Ärztliche Leichenschau
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KASTEN 2<br />
Studie (1986/1987) mit einer nahezu 100-prozentigen<br />
Obduktionsquote (1 060 Verstorbene, von denen<br />
1 023 obduziert werden konnten) ergab insgesamt in<br />
45 Prozent der Männer und 48,8 Prozent der Frauen<br />
keine Übereinstimmung zwischen <strong>Leichenschau</strong>- und<br />
Obduktionsdiagnose. Bei in der Klinik Verstorbenen<br />
fand sich hinsichtlich des Grundleidens bei 42,9 Prozent<br />
der Männer und 44 Prozent der Frauen keine<br />
Übereinstimmung, bei im Heim Verstorbenen in 63,2<br />
Prozent der Männer und 57,8 Prozent der Frauen, bei<br />
andernorts (zu Hause, in der Öffentlichkeit etc.) Verstorbenen<br />
in 41,3 Prozent der Männer und 50,7 Prozent<br />
der Frauen (8, 1). Bei iatrogenen Todesfällen findet<br />
sich gar in 72 Prozent der Fälle keine Übereinstimmung<br />
zwischen klinisch angenommenem und autoptisch<br />
festgestelltem Grundleiden, hinsichtlich der unmittelbaren<br />
Todesursache in 45,8 Prozent keine Übereinstimmung<br />
(5).<br />
Zahlreiche Untersuchungen haben die Diskrepanzen<br />
zwischen klinisch und autoptisch festgestellter Todesursache<br />
differenziert und operationalisiert (Hauptfehler<br />
1, Hauptfehler 2, Nebenfehler) (Kasten 1). Nach verschiedenen<br />
Statistiken zeigen sich dabei Hauptfehler 1<br />
mit Folgen für Therapie und Überleben des Patienten in<br />
Eine menschliche Leiche ist/sind<br />
Körper eines Verstorbenen, (Knochen und Gewebe)<br />
Körper eines verstorbenen Neugeborenen, das<br />
nach Verlassen des Mutterleibs ein Lebenszeichen<br />
zeigte; eine Totgeburt (≥ 500 g)<br />
Kopf oder Rumpf als abgetrennte Teile des Körpers<br />
11 bis 25 Prozent der Todesfälle, Hauptfehler 2 ohne<br />
Konsequenzen für Therapie und Überleben in 17 bis 40<br />
Prozent der Todesfälle (9).<br />
Nach einer Metaanalyse von Shojania et al. haben<br />
die Hauptfehler 1 zwar in den letzten vier Jahrzehnten<br />
abgenommen, sie finden sich aber immer noch bei etwa<br />
8 bis 10 Prozent der Todesfälle (10, 11). Hierbei ist allerdings<br />
zu berücksichtigen, dass die Rate der Übereinstimmung<br />
beziehungsweise Nichtübereinstimmung<br />
zwischen klinisch und autoptisch festgestellter Todesursache<br />
von zahlreichen Variablen abhängig ist, etwa:<br />
● der Definition der Todesursache<br />
● der ausgewerteten Krankheitsklasse<br />
● dem Lebensalter<br />
● dem untersuchten Patientengut (ambulant, stationär,<br />
spezialisiertes Krankenhaus)<br />
● der Dauer des Klinikaufenthaltes<br />
● der Vorhersehbarkeit des Ablebens (erwarteter,<br />
nicht erwarteter Todesfall)<br />
● der Obduktionsrate (1, 3, 9, 12, 13).<br />
Ein Vergleich zwischen klinisch und autoptisch festgestellter<br />
Todesursache, der diese Variablen differenziert<br />
erfasst, liegt bislang nicht vor und ist bei den<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen zur Durchführung<br />
Keine Leichen sind<br />
Skelette oder Skelettteile<br />
Fehlgeburten (Totgeburten mit einem Geburtsgewicht<br />
< 500 g; keine Anzeigepflicht)<br />
MEDIZIN<br />
Definition menschliche Leiche und beim Tod eines Menschen zu beachtende Fristen<br />
● Eine menschliche Leiche ist<br />
– der Körper eines Verstorbenen, solange der gewebliche Zusammenhang infolge Fäulnis noch nicht aufgehoben ist<br />
– der Körper eines verstorbenen Neugeborenen (unabhängig vom Körpergewicht), soweit es vollständig den Mutterleib verlassen hat und soweit<br />
es nach dem Verlassen eines der drei Lebenszeichen (Herzschlag, Pulsation der Nabelschnur, Atmung) zeigte<br />
– eine Totgeburt (Totgeborenes mit einem Körpergewicht von ≥ 500 g)<br />
– der Kopf oder Rumpf als abgetrennte Teile des Körpers, die nicht zusammengeführt werden können<br />
● Keine Leichen sind<br />
– Skelette oder Skelettteile<br />
– Fehlgeburten (Totgeburten mit einem Geburtsgewicht < 500 g; keine Anzeigepflicht)<br />
● Maßnahmen und Fristen<br />
– Die Durchführung der <strong>Leichenschau</strong> sollte unverzüglich nach Erhalt der Anzeige über den Todesfall erfolgen.<br />
– Die Überführung in eine Leichenhalle muss spätestens nach 36 Stunden, jedoch nicht vor Durchführung der <strong>Leichenschau</strong> und Ausstellung der<br />
Todesbescheinigung erfolgen.<br />
– Die Anzeige beim Standesamt muss spätestens am ersten Werktag nach Todeseintritt geschehen.<br />
– Die Bestattungsfristen sind: frühestens nach 48 Stunden, spätestens nach acht Tagen.<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 577