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1 Rechtsmedizin - Institut für Rechtsmedizin - Universität Rostock

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Forensische<br />

Traumatologie<br />

Kriminologie,<br />

Kriminalistik<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong><br />

Thanatologie<br />

- Einführung<br />

- Sterben, Tod, Todeszeitschätzung<br />

- Frühe und späte Leichenveränderungen<br />

- Leichenschau und Obduktion<br />

- Identifikation, Plötzlicher natürlicher Tod<br />

[69 Folien]<br />

Arztrecht,<br />

Klinische Medizin<br />

© Prof. Dr. med. Rudolf Wegener<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsmedizin</strong> der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Rostock</strong><br />

Hinweise: Sachdarstellung in stark verkürzter Form<br />

<strong>für</strong> Vorlesungszwecke; Änderungen vorbehalten<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong><br />

Forensische Toxikologie,<br />

Verkehrstoxikologie<br />

Themenbereiche<br />

Schuldfähigkeit<br />

(Alkohol, Drogen)<br />

Crux und Faszination der Interdisziplinarität<br />

Leichenschau,<br />

Obduktion<br />

Tatort,<br />

Tatortanalyse<br />

Arztrechtliches Konsil,<br />

Kunstfehlergutachten<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong><br />

Zeitraubender Gerichtsärztlicher Dienst<br />

Letale Intoxikationen,<br />

Probenanalytik<br />

Tätigkeitsbereiche<br />

Gutachtenerstattung<br />

vor Gericht<br />

Pathologische<br />

Anatomie<br />

Forensische<br />

Genetik<br />

Medizinische<br />

Ethik<br />

We2006/2007 2<br />

Untersuchung<br />

von Gewaltopfern<br />

Spurenanalytik,<br />

Abstammung<br />

Ethikkommissionen<br />

We2006/2007 3<br />

1


Rechtliche Relevanz von Todesfällen<br />

[n = 900.000 pro Jahr in Deutschland]<br />

• Rechtliche Relevanz nicht vorhanden [ (ca. (75 %) ]<br />

– Medizinische Anamnese bekannt<br />

– Todesursache plausibel<br />

• Rechtliche Relevanz nicht auszuschließen<br />

[ ca. 200 000 ( 20 - 24 %) ]*<br />

– Medizinische Vorgeschichte unklar<br />

– Plötzlicher Tod, Todesursache unbekannt<br />

– Begleitumstände unklar bzw. problematisch<br />

• Rechtliche Relevanz offenkundig [ ca. 12 000 (1-2 %) ]<br />

– Fremdverschulden bekannt oder möglich<br />

– Identität des Verstorbenen nicht sicher<br />

• Gefahr der forensischen Fehleinschätzung - Dunkelfeld<br />

We2006/2007 4<br />

Vorsätzliche Tötungsdelikte 1971-1999, ab 1993 Deutschland:<br />

Vollendete Fälle einschließlich Versuch<br />

[Anzahl] [HZ auf 100.000 Einw.]<br />

4500<br />

6<br />

4000<br />

3500<br />

5<br />

3000<br />

4<br />

2500<br />

2000<br />

3<br />

1500<br />

2<br />

1000<br />

500<br />

1<br />

0<br />

0<br />

1971 1980 1990 1993 1995 1997 1999 2002<br />

absolut Haufigkeitszahlen<br />

1. Periodischer Sicherheitsbericht 2001 http://www.bmi.bund.de<br />

2. Polizeiliche Kriminalstatistik 2003<br />

14 bis<br />

21 Jahre<br />

ab<br />

21 Jahre<br />

Anzahl der Anordnung von Freiheitsstrafen (1997/1998)<br />

Haftdauer in Jahren bei Erwachsenen (1998)<br />

Täterdaten Gewalttaten<br />

insgesamt<br />

Verdächtigte<br />

(TV)<br />

Verurteilte<br />

(absolut)<br />

Veurteilte<br />

(% der TV)<br />

Verdächtigte<br />

(TV)<br />

Verurteilte<br />

(absolut)<br />

Veurteilte<br />

(% der TV)<br />

Haftdauer in<br />

Jahren<br />

Mord<br />

Totschlag<br />

Vergewaltigung<br />

We2006/2007 5<br />

Raub Schwere<br />

Körperverl.<br />

94.869 909 1.654 32.193 65.144<br />

27.601 214 391 11.708 15.218<br />

29,1 % 23,5 % 23,6 % 36,4 % 23,4 %<br />

161.168 4.850 7.639 27.888 123.304<br />

32.520 1.471 1.711 8.209 20.651<br />

20,2 % 30,3 % 22,4 % 29,4 16,7 %<br />

7,93 4,4 3,87 1,62<br />

Periodischer Sicherheitsbericht 2001 http://www.bmi.bund.de<br />

Anmerkung: Aktualisierter Sicherheitsbericht nicht vorliegend<br />

We2006/2007 6<br />

2


<strong>Rechtsmedizin</strong> - Frühgeschichte<br />

• Alexandrier (nach 320 v.u.Z.)<br />

– Obduktionen u.a. durch Herophilos von Chalkedon und Erasistratos von Kos bis<br />

zum Beginn der Römerherrschaft (nach Angaben von Plinius, Celsus, Galen)<br />

• * Römer, Frühchristentum, Germanen<br />

– Leichenschau - nur wenn durch Gericht angeordnet: "inspectio cadaveris"<br />

Zwölftafelgesetz (Leges duodecim tabellarum) auf dem forum romanum 451 v.u.Z.<br />

(vulno: curabilis/ incurabilis)<br />

– Leichnam "religiosus“, so auch Hl. Augustinus: "De Civitate Dei" (354 - 430 u.Z.)<br />

Leichenraub = Friedlosigkeit.<br />

– Leichenschau statthaft - Merowinger unter Chlodwig mit ersten Vorschriften<br />

(Pactus legis Salicae 507 u.Z), Leiche als "corpus delicti"<br />

– Gerichtliche Wundbesichtung (Sachsenspiegel des Eike von Repgow 1230)<br />

• Leichenschau: ja - Obduktionen: nein<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong> - Juristische Wurzeln<br />

We2006/2007 7<br />

• Kanonisches Recht (Papst Innozenz III. 1209, Dekret)<br />

– Ärzte sollen Wunden Erschlagener untersuchen<br />

• Kaiserliches Recht (Friedrich II 1231, Constitutiones von Melfi)<br />

– Reglementierung von Mord und Totschlag, Verbot des „Gottesurteiles“<br />

• Peinliche Halsgerichtsordnung (Karl V. 1524, Reichstag zu<br />

Nürnberg, Constitutio Criminalis Carolinae - CCC)<br />

– Erstes deutsches Strafgesetzbuch<br />

– Forderung einer der Sache verständigen Person (Arzt), ausgenommen<br />

Kindestötung<br />

– Prüfung der Schuldfähigkeit Jugendlicher und Geisteskranker<br />

Start <strong>für</strong> die Entwicklung der Gerichtsmedizin (Gutachtenmedizin), auch: StGB<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong> - <strong>Institut</strong>ionalisierung<br />

We2006/2007 8<br />

• Obduktion bei dubiosen Todesällen (<strong>Universität</strong> Bologna 1302)<br />

– Mehrere Obduzenten<br />

– Verfassen eines Obduktionsprotokolles (Kasuistik des Azzolino)<br />

• 1. „modernes“ Lehrbuch: Quaestiones medico-legales 1621<br />

(Paolo Zacchia, päpstlicher Leibarzt - „Vater“ der Gerichtsmedizin)<br />

– Vergiftungen, vitale und postmortale Verletzungen<br />

– Virginität, Vergewaltigung, Schwangerschaft, Geburt<br />

– Ärztliche Kunstfehler<br />

• Gerichtsmedizin als universitäres Lehrfach (ab 17. Jahrh.)<br />

– Leipzig, Halle, Göttingen, Erlangen, Königsberg, <strong>Rostock</strong> u.a.<br />

• Allgemeine Totenschau in Wien (1754)<br />

• <strong>Institut</strong>e <strong>für</strong> Gerichtsmedizin in Wien (1829) und Berlin (1856)<br />

We2006/2007 9<br />

3


<strong>Rechtsmedizin</strong> - Literaturhinweise<br />

• <strong>Rechtsmedizin</strong> systematisch<br />

– R. Penning<br />

– UNI-MED 2006<br />

• Ökologisches Stoffgebiet<br />

Duale Reihe<br />

– Hrsg. A.u. K. Bob<br />

– Hippokrates Verlag<br />

• Praxis <strong>Rechtsmedizin</strong><br />

– Hrsg. B. Madea<br />

– Springer 2006(7)<br />

• Die ärztliche Leichenschau<br />

– B. Madea(Hrsg.)<br />

– Springer 1999<br />

• Forensische Medizin<br />

– O.Prokop und W.Göhler<br />

– VEB Volk und Gesundheit 1975<br />

– Antiquarisch (spez. Interessenten)<br />

• Handbuch <strong>Rechtsmedizin</strong> I, II<br />

– Hrsg. Brinkmann/Madea (1)<br />

– Hrsg. Madea/Brinkmann (2)<br />

– Springer 2003<br />

Sterben und Tod: Hirntod = Individualtod<br />

• Agone<br />

• Vita reducta<br />

• Klinischer Tod<br />

• Vita minima<br />

vital<br />

(Reversibilität)<br />

supravital / postmortal<br />

(Irreversibilität)<br />

Partialtodreihe postmortale Reaktionen und Veränderungen<br />

•ZNS<br />

•Herz<br />

• Leber<br />

•Nieren<br />

Hirntod<br />

• Dissoziierter R Hirntod<br />

• Chronic vegetative state<br />

Biologischer Tod<br />

We2006/2007 10<br />

supravitale Reaktionen<br />

Frühe Leichenerscheinungen<br />

• Zelluläre Rkk • Totenflecke<br />

Späte Leichenersch.<br />

• Autonome Rkk. • Totenstarre<br />

• Auto- Heterolyse<br />

Hirntod ist eine Konvention [Transplantationsgesetz,TPG 1997]:<br />

Irreversibler Ausfall aller Hirnfunktionen<br />

Individualtod - Kriterien<br />

• Bewusstsein<br />

– Tiefe Bewusstlosigkeit / Koma<br />

• Atmung und Kreislauf<br />

– Ausfall der Spontanatmung nach künstlicher Beatmung<br />

– Herz-Kreislaufstillstand nach Herzmassage / Defibrillation (Nulllinien-<br />

EKG)<br />

• Reflexe<br />

– Weite lichtstarre Pupillen<br />

– Areflexie (okulozephaler Reflex, Kornealreflex)<br />

– Fehlende Reaktion auf Schmerzreize im Trigeminusbereich<br />

– Muskelatonie und Areflexie der Extremitäten<br />

Klinischer Tod → Wiederbelebungszeit !!! → Individualtod<br />

We2006/2007 11<br />

We2006/2007 12<br />

4


Hirntod - Diagnostik - Wiss. Beirat der BÄK [1997]*<br />

supratentoriell<br />

Erwachsene Kinder < 2J<br />

Irreversibilitätsnachweis<br />

Beobachtungszeit<br />

Akute Hirnschädigung<br />

primär sekundär<br />

Kinder > 2J<br />

Neugeborene<br />

Ergänzende Befunde<br />

Null-Linien-EEG<br />

Zirkulationsstillstand<br />

Erloschene EP<br />

12 h 24 h 72 h sofort<br />

Akute Hirnschädigung: Apnoe, Koma, Hirnstamm-Areflexie<br />

Unsichere Todeszeichen: Reanimationspflicht<br />

• Abkühlung *<br />

• Areflexie<br />

• Atemstillstand<br />

• Atonie der Muskulatur<br />

• Bleiches Hautkolorit (Leichenblässe)<br />

• Herzstillstand / Pulslosigkeit<br />

• Lichtstarre Pupillen<br />

We2006/2007 13<br />

Bei Abkühlung ist besondere Vorsicht geboten (gilt auch bei Einsatz portabler<br />

EKG-Geräte) DD: Unterkühlung<br />

Vita minima (Scheintod) - Ursachen<br />

[A-E-I-O-U-Regel nach BAHRMANN et al. 1968]<br />

• A = Alkohol; Anoxämie (CO-Vergiftung), Anämie<br />

• E = Epilepsie, Elektrizität (incl. Blitzschlag)<br />

• I = Injury (SHT, mutiples Trauma, Schock)<br />

• O = Opium ( incl. andere Betäubungsmittel, Narkotika u.a.<br />

Psychopharmaka)<br />

• U = Unterkühlung, Urämie u. andere Stoffwechselkomata<br />

We2006/2007 14<br />

Alkohol, Unterkühlung bzw. Psychopharmaka:<br />

Reanimieren und Therapieren bis zum Auftreten sicherer Todeszeichen<br />

We2006/2007 15<br />

5


Supravitale Reaktionen<br />

[Schätzung der Todeszeit in der frühen Postmortalphase] *<br />

• Mechanische Erregbarkeit (Reflexhammer etc.)<br />

– Sehnenreflex nach ZSAKO: < 2 h<br />

– Idiomuskulärer Wulst: < 6 ( - 12) h<br />

• Elektrische Erregbarkeit (Reizgerät - 30 mA, 50 Impulse/s, 10 ms)<br />

– Zerhackter Gleichstrom (nach Ort der Exposition): < 4 h ( - 12) h<br />

• Pharmakologische Erregbarkeit glatter Irismuskulatur<br />

– Miosis (Acetylcholin 5%) < 18 (12 - 36) h<br />

– Mydriasis (Adrenalin 1%) < 18 (12 - 36) h<br />

– Doppelreaktionen (Mydriasis - Miosis) < 12 h<br />

- Domäne des <strong>Rechtsmedizin</strong>ers<br />

- Fehlerquote proportional der Zeitdauer post mortem<br />

- Todeszeitschätzung nur durch Interpretation von<br />

Befundkombinationen erforderlich<br />

Synopsis der Leichenerscheinungen<br />

We2006/2007 16<br />

• Frühe Leichenveränderungen<br />

– Totenflecke (Livores)<br />

– Totenstarre (Rigor mortis) Übergänge fließend<br />

– Totenkälte (Algor mortis)<br />

Cave: Abkühlung = Unsicheres Todeszeichen<br />

• Späte Leichenveränderungen<br />

– Vertrocknung (Eintrocknung)<br />

– Autolyse<br />

– Fäulnis (Dekomposition) Sonderform: Tod im Wasser<br />

Durch Eintrocknungen können diskrete Befunde bei verzögerter<br />

Leichenschau nach 12 h und später verstärkt auftreten !!!<br />

Totenflecke - Bedingungsgefüge<br />

We2006/2007 17<br />

• Nachlassen der Herzkraft<br />

– Stase → „Kirchhofrosen“ → Turgorverlust<br />

• Herzstillstand<br />

– Hypostase (vis a tergo) → Totenflecke an abhängigen Partien<br />

→ Eintrocknungen der Epithelien<br />

• Gefäßpermeabilität ↑ → Hämokonzentration (Verlagerbarkeit ↓)<br />

• Autolyse, Fäulnis → Hämolyse, Hämoglobindiffusion (Fixation ↑ )<br />

Innerhalb der Totenflecke postmortale kutane Rhexisblutungen - Vibices<br />

Differentialdiagnose: Petechiale Erstickungsblutungen<br />

We2006/2007 18<br />

6


Totenflecke (livores) erstes sicheres Todeszeichen !<br />

Richtwerte post mortem<br />

• Beginn 5 - 30 min<br />

• Konfluktion inkomplett 0,5 - 6 h<br />

• Konfluktion vollständig 6 - 12 h<br />

• Umlagerbarkeit 2 - 12 (20) h<br />

– Vollständig 2 - 6 h<br />

– Teilweise 6 - 12 (20) h<br />

– Fehlend > 12 (20) h<br />

• Wegdrückbarkeit 12 - 36 (48) h<br />

– Vollständig: 12 - 20 h<br />

– Teilweise: 36 - 48 h<br />

Totenstarre<br />

Pflichtrepertoire<br />

jeden Leichenschauarztes<br />

!<br />

Grobe Richtwerte:<br />

Schätzung !<br />

Bei Problemen<br />

Konsultation suchen !<br />

We2006/2007 19<br />

[Abfall des ATP-Spiegels < 85%]<br />

• Muskelkontraktion in vivo: Nervaler Impuls über motor. Endplatte<br />

Aktin wird in Myosin "hineingezogen“ *<br />

• Folgereaktion in vivo: Ca ++ Freisetzung<br />

Aktivierung der myofibrilläre ATPase<br />

• ATP- Verbrauch durch Bindung an Myosin<br />

• Resynthese : ADP AMP ATP<br />

CPK *Gleitfilamenttheorie (HUXLEY u. HANSON 1978)<br />

Energieressource: Glucose / Glycogenolyse<br />

ATP hält Aktin und Myosinfilamente auseinander = Weichmachereffekt in vivo<br />

•<br />

Totenstarre (Rigor mortis)<br />

Zeitliche Verhältnisse<br />

Beginn 2 - 4 h [3 ± 2] h<br />

• Vollständige Ausprägung 6 - 12 h [8 ± 1] h<br />

• Wiederauftreten nach<br />

Lösung 3 - 9 h<br />

• Dauer 48 - 72 h [57 ± 14] h<br />

• Vollständige Lösung 2 - 3 (10) d [76 ± 32] h*<br />

We2006/2007 20<br />

* Henßge/Madea<br />

Eintritt der Totenstarre: Verlust der Phosphatreserven<br />

-- Große und kleine Körpergelenke prüfen (Beschleunigt bei geringer Muskelmasse) !<br />

-- Ausprägung beschreiben (fehlender bis starker sehr starker Widerstand) !<br />

Lösung der Totenstarre: Proteinolyse (Beschleunigt bei höheren Temperaturen) !<br />

We2006/2007 21<br />

7


Postmortale Temperaturangleichung<br />

• Mechanismen<br />

– Konduktion und Konvektion<br />

• Aufbau eines Temperaturgefälles von Köperkern zu Körperschale<br />

– Strahlung<br />

– Verdunstung<br />

• Messung<br />

– Tiefe rektale Messung ( 8 cm proximal von Sphincter ani) -<br />

Digitalthermomter<br />

– Umgebungstemperatur<br />

Einflussgrößen auf das Temperaturgefälle beachten<br />

• Änderungen der Umgebungstemperatur<br />

• Lageänderungen der Leiche<br />

Todeszeitschätzung - Abkühlung (Algor mortis)<br />

• Regelhafter Verlauf<br />

– Initiale Hemmung bis zu 3 Stunden pm: 0,5 oC pro Stunde<br />

– Linearer Abfall bis zu 12 Stunden pm: 1 oC pro Stunde<br />

– Terminale Verzögerung: Bei Angleichung an Milieutemperatur<br />

• Verzögerung<br />

– Übergewicht<br />

– Kauernde Körperhaltung<br />

– Kleidung/ Bedeckung !<br />

– Hohe Milieutemperatur<br />

• Beschleunigung<br />

– Feuchtigkeit/ Luftbewegung<br />

– Untergewicht<br />

– Ausgestreckte Körperhaltung<br />

Gilt <strong>für</strong> Raumtemperatur - Leiche unbekleidet<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong>er verwenden Nomogramm nach HENSSGE-MADEA<br />

Späte Leichenveränderungen - Kurzdefinitionen<br />

• Autolyse<br />

– Zersetzen der Parenchyme durch körpereigene Enzyme<br />

We2006/2007 22<br />

We2006/2007 23<br />

• Fäulnis (Bakterielle Heterolyse)<br />

– Bakterielle Zersetzung durch körpereigene ubiquitäre apathogene Keime<br />

• Abbau von Proteinen über Peptide zu Aminosäuren bzw. Ammoniak<br />

– (Peptide= Ptomaine: Putreszin, Kadaverin u.a.)<br />

• Zerlegung der Fette in Glyzerin und Fettsäuren<br />

– Gesättigte Fettsäuren<br />

– Ungesättigte Fettsäuren<br />

•Legende Leichengift : Gefährdung des Obduzenten durch Infektionen in der<br />

frühen postmortalen Phase: Hepatitis (B,C), [HIV], Tuberkulose<br />

We2006/2007 24<br />

8


Progression der Fäulnis [Temp. bei 20 o C]<br />

• 1 -2 Tage<br />

Hämolyse, Eintrocknung von Kornea und Konjunktiva, Gastromalacia acida,<br />

Lyse von Pankreas u. Nebennierenmark, Fäulnishypostase der Lungen<br />

• 3 -5 Tage<br />

„Durchschlagen“ des Venennetzes, Grünfärbung der Haut (zuerst<br />

Unterbauch re., Sulfhämoglobin), Austritt von Fäulnisflüssigkeit (rötl. tingiert)<br />

aus Körperöffnungen<br />

• 5 - 12 Tage<br />

Körperoberfläche grün, Gesicht und Hals verstärkt bräunlich-grün,<br />

Gasblähung von Abdomen, Scrotum, Vulva, beginnende Fäulnisblasen<br />

Epidermis überwiegend noch anhaftend, Finger- und Zehennägel fest<br />

• 5 - 20 Tage<br />

Aufdunsung, Gasknistern, Oberhaut z.T. abgelöst, Haare und Fingernägel<br />

ausziehbar, Verfärbung von Iris und Sklera<br />

•Variabilität beachten<br />

We2006/2007 25<br />

Liegezeitschätzung - Späte Leichenveränderungen<br />

• Skelettierung<br />

– Im Freien (>) 1Monat bis 1Jahr<br />

– Erdgrab 3 - 4 Jahre<br />

– Knorpelabbau 6 Jahre<br />

– Kompletter Weichteilverlust 10 Jahre<br />

– Knochenbrüchigkeit (Demineralisierung) 30 Jahre<br />

• Konservierende Leichenveränderungen: Cave !!!<br />

– Mumifikation 1 Monat bis Jahre<br />

– Fettwachs (Adipocire)* 3 Monate bis Jahre<br />

– Kältekonservierung<br />

– Moorleichen<br />

• Casper`sche Regel zur Liegezeit:<br />

• Luft / Wasser / Erdgrab : 1 / 2 / 8<br />

• Inkomplette Dekompositionsvorgänge beachten<br />

* Fettwachsbildung = Prinzip der Fetthärtung durch Spaltung (Hydrolysierung der Doppelbindungen<br />

der ungesättigten Fettsäuren: Feuchtes Milieu und PH-Wert im alkalischen Bereich)<br />

Todeszeitschätzung - Entomologische Befunde<br />

• Metamorphosezyklus<br />

– Eiablage Agone/ unmittelbar p. m.<br />

– Ausbildung von Maden 2 Tage p.m.<br />

– Larven/ Puppen 10 Tage p.m.<br />

• Fliegenmaden als biologische " Karnivoren"<br />

– Musca domestica<br />

– Lucilia caesar<br />

– Lucilia sericata<br />

– Calliphora erythrocephala<br />

• Forensische Entomologie - Anhaltspunkte<br />

• Zyklus bei hohen Temperaturen sehr beschleunigt<br />

• Madenwachstum pro Tag etwa 1 mm<br />

• Mehrere Zyklen nebeneinander >> 1 Woche<br />

We2006/2007 26<br />

We2006/2007 27<br />

9


Rechtsnatur der Leiche<br />

• Leichnam ist weder Mensch noch Sache, dennoch geschütztes<br />

Objekt des Rechtes<br />

– Fortdauerndes Persönlichkeitsrecht gemäß Grundgesetz<br />

– Totensorgerecht und Bestattungspflicht der Angehörigen<br />

– § 168 StGB [Störung der Totenruhe]: Bestraft wird,wer<br />

• unbefugt eine Leiche, Leichenteile, eine Leibesfrucht, Asche<br />

wegnimmt,<br />

• daran beschimpfenden Unfug erübt,<br />

• eine Beisetzungsstätte zerstört oder beschädigt<br />

• Leiter einer medizinischen Einrichtung ist Gewahrsamsinhaber<br />

• Rechtsgrundlagen <strong>für</strong> Umgang mit Leichen unbefriedigend geregelt<br />

We2006/2007 28<br />

Ärztliche Leichenschau - Aufgaben<br />

• Feststellung des Todes und der Identität<br />

– Beendigung des normativen Lebensschutzes<br />

– Personenstandsregister<br />

• Todesursache<br />

– Qualitätskontrolle<br />

– Todesursachenstatistik<br />

– Gesundheitspolitik, Ressourcen<br />

• Todesart<br />

– Erkennung von Tötungsverbrechen, Kriminalprävention<br />

– Klassifikation von Todesumständen <strong>für</strong> zivil-, versicherungs- und<br />

versorgungsrechtliche Fragen<br />

• Todeszeit<br />

– Fahndungstätigkeit<br />

– Erbrecht<br />

• Meldepflichten<br />

– Nichtnatürliche/ungeklärte Todesart<br />

– Unklare Identität<br />

– Infektionsschutzgesetz (IfSG)<br />

Ärztliche Leichenschau: Checkliste - Ereignisort<br />

• Verstorbener aufgefunden von ?<br />

– Informationen zur Todeszeit<br />

– Informationen zur Todesursache<br />

We2006/2007 29<br />

• Veränderungen durch Dritte ?<br />

– Nichtärztliche medizinische Hilfe<br />

– Aufbettung durch Angehörige, Veränderung an Kleidung und Umgebung<br />

• Auffälligkeiten an der Bekleidung ?<br />

– Beschädigungen, Substanzauflagerungen<br />

– Blutanhaftungen<br />

• Umfeld ?<br />

– Allgemeiner Eindruck der Wohnung (Verwahrlosung, Schnapsflaschen,<br />

Kampfspuren u.s.w.)<br />

– Medikamente, Spritzen, Rezepte, Toxika<br />

We2006/2007 30<br />

10


Leichenuntersuchung - Checkliste<br />

• Totenflecke<br />

(Farbe und Intensität)<br />

• Behaarte Kopfhaut<br />

(Inspizieren und Palpieren)<br />

• Gesichtshaut<br />

(Petechien, Hämatome)<br />

• Augen<br />

(Ektropionieren: Konjunktiven,<br />

Pupillen)<br />

• Mund, Nase<br />

(Foetor, Blut, Sekret, Verätzungen)<br />

• Mundhöhle, Zähne, Zunge<br />

(Inhalt, Verletzungen)<br />

• Hals<br />

(Epitheldefekte, Beweglichkeit)<br />

• Thorax, Rücken<br />

(Symmetrie, Hautemphysem)<br />

Totenflecke - Checkliste<br />

Ätiologie - Mechanismus<br />

– Regelfall, Venöses Blut<br />

– Kohlenmonoxid - CO-Hb<br />

– Cyanid - Hemmung der<br />

Zytochromoxidase<br />

– Fluoroacetat - Hemmung des Zitratzyklus<br />

– Kälte - Hemmung der O 2 -Dissoziation des<br />

Hb<br />

– Natriumchlorat, Nitrite, Nitrate -<br />

Methämoglobin<br />

– Hydrogensulfid - Sulfhämoglobin<br />

• Genitale<br />

(Blut, Urinabgang, Verletzungen)<br />

• Afteröffnung<br />

(Kotaustritt)<br />

• Schwangerschaftszeichen<br />

(Dunkle Warzen höfe, ggf. Striae,<br />

Tastbefund)<br />

• Extremitäten<br />

(Abnorme Beweglichkeit,<br />

Hämatome)<br />

• Hand, Unterarm<br />

(Narben am Handgelenk, Defekt der<br />

Fingernägel, Strommarken,<br />

Schürfungen, Brandnarben,<br />

Abwehrverletzungen,<br />

Injektionsstichstellen)<br />

We2006/2007 31<br />

Farbe<br />

– Blaulivide<br />

– Hellrot<br />

– Hellrot<br />

– Hellrot<br />

– Hellrot<br />

– Bräunlich<br />

– Grünlich<br />

Leichenschaufehldiagnosen - Konsequenzen<br />

• Gesundheitspolitische Aspekte<br />

– Qualitätsmanagement<br />

– Mortalitätsstatistik<br />

– Gesundheitspolitische Strategien<br />

• Verzögertes Erkennen des Panoramawandels von Krankheiten<br />

• Verkennen von sozialen und demographischen Aspekten<br />

– z.B. Schenkelhalsfraktur als Grundleiden<br />

– Dekubitalulzera als Grundleiden / wesentliche Begleitkrankheit<br />

• Rechtsaspekte<br />

– Kriminal- und Unfallprävention<br />

– Verletzung von Menschenrechten<br />

– Versagen von Versicherungsansprüchen und/ oder Sozialleistungen<br />

– Verstöße gegen das Prinzip der Rechtsgleichheit<br />

• Konsequenzen im Einzelfall nicht immer erkennbar,<br />

häufig kein feed back ! [Tote ohne Lobby]<br />

We2006/2007 32<br />

We2006/2007 33<br />

11


Strukturmängel der Leichenschau in Deutschland<br />

• Keine bundeseinheitliche Regelung (Landesrecht)<br />

• Völlig unzureichende Honorierung im Verhältnis zum Aufwand einer<br />

sachgerechten Leichenuntersuchung<br />

• Unübersichtlich konfigurierte Todesbescheinigungen<br />

• Fehlende Ressourcen <strong>für</strong> eine Leichenschau durch rechtsmedizinische<br />

Experten im Problemfall<br />

• Hinnahme offener Punkte zur Todesursache/Todesart durch die Behörden,<br />

insbesondere beim Fehlen konkreter Hinweise auf eine Straftat<br />

• Verzicht auf Sanktionen bei groben Fehlleistungen der Leichenschau<br />

Äußere Leichenschau - Objektive Fehlerquellen<br />

• Keine Anamnese verfügbar / eruierbar<br />

• Fortgeschrittene Leichenveränderungen<br />

• Erkrankungen ohne äußere Manifestation<br />

• Intoxikationen<br />

• Spurenarme Tötungsdelikte<br />

• Spurenverdeckung durch Multitraumata<br />

• Multimorbidität<br />

• Leichenschaudiagnose - häufig vage Verdachtsdiagnose<br />

Äußere Leichenschau - Subjektive Fehlerquellen<br />

We2006/2007 34<br />

We2006/2007 35<br />

• Mangelnde Sorgfalt<br />

– Geringe Leichenschauerfahrung<br />

– Zeitnot<br />

– Mangelnde Zuwendung<br />

• Unvollständiges Entkleiden der Leiche<br />

• Oberflächliche Untersuchung bei ungünstigen äusseren Bedingungen<br />

• Kritiklose Übernahme von Angaben Dritter<br />

• Wahrnehmung der Interessen Angehöriger<br />

• "Kreation" von Todesursachen<br />

• Nachlässigkeit beim Ausfüllen der Todesbescheinigung<br />

We2006/2007 36<br />

12


Ärztliche Leichenschau und Obduktion (I) *<br />

• Definition des Leichnams (§ 1)<br />

– Sichere Zeichen des Todes, mit dem Leben unvereinbare Verletzungen<br />

– Totgeborenes > 500g<br />

– Lebendgeborenes (Herzschlag oder Pulsation der Nabelschnur oder<br />

Lungenatmung)<br />

• Vornahme der Leichenschau (§ 3 Abs. 3)<br />

– Jeder niedergelassene Arzt<br />

– Jeder im Krankenhaus tätige Arzt (AiP bei entsprechender Qualifikation)<br />

– Im Rettungswagen ohne Arzt: Diensthabender Arzt des nächstgelegenen<br />

Krankenhauses<br />

• Ärzte im Notfall- und Rettungsdienst (§ 3 Abs. 4)<br />

– Privileg der Ärzte im Rettungsdienst: Arzt kann sich auf Todesfeststellung<br />

beschränken, wenn der da<strong>für</strong> sorgt, dass ein anderer Arzt die vollständige<br />

Leichenschau durchführt<br />

• Landesrecht ! - hier: BestattG M-V<br />

Ärztliche Leichenschau und Obduktion (II)<br />

We2006/2007 37<br />

• Meldepflicht bei nichtnatürlichem Tod, § 4 Abs. 3<br />

– Ist durch äußere Merkmale bereits erkennbar oder lässt es sich nicht<br />

ausschließen, dass es sich um einen nichtnatürlichen Tod handelt, oder handelt<br />

es sich um einen unbekannten Toten, hat der Arzt unverzüglich die Polizei oder<br />

Staatsanwaltschaft zu verständigen.<br />

• Absehen von der Leichenschau bzw. von der Fortführung<br />

• Sicherung des Leichnams bis zum Eintreffen der Polizei<br />

– Nichtnatürlicher Tod: Selbsttötung, Unfall, Einwirkung Dritter<br />

• Meldepflicht und Verhalten gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG)<br />

– Kennzeichnen der Leiche bei Infektionsgefahr<br />

– Meldepflichten bei Infektionskrankheiten gemäß Abschn. 3 § 6 IfSG<br />

• Leichenschauarzt als zentrale Figur bei der<br />

Erfassung nichtnatürlicher Todesfälle !!!<br />

Ärztliche Leichenschau und Obduktion (III)<br />

We2006/2007 38<br />

• § 8 Aufbewahrung und Beförderung von Leichen<br />

– Innerhalb von 36 Stunden in Leichenhalle (Leichenaufbewahrungsraum)<br />

– Nur zugelassene Leichentransportfahrzeuge und Särge (gilt nicht <strong>für</strong> die<br />

Bergung von Leichen)<br />

– Transport aus / in andere(n) Bundesländer(n) bzw. Ausland mit<br />

Leichenpass<br />

• § 9 Bestattungspflicht<br />

– Leichen sind zu bestatten (Tot- und Fehlgeborene > 1000g)<br />

– Bei Gewicht < 1000g auf Wunsch eines Elternteiles<br />

– Beseitigung dem sittlichen Empfinden und den Hygienevorschriften<br />

entsprechend<br />

– Bei fehlenden Bestattungspflichtigen: Ordnungsbehörde der Kommune<br />

• Leichnam nicht in der Verfügung von Angehörigen<br />

We2006/2007 39<br />

13


Ärztliche Leichenschau und Obduktion (IV)<br />

• §§ 10, 11 Bestattungsart und -voraussetzungen<br />

– Erd- bzw. Feuerbestattung (auch: Seebestattung)<br />

– Bestattung 48 h p.m., Leichenschau<br />

– Vermerkung über Eintrag ins Sterbebuch oder Bestattungsschein<br />

(Freigabe)<br />

• § 12 Feuerbestattung<br />

– Zweite Leichenschau durch Beauftragten des Amtsarztes erforderlich<br />

– Nicht zulässig bei unbekannten Verstorbenen<br />

– Bei ungeklärter oder nichtnatürlicher Todesart nur nach Vorlage eines<br />

Bestattungsscheines (Freigabe)<br />

• § 13 Beisetzung<br />

– Nur auf Friedhöfen, Urne ggf. in Kirche<br />

– Mindestruhezeit <strong>für</strong> den Friedhof (20 Jahre)<br />

Todesbescheinigung - Grundregeln<br />

• Die Todesbescheinigung ist ein Dokument<br />

• Todesbescheinigung (Sterbeschein) unverzüglich ausfüllen<br />

• Offene Punkte ausweisen<br />

– Verstorbener Unbekannt<br />

– tot aufgefunden am<br />

– Todesursache nicht bekannt<br />

• Kausalzusammenhang beachten<br />

– Angaben zum Grundleiden (Todesursache)<br />

– Zuordnung der Folgezustände (zum Tode führendes Ereignis)<br />

– Darstellung der wesentlichen Nebenumstände<br />

– Angaben zur Todesart<br />

We2006/2007 40<br />

We2006/2007 41<br />

Innere Leichenschau - Nicht erzwingbare Obduktionen<br />

• Klinische Sektionen (nicht gesetzlich geregelt)<br />

– Einwilligung der Angehörigen<br />

– Anwendung des § 15 Abs. 1 AVB* , wenn kein ausdrücklicher<br />

Widerspruch der Angehörigen vorliegt (sog. Sektionsklausel)<br />

• Private Sektionen<br />

– §§ 1559 ff der Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911,<br />

Veranlassung durch Berufsgenossenschaften<br />

– Private Versicherungssektion bei entsprechender Sektionsklausel<br />

– auf Verlangen der Angehörigen<br />

• Anatomische Präparation (Zergliederung) bei Verfügung zu<br />

Lebzeiten<br />

• Landesrechtliche Regelung beachten !<br />

We2006/2007 42<br />

14


Innere Leichenschau - Erzwingbare Obduktionen<br />

• § 87 Abs. 2 StPO - Anordnung des Richters / Staatsanwaltes<br />

• Obduktionspflichtige Krankheiten gemäß<br />

Infektionsschutzgesetz [IfSG] - Anordnung über Amtsarzt<br />

• § 3 Abs. 2 Feuerbestattungsgesetz vom 15.5. 1934 (wenn im<br />

Landesrecht verankert) - Anordnung über Amtsarzt<br />

• Erforderliche Obduktionsdichte: 25 %<br />

• Obduktionsfrequenz in Deutschland: < 6 %<br />

Begriff des nichtnatürlichen Todes<br />

[Todesursache Todesart]<br />

Naturwissenschaftliche<br />

Definition<br />

– Nichtnatürliche (exogene)<br />

Ursache<br />

– Reine<br />

Kausalitätsverknüpfung<br />

– Wertneutrale<br />

Tatsachenfeststellung<br />

Todesursache<br />

We2006/2007 43<br />

Juristische (polizeiliche)<br />

Definition<br />

– Rechtswidrige Tat in<br />

Frage kommend<br />

– Kausalitätsverknüpfung<br />

zunächst nachgeordnet<br />

– Teleologische<br />

Betrachtung<br />

Todesart<br />

We2006/2007 44<br />

Unnatürlicher Tod*- [Legaldefinition nicht vorliegend]<br />

• Nichtnatürlicher Tod (§ 159 StPO)<br />

– Selbstmord, Unfall, rechtswidrige Tat (§11 Abs.1 Nr. 5 StGB)<br />

– Sonst durch Einwirkung von außen herbeigeführt<br />

• Leichnam eines Unbekannten<br />

• Anhaltspunkte<br />

– (...) müssen konkret sein und wenigstens auf eine entfernte Möglichkeit<br />

einer Straftat hindeuten<br />

• Spuren, die auf Gewalteinwirkung hindeuten<br />

• Ort der Auffindung<br />

• Bei jüngeren Menschen sogar aus dem Fehlen von Anhaltspunkten <strong>für</strong> einen<br />

natürlichen Tod<br />

•Kommentierungen § 159 StPO, Bestattungsgesetze der Länder<br />

We2006/2007 45<br />

15


§ 159 Strafprozessordnung (StPO)*<br />

[Unnatürlicher Tod, Leichenfund]<br />

• § 159 dient der Beweissicherung <strong>für</strong> den Fall, dass der Tod<br />

durch eine Straftat eines anderen herbeigeführt worden ist.<br />

• Adressat der „sofortigen Anzeige“, die keine Strafanzeige,<br />

sondern eine Information darstellt, ist die Staatsanwaltschaft des<br />

Ortes, wo sich die Leiche befindet.<br />

• Die Information (Anzeige) beinhaltet lediglich den ohne<br />

Obduktion nicht auszuräumenden Verdacht eines<br />

nichtnatürlichen Todes.<br />

* Kleinknecht-Meyer-Goßner, Kommentar §159 StPO<br />

• Die „Leichensache“ ist kein Ermittlungsverfahren !<br />

Unnatürlicher Tod*<br />

[Medizinischer Heileingriff]<br />

We2006/2007 46<br />

Der Tod nach Operation [ Heileingriff] fällt nur<br />

unter § 159 StPO, wenn vorliegen:<br />

– wenigstens entfernte konkrete Anhaltspunkte<br />

<strong>für</strong> einen Kunstfehler<br />

– oder <strong>für</strong> sonstiges Verschulden des<br />

behandelnden Personals<br />

* Kleinknecht-Meyer-Gossner, Kommentar § 159 StPO Rz. 2<br />

§ 160 Strafprozessordnung (StPO) -<br />

[Ermittlungsverfahren]<br />

We2006/2007 47<br />

• § 160 StPO dient der Frage, ob der Verdacht einer Straftat <strong>für</strong><br />

eine öffentliche Anklage hinreichend ist.<br />

• Die Staatsanwaltschaft hat auch die zur Entlastung dienenden<br />

Umstände zu ermitteln.<br />

• Die Ermittlungen betreffen auch Umstände <strong>für</strong> Bestimmung der<br />

Rechtsfolgen, wobei Gerichtshilfe erforderlich werden kann<br />

(Beschlagnahmung von Krankenunterlagen).<br />

• Ermittlungsverfahren werden in >> 90 % der Fälle eingestellt !<br />

We2006/2007 48<br />

16


Leichenschaufehldiagnosen*<br />

• Gesamtpopulation: Diskrepanz von Relevanz: 15 - 20 Prozent<br />

• Ambulant Verstorbene: Diskrepanz von 30 - 40 Prozent<br />

• Stationär Verstorbene: Diskrepanz von 5 - 10 Prozent<br />

• Todesart / ausgewählte Todesursachenkategorien<br />

– Nichtnatürlicher Tod insgesamt: Defizit von 30 - 50 Prozent<br />

– Verkehrsunfälle: Defizit von 25 Prozent ( insb. Spätfolgen)<br />

– Suizide: Defizit von 25 Prozent nicht kodiert (insb. Intoxikationen)<br />

– Tötungsdelikte: Defizit von 50 Prozent<br />

– Alkoholassoziertes Defizit von 50 Prozent<br />

• * Durch Vergleiche mit Obduktionsdiagnosen festgestellt<br />

We2006/2007 49<br />

Gerichtliche Sektion (§ 87 Abs. 2 StPO)<br />

• Form<br />

– Schriftliche Anordnung (Richter ggf. Staatsanwalt)<br />

– 2 Obduzenten (einer muss Facharzt <strong>für</strong> <strong>Rechtsmedizin</strong> / Pathologie sein)<br />

– Behandelnder Arzt nicht präsent (nur nach Genehmigung des StA)<br />

– Exhumierung mit Information der Angehörigen<br />

– Eröffnung aller Körperhöhlen<br />

– Protokoll und vorläufiges Gutachten "gerichtsverständlich"<br />

– Erhobene Befunde sind Beweismittel zur Verfügung des Staatsanwaltes<br />

• Inhalt<br />

– Todesursache und Todesart<br />

– Beweissicherung: Fotographische und metrische Dokumentation<br />

– Identitätssicherung<br />

– Kausalitätsfragen<br />

– Spurensicherung und Rekonstruktion<br />

We2006/2007 50<br />

Leichenschau und Leichenöffnung nach RiStBV*<br />

• Nr. 33 Voraussetzungen<br />

– StA prüft bei nichtnatürlichem Tod oder unbekannten Toten Erfordernis<br />

von richterlicher Leichenschau/Leichenöffnung<br />

– Leichenschau sollte möglichst am Tat- oder Fundort durchgeführt werden<br />

– Leichenöffnung grundsätzlich, wenn:<br />

• Straftat als Todesursache nicht ausschließbar ist<br />

• spätere Anzweifelung der Feststellungen wahrscheinlich ist<br />

• Sterbefälle von Personen in Haft/amtlicher Verwahrung<br />

• Nr. 34 Exhumierung (ein Obduzent sollte zugegen sein)<br />

• Nr. 35 Entnahme von Leichenteilen<br />

• Nr. 36 Beschleunigung (größtmöglich)<br />

• Nr. 37 Leichenöffnungen in Krankenhäusern<br />

– Bei Verdacht auf Straftat im Krankenhaus ist darauf hinzuwirken, dass<br />

die Leichenöffnung nicht von den Krankenhausärzten vorgenommen wird<br />

• Nr. 38 Feuerbestattung<br />

*Richtlinien <strong>für</strong> das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren<br />

We2006/2007 51<br />

17


Todesbescheinigung/ Obduktionsbericht<br />

[Rechtliche Implikationen]<br />

• Todesbescheinigung (Behandlungsdokument) = Urkunde<br />

– Änderungen nur bei Verfügungsbefugnis durch Aussteller<br />

– Nachträgliche Änderungen nicht statthaft<br />

• Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB<br />

• Mittelbare Falschbeurkundung gemäß §§ 271, 272 StGB<br />

• Obduktionsbericht = (potenzielles) Gutachten<br />

– Gefälligkeitsgutachten<br />

• Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 278 StGB<br />

• Begünstigung, Strafvereitelung §§ 257, 258 StGB<br />

• Nachträgliche Änderungen der Todesbescheinigung sind verboten !<br />

Gewebeentnahme post mortem - Grundsätze*<br />

We2006/2007 52<br />

• Erweiterte Zustimmungslösung (Einwilligung von Angehörigen in Analogie<br />

zum Transplantationsgesetz)<br />

• Definition des Umfanges der geplanten Entnahmen<br />

(Cave: Herz als "Sitz der Seele", Bulbi als "Spiegel der Seele“)<br />

• Umfang der Einwilligung nicht überschreitbar<br />

• Verwendungszweck angeben<br />

– "Immortalisierung" von Gewebe (Zellkulturen, DNA etc.)<br />

– Kommerzielle Nutzung<br />

• Entnahme ohne Zustimmung (gilt nie bei erklärter Ablehnung!)<br />

– Nach Obduktion, wenn die Entnahme nach dem Prinzip der Güterabwägung im<br />

Verhältnis zu dem Eingriff der inneren Leichenschau nicht ins Gewicht fällt *<br />

– Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)<br />

* Umstritten, z.B Bestattungsgesetz in Hamburg: Widerspruchslösung<br />

Der Leichnam wurde seinem<br />

Mörder gegenübergestellt -<br />

aber er erkannte ihn nicht<br />

Stanislaw Jerzy Lec, 1909 - 1966<br />

We2006/2007 53<br />

We2006/2007 54<br />

18


Identifikation als ärztlich-ethische, ordnungsrechtliche<br />

zivil- und strafrechtliche Aufgabe<br />

Identifikation - Grundsätze<br />

We2006/2007 55<br />

• Massenkatastrophen, Terroranschläge (Prinzip der Zuordnung von<br />

Passagierlisten, Vermisstendateien etc.)<br />

– Manipulierbar: Unzuverlässige Methoden (Kleidung, Schmuck, Papiere)<br />

– Kaum manipulierbar: Zuverlässige Methoden<br />

• Regelhaft: Zahnstatus, Röntgenvergleich, DNA-Muster<br />

• Individualtypisch: Narben, anatomische Varietäten, Operationsfolgen, Muttermale,<br />

Tätowierungen, Augenfarbe etc.<br />

• Leichenfund (Prinzip der Einengung eines Personenkreises)<br />

– Systematische erkennungsdienstliche Erfassung allgemeiner und spezieller<br />

Merkmale)<br />

• Äußere Merkmale: Körpergröße, Körperbau, Geschlecht, Haarfarbe,<br />

Alterungsmerkmale der Haut und der Behaarung .<br />

• Innere Merkmale: Degenerative Veränderungen der Gefäße, Fibrosierung uns<br />

Verkalkung von Knorpelgewebe, Vaskuläre Degeneration etc., Skelettbefunde<br />

Identifikation - Skelett (Hinweismerkmale)<br />

• Spezies<br />

– Immunologische Differenzierung<br />

– Molekulargenetische Differenzierung<br />

(STR)<br />

– Knochenschliff (Havers`sche Kanäle)<br />

• Geschlecht (Anthropometrie)<br />

– Becken, Schädel<br />

– Lange Röhrenknochen<br />

• Collodiaphysenwinkel<br />

• Diameter von Caput humeri etc.<br />

• Rasse<br />

– DNA-PCR-Differenzierung<br />

We2006/2007 56<br />

• Lebensalter<br />

– Zahndurchbruch<br />

– Zahnalterung<br />

– Osteologische Alterung<br />

• Aufscheinen der Knochenkerne<br />

• Fusion der Epiphysen<br />

• Obliteration der Schädelnähte<br />

• Degenerative Veränderungen<br />

• Körperhöhe*<br />

– Schätzung anhand von mindestens<br />

Röhrenknochen (obere und untere<br />

Extremität: +/- 5 cm)<br />

• Säkuläre Akzeleration und Altersinvolution berücksichtigen ! Bezugssystem bei Lebenden<br />

unsicher (Eintragungen im Paß ungenau, zirkadiane Schwankungen der Körpergröße)<br />

We2006/2007 57<br />

19


Identifikation:<br />

Erster Schritt in der<br />

Aufklärung eines<br />

Tötungsverbrechens<br />

Identifikation - Skelett (Individualisierung)<br />

• Gruppierungsmerkmale<br />

– Krankheitsfolgen<br />

– Narben, Frakturen<br />

– Konstitution<br />

– abgelaufene Schwangerschaften<br />

– Berufsmerkmale<br />

• In Kombination ggf. Identifizierung !<br />

Zahnarztbefunde nicht immer<br />

korrekt !<br />

We2006/2007 58<br />

• Individualmerkmale<br />

– Papillarmuster (Daktyloskopie)<br />

– Genetische Individualisierung<br />

– Zahnstatus<br />

– Röntgenidentifizierung (Stirnhöhle)<br />

– Superprojektion,<br />

Computerrekonstruktion<br />

– Tätowierung<br />

– Effekten: Problem Zuordnung !<br />

Identifizierung / Zahnalterung<br />

[Zunehmend ohne Bedeutung; Fortentwicklung: Zementannulation]<br />

Lebensalter in Jahren<br />

A = Abkauung<br />

S = Sekundärdentin<br />

P = Parodontose<br />

R = Wurzelresorption<br />

C = Zementapposition (Zementannulation)<br />

Cave: Streuung +/- 5 Jahre<br />

Ungenauigkeit proportional zum Alter<br />

We2006/2007 59<br />

We2006/2007 60<br />

20


Lebensaltersbestimmungen bei Lebenden<br />

• Strafrechtlicher Ansatz<br />

– Strafmündigkeit ab 14 Jahre<br />

• Röntgenaufnahmen von Finger- und Handwurzelknochen*<br />

– Jugendgerichtsbarkeit 18 - 21 Jahre<br />

• Abkauungsgrad des Gebisses<br />

• Verknöcherung der Epiphysenfugen (Schulter, Handgelenk, Knie)<br />

• Dentitionstatus (Hervortreten von Weisheitszähnen)<br />

• Asylverfahren<br />

– Ärztliche Mitwirkung aus standesethischer Sicht umstritten<br />

• Handwurzelknochen (Radiologische Atlanten)<br />

• Große Variabilität bei unterschiedlichen Ethnien<br />

• Forensische Bedeutung zunehmend / häufig: Minderschätzung<br />

• Untersuchung In Strafverfahren gemäß § 81 StPO erzwingbar<br />

(IV) Arzneimittel,<br />

iatrogener<br />

Tod<br />

Plötzlicher Tod - forensische Implikationen<br />

(I) Kombinierte<br />

Todesart<br />

Plötzlicher<br />

natürlicher<br />

Tod (PNT)<br />

(III) Alkohol, Drogen,<br />

Intoxikationen<br />

PNT - Einflussvariable *<br />

• Disposition<br />

– Lebensalter, Geschlecht<br />

• Männer: 45. - 60. Lebensjahr<br />

• Frauen: Seltener - keine Altersgipfel<br />

– Vorerkrankung/Vorschädigung (Cardiovasculäres Risiko)<br />

– akute Infektionen (z.B. Virusgrippe)<br />

– Psychische Konstellation<br />

• Konditionierung (Versagengsbereitschaft)<br />

– Stress: Freizeit (Sport-Urlaub-Party/Sex >> Arbeit)<br />

– Missbrauch (Alkohol, Drogen)<br />

– Soziale Desintegration<br />

• Bei der Leichenschau nicht oder nur teilweise bekannt<br />

• Differentialdiagnose: Nichtnatürlicher Tod<br />

• Stressor Arztbesuch<br />

We2006/2007 61<br />

(II) Verdeckter<br />

gewaltsamer<br />

Tod<br />

We2006/2007 62<br />

We2006/2007 63<br />

21


Plötzlicher natürlicher Tod (PNT)<br />

- häufige Oduktionsdiagnosen *<br />

• Prima-facie-Diagnosen • Problemdiagnosen<br />

–<br />

–<br />

Myokardinfarkt mit Blutung/<br />

Nekrose<br />

akute Koronarthrombose<br />

–<br />

–<br />

Koronare Herzkrankheit<br />

Rhythmogener Herztod<br />

– Bronchopneumonie/<br />

– Virusinfektionen<br />

Lobärpneumonie<br />

– Alkoholassoziierter Tod<br />

– Lungenthrombembolie<br />

• Alkoholentzug<br />

– Hypertone Massenblutung<br />

• Ketoazidosen<br />

– Oesophagusvarizen<br />

– Epileptischer Anfall<br />

– Rupturierte Aneurysmata<br />

• Basale Hirngefäße<br />

–<br />

–<br />

Asthma bronchiale<br />

Konkurrierende Todesursachen<br />

• Aorta, Herzwand<br />

– Arrosionsblutungen<br />

– akute Pankreasnekrose<br />

*Reihung nach Häufigkeit, IfRM <strong>Rostock</strong><br />

Ursachen und Mechanismen<br />

des plötzlichen Herztodes (eine Auswahl)<br />

• Koronare Herzerkrankung<br />

– Ischämie (akuter Myokardinfarkt, Reinfarkt)<br />

– Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardie)<br />

– Chron. Herzwandaneurysma (Pumpversagen, Myokardruptur)<br />

• Kardiomyopathie (hypertensiv, inflammatorisch, lipomatotisch)<br />

– Pumpversagen<br />

– Elektromechanische Entkoppelung (ventrikuläre Tachykardie)<br />

• Rhythmusstörungen<br />

– Primäre Genese (QT-Syndrom, WPW-Syndrom etc.)<br />

– Sekundäre Genese (Alkohol, Arzneimittel, Stress, Trauma etc.)<br />

• Vitien, Kongenitale Anomalien, Tumoren etc.<br />

Frühdiagnostik des Myokardinfarktes*<br />

Befund Zeit<br />

Elektronen - mikroskopie Irreversible Ultrastrukturschäden 20-40 min.<br />

Immunhistochemie C5b-9, Troponin, Fibronectin,<br />

Desminverlust, CK-MB<br />

1 – 2 h<br />

Fluoreszenz-mikroskopie Farbumschlag der<br />

Sekundärfluoreszenz<br />

1 – 3 h<br />

Histochemie Farbdefekte mit Tetrazoliumsalzen 2 – 3 h<br />

Histologie Klassische Infarktdiagnose 5 – 8 h<br />

Makroskopie Anämie, lehmgelbe Infarktnekrose 12 – 36 h<br />

*nach Caesar 1999<br />

• Sekundenherztod nicht darstellbar<br />

We2006/2007 64<br />

We2006/2007 65<br />

We2006/2007 66<br />

22


Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) - Ätiopathogenese ?<br />

• Differentialdiagnostik grundsätzlich erforderlich [5 - 10 Prozent nichtnatürlich?]<br />

– Ersticken unter weicher Bedeckung<br />

– Schütteltrauma<br />

– stumpfes Bauchtrauma<br />

– Intoxikation (akzidentell, vorsätzlich)<br />

– Münchhausen-Syndrom „By Proxy“ (Herbeiführung von Krankheitssymptomen<br />

durch Eltern oder Betreuer: psychopathologisches Phänomen, sehr selten)<br />

• Epidemiologie des SIDS<br />

– 2 - 3 von 1000 Säuglingen (Tendenz abnehmend)<br />

– 2. - 4. Lebensmonat, Dominanz der Knaben<br />

– "Risikokinder“: Junge Mütter, Nikotinabusus (Relatives Risiko > 25 )<br />

– Familiäre Häufung umstritten<br />

– Infektkonditionierung (Frühjahr, Herbst)<br />

• Phänomenologie des SIDS/ Vorgeschichte<br />

– Bauchlage (Relatives Risiko > 50)<br />

– Schwitzen, gehäuft unklare Fieberattacken (> 40 o C)<br />

– Apnoe >> 10 sec., "Near-miss-SIDS“ [Tod in der Synkope ?]<br />

– Long QT [Rhythmogener Herztod ?]<br />

• Behutsame Elterngespräche, Reaktive Depressionen möglich<br />

• Monitoring (EKG, Atemfrequenz): keine sichere Schutzmaßnahme<br />

We2006/2007 67<br />

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