meiner eigenen<br />

Übersetzung. Der Kommentar zu Kapi<strong>te</strong>l 14 macht nun folgende Mit<strong>te</strong>ilung: "<strong>Das</strong> Eine ist<br />

völlig indifferent. Es ist sowohl wie gegenwärtig als auch wie tot <strong>und</strong> nicht vorhanden. Wir<br />

vermögen es nicht, das Eine zu erlangen <strong>und</strong> zu schauen." Dies scheint auch auf <strong>die</strong> folgende<br />

Passage des TTC hin angelegt zu sein, <strong>die</strong> da sagt: "Blicken wir zu ihm nach oben, wir sehen<br />

seinen Kopf nicht, folgen wir ihm, so sehen wir seinen Rücken nicht". Unser <strong>chinesische</strong>r<br />

Kommentar erläu<strong>te</strong>rt: "<strong>Das</strong> Eine hat keinen Anfang <strong>und</strong> kein Ende <strong>und</strong> wir vermögen es nicht,<br />

uns vorzuberei<strong>te</strong>n es zu erwar<strong>te</strong>n. Wenn wir [aber] unsere emotionalen Bindungen über Bord<br />

werfen <strong>und</strong> uns von unseren sinnlichen Begierden trennen, dann ruhen wir spontan schon in<br />

ihm". Hieraus können wir sicher folgern, daß das Eine schon immer da war, aber durch<br />

Emotionen <strong>und</strong> Begierden verdeckt wurde. Wei<strong>te</strong>r sagt HSK passend: "<strong>Das</strong> Eine hat keinen<br />

Schat<strong>te</strong>n <strong>und</strong> macht keine Spuren, <strong>und</strong> so kann es nicht ergriffen <strong>und</strong> geschaut werden".<br />

Sehr weitreichende Implikationen hat auch <strong>die</strong> folgende Aussage im TTC. Sie lau<strong>te</strong>t: "Hal<strong>te</strong><br />

dich an das <strong>Tao</strong> des Al<strong>te</strong>rtums, um das was heu<strong>te</strong> ist kontrollieren zu können <strong>und</strong> den Anfang<br />

des Al<strong>te</strong>rtums zu kennen. <strong>Das</strong> ist es denn, was Zeugnis von <strong>Tao</strong> heißt". Zusammengefaßt<br />

lau<strong>te</strong>t der <strong>chinesische</strong> Kommentar folgendermaßen: "Die Heiligen hiel<strong>te</strong>n sich an das <strong>Tao</strong> der<br />

Antike, welches das Eine hervorbrach<strong>te</strong>, um mit ihm all <strong>die</strong> Wesen zu kontrollieren. Sie<br />

wuß<strong>te</strong>n, was heu<strong>te</strong> präsent sein soll, das ist <strong>die</strong>ses Eine. Die Menschen vermögen es zu<br />

vers<strong>te</strong>hen, daß im hohen Al<strong>te</strong>rtum der gr<strong>und</strong>legende Anbeginn eben <strong>die</strong>ses Eine war. Und <strong>die</strong>s<br />

heißt denn, um Gesetz <strong>und</strong> Ordnung von <strong>Tao</strong> Bescheid wissen". (fin)<br />

Der Begriff <strong>Tao</strong> taucht im Abschnitt 14 des TTC erst in der abschließenden Passage auf.<br />

<strong>Das</strong> Wort <strong>Tao</strong> war verdeckt durch das Konzept der "Eins" oder des "Einen", was der<br />

<strong>chinesische</strong> Kommentar bestätigt, der <strong>die</strong>sen ganzen Abschnitt mit "Eulogie auf das<br />

himmlische Mys<strong>te</strong>rium" beti<strong>te</strong>lt (tsan-hsüan).<br />

Wir mögen uns fragen, was <strong>die</strong>ser Ihnen in zwei deutschen Übersetzungen vorliegende<br />

Abschnitt aus dem TTC im Sinne einer verbindlichen Weisheit ("<strong>Weisheitsbuch</strong>") mit<strong>te</strong>ilen<br />

könn<strong>te</strong>, wenn wir uns primär auf <strong>die</strong> In<strong>te</strong>rpretation des HSK verlassen. Es ist möglich, drei<br />

wesentliche inhaltliche Aspek<strong>te</strong> zu benennen, <strong>die</strong> sich m. E. auch in anderen Abschnit<strong>te</strong>n des<br />

TTC aufspüren lassen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> für uns richtungweisend sind:<br />

1) Es geht um <strong>die</strong> Wahrnehmung <strong>und</strong> Anerkennung einer Seinsdimension jenseits des<br />

Ma<strong>te</strong>riellen, jenseits des sinnlich wahrnehmbaren <strong>und</strong> physisch oder physikalisch fixierbaren.<br />

2) <strong>die</strong>se Seinsdimension liegt dem menschlichen Sein <strong>und</strong> der menschlichen Natur zugr<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> äußert sich in spirituellen (göttlichen) Seinspo<strong>te</strong>ntialen (shen), <strong>die</strong> allen Menschen zueigen<br />

sind <strong>und</strong> un<strong>te</strong>r der Bedingung einer inneren <strong>und</strong> äußeren Ruhe erfahren werden.<br />

3) <strong>die</strong>se Seinsgr<strong>und</strong>lage, das Eine (<strong>die</strong> Eins) oder <strong>Tao</strong>, war von den Heroen <strong>und</strong> Heiligen der<br />

Antike erfaßt worden <strong>und</strong> fand in der Regierung der Welt durch <strong>die</strong>se Heroen <strong>und</strong> Heiligen<br />

ihren Ausdruck. Es gibt also ein unge<strong>te</strong>il<strong>te</strong>s Sein, eine ewige Ordnung, sowohl im Menschen<br />

selbst, mit seinem Leib <strong>und</strong> all seinem Lebenspo<strong>te</strong>ntial, als auch in Staat <strong>und</strong> Gesellschaft.<br />

Diese drei Aspek<strong>te</strong> will ich exemplarisch anhand von Abschnitt 10 des TTC vertiefen. Ich<br />

präsentiere Ihnen <strong>die</strong> englische Übersetzung von Chan Wing-tsit zu Absch.10 en bloc<br />

(Tischvorlage!), <strong>und</strong> dann nochmals weitgehend en bloc den HSK-Kommentar, um Ihnen eine<br />

klare Übersicht zu ermöglichen (A Source Book in Chinese Philosophy, Princeton 1972, 3rd.<br />

edition).<br />

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