Ärztliche Leichenschau
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<strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong><br />
Feststellung der Todesursache und Qualifikation der Todesart<br />
Burkhard Madea, Markus Rothschild<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Hintergrund: Die <strong>Leichenschau</strong> ist der letzte Dienst des Arztes<br />
am Patienten. Mit ihr sind der Rechtssicherheit und dem öffentlichen<br />
Interesse dienende Aufgaben verbunden. Zu ihr gehören<br />
die Feststellung des Todes, Angaben zur Todesursache<br />
und die Frage, ob der Tod durch eine natürliche oder nichtnatürliche<br />
Ursache eingetreten ist (Qualifikation der Todesart).<br />
Methoden: Selektive Literaturrecherche und Literaturaufarbeitung<br />
von Daten zur Todesursachenstatistik, zu Rechtsgrundlagen<br />
und zur Durchführung der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong><br />
mit Schwerpunkt Feststellung der Todesursache und<br />
Qualifikation der Todesart.<br />
Ergebnisse und Diskussion: Bei dem im Rahmen der <strong>Leichenschau</strong><br />
zu bewältigenden Aufgabenkanon ist die Kenntnis der<br />
Anamnese des Patienten von großer Bedeutung; daher ist im<br />
Prinzip der behandelnde Arzt zur Durchführung der <strong>Leichenschau</strong><br />
am besten geeignet. In der Mehrzahl der Todesfälle –<br />
geschätzt etwa 60 bis 70 Prozent – dürfte dem behandelnden<br />
Arzt unter Berücksichtigung von Anamnese und Umständen<br />
des Todeseintritts eine verlässliche Angabe von Grundleiden<br />
und Todesursache möglich sein. Probleme ergeben sich bei<br />
unerwarteten Todesfällen, bei denen sich die <strong>Leichenschau</strong><br />
als Instrument der Todesursachenfeststellung als nicht ausreichend<br />
erweist. Wenn sich die Todesursache nicht ermitteln<br />
lässt, ist dies entsprechend zu dokumentieren (Qualifikation<br />
der Todesart: nicht geklärt). Die Obduktionsquote ist in<br />
Deutschland mit unter 5 Prozent aller Toten sehr niedrig.<br />
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(33): 575–88<br />
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0575<br />
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn: Prof. Dr. med. Madea<br />
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Köln: Prof. Dr. med. Rothschild<br />
Prägnant formulierte bereits die Königlich-Bayrische<br />
Instruktion für die Leichenbeschauer vom<br />
6. August 1839 die Aufgaben bei der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong>:<br />
„Zweck der <strong>Leichenschau</strong> ist, die Beerdigung<br />
Scheintoter, dann die Verheimlichung gewaltsamer<br />
Todesarten und medizinischer Pfuschereien zu hindern,<br />
sowie zur Ausmittlung kontagiöser und epidemischer<br />
Krankheiten, dann zur Herstellung genauer Sterbelisten<br />
geeignet mitzuwirken.“ Dieser Aufgabenkanon<br />
gilt mit Feststellung des Todes, der Todesursache, der<br />
Todeszeit, Qualifikation der Todesart und Angabe, ob<br />
übertragbare Erkrankungen gemäß Infektionsschutzgesetz<br />
vorliegen, unverändert bis heute (1, 2).<br />
Dem Arzt obliegt im Rahmen der <strong>Leichenschau</strong> die<br />
Meldepflicht als zulässige Durchbrechung der ärztlichen<br />
Schweigepflicht, etwa bei:<br />
● nichtnatürlicher/nicht geklärter Todesart<br />
● unbekannter Identität<br />
● gemäß Infektionsschutzgesetz.<br />
Seit Jahrzehnten ist die Qualität der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong><br />
in der Kritik. Dabei steht unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten<br />
die Fehlqualifikation der Todesart (natürlich<br />
statt nichtnatürlich beziehungsweise nicht geklärt) im Zentrum<br />
der Kritik, die nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden<br />
eine sichere Feststellung nichtnatürlicher Todesfälle<br />
nicht gewährleistet. Es gibt eine Vielzahl struktureller<br />
Probleme bei der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong>, zum Beispiel:<br />
● für bestimmte Fallgruppierungen objektive Überforderung<br />
des <strong>Leichenschau</strong>ers ohne flexible Lösungsmöglichkeiten<br />
● fehlende Vorbildung in der Handhabung von Problemfällen<br />
● fehlende Verwaltungssektionen bei durch die <strong>Leichenschau</strong><br />
nicht zu klärender Todesursache<br />
● Verquickung ärztlicher mit kriminalistischen Aufgaben<br />
● mögliche Interessenkonflikte – gerade bei niedergelassenen<br />
Ärzten, die zugleich behandelnde Ärzte<br />
der Familienangehörigen sind<br />
Entbindung der Schweigepflicht bei der<br />
ärztlichen <strong>Leichenschau</strong> bei:<br />
nichtnatürlicher/nicht geklärter Todesart<br />
unbekannter Identität<br />
gemäß Infektionsschutzgesetz<br />
MEDIZIN<br />
3<br />
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 575
MEDIZIN<br />
KASTEN 1<br />
Diskrepanzen zwischen klinisch und autoptisch<br />
festgestellter Todesursache* 1<br />
● Hauptfehler 1 („major mistake, class 1“)<br />
– klinisch nicht erkannte Diagnose, die sich während der Obduktion als<br />
Grundleiden und/oder ein Hauptgrund für den Tod des Patienten erweist.<br />
Wäre also die Diagnose rechtzeitig erkannt worden, so hätte das Leben des<br />
Patienten zumindest zeitweilig verlängert werden können.<br />
● Hauptfehler 2 („major mistake, class 2“)<br />
– klinisch nicht erkannte Diagnose, die, wäre sie ante-mortem gestellt worden,<br />
keine Auswirkungen auf die Behandlung und den Verlauf gehabt hätte.<br />
● Nebenfehler („minor mistake“)<br />
– während der Obduktion erkannte Krankheiten beziehungsweise medizinische<br />
Sachverhalte, die zum Verlauf der Grunderkrankung beziehungsweise<br />
zu der Todesursache keine direkte kausale Verbindung haben.<br />
* 1 modifiziert nach (20)<br />
● Fokussierung meldepflichtiger Todesfälle auf diejenigen,<br />
bei denen ein Fremdverschulden in Betracht<br />
kommt<br />
● Systemfehler des Todesursachenermittlungs-<br />
systems mit fehlender Zwischeninstanz zwischen<br />
Arzt und Ermittlungsbehörden analog dem Coroner-System<br />
in England und Wales (Überprüfung<br />
von Todesfällen unabhängig von einer Verdachtslage<br />
auf Fremdverschulden) (2–5).<br />
Lernziele<br />
Dieser Beitrag soll:<br />
● basierend auf grundlegenden Daten zu Sterbefällen<br />
in Deutschland die im Zentrum der <strong>Leichenschau</strong><br />
stehenden Aufgaben der Feststellung der<br />
Todesursache und Qualifikation der Todesart verdeutlichen<br />
● Hinweise für die Aufdeckung nichtnatürlicher Todesursachen<br />
geben<br />
● einen Überblick über die rechtlichen Aufgaben<br />
und Verpflichtungen des Arztes bei der Durchführung<br />
der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong> vermitteln.<br />
Todesursachen laut Todesursachenstatistik<br />
Im Jahr 2007 waren in Deutschland 818 271 Todesfälle<br />
zu verzeichnen, laut Statistischem Bundesamt lagen in<br />
784 962 Fällen natürliche Todesursachen vor. Bereits<br />
Todesursachenstatistik<br />
50 Prozent der Sterbefälle ereignen sich in Krankenhäusern,<br />
circa 25 Prozent zu Hause und etwa<br />
15 Prozent im Pflegeheim. Die übrigen 10 Prozent<br />
vereilen sich auf Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle<br />
etc.<br />
zu den Sterbeorten fehlen bundeseinheitliche Daten,<br />
mehr als 50 Prozent der Sterbefälle ereignen sich allerdings<br />
heute in Krankenhäusern (nach eigenen Daten)<br />
circa 25 Prozent zu Hause und etwa 15 Prozent im Pflegeheim.<br />
Die übrigen 10 Prozent vereilen sich auf Verkehrsunfälle,<br />
Arbeitsunfälle etc.<br />
Im Jahr 2007 entfielen bei 17 178 573 stationären<br />
Aufnahmen 6 092 198 auf das Fachgebiet Innere Medizin.<br />
Die zweithäufigsten stationären Aufnahmen waren<br />
in der Chirurgie mit 3 592 386 Patienten zu verzeichnen.<br />
Innerhalb der Inneren Medizin entfallen wiederum<br />
die meisten Sterbefälle auf die Kardiologie, gefolgt von<br />
Gastroenterologie, Hämatologie und Geriatrie (eTabelle,<br />
eGrafik). Bei insgesamt 818 271 Sterbefällen im<br />
Jahr 2007 entfallen 258 684 auf Krankheiten des Kreislaufsystems,<br />
wobei die ischämischen Herzerkrankungen<br />
mit 148 641 Todesfällen die häufigste Ursache ist.<br />
Zweithäufigste Todesursachengruppe sind die bösartigen<br />
Neubildungen mit 211 765 Todesfällen. Hierbei ist<br />
jedoch zu berücksichtigen, dass die Sterbefälle nach<br />
Krankheitsgruppen für die verschiedenen Altersgruppen<br />
erheblich variieren.<br />
Bis etwa zum 40. Lebensjahr stehen hinsichtlich der<br />
Häufigkeit nichtnatürliche Todesfälle vor Todesfällen<br />
aus innerer krankhafter Ursache, erst jenseits des 40.<br />
Lebensjahres treten hinsichtlich der Häufigkeit bösartige<br />
Neubildungen und Krankheiten des Kreislaufsystems<br />
zahlenmäßig hervor.<br />
Diese Daten des Statistischen Bundesamtes beruhen<br />
auf einer Verschlüsselung der Angaben zu Grundleiden<br />
und Todesursache im <strong>Leichenschau</strong>schein, wobei nur<br />
das Grundleiden in die Todesursachenstatistik einfließt.<br />
Bei den statistischen Landesämtern werden hingegen<br />
die Eintragungen zum Grundleiden nicht blind für die<br />
Todesursachenstatistik übernommen, sondern Kodierer<br />
überprüfen die einzelnen Angaben, ermitteln das<br />
Grundleiden und verschlüsseln dieses Grundleiden unter<br />
Beachtung des Regelwerkes der ICD. Vor dem Hintergrund<br />
zunehmend multifaktorieller Sterbeprozesse<br />
entspricht allerdings die monokausale Darstellung der<br />
Sterbefälle nur noch bedingt den Anforderungen an eine<br />
Todesursachenstatistik und den daraus ableitbaren<br />
Daten zu Gesundheitsindikatoren (6, 7).<br />
Übereinstimmung zwischen <strong>Leichenschau</strong>-<br />
diagnose zur Todesursache und Obduktion<br />
Es liegen zahlreiche Untersuchungen zur Validität der<br />
klinischen Todesursachendiagnostik im Vergleich zum<br />
pathologisch-anatomischen Befund vor. Die Görlitzer<br />
Häufigkeit von Todesursachen<br />
Bis zum 40. Lebensjahr stehen nichtnatürliche Todesfälle<br />
vor Todesfällen aus innerer krankhafter<br />
Ursache, erst jenseits des 40. Lebensjahres treten<br />
bösartige Neubildungen und Krankheiten des<br />
Kreislaufsystems zahlenmäßig hervor.<br />
576 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
KASTEN 2<br />
Studie (1986/1987) mit einer nahezu 100-prozentigen<br />
Obduktionsquote (1 060 Verstorbene, von denen<br />
1 023 obduziert werden konnten) ergab insgesamt in<br />
45 Prozent der Männer und 48,8 Prozent der Frauen<br />
keine Übereinstimmung zwischen <strong>Leichenschau</strong>- und<br />
Obduktionsdiagnose. Bei in der Klinik Verstorbenen<br />
fand sich hinsichtlich des Grundleidens bei 42,9 Prozent<br />
der Männer und 44 Prozent der Frauen keine<br />
Übereinstimmung, bei im Heim Verstorbenen in 63,2<br />
Prozent der Männer und 57,8 Prozent der Frauen, bei<br />
andernorts (zu Hause, in der Öffentlichkeit etc.) Verstorbenen<br />
in 41,3 Prozent der Männer und 50,7 Prozent<br />
der Frauen (8, 1). Bei iatrogenen Todesfällen findet<br />
sich gar in 72 Prozent der Fälle keine Übereinstimmung<br />
zwischen klinisch angenommenem und autoptisch<br />
festgestelltem Grundleiden, hinsichtlich der unmittelbaren<br />
Todesursache in 45,8 Prozent keine Übereinstimmung<br />
(5).<br />
Zahlreiche Untersuchungen haben die Diskrepanzen<br />
zwischen klinisch und autoptisch festgestellter Todesursache<br />
differenziert und operationalisiert (Hauptfehler<br />
1, Hauptfehler 2, Nebenfehler) (Kasten 1). Nach verschiedenen<br />
Statistiken zeigen sich dabei Hauptfehler 1<br />
mit Folgen für Therapie und Überleben des Patienten in<br />
Eine menschliche Leiche ist/sind<br />
Körper eines Verstorbenen, (Knochen und Gewebe)<br />
Körper eines verstorbenen Neugeborenen, das<br />
nach Verlassen des Mutterleibs ein Lebenszeichen<br />
zeigte; eine Totgeburt (≥ 500 g)<br />
Kopf oder Rumpf als abgetrennte Teile des Körpers<br />
11 bis 25 Prozent der Todesfälle, Hauptfehler 2 ohne<br />
Konsequenzen für Therapie und Überleben in 17 bis 40<br />
Prozent der Todesfälle (9).<br />
Nach einer Metaanalyse von Shojania et al. haben<br />
die Hauptfehler 1 zwar in den letzten vier Jahrzehnten<br />
abgenommen, sie finden sich aber immer noch bei etwa<br />
8 bis 10 Prozent der Todesfälle (10, 11). Hierbei ist allerdings<br />
zu berücksichtigen, dass die Rate der Übereinstimmung<br />
beziehungsweise Nichtübereinstimmung<br />
zwischen klinisch und autoptisch festgestellter Todesursache<br />
von zahlreichen Variablen abhängig ist, etwa:<br />
● der Definition der Todesursache<br />
● der ausgewerteten Krankheitsklasse<br />
● dem Lebensalter<br />
● dem untersuchten Patientengut (ambulant, stationär,<br />
spezialisiertes Krankenhaus)<br />
● der Dauer des Klinikaufenthaltes<br />
● der Vorhersehbarkeit des Ablebens (erwarteter,<br />
nicht erwarteter Todesfall)<br />
● der Obduktionsrate (1, 3, 9, 12, 13).<br />
Ein Vergleich zwischen klinisch und autoptisch festgestellter<br />
Todesursache, der diese Variablen differenziert<br />
erfasst, liegt bislang nicht vor und ist bei den<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen zur Durchführung<br />
Keine Leichen sind<br />
Skelette oder Skelettteile<br />
Fehlgeburten (Totgeburten mit einem Geburtsgewicht<br />
< 500 g; keine Anzeigepflicht)<br />
MEDIZIN<br />
Definition menschliche Leiche und beim Tod eines Menschen zu beachtende Fristen<br />
● Eine menschliche Leiche ist<br />
– der Körper eines Verstorbenen, solange der gewebliche Zusammenhang infolge Fäulnis noch nicht aufgehoben ist<br />
– der Körper eines verstorbenen Neugeborenen (unabhängig vom Körpergewicht), soweit es vollständig den Mutterleib verlassen hat und soweit<br />
es nach dem Verlassen eines der drei Lebenszeichen (Herzschlag, Pulsation der Nabelschnur, Atmung) zeigte<br />
– eine Totgeburt (Totgeborenes mit einem Körpergewicht von ≥ 500 g)<br />
– der Kopf oder Rumpf als abgetrennte Teile des Körpers, die nicht zusammengeführt werden können<br />
● Keine Leichen sind<br />
– Skelette oder Skelettteile<br />
– Fehlgeburten (Totgeburten mit einem Geburtsgewicht < 500 g; keine Anzeigepflicht)<br />
● Maßnahmen und Fristen<br />
– Die Durchführung der <strong>Leichenschau</strong> sollte unverzüglich nach Erhalt der Anzeige über den Todesfall erfolgen.<br />
– Die Überführung in eine Leichenhalle muss spätestens nach 36 Stunden, jedoch nicht vor Durchführung der <strong>Leichenschau</strong> und Ausstellung der<br />
Todesbescheinigung erfolgen.<br />
– Die Anzeige beim Standesamt muss spätestens am ersten Werktag nach Todeseintritt geschehen.<br />
– Die Bestattungsfristen sind: frühestens nach 48 Stunden, spätestens nach acht Tagen.<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 577
MEDIZIN<br />
KASTEN 3<br />
Allgemeine Grundlagen und Pflichten bei der<br />
ärztlichen <strong>Leichenschau</strong>* 1<br />
● Rechtsgrundlagen der <strong>Leichenschau</strong>:<br />
– Bestattungsgesetze und <strong>Leichenschau</strong>verordnungen der Bundesländer<br />
● Wer darf?<br />
– Arzt/Ärztin<br />
● Wer darf nicht?<br />
– Arzt/Ärztin als Angehörige einer gestorbenen Person (Erlass des Bundesministerium<br />
für Gesundheit, Arbeit und Soziales vom 8. Juni 2009)<br />
● Wer muss?<br />
– jeder niedergelassene Arzt im Bereich der Niederlassung<br />
– Krankenhausärzte im Krankenhaus<br />
● In welcher Zeit?<br />
– unverzüglich<br />
● Durchführung<br />
– sorgfältig am entkleideten Leichnam<br />
● Sanktionen<br />
– Ordnungswidrigkeit bei unsorgfältiger <strong>Leichenschau</strong>; gegebenenfalls werden<br />
auch Straftatbestände verwirklicht, wenn durch unsorgfältige <strong>Leichenschau</strong><br />
Lebende zu Schaden kommen (zum Beispiel Übersehen einer CO-<br />
Intoxikation mit Schädigung weiterer Personen)<br />
● Vorläufige Todesbescheinigung<br />
– für Notärzte<br />
● Todesart und assoziierte Feststellungen<br />
– (Anhaltspunkte für) nichtnatürlichen Tod, nicht geklärte Todesart<br />
● Verständigung der Polizei<br />
– bei nichtnatürlichem Tod, nicht geklärter Todesart, Leiche eines Unbekannten<br />
● Verständigung des Gesundheitsamtes<br />
– Meldepflichten gemäß Infektionsschutzgesetz<br />
● Auskunftspflicht vorbehandelnder Ärzte<br />
– ja<br />
* 1 modifiziert nach (1)<br />
von klinischen Sektionen für die Bundesrepublik<br />
Deutschland nicht zu erwarten. Dies gilt insbesondere<br />
für ambulante Todesfälle, die kaum jemals einer außergerichtlichen<br />
Obduktion zugeführt werden.<br />
Dem Hauptfehler 1 würde der Begriff Fehldiagnose<br />
entsprechen, von dem auszugehen ist, wenn aufgrund<br />
abgeschlossener diagnostischer Entscheidungsprozesse<br />
eine Erkrankung bei einem Patienten definitiv angenommen<br />
wird, die sich später als unrichtig erweist und<br />
Zeitpunkt der <strong>Leichenschau</strong><br />
Eine <strong>Leichenschau</strong> ist immer bei Auffindung eines<br />
menschlichen Leichnams und unverzüglich nach<br />
Erhalt der Anzeige über den Todesfall durchzuführen.<br />
wenn eine Behandlung eingeleitet wurde, die dem später<br />
erkannten Krankheitsbild nicht gerecht wird und<br />
sich durch das Nichterkennen der tatsächlich vorliegenden<br />
Erkrankung die Prognose des betreffenden Patienten<br />
verschlechtert (1, 3, 12).<br />
Praktisches Vorgehen<br />
Eine <strong>Leichenschau</strong> ist immer bei Auffindung eines<br />
menschlichen Leichnams (Kasten 2) und unverzüglich<br />
nach Erhalt der Anzeige über den Todesfall durchzuführen.<br />
Allgemeine Pflichten bei der ärztlichen <strong>Leichenschau</strong><br />
sind in Kasten 3 zusammengefasst. Den sicheren<br />
Tod festzustellen, ist nicht problematisch. Mit<br />
Hilfe der folgenden Faktoren, lässt sich der Ausfall der<br />
Vitalfunktionen sicher diagnostizieren:<br />
● das Vorliegen sicherer Todeszeichen (Livores, Rigor,<br />
fortgeschrittene Leichenerscheinungen) beziehungsweise<br />
● vergebliche Reanimation von circa 30 Minuten<br />
Dauer, gesichert durch ein etwa 30-minütiges<br />
Null-Linien-EKG trotz adäquater Maßnahmen bei<br />
Ausschluss einer allgemeinen Unterkühlung beziehungsweise<br />
Intoxikation mit zentral dämpfenden<br />
Medikamenten<br />
● Hirntod (nur unter klinischen Bedingungen bei assistierter<br />
Beatmung feststellbar)<br />
● mit dem Leben nicht zu vereinbarende Körperzerstörungen.<br />
Bei den Angaben zur Todeszeit ist je nach Fallkonstellation<br />
zu verfahren (Kasten 4).<br />
Feststellung der Todesursache<br />
Im vertraulichen Teil der <strong>Leichenschau</strong>formulare ist<br />
unter der Rubrik „Todesursache“ der Krankheitsverlauf<br />
in einer Kausalkette zu dokumentieren (Abbildung).<br />
Dabei sind in der Zeile Ia die unmittelbare Todesursache<br />
anzugeben und in den Zeilen Ib und Ic die vorangegangenen<br />
Ursachen – Krankheiten, die die unmittelbare<br />
Todesursache unter Ia herbeigeführt haben, mit der<br />
ursprünglichen Ursache (Grundleiden) an letzter Stelle.<br />
Schließlich sind in Zeile II andere wesentliche, mit zum<br />
Tode führende Krankheiten ohne Zusammenhang mit<br />
dem Grundleiden aufzuführen.<br />
Das Grundleiden ist vor allem von statistischer Bedeutung:<br />
Wie viele Menschen sterben an einer bestimmten<br />
Erkrankung; dem gegenüber gibt die letztendliche<br />
Todesursache Auskunft darüber, woran Menschen,<br />
die an einer bestimmten Krankheit leiden, sterben<br />
(7, 14–16).<br />
Todesfeststellung<br />
Die Feststellung des Todes erfolgt, in dem man die<br />
Irreversibilität des Ausfalls der Vitalfunktionen<br />
diagnostiziert.<br />
578 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
Auch nach Empfehlungen des Statistischen Bundesamtes<br />
ist – sollte nichts Genaues bekannt sein – die Angabe<br />
„Todesursache unbekannt“ einer vagen Spekulation<br />
vorzuziehen. Keinesfalls sollen in die Todesursachenkaskade<br />
vom Grundleiden zur letztendlichen Todesursache<br />
funktionelle Endzustände, die konstitutiver<br />
Bestandteil jedes Sterbeprozesses sind, eingetragen<br />
werden wie Herzstillstand, Atemstillstand, elektromechanische<br />
Entkopplung.<br />
Weiterhin ist in der rechten Spalte jeweils anzugeben<br />
der Zeitraum der Erkrankung, wobei Ausgangspunkt<br />
der geschätzte Krankheitsbeginn und nicht der Zeitpunkt<br />
der Feststellung ist. Die Angaben zu den Zeiträumen<br />
dienen auch der Plausibilitätskontrolle der Todesursachenkaskade.<br />
Wenn die Todesursache unter Ia keine Folge weiterer<br />
Komplikationen oder anamnestisch bekannter Grundleiden<br />
ist, bedarf es keiner weiteren Eintragungen, zum<br />
Beispiel:<br />
Ia: Schädel-Hirn-Durchschuss<br />
Letzte mittelbare Todesursachen können differenziert<br />
werden in organgebundene und nicht organgebundene<br />
(17) (Tabelle 1).<br />
Bei den vorstrukturierten Eintragungen zu Grundleiden<br />
und Todesursache im <strong>Leichenschau</strong>schein, entsprechend<br />
den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation,<br />
sollte sich der Arzt die gesamte Krankheitsgeschichte<br />
seines Patienten nochmals vor Augen halten. Insbesondere<br />
sollte er sich auch fragen, ob eine finale Morbidität<br />
vorlag, die das Ableben des Patienten zum gegebenen<br />
Zeitpunkt und unter den gegebenen Umständen erwarten<br />
ließ. Dabei sind harte von weichen Todesursachen<br />
zu unterscheiden: Harte Todesursachen liegen vor,<br />
wenn Grundleiden und unmittelbare Todesursache eng<br />
miteinander verbunden sind, sie in kurzer zeitlicher<br />
Aufeinanderfolge eintreten und ein enger Kausalzusammenhang<br />
besteht, etwa bei einem klinisch diagnostizierten<br />
Myokardinfarkt, der über eine Herzruptur zur<br />
Herzbeuteltamponade führt. Hier liegen Grundleiden<br />
und Todesursache in einem Organsystem vor (linearer<br />
Sterbenstyp).<br />
Weiche Diagnosen liegen schließlich vor, wenn der<br />
Patient an mehreren Grunderkrankungen leidet, von denen<br />
sich keine a priori als Todesursache anbietet, die<br />
Todesursache letztlich multifaktoriell bleibt.<br />
Bei der Bewertung von Krankheitszuständen hinsichtlich<br />
ihrer todesursächlichen Dignität ist eine Orientierung<br />
an einer Befundeinteilung hilfreich, wie sie<br />
in der Rechtsmedizin seit mehr als 90 Jahren üblich ist.<br />
Todesursache unbekannt<br />
Die Angabe „Todesursache unbekannt“ ist einer<br />
vagen Spekulation vorzuziehen.<br />
KASTEN 4<br />
● Gruppe 1: Befunde, die aufgrund ihres Schweregrades<br />
und ihrer Lokalisation für sich allein und<br />
ohne Einschränkung den Tod eines Menschen erklären,<br />
zum Beispiel rupturiertes Hirnbasisaneurysma<br />
mit tödlicher Subarachnoidalblutung<br />
● Gruppe 2: Organveränderungen, die den Tod erklären,<br />
aber nicht die Akuität des Todeseintritts.<br />
Ein Beispiel wäre die akute Koronarinsuffizienz.<br />
Ihr morphologisches Substrat, die schwere Aterosklerose,<br />
bestand zweifellos auch bereits am<br />
Tag davor, eine äußere Belastung wie körperliche<br />
Arbeit bei schwülem Wetter ist jedoch das hinzutretende<br />
äußere Ereignis für den Todeseintritt zum<br />
gegebenen Zeitpunkt.<br />
● Gruppe 3: Todesfälle, bei denen trotz sorgsamster<br />
Untersuchung keine Todesursache aufzufinden ist.<br />
Weiterhin sollte man sich an Sterbenstypen orientieren,<br />
die als thanatologische Brücke zwischen Grundleiden und<br />
Todesursache bezeichnet werden (18, 19) (Grafik 1)<br />
● linearer Sterbenstyp: Grundleiden und Todesursache<br />
liegen in einem Organsystem<br />
● divergierender Sterbenstyp: organspezifisches<br />
Grundleiden, jedoch organunspezifische Todesursache<br />
● konvergierender Sterbenstyp: in verschiedenen<br />
Organsystemen gelegene Grundleiden führen<br />
Eintragung zur Todesursache<br />
Der Arzt sollte sich bei der Eintragung zur Todesursache<br />
die gesamte Krankheitsgeschichte seines<br />
Patienten vor Augen halten und sich fragen, ob eine<br />
Morbidität vorlag, die zum Tod führte.<br />
MEDIZIN<br />
Feststellung der Todeszeit<br />
● bei Tod unter ärztlicher Überwachung<br />
– Protokollierung des Zeitpunktes des beobachteten Herz- oder Kreislaufstillstandes<br />
● bei Totauffindungen<br />
– Eingrenzung des Todeszeitintervalls durch folgende Angaben:<br />
– zuletzt lebend gesehen am…<br />
– tot aufgefunden am…beziehungsweise<br />
– Schätzung der Liegezeit aus dem Fortschreitungsgrad von Leichenerscheinungen<br />
● bei durch Zeugen beobachtetem Todeseintritt mit kurzer Agonie<br />
– Todeszeitpunkt nach Angaben von Angehörigen, Zeugen etc.<br />
● Vorsicht bei quasi gleichzeitigem Tod naher Angehöriger<br />
(etwa kinderloses Ehepaar)<br />
– gute Dokumentation wegen möglicher erbrechtlicher Konsequenzen<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 579
MEDIZIN<br />
Abbildung:<br />
Internationales<br />
Formblatt der<br />
<strong>Ärztliche</strong>n<br />
Todesbescheinigung<br />
über eine gemeinsame pathogenetische Endstrecke<br />
zum Tod<br />
● komplexer Sterbenstyp: in verschiedenen Organsystemen<br />
gelegene Grundleiden mit mehreren organunspezifischen<br />
Todesursachen<br />
Bleibt bei völlig unerwarteten Todesfällen organgesunder<br />
Personen die Todesursache durch die <strong>Leichenschau</strong><br />
unklar, sollte dies im <strong>Leichenschau</strong>schein auch<br />
so vermerkt werden. Empfehlungen des Statistischen<br />
Bundesamtes zur Angabe der Todesursache und wichtige<br />
Begriffe finden sich in Tabelle 2 (20).<br />
Besondere Probleme ergeben sich schließlich bei<br />
Todesfällen im Alter sowie im Zusammenhang mit<br />
ärztlichen Maßnahmen. „Altersschwäche“ ist keine<br />
Todesursache. Retrospektive Untersuchungen von Todesfällen<br />
über 85-Jähriger beziehungsweise über<br />
100-Jähriger ergaben, dass jeweils morphologisch<br />
fassbare Grundleiden und Todesursachen vorlagen<br />
(6). Gegebenenfalls sind die diagnostizierten und zum<br />
Todeseintritt beitragenden Krankheiten im Sinne<br />
Weiche Diagnosen<br />
Weiche Diagnosen liegen vor, wenn der Patient an<br />
mehreren Grunderkrankungen leidet, von denen<br />
sich keine a priori als Todesursache anbietet.<br />
eines multifaktoriellen, konvergierenden Sterbens -<br />
typus deskriptiv aufzulisten, um „Verlegenheitsdia -<br />
gnosen“ zu vermeiden.<br />
Hinsichtlich der auf medizinische Maßnahmen zurückzuführenden<br />
Todesfälle fällt zunächst die erhebliche<br />
Diskrepanz zwischen den in der Bundesstatistik erfassten<br />
Sterbefällen durch Komplikationen bei der medizinischen<br />
und chirurgischen Behandlung und der aus<br />
der epidemiologischen Forschung abgeleiteten Todesfällen<br />
durch Behandlungsfehler auf.<br />
In der epidemiologischen Forschung werden für<br />
Deutschland 17 500 Todesfälle pro Jahr in Folge von<br />
Behandlungsfehlern vermutet (21) – diese Daten stehen<br />
im Einklang mit der internationalen Datenlage – während<br />
das Statistische Bundesamt für 2007 lediglich 399<br />
Todesfälle als Komplikationen der medizinischen und<br />
chirurgischen Behandlung angibt (4, 22). Hier besteht<br />
offensichtlich ein erhebliche Dunkelziffer. Das wirft<br />
die Frage auf, ob in entsprechend gelagerten Fällen der<br />
behandelnde Arzt auch die <strong>Leichenschau</strong> vornehmen<br />
Orientierung bei weichen Diagnosen<br />
Hier kann die Berücksichtigung des Sterbetypus<br />
hilfreich sein. Sterbenstypen werden als die thanatologische<br />
Brücke zwischen Grundleiden und<br />
Todesursache bezeichnet.<br />
580 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
oder unabhängig von einer Verdachtslage eine behördliche<br />
Überprüfung derartiger Fälle erfolgen sollte.<br />
Todesart<br />
Laut Todesursachenstatistik handelt es sich bei etwa<br />
4 Prozent aller Todesfälle um nichtnatürliche Todesursachen<br />
(Grafik 2) (20). Dabei entfallen jährlich etwa<br />
10 000 Fälle auf Suizide, 6 000 Todesfälle auf häus -<br />
liche Unfälle, knapp 6 000 Todesfälle auf Verkehrs -<br />
unfälle, 526 Todesfälle auf tätliche Angriffe.<br />
Nach retrospektiven Analysen von <strong>Leichenschau</strong>scheinen<br />
mit autoptischer Kontrolle der Angaben zu<br />
Todesart und Todesursache ist davon auszugehen,<br />
dass der nichtnatürliche Tod um 33 bis 50 Prozent<br />
häufiger auftritt als die Bundesstatistik widerspiegelt<br />
und mit etwa 81 000 nichtnatürlichen Todesfällen pro<br />
Jahr zu rechnen ist (1, 23, e2). Unter rechtsstaatlichen<br />
Gesichtspunkten besonders gravierend ist die<br />
Dunkelziffer der durch die ärztliche <strong>Leichenschau</strong><br />
nicht entdeckten Tötungsdelikte; nach einer multizentrischen<br />
Studie ist davon auszugehen, dass circa<br />
1 200 Tötungsdelikte pro Jahr in der Bundesrepublik<br />
Deutschland durch die <strong>Leichenschau</strong> nicht erkannt<br />
werden (23). Diese hohe Dunkelziffer findet immer<br />
wieder ihre Bestätigung durch Zufallsentdeckungen<br />
von Tötungsdelikten beziehungsweise sogar Serientötungen<br />
(auch in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern).<br />
6 Prozent der Klinikärzte attestieren regelmäßig<br />
ausschließlich einen natürlichen Tod; 30 Prozent<br />
kreuzen auch bei Gewalteinwirkung, Vergiftung,<br />
Suizid oder ärztlichem Eingriff einen natürlichen Tod<br />
an (e3). Mit der Qualifikation der Todesart entscheidet<br />
der leichenschauende Arzt darüber, ob ein Todesfall<br />
überhaupt den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis<br />
gelangt. Die Qualifikation der Todesart ist also eine<br />
außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe nicht<br />
nur hinsichtlich strafrechtlicher Aspekte (Aufdeckung<br />
von Tötungsdelikten), sondern auch im Hinblick<br />
auf Interessen der Hinterbliebenen (etwa Versorgungsanspruch<br />
nach einem tödlichen Unfall).<br />
„Natürlich“ ist ein Tod aus innerer, krankhafter Ursache,<br />
bei dem der Verstorbene an einer bestimmt zu<br />
bezeichnenden Erkrankung gelitten hat und mit dem<br />
Ableben zu rechnen war; der Tod trat völlig unabhängig<br />
von rechtlich bedeutsamen äußeren Faktoren ein.<br />
Voraussetzung für die Attestierung eines natürlichen<br />
Todes ist daher das Vorliegen eines anamnestisch bekannten<br />
todesursächlichen Grundleidens mit „quoad<br />
vitam“ schlechter Prognose.<br />
Problemfall „Tod im Alter“<br />
„Altersschwäche“ ist keine Todesursache. Es liegen<br />
jeweils morphologisch fassbare Grundleiden<br />
und Todesursachen vor.<br />
TABELLE 1<br />
Letzte mittelbare Todesursachen* 1<br />
organgebundene Todesursachen<br />
vonseiten der Atmungsorgane<br />
vonseiten der Kreislauforgane<br />
vonseiten des Zentralnervensystems:<br />
zerebraler Tod<br />
vonseiten des Gastrointestinaltraktes<br />
vonseiten der Leber<br />
vonseiten der Bauchspeicheldrüse<br />
vonseiten der Nieren<br />
nicht organgebundene Todesursachen<br />
tödliche Embolien<br />
Verblutung, innere und äußere, z. B.<br />
Sepsis<br />
Tumoren<br />
Nichtnatürliche Todesfälle<br />
Etwa 4 Prozent aller Todesfälle haben eine nichtnatürliche<br />
Ursache.<br />
MEDIZIN<br />
besondere letzte mittelbare Todesursachen<br />
mit dem Leben unvereinbare<br />
z. B. Aplasie des Gehirns, Anenzephalus<br />
Missbildungen<br />
besondere Todesursachen der Frucht und<br />
des Neugeborenen<br />
Pneumonie, Lungengangrän, Pleuritis,<br />
Pleuraempyem, Pneumothorax,<br />
Pyopneumothorax, Infarkt<br />
Koronarthrombose, Herzbeuteltamponade,<br />
Koronarinsuffizienz, Myokarditis,<br />
Myokardinfarkt<br />
bei organischen Erkrankungen des<br />
Herzens: z. B. Endokarditis, Hypertonikerherz,<br />
Herzhypertrophie bei Mesaortitis,<br />
Cor pulmonale, Concretio cordis, Herz -<br />
insuffizienz<br />
Hirnblutung, Hirnerweichung, Hirnerschütterung,<br />
Hirnquetschung, Hirnschwellung,<br />
Hirnödem, Enzephalitis,<br />
Status epilepticus, Leptomeningitis,<br />
Pachymeningitis, subdurales Hämatom,<br />
epidurales Hämatom<br />
Ileus, Peritonitis. Bei Kindern: Gastro -<br />
enteritis, Enterokolitis, Intoxikation,<br />
Dyspepsie, Dystrophie, Atrophie<br />
Coma hepaticum<br />
Coma diabeticum, hypoglykämisches<br />
Koma, hämorrhagische Pankreasnekrose<br />
Urämie, Urosepsis<br />
Thrombembolien, insbesondere Pulmonalembolie,<br />
Fettembolie, Luftembolie<br />
Hämoptoe, Melaena, Hämothorax,<br />
Hämaskos (Blutung in das Peritoneum)<br />
infolge Phlegmone und dergleichen,<br />
Pyämie, allgemeine Miliartuberkulose,<br />
Urosepsis, siehe auch Urämie<br />
Tumorkachexie, Tumoranämie<br />
intrauterine Asphyxie mit/ohne Aspiration<br />
von Fruchtwasser, Chorioamnionitis,<br />
dystrophes Frühgeborenes<br />
* 1 modifiziert nach (17)<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 581
MEDIZIN<br />
GRAFIK 1<br />
Sterbenstypen nach Leis (9). Beispiel für a) linearen Sterbenstypus (75 Jahre alter Mann bei<br />
Kreislauferkrankung und kardialer Todesursache), b) divergierenden Sterbenstypus (45 Jahre<br />
alte Frau bei metastasierendem Geschwulstleiden und organunspezifischer Todesursache),<br />
c) konvergierenden Sterbenstypus (79 Jahre alter Mann bei Kreislauf-, Magen- und Lungenerkrankung<br />
und kardialer Todesursache) und d) komplexen Sterbenstypus (63 Jahre alter<br />
Mann bei Kreislauf- und Lungenerkrankung sowie zerebraler und pulmonaler Todesursache.<br />
„Nichtnatürlich“ ist demgegenüber ein Todesfall, der<br />
auf ein von außen verursachtes, ausgelöstes oder beeinflusstes<br />
Geschehen zurückzuführen ist, unabhängig davon,<br />
ob dieses selbst- oder fremdverschuldet ist. Nichtnatürliche<br />
Todesfälle sind daher:<br />
● Gewalteinwirkungen<br />
● Unfälle (unabhängig davon ob selbst- oder fremdverschuldet)<br />
● Tötungsdelikte<br />
Hohe Dunkelziffer<br />
Nach einer multizentrischen Studie ist davon auszugehen,<br />
dass etwa 1 200 Tötungsdelikte pro Jahr<br />
in der Bundesrepublik Deutschland durch die <strong>Leichenschau</strong><br />
nicht erkannt werden.<br />
● Vergiftungen<br />
● Suizide<br />
● Behandlungsfehler<br />
● tödlich verlaufende Folgezustände der ersten vier<br />
genannten Punkte.<br />
Das Intervall zwischen einem am Anfang der zum<br />
Tode führenden Kausalkette stehenden äußeren Ereignis<br />
und dem Todeseintritt kann dabei beliebig lang (unter<br />
Umständen Jahre betragen) sein. Kann die Todesursache<br />
durch die <strong>Leichenschau</strong> nicht geklärt werden,<br />
bleibt dementsprechend auch die Todesart unklar.<br />
Verschiedene <strong>Leichenschau</strong>verordnungen der Bundesländer<br />
sowie ein Musterentwurf für eine bundeseinheitliche<br />
<strong>Leichenschau</strong> der Bundesärztekammer<br />
sehen explizit vor, dass die Attestierung eines natürlichen<br />
Todes die Untersuchung des unbekleideten<br />
Leichnams voraussetzt (e4). So heißt es beispielhaft<br />
in § 3 der Bayerischen Bestattungsverordnung: „[…]<br />
die Feststellung eines natürlichen Todes setzt in jedem<br />
Fall die Durchführung der <strong>Leichenschau</strong> an der vollständig<br />
entkleideten Leiche voraus. Die <strong>Leichenschau</strong><br />
an der vollständig entkleideten Leiche erfolgt unter<br />
Einbeziehung aller Körperregionen einschließlich aller<br />
Körperöffnungen, des Rückens und der behaarten<br />
Kopfhaut.“<br />
So sinnvoll diese Forderung ist, unterliegt es einerseits<br />
keinem Zweifel, dass sie nahezu regelhaft nicht<br />
beachtet wird. Unterschreitet der Arzt allerdings den<br />
geforderten Sorgfaltsmaßstab, begeht er bereits eine<br />
Ordnungswidrigkeit. Andererseits kann nicht verkannt<br />
werden, dass die vollständige Entkleidung des<br />
Leichnams bei erwarteten Todesfällen im Krankenhaus<br />
keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt beziehungsweise<br />
den <strong>Leichenschau</strong>er vor objektive Probleme<br />
stellen kann (zum Beispiel bei voll eingetretener<br />
Totenstarre, wenn kein Hilfspersonal vorhanden<br />
ist). Weiterhin wird bei dieser Forderung nicht zwischen<br />
erwarteten und nicht erwarteten Todesfällen unterschieden.<br />
Die Todesart ist nicht geklärt, wenn die<br />
Todesursache durch die <strong>Leichenschau</strong> auch unter Berücksichtigung<br />
der Anamnese nicht erkennbar ist. Die<br />
Attestierung eines natürlichen Todes setzt immer die<br />
Benennung einer klaren Todesursache voraus. Bedenklich<br />
ist in diesem Zusammenhang, dass etwa 50<br />
bis 70 Prozent der Ärzte bei Todesfällen nach Oberschenkelhalsfraktur,<br />
20 Prozent bei Tod unter Injektion<br />
und 30 bis 40 Prozent bei Tod während einer Operation,<br />
„Mors in tabula“ einen natürlichen Tod bescheinigen<br />
(24).<br />
Definition „natürliche Todesursache“<br />
Tod aus innerer, krankhafter Ursache, bei dem der<br />
Verstorbene an einer Erkrankung gelitten hat und<br />
mit dem Ableben zu rechnen war; der Tod trat völlig<br />
unabhängig von rechtlich bedeutsamen äußeren<br />
Faktoren ein.<br />
582 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
Sind auf der einen Seite nichtnatürliche Todesfälle<br />
in der amtlichen Statistik deutlich unterrepräsentiert,<br />
wird andererseits sowohl von niedergelassenen als<br />
auch Notärzten von Beeinflussungsversuchen der<br />
Polizei auf Attestierung eines natürlichen Todes berichtet,<br />
obwohl keine Todesursache erkennbar ist<br />
und damit die Todesart zumindest als nicht geklärt<br />
qualifiziert werden müsste. So berichten bei einer<br />
anonymen Befragung zufällig ausgewählter Ärzte<br />
aus dem Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe<br />
41 Prozent der niedergelassenen Ärzte und 47 Prozent<br />
der Notärzte von derartigen Beeinflussungsversuchen<br />
(24). Hintergrund dieser Beeinflussungsversuche<br />
ist, dass Ermittlungsbehörden den Begriff des<br />
nichtnatürlichen Todes teleologisch verengt auffassen<br />
als Tod, bei dem das Vorliegen eines Fremdverschuldens<br />
infrage kommt. Bei Attestierung eines natürlichen<br />
Todes entfällt der Ermittlungsbedarf. Indizien<br />
mit Hinweischarakter auf einen nichtnatürlichen<br />
Tod können sich aus Anamnese und Befunden ergeben:<br />
zum Beispiel plötzlicher Tod ohne bekannte<br />
Vorerkrankung, auf den ersten Blick „prima facie“<br />
erkennbare Unfälle und Suizide, Abschiedsbrief etc.<br />
Befunde mit Hinweischarakter auf einen nichtnatürlichen<br />
Tod sind Stauungsblutungen, auffällige Farbe<br />
der Totenflecke, Tablettenreste im Mundbereich,<br />
Verletzungszeichen.<br />
Untaugliche Kriterien für Hinweise auf einen natürlichen<br />
Tod sind das Alter, insbesondere wenn keine lebensbedrohlichen<br />
Vorerkrankungen bekannt sind, und<br />
fehlende sichtbare Traumen.<br />
Bei Todesfällen im Krankenhaus, insbesondere<br />
wenn der Patient hinreichend lange in ärztlicher Behandlung<br />
stand, sollte die Fehlerquote ebenfalls relativ<br />
gering sein; Problembereiche sind hier verkannte Kausalzusammenhänge<br />
zu am Anfang der zum Tode führenden<br />
Kausalkette stehenden Traumen und Todesfälle<br />
im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen. Aus<br />
dem stationären Bereich werden zudem gelegentlichprimär<br />
nicht erkannte Tötungsserien durch Ärzte oder<br />
Pflegepersonal berichtet.<br />
Die Gefahr von Fehlern und Täuschungsmöglich -<br />
keiten sind sicher am größten bei Durchführung der <strong>Leichenschau</strong><br />
durch niedergelassene Ärzte in der Wohnung;<br />
typische Fehler in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit sind:<br />
● Unerfahrenheit<br />
● Sorglosigkeit<br />
● unsorgfältige Durchführung der <strong>Leichenschau</strong><br />
● Rücksichtnahme auf Angehörige.<br />
Todesart nicht geklärt<br />
Die Todesart ist nicht geklärt, wenn die Todesursache<br />
durch die <strong>Leichenschau</strong> auch unter Berücksichtigung<br />
der Anamnese nicht erkennbar ist.<br />
GRAFIK 2<br />
Anteil der nichtnatürlichen Todesursachen an den Sterbefällen 2007 in Deutschland<br />
(Quelle: Statistisches Bundesamt [20])<br />
Hinzu kommen gegebenenfalls jedoch auch ungünstige<br />
äußere Bedingungen, schlechte Beleuchtung sowie<br />
schlichte Überforderung, ohne dass flexible Lösungsmöglichkeiten<br />
mit Herbeiziehung eines qualifizierten<br />
<strong>Leichenschau</strong>ers gegeben wären. Gerade niedergelassene<br />
Ärzte können sich hier in einer Interessenkollision<br />
befinden, da sie als behandelnde Ärzte auch der Angehörigen<br />
des Verstorbenen bei Attestierung eines nichtgeklärten<br />
Todes Ermittlungen auslösen mit der Gefahr,<br />
die Angehörigen als Patienten zu verlieren. Gegenüber<br />
dem niedergelassenen Arzt befindet sich der Kliniker in<br />
einer geschützten Position (Tod im ärztlich dominierten<br />
Umfeld des Krankenhauses statt im privaten Umfeld).<br />
Problemfelder<br />
In der Klinik immer wieder auftretende Problemfelder sind:<br />
● Todesfälle im Zusammenhang mit ärztlichen<br />
Maßnahmen sowie<br />
● Todesfälle nach Sturzverletzungen oder sonstigen<br />
Gewalteinwirkungen, bei denen der Kausalzusammenhang<br />
zu einer äußeren Gewalteinwirkung<br />
Hinweise auf einen nichtnatürlichen Tod geben<br />
Stauungsblutungen<br />
Farbe der Totenflecke<br />
Tablettenreste im Mundbereich<br />
Verletzungszeichen<br />
MEDIZIN<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 583
MEDIZIN<br />
TABELLE 2<br />
Todesursachen – Beispiele und wichtige Aspekte* 1<br />
Pneumonie<br />
Infektion<br />
Harnwegsinfekt<br />
Nierenversagen<br />
Hepatitis<br />
Infarkt<br />
Thrombose<br />
Lungenembolie<br />
Leukämie<br />
Alkohol/Arzneimittel/Betäubungsmittel<br />
Komplikation eines operativen Eingriffs<br />
Demenz<br />
Unfalltod<br />
Tumor<br />
beziehungsweise einem äußeren Ereignis nicht erkannt<br />
und fälschlicherweise natürlicher Tod bescheinigt<br />
wird.<br />
Bei unerwarteten Todesfällen im Zusammenhang<br />
mit ärztlichen Maßnahmen sollte die Todesart immer<br />
als nicht geklärt qualifiziert werden, um durch ein behördliches<br />
Todesursachenermittlungsverfahren Grundleiden<br />
und Todesursache objektiv abzuklären. Erst auf<br />
dieser Basis kann zur Frage eines Behandlungsfehlers<br />
Stellung genommen werden. Die Qualifizierung der<br />
Interessenskollision<br />
Der behandelnde Arzt, der auch die Angehörigen<br />
des Verstorbenen behandelt, kann bei Attestierung<br />
eines nichtgeklärten Todes Ermittlungen<br />
auslösen mit der Gefahr, die Angehörigen als<br />
Patienten zu verlieren.<br />
― primär, hypostatisch, Aspiration, zugrundeliegende Ursache<br />
― Erreger<br />
― sofern Folge von Immobilität oder Debilität, die Ursache für die Immobilität oder Debilität<br />
― primär oder sekundär, Erreger<br />
― sofern primär: bakteriell oder viral<br />
― sofern sekundär: nähere Angaben zum primären Infekt<br />
― Lokalisation im Harntrakt, Erreger, zugrundeliegende Ursache<br />
― sofern Folge von Immobilität oder Debilität: die Ursache für die Immobilität oder Debilität<br />
― akut, chronisch oder terminal, zugrundeliegende Ursache, z. B. Hypertonie,<br />
Arteriosklerose, Herzerkrankung<br />
― sofern Folge von Immobilität oder Debilität: die Ursache für die Immobilität oder Debilität<br />
― akut oder chronisch, alkoholbedingt<br />
― sofern viral: Typ (A, B, C, D oder E)<br />
― arteriosklerotisch, durch Thrombose oder Embolie<br />
― arteriell oder venös – mit Gefäßbezeichnung<br />
― intrakranieller Sinus – eitrig, nicht eitrig, venös (welche Vene)<br />
― postoperativ oder bei Immobilisierung – Krankheit, die Anlass für die OP oder die Immobilisierung<br />
war<br />
― sofern jünger als 75 Jahre: Ursache<br />
― postoperativ: Krankheit, die Anlass für die OP oder die Immobilisierung war<br />
― akut/subakut/chronisch,<br />
― lymphatisch/myeloisch/monozytär<br />
― längerer Abusus oder einfach Gebrauch<br />
― Abhängigkeit<br />
― Krankheit, die Anlass für die Operation war<br />
― Ursache (z. B. senil, Alzheimer, Multiinfarkt)<br />
― nähere Umstände (z. B. Radfahrer von Auto erfasst)<br />
― Unfall, suizidal, tätlicher Angriff oder Umstände unbestimmt<br />
― Unfallort (z. B. Straße, Wohnhaus …) und ggf. Tätigkeit zum Zeitpunkt des Todes (Golf,<br />
Kinobesuch, Berufsausübung …)<br />
― benigne, maligne, Lokalisation,<br />
Metastasen<br />
* 1 modifiziert nach (25); Empfehlungen des Statistischen Bundesamtes zur Angabe der Todesursache<br />
Todesart als nicht geklärt beziehungsweise nichtnatürlich<br />
bedeutet nicht das Eingeständnis eines Behandlungsfehlers.<br />
Für niedergelassene Ärzte ergeben sich Probleme<br />
vor allen Dingen bei Totauffindung, Wohnungsleichen,<br />
Patienten, die unerwartet sterben, sowie bei Todesfällen<br />
alter Menschen.<br />
Wenn sich die Todesursache weder aus <strong>Leichenschau</strong><br />
noch Befragung vorbehandelnder Ärzte ergibt,<br />
ist dies entsprechend zu dokumentieren mit Qualifika-<br />
Auftretende Problemfelder in der Klinik<br />
Todesfälle im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen<br />
sowie<br />
Todesfälle nach Sturzverletzungen oder sonstigen<br />
Gewalteinwirkungen<br />
584 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
tion der Todesart als nicht geklärt. Bei alten Menschen<br />
ist immer zu fragen, ob Anamnese, Schweregrad der<br />
diagnostizierten Erkrankung, das Hier und Jetzt des<br />
Todeseintritts erklären. Fehler und Gefahren bei der<br />
ärztlichen <strong>Leichenschau</strong> sind in Kasten 5 zusammengefasst.<br />
Kann die Todesursache durch die <strong>Leichenschau</strong><br />
nicht geklärt werden, sollte sich eine Obduktion anschließen,<br />
wie es heute noch in vielen europäischen<br />
Nachbarländern üblich ist. Die Obduktionsquote liegt<br />
jedoch heute in Deutschland bei unter 5 Prozent aller<br />
Toten, wobei insbesondere die klinischen Obduktionen<br />
in den letzten Jahren stark rückläufig sind, während<br />
die gerichtlichen Obduktionen mit 2 Prozent der Toten<br />
relativ stabil bleiben (im Vergleich Obduktionsquoten<br />
von 20 bis 30 Prozent in England und Wales, Schweden<br />
und Finnland) (25, e5). Diese im Interesse einer<br />
validen Todesursachenstatistik und eines geplanten<br />
Nationalen Mortalitätsregisters notwendigen Obduktionen<br />
müssten allerdings adäquat und kostendeckend<br />
vergütet werden, dies ist derzeit leider nicht der Fall.<br />
Eine umfangreiche Checkliste zur Durchführung der<br />
<strong>Leichenschau</strong> findet sich unter: www.aerzteblatt.de/v4/<br />
archiv/artikel.asp?src=suche&p=%C4rztliche+Leichen<br />
schau&id=39572 sowie (e6)<br />
Interessenkonflikt<br />
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des<br />
International Committee of Medical Journal Editors besteht.<br />
Manuskriptdaten<br />
eingereicht: 25. 3. 2010, revidierte Fassung angenommen: 1. 6. 2010<br />
LITERATUR<br />
1. Madea B: Die ärztliche <strong>Leichenschau</strong>. Rechtsgrundlagen – Praktische<br />
Durchführung – Problemlösungen. 2 nd edition. Berlin Heidelberg New<br />
York: Springer 2006.<br />
2. Madea B, Dettmeyer R: <strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong> und Todesbescheinigung.<br />
Dtsch Arztebl 2003; 100(48): A 3161–79.<br />
3. Gross R, Löffler M: Prinzipien der Medizin. Eine Übersicht ihrer Grundlagen<br />
und Methoden. Berlin Heidelberg New York: Springer 1998.<br />
4. Madea B: Strukturelle Probleme bei der <strong>Leichenschau</strong>. Rechtsmedizin<br />
2009; 19: 399–406.<br />
5. Madea B, Dammeyer Wiehe de Gomez B, Dettmeyer R: Zur Reliabilität<br />
von <strong>Leichenschau</strong>diagnosen bei fraglich iatrogenen Todesfällen. Kriminalistik<br />
2007; 12: 767–73.<br />
6. Berzlanovic A, Keil W, Waldhoer T, Sim E, Fasching P, Fazeny-Dörner B:<br />
Do centenarians die healthy? An autopsy study. J Gerontol 2005; 60:<br />
862–5.<br />
7. Schelhase T, Weber S: Die Todesursachenstatistik in Deutschland. Probleme<br />
und Perspektiven. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung<br />
Gesundheitsschutz 2007; 50: 969–76.<br />
Tod in Zusammenhang mit<br />
ärztlichen Maßnahmen<br />
Bei diesen Todesfällen sollte die Todesart immer als<br />
nicht geklärt qualifiziert werden, um durch ein behördliches<br />
Todesursachenermittlungsverfahren<br />
Grundleiden und Todesursache objektiv abzuklären.<br />
KASTEN 5<br />
Fehler und Gefahren bei der ärztlichen<br />
<strong>Leichenschau</strong>* 1<br />
8. Modelmog D, Goertchen R: Der Stellenwert von Obduktionsergebnissen.<br />
Dtsch Arztebl 1992; 89(42): A 3434.<br />
9. Bundesärztekammer: Stellungnahme zur Autopsie. Langfassung 2005.<br />
10. Shojania KG, Burton EC, McDonald KM, Goldman L: Changes in rates of<br />
autopsy. Detected diagnostic errors over time. A systematic review.<br />
JAMA 2003; 289: 2849–56.<br />
11. Shojania K, Burton E, McDonald K, et al.: The autopsy as an outcome<br />
and performance measure. Evidence report/technology assessment<br />
number 58 (prepared by the University of California at San Francisco-<br />
Standford, Evidence-based practice centre under contract no.<br />
290–97–0013) AHRQ Publication for health care research and quality,<br />
October 2002.<br />
12. Kirch W: Fehldiagnosen und Diagnosefehler in der Inneren Medizin. In:<br />
Madea B, Schwonzen M, Winter UJ, Radermacher D (eds.): Innere Medizin<br />
und Recht. Konfrontation – Kommunikation – Kooperation. Berlin,<br />
Wien: Blackwell 1996; 65–71.<br />
Totenschein bei alten Menschen<br />
Bei alten Menschen ist immer zu fragen, ob<br />
Anamnese und der Schweregrad der diagnostizierten<br />
Erkrankung das Hier und Jetzt des Todeseintritts<br />
erklären.<br />
MEDIZIN<br />
Cave<br />
● keine Todesfeststellung ohne sichere Todeszeichen<br />
● sorgfältige Untersuchung des unbekleideten Leichnams<br />
● Krankheitsgeschichte des Patienten rekapitulieren<br />
– welche Diagnose lag vor?<br />
– wie war die Abfolge der zum Tode führenden Ereignisse?<br />
– lassen sich Art und Umstände des Todeseintritts mit den gesicherten<br />
Diagnosen erklären?<br />
– wie sicher sind Diagnosen zu Grundleiden und Todesursache?<br />
● Stand am Anfang der zum Tode führenden Kausalkette ein äußeres Ereignis?<br />
Dann nichtnatürlicher Tod!<br />
● bei Todesfällen im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen – Todesart<br />
ungeklärt beziehungsweise nichtnatürlich<br />
● ist die Todesursache auch durch Befragung vorbehandelnder Ärzte nicht zu<br />
ermitteln, bleibt sie unklar; gleichzeitig Todesart ungeklärt<br />
● keinen Beeinflussungsversuchen nachgeben<br />
Fehler<br />
● funktionelle Endzustände als Todesursache angegeben, ohne sie auf ein<br />
Grundleiden zurückzuführen<br />
● falsche Sequenz von der letztendlichen Todesursache zum Grundleiden<br />
● Zeitintervalle fehlen<br />
● Kausalzusammenhang zu einem am Anfang der zum Tode führenden Kausalkette<br />
stehenden äußeren Ereignis (zum Beispiel Trauma) übersehen<br />
* 1 modifiziert nach (1)<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 585
MEDIZIN<br />
13. Schwarze EW, Pawlitschko J: Autopsie in Deutschland: Derzeitiger<br />
Stand, Gründe für den Rückgang der Obduktionszahlen und deren<br />
Folgen. Dtsch Arztebl 2003; 100(43): A 2802–8.<br />
14. Magrane BP, Gilliland GF, King DA: Certification of death by family physicians.<br />
American Family Physician 1997; 56: 1433–8.<br />
15. Maudsley G, Williams EN: Inaccuarcy in death certification—where are<br />
we now? Journal of Public Health Medicine 1996; 18: 59–66.<br />
16. Myers K, Farquhar DRE: Improving the accuracy of death certification.<br />
CMAJ 1998; 158: 1317–23.<br />
17. Feyrter F: Über den ärztlichen Begriff der Todesursache (mit besonderer<br />
Berücksichtigung der Todesursache im Sektionsprotokoll des pathologischen<br />
Anatomen). Wiener Zeitschrift Innere Medizin und Grenzgebiete<br />
1946; 27: 438–56.<br />
18. Leis J: Die Todesursache unter individual-pathologischen Gesichtspunkten.<br />
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1982; 107: 1069–72.<br />
19. Thieke Ch, Nitze H: Sterbenstypen: Thanatologische Brücke zwischen<br />
Grundleiden und Todesursache. Pathologe 1988; 9: 240–4.<br />
20. Statistisches Bundesamt: Empfehlungen zur Angabe der Todesursache.<br />
www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/<br />
Content/Statistiken/Gesundheit/Todesursachen/Aktuell,templateId=<br />
renderPrint.psmle<br />
21. Schrappe M, Lessing C, Conen D, et al.: Agenda Patientensicherheit<br />
2008, www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de/apsside/Agen<br />
da_2008.pdf.<br />
22. Madea B: Autoptisch bestätigte Behandlungsfehler. Zeitschrift für Evidenz,<br />
Fortbildung, Qualität im Gesundheitswesen (ZEFQ) 2008; 102:<br />
535–41.<br />
23. Brinkmann B: Fehlleistungen bei der <strong>Leichenschau</strong> in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Ergebnisse einer multizentrischen Studie (I) und (II),<br />
Arch Kriminol 1997; 199: 2–12, 65–74.<br />
24. Vennemann B, Du Chesne A, Brinkmann B: Die Praxis der ärztlichen<br />
<strong>Leichenschau</strong>. DMW 2001; 126: 712–716<br />
25. Brinkmann B, Du Chesne A, Vennemann B: Aktuelle Daten zur Obduktionsfrequenz<br />
in Deutschland DMW 2002; 127: 791–5.<br />
Anschrift für die Verfasser<br />
Prof. Dr. med. Burkhard Madea<br />
Institut für Rechtsmedizin<br />
Universitätsklinikum Bonn<br />
Stiftsplatz 12, 53111 Bonn<br />
Weitere Informationen zu cme<br />
SUMMARY<br />
The Post Mortem Examination—Determination of the Cause and<br />
Manner of Death<br />
Background: The post mortem examination is the final service that a physician<br />
can render to a patient. Its purpose is not just to establish medical diagnoses,<br />
but to provide facts in the service of the judicial process and the<br />
public interest. Its main tasks are the definitive ascertainment of death, determination<br />
of the cause of death and assessment of the manner of death.<br />
Methods: Selective search and review of relevant literature on cause-ofdeath<br />
statistics, judicial principles, and the performance of the post mortem<br />
examination, with emphasis on determination of the cause and manner of<br />
death.<br />
Results and discussion: An important duty of the physician performing the<br />
post mortem examination is to know the patient’s history. Thus, in principle,<br />
the treating physician is the most suitable person to perform the post mortem<br />
examination. In most cases of death (perhaps 60% to 70%), the treating<br />
physician will be able to give reliable information on the patient’s underlying<br />
illnesses and the cause of death, based on the patient’s history and<br />
circumstances at the time of death. Problems arise when death is unexpected<br />
and the post mortem examination alone does not suffice to establish<br />
the cause of death. If the cause of death cannot be determined, this fact<br />
should be documented, and the manner of death should likewise be documented<br />
as undetermined. The autopsy rate in Germany is less than 5% of<br />
all deaths, which is very low.<br />
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(33): 575–88<br />
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0575<br />
586 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010<br />
@ Mit<br />
„e“ gekennzeichnete Literatur:<br />
www.aerzteblatt.de/lit3310<br />
The English version of this article is available online:<br />
www.aerzteblatt-international.de<br />
eTabelle, Grafik und Kasuistik unter:<br />
www.aerzteblatt.de/10m0575<br />
Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert.<br />
Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet werden.<br />
Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Meine Daten“ oder bei der Registrierung die EFN in das entsprechende<br />
Feld eingegeben werden und durch Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden.<br />
Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.<br />
Wichtiger Hinweis<br />
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich: cme.aerzteblatt.de<br />
Einsendeschluss ist der 1. 10. 2010.<br />
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.<br />
Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 41/2010 an dieser Stelle<br />
veröffentlicht.<br />
Die cme-Einheit „Therapie der HIV-Infektion“ (Heft 28—29/2010) kann noch bis zum 30. 8. 2010 bearbeitet werden.<br />
Für Heft 37/2010 ist das Thema „Arzneimitteltherapie bei Patienten mit chronischen Nierenversagen“ vorgesehen.<br />
Lösungen zur cme-Einheit in Heft 25/2010:<br />
Halis G, et al.: Diagnose und Therapie der tief-infiltrierenden Endometriose.<br />
Lösungen: 1d, 2e, 3c, 4a, 5d, 6c, 7b, 8d, 9b, 10a
MEDIZIN<br />
Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage<br />
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.<br />
Frage Nr. 1<br />
Eine <strong>Leichenschau</strong> ist immer beim Auffinden einer menschlichen<br />
Leiche durchzuführen. Was ist in diesem Zusammenhang eine<br />
menschliche Leiche?<br />
a) ein vollständiges Bein<br />
b) ein Skelett (mindestens Rumpf und Schädel)<br />
c) ein Kopf mit nur geringen Fäulniszeichen<br />
d) eine Totgeburt von 250 g Geburtsgewicht<br />
e) eine verweste Leiche auch ohne geweblichen Zusammenhang<br />
Frage Nr. 2<br />
Was ist ein sicheres Todeszeichen, bei dem auch Wiederbelebungsmaßnahmen<br />
nicht mehr indiziert sind?<br />
a) Rigor mortis<br />
b) Atemstillstand<br />
c) Asystolie<br />
d) Areflexie<br />
e) Hypothermie<br />
Frage Nr. 3<br />
Was zählt zu den sogenannten harten Todesursachen?<br />
a) Herzversagen bei Enterokolitis mit Elektrolytverschiebungen<br />
b) zentrales Regulationsversagen bei chronischem Lungenemphysem<br />
c) Urämie bei Kardiomyopathie und Diabetes mellitus Typ 1<br />
d) intrazerebrale Blutung bei rupturiertem Hirnbasisarterienaneurysma<br />
e) Kreislaufversagen bei Bakteriämie und sakral gelegenem Dekubitus<br />
Grad III<br />
Frage Nr. 4<br />
Ein bettlägeriger 54-jähriger Patient mit spastischen Lähmungen und<br />
Schluckstörungen infolge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas, das<br />
er sieben Jahre zuvor bei einem Raubüberfall erlitten hatte, stirbt infolge<br />
einer Aspirationspneumonie.<br />
Wie lang darf ein Intervall zwischen einem am Anfang der zum<br />
Tode führenden Kausalkette stehenden äußeren Ereignis (hier<br />
SHT) und dem letztendlichen Todeseintritt (hier Aspirationspneumonie)<br />
sein, damit eine nichtnatürliche Todesart noch attestiert<br />
werden kann?<br />
a) 1 Monat<br />
b) 1 Jahr<br />
c) 5 Jahre<br />
d) 10 Jahre<br />
e) beliebig lang<br />
Frage Nr. 5<br />
Ein 42-jähriger alkoholisierter Mann wird als Fußgänger von einem<br />
Pkw angefahren. Im Krankenhaus werden eine unfallbedingte Tibiafraktur<br />
sowie multiple Schürfungen diagnostiziert. Aufgrund einer Leberzirrhose,<br />
einer Pankreasfibrose und seines erheblich reduzierten<br />
Allgemeinzustandes bei bekannter Alkoholkrankheit sowie bestehendem<br />
Ikterus und diabetischer Stoffwechsellage wird er nach konser-<br />
vativer Frakturversorgung auf eine Innere Abteilung verlegt. Er stirbt<br />
vier Wochen später auf der internistischen Intensivstation unter den<br />
Zeichen des Leberausfallkomas.<br />
Welches ist die richtige Kausalkette, die auf der Todesbescheinigung<br />
anzugeben ist 1) = unmittelbare Todesursache, 2) = als Folge<br />
von, 3) = Grundleiden?<br />
a) 1) Coma hepaticum, 2) Tibifraktur 3) Leberzirrhose<br />
b) 1) Coma hepaticum, 2) Leberzirrhose, 3) Alkoholkrankheit<br />
c) 1) Stoffwechselentgleisung, 2) Coma hepaticum, 3) Tibiafraktur<br />
d) 1) Stoffwechselentgleisung,2) Tibiafraktur, 3) Alkoholkrankheit<br />
e) 1) Stoffwechselentgleisung, 2) Alkoholkrankheit, 3) Leberzirrhose<br />
Frage Nr. 6<br />
Ein 58-jähriger Mann wird mit typischen Symptomen eines Myokardinfarkts<br />
akut in ein Krankenhaus eingeliefert. Mittels EKG sowie<br />
Laboruntersuchungen wird der Myokardinfarkt bestätigt. Auf dem<br />
Weg zum Herzkatheterraum wird der Patient plötzlich bewusstlos.<br />
Die anschließenden Untersuchungen ergeben den Verdacht auf eine<br />
Herzbeuteltamponade. Der Patient wird innerhalb weniger Minuten<br />
asystol, und im Rahmen der Reanimationsmaßnahmen wird reichlich<br />
Blut aus dem Herzbeutel aspiriert. Trotz Reanimationsmaßnahmen<br />
verstirbt der Patient. Anamnestisch sind bei dem im Krankenhaus<br />
bekannten Patienten ein Nikotinabusus, ein arterieller Hypertonus,<br />
eine stenosierende Koronarsklerose mit Z. n. zweifacher Stentimplantation<br />
(zuletzt 2 Jahre zuvor), eine Herzhypertrophie sowie eine<br />
Leberverfettung bekannt.<br />
Welches ist die richtige Kausalkette, die auf der Todesbescheinigung<br />
anzugeben ist ( 1) = unmittelbare Todesursache, 2) = als<br />
Folge von, 3) = Grundleiden?<br />
a) 1) Herzbeuteltamponade, 2) Koronare Herzerkrankung, 3) Myokardinfarkt<br />
b) 1) Herzbeuteltamponade, 2) Myokardinfarkt, 3) Koronare Herzerkrankung<br />
c) 1) Herzversagen, 2) Myokardinfarkt, 3) Koronare Herzerkrankung<br />
d) 1) Herzversagen, 2) Herzbeuteltamponade, 3) Myokardinfarkt<br />
e) 1) Herzversagen, 2) Myokardinfarkt, 3) Nikotinabusus, art. Hypertonus<br />
Frage Nr. 7<br />
Sie werden als Notarzt zu einem 5 Monate alten Säugling in eine Wohnung<br />
alarmiert, der nach Angaben des Vaters beim Füttern plötzlich<br />
kollabiert sei. Bei Ihrem Eintreffen ist das Kind asystol, schlaff und Sie<br />
beginnen mit Reanimationsmaßnahmen, die bis zur Krankenhauseinlieferung<br />
fortgeführt werden. Nach Klinikaufnahme: Zeichen des Hirntodes,<br />
keine äußeren Verletzungen. Im CCT findet sich ein dünner Blutfilm<br />
im Subduralspalt.<br />
Was geben Sie als unmittelbare Todesursache (TU) an und welche<br />
Todesart (TA) attestieren Sie?<br />
a) TU: Zentrales Reagulationsversagen, TA: natürlicher Tod<br />
b) TU: Zentrales Regulationsversagen, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
c) TU: Zentrales Regulationsversagen, TA: ungeklärt<br />
d) TU: subdurales Hämatom, TA: natürlicher Tod<br />
e) TU: subdurales Hämatom, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 587
MEDIZIN<br />
Frage Nr. 8<br />
60-jähriger Patient, stationäre Aufnahme wegen schwerer pektanginöser<br />
Symptomatik. Drei Tage später kommt es zum kardiogenen<br />
Schock und Todeseintritt. Laborchemisch und elektrokardiographisch<br />
finden sich Zeichen des frischen Myokardinfarktes. Anamnestisch ist<br />
bekannt, dass der Patient vor rund einem Jahr bei einem Verkehrs -<br />
unfall als Pkw-Insasse eine Thoraxprellung mit mehreren Rippen -<br />
frakturen erlitten hatte, aber nach wenigen Tagen in unauffälligem<br />
Zustand aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Bis zur<br />
jetzigen Aufnahme sei er in der Zwischenzeit nach Angabe der<br />
Angehörigen beschwerdefrei gewesen.<br />
Was geben Sie als unmittelbare Todesursache (TU) an und welche<br />
Todesart (TA) attestieren Sie?<br />
a) TU: Myokardinfarkt, TA: natürlicher Tod<br />
b) TU: Myokardinfarkt, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
c) TU: Koronarstenose, TA: natürlicher Tod<br />
d) TU: Koronarstenose, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
e) TU: Herzversagen, TA: ungeklärt<br />
Frage Nr. 9<br />
Eine 68-jährige Frau wird tot im Bett ihrer Wohnung von den Angehörigen<br />
aufgefunden. Diese berichten Ihnen, als diensthabender Bereitschaftsarzt,<br />
der die Verstorbene zu Lebzeiten nicht kannte, von einem<br />
in den letzten zwei Wochen sich erheblich verschlechternden Allgemeinzustand<br />
wegen einer schweren Pneumonie. Eine Krankenhauseinweisung<br />
habe sie vehement abgelehnt. Sie rufen von der Wohnung<br />
aus den behandelnden Hausarzt an, der Ihnen gegenüber die Angaben<br />
der Angehörigen bestätigt und angibt, die Patientin zwei Tage zuvor<br />
zuletzt zu Hause aufgesucht und weiterhin hochfieberhaft angetroffen<br />
zu haben, weshalb er das Antibiotikum gewechselt habe. Er legt dar,<br />
dass er von einer todesursächlichen Pneumonie aus innerer Ursache<br />
ausgehe. Ihre Untersuchung der Leiche: abgesehen von kleineren unterschiedlich<br />
alten Hämatomen an beiden Unterschenkelvorderseiten<br />
keine Auffälligkeiten.<br />
Was geben Sie als unmittelbare Todesursache (TU) an und welche<br />
Todesart (TA) attestieren Sie?<br />
a) TU: Atemversagen, TA: natürlicher Tod<br />
b) TU: Atemversagen, TA: ungeklärt<br />
c) TU: Sepsis, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
d) TU: Pneumonie, TA: natürlicher Tod<br />
e) TU: Pneumonie, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
Frage Nr. 10<br />
Sie werden als Notarzt zur Leiche eines vier Monate alt gewordenen<br />
männlichen Säuglings in eine Wohnung gerufen. Die Eltern geben an,<br />
dass er seit drei Tagen erkältet gewesen sei, weshalb man am Tage<br />
vor dem Tod beim Pädiater gewesen sei. Nach dortiger Einschätzung<br />
habe aber kein besorgniserregender Zustand bestanden. Am Morgen<br />
hätte der Säugling dann tot im Bett gelegen. Ihre <strong>Leichenschau</strong>: Regelrecht<br />
entwickelter Säugling, keine äußerlich erkennbaren Verletzungen<br />
oder Hinweise auf Vernachlässigung.<br />
Was geben Sie als unmittelbare Todesursache (TU) an und welche<br />
Todesart (TA) attestieren Sie?<br />
a) TU: Plötzlicher Säuglingstod (SIDS), TA: natürlicher Tod<br />
b) TU: Respiratorisches Versagen, TA: natürlicher Tod<br />
c) TU: unklar, TA: ungeklärt<br />
d) TU: Hirnblutung, TA: ungeklärt<br />
e) TU: Hirnblutung, TA: nichtnatürlicher Tod<br />
588 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010
<strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong><br />
Feststellung der Todesursache und Qualifikation der Todesart<br />
Burkhard Madea, Markus Rothschild<br />
eLITERATUR<br />
e1. Modelmog D: (1993) Todesursachen sowie Häufigkeit pathologisch-anatomischer<br />
Befundkomplexe und Diagnosen in einer mittelgroßen<br />
Stadt bei fast 100%iger Obduktionsquote. Deutsche<br />
Hochschulschriften 491. Engelsbach: Hänsel-Hohenhausen<br />
1993.<br />
e2. Eckstein P, Schyma C, Madea B: Rechtsmedizinische Erfahrungen<br />
bei der Kremationsleichenschau – eine retorspektive Analyse der<br />
letzten 11 Jahre. Arch Kriminol 2010 – in press<br />
e3. Berg S, Ditt J: Probleme der <strong>Ärztliche</strong>n <strong>Leichenschau</strong> im Krankenhausbereich.<br />
Niedersächsisches Ärztebl 1984; 8: 332–6.<br />
e4. Bundesärztekammer 2002, Entwurf einer Gesetzgebung zur ärztlichen<br />
<strong>Leichenschau</strong> und Todesbescheinigung. In: Madea B<br />
(2006) Die <strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong>. Rechtsgrundlagen, Praktische<br />
Durchführung, Problemlösung. 2nd edition. Berlin Heidelberg New<br />
York: Springer 2006; 213–6.<br />
e5. Doberentz E, Madea B, Böhm U, Lessig R: Zur Relialibität von <strong>Leichenschau</strong>diagnosen<br />
von nichtnatürlichen Todesfällen – vor und<br />
nach der Wende. Archiv für Kriminologie 2009; 225: 1–17.<br />
e6. AWMF-Leitlinien Register Nr. 054/002 Regeln zur Durchführung<br />
der <strong>Ärztliche</strong>n <strong>Leichenschau</strong><br />
MEDIZIN<br />
3<br />
Punkte<br />
cme<br />
Teilnahme nur im<br />
Internet möglich:<br />
aerzteblatt.de/cme<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 15
MEDIZIN<br />
<strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong><br />
Feststellung der Todesursache und Qualifikation der Todesart<br />
Burkhard Madea, Markus Rothschild<br />
Die Kasuistik<br />
Kasuistik mit Fehlertypen zur Angabe<br />
der Todesursachen – Falldarstellung<br />
nach (16)<br />
Ein 75 Jahre alt gewordener<br />
Mann, Raucher, mit einem seit fünf<br />
Jahren bestehenden Lungenemphysem<br />
wird aufgrund einer Exazerbation<br />
seiner Lungenerkrankung in das<br />
Krankenhaus eingewiesen. Dort<br />
wird die Diagnose Haemophilus-<br />
Influenza-Pneumonie gestellt. Un -<br />
abhängig hiervon besteht seit zehn<br />
Jahren eine koronare Herzerkrankung.<br />
Während des stationären Aufenthaltes<br />
verschlechtert sich der Zustand,<br />
der Mann möchte allerdings<br />
nicht intubiert und künstlich beatmet<br />
werden. Eine Woche nach Krankenhausaufnahme<br />
wird er tot im Bett<br />
aufgefunden. Es sind vier verschiedene<br />
Alternativen zur Angabe der<br />
Todesursache im <strong>Leichenschau</strong>schein<br />
(A – D) mit Fehlertypen abgebildet.<br />
In diesem Fall ist lediglich die<br />
Alternative D richtig.<br />
TABELLE<br />
Fehlertypen zur Angabe der Todesursache<br />
Zum Tode führendeKrankheit<br />
A<br />
Teil 1<br />
(a)<br />
(b)<br />
(c)<br />
Teil 2<br />
B<br />
Teil 1<br />
(a)<br />
(b)<br />
(c)<br />
Teil 2<br />
C<br />
Teil 1<br />
(a)<br />
(b)<br />
Teil 2<br />
D<br />
Teil 1<br />
(a)<br />
(b) Emphysem<br />
(c) –<br />
Teil 2<br />
Befund<br />
–<br />
Atemstillstand<br />
–<br />
–<br />
koronare Herzerkrankung<br />
–<br />
Emphysem<br />
Pneumonie<br />
–<br />
koronare Herzerkrankung<br />
–<br />
Emphysem<br />
koronare Herzerkrankung<br />
–<br />
–<br />
Haemophilus-Influenza-Pneumonie<br />
–<br />
–<br />
koronare Herz -<br />
erkrankung<br />
Ungefähre Zeitspanne<br />
zwischen Beginn der<br />
Krankheit und Tod<br />
16 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
5 Jahre<br />
10 Jahre<br />
–<br />
–<br />
1 Woche<br />
5 Jahre<br />
–<br />
10 Jahre<br />
Fehlertyp<br />
–<br />
funktioneller Endzustand angegeben,<br />
Zeitspanne zwischen Beginn<br />
der Krankheit und Tod fehlt<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
falsche Reihenfolge zwischen<br />
Grundleiden und Todesursache,<br />
fehlende Zeitintervalle<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
kausal miteinander nicht verknüpfte<br />
konkurrierende Todesursachen<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
3<br />
Punkte<br />
cme<br />
Teilnahme nur im<br />
Internet möglich:<br />
aerzteblatt.de/cme
<strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong><br />
Feststellung der Todesursache und Qualifikation der Todesart<br />
Burkhard Madea, Markus Rothschild<br />
eGRAFIK<br />
Sterbefälle in den großen Krankheitsgruppen in Abhängigkeit vom Sterbealter laut Todesursachenstatistik<br />
2007 (Quelle: Statistisches Bundesamt). Weitere Gruppen, die insgesamt<br />
111 448 Sterbefälle betreffen, sind in dieser Grafik nicht aufgeführt.<br />
MEDIZIN<br />
3<br />
Punkte<br />
cme<br />
Teilnahme nur im<br />
Internet möglich:<br />
aerzteblatt.de/cme<br />
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010 17
MEDIZIN<br />
<strong>Ärztliche</strong> <strong>Leichenschau</strong><br />
Feststellung der Todesursache und Qualifikation der Todesart<br />
Burkhard Madea, Markus Rothschild<br />
eTABELLE<br />
Patientenbewegungen in Krankenhäusern 2007* 1<br />
Fachgebiet<br />
Chirurgie<br />
Frauenheilkunde und<br />
Geburtshilfe<br />
Innere Medizin<br />
Endokrinologie<br />
Gastroenterologie<br />
Hämatologie<br />
Kardiologie<br />
Lungen-und Bronchialheilkunde<br />
Nephrologie<br />
Rheumatologie<br />
Geriatrie<br />
Neurologie<br />
Aufnahmen<br />
3 592 386<br />
1 730 055<br />
6 092 198<br />
37 304<br />
503 033<br />
242 069<br />
987 266<br />
246 351<br />
109 841<br />
57 066<br />
164 192<br />
666 859<br />
Sterbefälle<br />
59 062<br />
4 013<br />
276 890<br />
1 105<br />
21 618<br />
16 959<br />
31 419<br />
8 571<br />
5 829<br />
197<br />
12 686<br />
13 911<br />
* 1 nach Angaben des statistischen Bundesamtes<br />
3<br />
Punkte<br />
cme<br />
Teilnahme nur im<br />
Internet möglich:<br />
aerzteblatt.de/cme<br />
18 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 33 | 20. August 2010