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Jubiläum - Tip Berlin

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Verlagsbeilage Juni 2012<br />

<strong>Jubiläum</strong><br />

40 Jahre <strong>Berlin</strong><br />

Geschichten aus tausendundneunundsechzig Heften


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

seit vierzig Jahren denken wir nur an Sie. Tag und Nacht. Ganz ehrlich:<br />

Sie sind unser liebstes Phantom. Wenn wir uns vorstellen, für wen<br />

wir schreiben, haben wir ausgehfreudige, bewegliche, aufs Neue gespannte,<br />

spontane und witzige Menschen vor Augen. Sie interessieren<br />

sich für ein Kulturfeld besonders, vielleicht Musik, vielleicht Film<br />

oder Theater, und Sie sind derjenige oder diejenige, an die sich<br />

Freunde und Bekannte wenden, wenn sie einen Ausgehtipp wollen.<br />

Wahrscheinlich sehen Sie auch gut aus, egal ob sie Mitte zwanzig<br />

sind oder Mitte fünfzig, schließlich macht Neugier immer schön. Und<br />

Sie mögen es, ernst genommen zu werden, von jemandem, der über<br />

die Stadt schreibt und ihre Kultur liebt wie Sie. Für Sie war der tip<br />

wahrscheinlich immer schon da, alle zwei Wochen neu am Kiosk,<br />

eine verlässliche Größe, egal ob man die Stadt für ein paar Urlaubstage<br />

verlassen hat oder sogar für ein paar Jahre. Vielleicht sind Sie<br />

aber auch Neuberliner und halten Ihre erste tip-Ausgabe in den<br />

Händen. Kein schlechter Einstieg in unsere Never-ending Story über<br />

<strong>Berlin</strong>, deren erste Folge 1972 geschrieben wurde.<br />

Seit vierzig Jahren denken wir nur an Sie – und an die Stadt, deren<br />

Geschichten wir alle vierzehn Tage neu erzählen. Anlässlich des 40.<br />

Geburtstags des tip haben wir nun das Gedächtnis des Magazins<br />

selbst aktiviert: nicht als nostalgische Übung, sondern um 40 Jahre<br />

<strong>Berlin</strong> gegenwärtig zu machen.<br />

Volker Gunske, viele Jahre als tip-Filmredakteur mit dem Heft eng<br />

verbunden, hat für dieses Special die 1 069 Ausgaben des tip durchstöbert,<br />

die seit 1972 erschienen sind. Er hat sie aus den Ordnern<br />

des Archivs geholt, entstaubt und viele Storys herausgesucht, die<br />

gemeinsam einen neuen Stadtroman bilden. Seine Arbeit wurde zu<br />

einer Reise durch die Zeit, in der APO und Punk-Avantgarde, Discomode<br />

und Mauerfall, Eduscho-Studium und Mückenmangel auftauchen<br />

— spannend, komisch und immer wieder auch berührend.<br />

Die Autoren dieser Texte (siehe Seite 46) stehen für die vielen Redakteure<br />

und festen und freien Mitarbeiter, die den tip ausmachen.<br />

Man könnte hunderte Geschichten über <strong>Berlin</strong> aus den tip-Heften<br />

montieren, dies hier ist eine. Gemeinsam schreiben wir mit Ihnen<br />

seit vierzig Jahren einen Fortsetzungsroman, von dem alle vierzehn<br />

Tage eine neue Folge erscheint.<br />

Wir freuen uns auf die nächsten 40 Jahre mit Ihnen und dem tip!<br />

Stefanie Dörre & Robert Weixlbaumer<br />

Impressum Verlagssonderbeilage<br />

tip Verlag GmbH & Co. KG Karl-Liebknecht-Straße 29,<br />

10178 <strong>Berlin</strong><br />

Redaktion Stefanie Dörre, Robert Weixlbaumer (V.i.S.d.P.),<br />

Volker Gunske<br />

Produktion & Layout Raufeld Medien GmbH,<br />

Paul-Lincke-Ufer 42/43, 10999 <strong>Berlin</strong><br />

Grafik Anna Trautmann, Friedrich Schmidgall, Christine Seibold<br />

Anzeigenleitung Martin Stedler<br />

Anzeigenverkauf Alexander Falk, Melanie Gartzke, Klaus<br />

Gennrich, Konstanze Köhler, Michael Lüdicke, Kristina Lorenz,<br />

Johannes Nielsen, Susann Rack, Michelle Thiede<br />

Geschäftsführung Robert Rischke, Michael Braun, Stefan Hilscher<br />

Druck Frank Druck GmbH & Co. KG<br />

Titelgestaltung Friedrich Schmidgall<br />

Im <strong>Tip</strong> lesen Sie,<br />

Wie Sie bei<br />

uns hören.<br />

Vielen Dank<br />

und herzlichen<br />

Glückwunsch!<br />

The Artof Listening<br />

Ein Festival des Musikhörens<br />

12. 13. 14. Juli 2012<br />

Symposium, Radiale Nacht-<br />

Experimente des Musikhörens<br />

Neither, Nachtmusik,<br />

Podiumsdiskussion<br />

Holzmarktstr.33<br />

10243 <strong>Berlin</strong><br />

Spreeufer am Ostbahnhof<br />

Tickets www.radialsystem.de<br />

030 288 788 588<br />

Foto: Sebastian Bolesch


4 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 70eR JAHRe<br />

DIe sIebzIGeR<br />

Fassbinder, Lindenberg, Deep purple, Manfred Salzgeber, Lok Kreuzberg, Sex pistols, Disco,<br />

tunix-Kongress, SO36, Beuys, Frauenbuchläden, Günter Grass, Nina Hagen, rosa von praunheim<br />

tip 13·12


Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Nummer eins<br />

Sechs Seiten, mit denen alles begann<br />

Rückblickend ist es ganz einfach. Als 1972 die<br />

ersten Programmkinos entstanden, wusste kaum<br />

jemand, was da so lief. Die <strong>Berlin</strong>er Medien ignorierten<br />

die neue Kulturszene nach Kräften. Das<br />

merkte auch Klaus Stemmler, der gerade mit einem<br />

Freund das Notausgang-Kino ins Leben gerufen<br />

hatte. Was tun? Na klar, einfach das Programm<br />

selbst drucken. Dazu ein, zwei ArtikeI,<br />

Infos von befreundeten Kinos, das Fernsehprogramm<br />

und Kleinanzeigen. Tausend Stück gedruckt<br />

und kostenlos in Kneipen und Unis verteilt.<br />

So ging’s los, und es ging immer besser. Der<br />

tip wurde aus dem Stand zu einem Cultural und<br />

Social Network. Hier fand man die richtigen Filme<br />

und die zukünftige WG. Richtige Idee, richtige<br />

Zeit, richtige Leute, richtige Stadt.<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 5


6 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 70eR JAHRe<br />

1972 • Juli • tip 27<br />

peinliche <strong>Berlin</strong>ale<br />

„alles vorbei tom Dooley“ – das Festival bedröhnt das<br />

publikum mit Schlagermusik<br />

Beim Rummel der Preisverleihung<br />

hätte der Zoo-Palast gewiß<br />

einen Sonderpreis verdient. Sein<br />

Bemühen, alte Schlager aus den<br />

Jahren 1955–1958 einem breiten<br />

Publikum zugänglich zu machen,<br />

war unermüdlich. Doch leider<br />

besitzt man im Zoo-Palast nur<br />

eine Schallplatte. Der Wettbewerb<br />

im Zoo-Palast bestand aus<br />

25 verschiedenen Filmen, zu allen<br />

Filmen wurde dieselbe Platte<br />

1972 • September • tip 34<br />

the Who<br />

Die rockstars floppen in der Deutschlandhalle<br />

11.000 Fans füllten die Deutschlandhalle.<br />

„My Generation“ war<br />

zuhauf gekommen und wollte ihre<br />

Idole, die Who, feiern. Doch als<br />

Hollands „Golden Earing“ vier Minuten<br />

nach acht die Bühne betraten,<br />

kam es anders: Sie bewiesen,<br />

daß sie mehr als nur eine Anheizergruppe<br />

sind. Als die Who mit<br />

einer superlauten Rock-Explosion<br />

nach der Pause begannen, reagierte<br />

das Publikum nur flau. Die<br />

Show der Who vor einigen Jahren<br />

im <strong>Berlin</strong>er Sportpalast ist unvergessen<br />

geblieben – heute ist man<br />

wohl zu verwöhnt. Daß auch<br />

Weltstars wie die Who sich etwas<br />

Neues einfallen lassen müßten,<br />

sei auch diesen wohl hiermit ins<br />

Stammbuch geschrieben.<br />

1973 • Januar • tip 1<br />

Manfred Salzgeber<br />

in Zehlendorf öffnet Deutschlands bestes polit-Kino –<br />

Manfred Salzgebers Bali<br />

Es tut sich was in Zehlendorf.<br />

Nach jahrelanger einseitiger<br />

Programmgestaltung wird sich<br />

im Bali in Zehlendorf einiges<br />

ändern. Manfred Salzgeber, einer<br />

der Mitbegründer des Arsenal<br />

und engagierter Buchhändler<br />

bei Marga Schöller, eröffnet<br />

am 5. Januar unter völlig neuer<br />

Konzeption das Bali. Als erster<br />

Film läuft Peter Handkes „Die<br />

Angst des Tormanns beim Elfmeter“<br />

unter der Regie von Wim<br />

Wenders.<br />

Der größte „Heuler“ des Programms<br />

wird aber zweifellos der<br />

Film „Der Weg des Hans Monn“<br />

gedudelt. Hörte man irgendwo<br />

jemanden einen alten Schlager<br />

vor sich hin summen, so konnte<br />

man sicher sein: auch ein Zoo-<br />

Palast-Besucher. Selbst „Fillmore“<br />

wurde nicht verschont. „Santana“,<br />

„The Greatful Dead“ und<br />

als Vormusik „Alles vorbei Tom<br />

Dooly“. Das ist nicht mehr komisch,<br />

das ist peinlich, schließt<br />

aber den Kreis der Eindrücke, die<br />

vom Festival zurückbleiben.<br />

sein. Ein Film über Wittenau, wie<br />

man in die Nervenklinik kommt<br />

und wie man darin behandelt<br />

wird. Die Gestaltung des Spielplanes<br />

ist vom Tagesprogramm<br />

über die Spätvorstellung bis hin<br />

zur „Kindervorstellung“ kompromißlos,<br />

eigenwillig, engagiert<br />

und konsequent – neben dem<br />

Arsenal mit keinem anderen Kino<br />

zu vergleichen.<br />

2 Nach dem Bali-Kino leitete<br />

Manfred Salzgeber ab 1980<br />

die <strong>Berlin</strong>ale-Sektionen<br />

info-Schau und panorama.<br />

er starb 1994 an aids.<br />

1973 • April • tip 8<br />

Der letzte<br />

Tango in Paris<br />

Das Kinospektakel des<br />

Jahres zieht die Massen an<br />

Nicht endende Schlangen vor<br />

den Vorverkaufskassen (City und<br />

Kuli) beweisen es trotz überhöhter<br />

Eintrittspreise: Man will<br />

sich das Kinospektakel des Jahres<br />

nicht entgehen lassen! Denn<br />

schließlich prophezeien Kinoplakate<br />

und Publikationen eine<br />

Sex orgie zwischen der jungen<br />

Maria Schneider (Jeanne) und<br />

dem alternden Hollywood-Star<br />

Marlon Brando (Paul). Aber<br />

nicht scharfe Pornographie, sondern<br />

eher das Psychogramm<br />

einer kaputten Welt erwartet<br />

den sexhungrigen Zuschauer.<br />

1973 • Januar • tip 1<br />

Deep Purple<br />

Das letzte Konzert<br />

im legendären Sportpalast<br />

Nach langem Hin und Her wird<br />

der bei den <strong>Berlin</strong>ern ach so beliebte<br />

Sportpalast, mit dem sich<br />

ja auch so nette Erinnerungen<br />

verbinden („Wollt ihr den totalen<br />

Krieg?“), doch abgerissen!<br />

Damit ist der Auftritt der Deep<br />

Purple sozusagen der „Popabschied“<br />

vom Sportpalast.<br />

(16. Januar, Sportpalast, 20 Uhr)<br />

tip 13·12


1972 • Juli • tip 28<br />

Loretta im<br />

Garten<br />

eine der ersten Kneipen-<br />

Kritiken im tip<br />

Über diese Kneipe kann man eigentlich<br />

nur sagen, daß man<br />

über sie nichts sagen kann. Hier<br />

ist nichts los, außer ständigem<br />

Verkehr (Publikumsverkehr natürlich),<br />

besonders im Sommer.<br />

»Würstchen gibt es<br />

auch. Und das ist<br />

schon alles, was man<br />

zu essen bekommt«<br />

Loretta im Garten ist dem Wetter<br />

ausgesetzt, was Gärten so an<br />

sich haben. Loretta, die frühere<br />

Mitbesitzerin, ist nicht mehr da,<br />

dafür aber der Garten. Er besteht<br />

aus Tischen, an denen man<br />

sitzen kann, und Bäumen, deren<br />

Äste einem ständig im Gesicht<br />

herumhängen, wenn man etwas<br />

lustwandeln will. Romantische<br />

Typen verziehen sich hinter die<br />

Hecke und sind fast ungestört,<br />

bis auf den Lärm. In einer Ecke<br />

steht eine Theke, an der man nur<br />

etwas bekommt, wenn es voll<br />

ist. Hier werden auch Würste<br />

gebraten, und das ist schon alles,<br />

was man zu essen bekommt.<br />

2 Loretta im Garten wurde<br />

dann doch zu einer West-<br />

<strong>Berlin</strong>er institution.<br />

2007 musste der Biergarten<br />

an der Lietzenburger Straße<br />

schließen.<br />

13·12 tip<br />

Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

1973 • Januar • tip 2<br />

elefanten press Galerie<br />

eine neue art Galerie öffnet in Kreuzberg<br />

Eine neue Galerie besteht seit<br />

November 72 in Kreuzberg, und<br />

schon ihr Name sollte die Vorstellung<br />

von einer üblichen Galerie<br />

erst gar nicht aufkommen<br />

lassen. Obwohl keine neue Stätte<br />

der stillen Andacht beabsichtigt<br />

war, denn die Räume sind,<br />

über den Rahmen von ständigen<br />

1974 • Januar • tip 1<br />

Was ist an<br />

Fassbinder so toll?<br />

rainer Werner Fassbinder geht an der Freien Volksbühne<br />

die puste aus<br />

Warum zerbrechen sich intelligente<br />

Menschen über diesen vielgerühmten<br />

Tausendsassa des bundesdeutschen<br />

Films den Kopf? Sprachen<br />

einige Leute geradezu euphorisiert<br />

über seine schnell hininszensierten<br />

Filme, so drangen seine Theaterarbeiten<br />

nicht so stark ins Bewußtsein,<br />

blieben bis auf vielleicht „Bremer<br />

Freiheit“ nicht haften.<br />

1974 • März • tip 5<br />

Udo Lindenberg<br />

Lindenberg gastiert zum ersten Mal in <strong>Berlin</strong><br />

Nachdem sich in der deutschen<br />

Rock- und Popszene mit Joy Fleming<br />

schon eine Bluessängerin<br />

mit vornehmlich deutschen Texten<br />

mit Erfolg durchgesetzt hat,<br />

zeigt sich nun ein zweiter Vertreter<br />

dieser Deutsch-Rock-Art: Udo<br />

Lindenberg, der vielen erst durch<br />

seinen Fernsehauftritt in Reinhard<br />

Mays Show bekannt wurde.<br />

Mit seinen zum großen Teil autobiographischen<br />

Texten, fernab<br />

der sonst in Deutschlands Schlagerwelt<br />

üblichen, abgedroschenen<br />

Klischees und Leerformeln,<br />

beweist Udo Lindenberg die<br />

Hoffähigkeit der deutschen<br />

Sprache auch für die Rockmusik. Quartier Latin, 8. bis 10. März<br />

Ausstellungen hinaus, für die<br />

vielfältigsten Aktivitäten und<br />

Veranstaltungen geplant worden,<br />

hat man am 13.1. eine Ausstellung<br />

von Lars Pranger eröffnet.<br />

Weil seine Bilder und Collagen,<br />

die ästhetisch sehr beeindruckend<br />

sind, die Frage nach dem<br />

Sinn und Zweck solcher Kunst<br />

Nun wagt er sich an Ibsens „Hedda<br />

Gabler“, ein interessantes, wenn<br />

auch nicht das wichtigste in Ibsens<br />

psychologischen Frauendramen.<br />

Liest man die Fragmente der Probengespräche<br />

im Programmheft<br />

nach, so entdeckt man mit Erstaunen,<br />

so toll ist das ja gar nicht.<br />

Dem Fassbinder geht ja auch mal<br />

die Puste aus.<br />

nicht beantworten können, muß<br />

dieser Künstler während der gesamten<br />

Dauer der Ausstellung,<br />

die hoffentlich nicht verlängert<br />

wird, ständig in den Räumen der<br />

Galerie anwesend sein, um sich<br />

den Fragen der Besucher zu stellen.<br />

Die Galerie befindet sich in<br />

der Dresdener Straße 10.<br />

40 JaHre tip 7


8 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 70eR JAHRe<br />

1975 • Januar • tip 2<br />

Kluge und reitz<br />

Die allererste Frage im allerersten tip-interview ging<br />

an die regisseure alexander Kluge und edgar reitz<br />

Zunächst einmal die Gretchenfrage<br />

nach dem Zielpublikum<br />

eures Films „In Gefahr und<br />

höchster Not bringt der Mittelweg<br />

den Tod“. Habt ihr nicht die<br />

Befürchtung, daß einmal mehr<br />

nur Intellektuelle die Hauptbesucherschicht<br />

eures Films sein<br />

werden?<br />

KLUGE/REITZ Wir wissen, daß<br />

der Film nicht nur von Studenten<br />

gesehen wird, sondern auch<br />

gerade von Arbeitern, Ange-<br />

1974 • Juni • tip 12<br />

<strong>Berlin</strong>ale und WM<br />

als die Filmfestspiele noch im Sommer waren –<br />

und gleichzeitig die Fußball-WM im eigenen Land stattfand<br />

Vor ein paar Jahren wünschte<br />

man sich nichts sehnlicher, als<br />

daß der Wettbewerb um Goldene<br />

und Silberne Bären recht bald<br />

eingehen möge. Nachdem man in<br />

den ersten Jahren der „Spaltung“<br />

(zwischen Wettbewerb und Forum)<br />

immer mehr zu der Überzeugung<br />

gelangte, daß das eigentliche<br />

Festival sich doch im<br />

Arsenal und im Atelier am Zoo<br />

abspielte, scheint es in diesem<br />

Jahr wieder sinnvoller, sich in die<br />

Wettbewerbsfilme zu wagen.<br />

Zum äußeren Ablauf der Filmfestspiele:<br />

Im Festspielzentrum<br />

(Europa-Center) stehen Fernsehgeräte,<br />

damit die Fußballfans<br />

nicht zu kurz kommen. Ursprünglich<br />

hatte man auf eine Projekti-<br />

stellten und berufstätigen Frauen.<br />

Dies hat uns auch nicht<br />

überrascht. Der Film ist in Kinos<br />

vorgeführt worden, in denen<br />

diese nicht spezifisch intellektuellen<br />

Kreise in der Überzahl waren.<br />

Vor diesem gemischten<br />

Publikum haben wir uns in der<br />

Diskussion überzeugen können,<br />

daß der Film gerade bei dem<br />

Publikum ankam, das keine besonderen<br />

Bildungswege durchlaufen<br />

hat.<br />

on an die große Leinwand im<br />

Zoo-Palast spekuliert, doch die<br />

Fifa war dagegen.<br />

»Möge der Wettbewerb<br />

um Silberne und Goldene<br />

Bären recht bald<br />

eingehen«<br />

Nun, Fernsehen ist ja auch ganz<br />

nett. Eine Verlegung der Filmfestspiele<br />

war übrigens nicht möglich,<br />

da die internationale Reihenfolge<br />

Cannes, <strong>Berlin</strong>, Moskau, Venedig<br />

eingehalten werden muß. Sei’s<br />

drum, Film- und Fußballfreunde,<br />

schlaft schon mal auf Vorrat, es<br />

erwarten euch lange Tage!<br />

1974 • Dezember • tip 25<br />

Ost-berliner<br />

szene<br />

Kneipentipp: Historische<br />

Weinstuben am alex<br />

<strong>Berlin</strong>s Stadtplaner lassen ab<br />

und zu auch ein paar historische<br />

Häuser stehen: In unmittelbarer<br />

Alexumgebung, in der Poststr.<br />

23, befinden sich die „Historischen<br />

Weinstuben“. In mondlosen<br />

Nächten ist eine Taschenlampe<br />

angebracht, um den verfallenen<br />

Eingang zu finden. Der<br />

Name ist etwas überholt, die<br />

Weinstuben bestehen seit vier<br />

Jahren nur noch aus einer einzigen<br />

Stube mit gut dreißig Plätzen.<br />

Der Raum erinnert irgendwie<br />

an eine Laube, das Mobiliar<br />

wirkt ein bißchen zusammengesammelt<br />

und vergammelt. Trotzdem<br />

ist es hier gemütlich, wie in<br />

einer badischen Weinstube. Auf<br />

der Speisekarte: verschiedene<br />

Schweinesteaks auf Toast, Gewürzfleisch<br />

und Wurst- oder<br />

Fleischsalat. Der hungrige Gast<br />

braucht dafür nur 2,90 bis 5,20<br />

Mark zu bezahlen. Hauptsächlich<br />

gibt es natürlich Weine: ungarische<br />

Weißweine, Tokaji (1961!),<br />

Muskateller, rumänische Rot-<br />

und Weißweine und einen sehr<br />

guten 67er aus der DDR,<br />

„Schlosskeller“. Die 0,2-Liter-<br />

Schoppen liegen zwischen 2,–<br />

und 4,– Mark, die Flaschen zwischen<br />

6,– und 24,– Mark.<br />

2 Die Historischen Weinstuben<br />

überlebten den Mauerfall.<br />

Die adresse ist geblieben,<br />

preise und ausstattung<br />

haben sich geändert.<br />

tip 13·12


Foto: Frank Roland-Beeneken<br />

1976 • Januar • tip 2<br />

13·12 tip<br />

Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Lok Kreuzberg<br />

Neue Wege zur Vermittlung politischer Songs<br />

Es ist noch gar nicht so lange her,<br />

da präsentierte die Lok im Quartier<br />

Latin das letzte Mal ihre musikalische<br />

Vielfältigkeit. Zusammen<br />

mit Volker Kriegels Mild<br />

Mania Orchestra versuchte sie, im<br />

Konzerteinerlei neue Wege zu<br />

gehen. Ende Januar zeigt die Lokomotive<br />

Kreuzberg an gleichem<br />

Ort ihr neues Programm: „Countdown!“<br />

Grundlage und ausschlaggebend<br />

für dieses Stück<br />

war nicht nur die Suche nach<br />

neuen Wegen zur Vermittlung<br />

politischer Songs, sondern vor<br />

1976 • Juni • tip 13<br />

Frauenbuchladen<br />

Zweiter <strong>Berlin</strong>er Frauenbuchladen öffnet in Charlottenburg<br />

Männer brauchen nicht zu befürchten,<br />

dass sie Lilith verfallen,<br />

sie haben sowieso keinen<br />

Zutritt zum neuen Frauenbuchladen,<br />

der am 29. Mai in der<br />

Kantstraße 125 unter diesem<br />

Namen eröffnet wurde. Was für<br />

den Frauenbuchladen in der<br />

Yorckstraße gilt, gilt auch für<br />

den im Off-Ku’damm-Bereich.<br />

Gründe für diese Regelung liefern<br />

neben der Theorie der Frauenbewegung<br />

auch die Praxis: Wo<br />

allen Dingen die Auseinandersetzung<br />

mit Problemen Jugendlicher.<br />

Die Arbeit an diesem Stück<br />

(es handelt sich um ein Rock-<br />

Musical) zeigt, wie stark sich diese<br />

Musikgruppe bemüht, eine<br />

Kommunikationsebene zum jugendlichen<br />

Publikum zu finden.<br />

2 Die Lok-Mitglieder Herwig<br />

Mitteregger, Bernhard<br />

potschka und Manfred<br />

praeker spielten später in<br />

der Nina Hagen Band.<br />

1980 gründeten sie Spliff.<br />

Männer auftauchen, haben die<br />

Frauen häufig nicht mehr viel zu<br />

melden oder trauen sich nicht<br />

mehr ihre Meinung zu vertreten,<br />

wenn sie von der ihrer männlichen<br />

Begleiter abweicht. Damit<br />

Frauen in Ruhe in Büchern<br />

schmökern können, sich zwanglos<br />

unterhalten können und<br />

selbst entscheiden, ob und was<br />

sie kaufen, gilt für Männer wie<br />

andernorts für Hunde: „Wir müssen<br />

draußen bleiben.“<br />

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tip 13·12


Foto: ingo Harney<br />

1978 • Februar • tip 3<br />

Was war los<br />

mit den sex<br />

Pistols?<br />

ein geplatztes Konzertinterview<br />

mit Veranstalter<br />

Conny Konzack<br />

Weshalb ist das Konzert mit den<br />

Sex Pistols geplatzt?<br />

KONZACK Wir haben die Pistols<br />

acht Tage vor dem Konzert, das<br />

für den 22. Januar geplant war,<br />

bei der Frankfurter Agentur Mama<br />

Concerts gebucht. Die Truppe<br />

sollte erst im Kant-Kino auftreten,<br />

als die Nachfrage aber immer<br />

stärker wuchs, haben wir uns für<br />

die Neue Welt entschieden.<br />

»Die Pistols hätten<br />

etwas über 4 500 Mark<br />

gekostet«<br />

Wann habt Ihr erfahren, dass<br />

das Ding platzt?<br />

Am Mittwoch vor dem Konzert<br />

kursierten die ersten Gerüchte,<br />

die Pistols hätten sich aufgelöst.<br />

Nachts wurde das noch mal<br />

durch den BBC bestätigt. Am<br />

Donnerstag erfuhren wir das offiziell<br />

von Mama Concerts.<br />

Ist euch ein Schaden entstanden?<br />

Ja, obwohl sich der in Grenzen<br />

hält. Wir zahlen an die Neue Welt<br />

300 Mark Ausfallmiete, für die<br />

Werbung haben wir natürlich<br />

auch Geld locker gemacht, so daß<br />

sich alles insgesamt auf etwa<br />

1 500 Mark Schaden beläuft.<br />

Wieviel hätten die Sex Pistols<br />

gekostet?<br />

Etwas über 4 500 Mark.<br />

Das Konzert in der Neuen Welt<br />

wäre das erste der Pistols in<br />

Deutschland gewesen?<br />

Richtig. Am 23. Januar wollte die<br />

Truppe in <strong>Berlin</strong> eine Platte einspielen,<br />

am 24. sollte sie in Hamburg<br />

auftreten.<br />

Zur Zeit kursieren Gerüchte, die<br />

Auflösung der Band sei unwahr,<br />

ein Werbegag.<br />

Ich bin nicht besser informiert<br />

als Ihr.<br />

2 Conny Konzack leitete später<br />

die Konzertagentur albatros<br />

und managte extrabreit,<br />

ideal und Die Ärzte.<br />

13·12 tip<br />

Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

1978 • September • tip 18<br />

Das SO36 legt los<br />

punk-Mekka, insider-Laden, provo-treff<br />

SO36: Buntes Neon, Wände zum<br />

Bemalen, Bühne, Bier, der kontrollierende<br />

Blick in den Spiegel<br />

auf den Toiletten oder sonstwo<br />

fällt aus – es gibt keine Spiegel.<br />

Am Heinrichplatz in Kreuzberg<br />

ist ein „Punk-Mekka“ entstanden,<br />

das sich als Alternative zum<br />

traditionellen Unterhaltungsbetrieb<br />

versteht: Die, die sonst<br />

kein Podium finden, erhalten es<br />

hier. Eine Bedingung: Es muss<br />

dreist genug sein.<br />

So startete der Insider-Laden<br />

mit einem Musikfestival unter<br />

dem Motto: „Zwei schräge deutsche<br />

Nächte in Süd-Ost“ mit<br />

zahlreichen Punkrockbands.<br />

1978 • Januar • tip 2<br />

tunix-Kongress<br />

aufruf zum legendären rebellen-treffen in West-<strong>Berlin</strong><br />

Zu einer dreitägigen Massenveranstaltung<br />

ruft der <strong>Berlin</strong> Koordinationsausschuß<br />

„Reise nach<br />

Tunix“ auf.<br />

»Sie haben uns genug<br />

kommandiert, die<br />

Gedanken kontrolliert«<br />

An diesem Ausschuss sind beteiligt<br />

unter anderem: Verband des<br />

linken Buchhandels, Erich Fried,<br />

Jean-Luc Godard mit seiner Mediengruppe,<br />

Rote Hilfe Westberlin,<br />

Daniel Cohn-Bendit, Alexander<br />

Kluge, Schwulenzentrum<br />

<strong>Berlin</strong>, die italienische Gruppe<br />

Den Höhepunkt bildete in der<br />

Nacht zum 13. August ein Geburtstagsständchen<br />

der Wall-<br />

City-Rock-Bands (PVC, FFURS,<br />

WALL) für die Mauer. Hierzu<br />

wurde den Musikern und den<br />

Besuchern ein Kuchen in der<br />

Form der Mauer mit Stacheldraht<br />

aus Schokolade und der<br />

Aufschrift „Anstiftung“ gereicht.<br />

Provokation?!<br />

Der Veranstaltungsbereich im<br />

SO36 wird in den nächsten Wochen<br />

intensiviert, es sind Undergroundfilme<br />

zu erwarten, viel<br />

Musik und Multi-Media. Der Laden<br />

hat mittwochs, freitags und samstags<br />

von 21 bis 5 Uhr geöffnet.<br />

Lotta Continua, die französische<br />

Zeitung „Liberation“ und alternative<br />

Blätter in der Bundesrepublik.<br />

Wo liegt Tunix? Die Veranstalter:<br />

„... zum Strand von Tunix, der<br />

weit weg liegen kann, oder vielleicht<br />

auch unter dem Pflaster<br />

von diesem Land“. Weiter: „Sie<br />

haben uns genug kommandiert,<br />

die Gedanken kontrolliert, die<br />

Ideen, die Wohnungen, die Pässe,<br />

die Fresse poliert. Am 27., 28.<br />

und 29. Januar wird deshalb in<br />

West-<strong>Berlin</strong> ein Treffen aller<br />

Freaks, Freunde und Genossen<br />

stattfinden, denen es stinkt in<br />

diesem Land.“<br />

40 JaHre tip 11


12 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 70eR JAHRe<br />

1977 • September • tip 19<br />

Günter Grass über Kritiker:<br />

Wadenbeißer und pisser<br />

Wie Grass einmal prominente deutsche Literaturkritiker in den Boden rammte<br />

Seine Telefonnummer, weil geheim<br />

und in keinem <strong>Berlin</strong>er<br />

Fernsprechbuch abgedruckt,<br />

wird unter Insidern nur mit Bedenken<br />

weitergegeben. Sein<br />

Domizil, idyllisch im Schöneberger<br />

Stadtteil Friedenau gelegen,<br />

knapp zwanzig Meter entfernt<br />

von der unfallträchtigen Handjery-/Niedstraße,<br />

wird abgeschirmt<br />

von seinem Sekretariat.<br />

Im roten Backsteinhaus, das<br />

durch einen verwilderten Vorgarten<br />

getarnt wird, residiert<br />

der Schriftsteller und Grafiker<br />

Günter Grass im ersten Stock,<br />

hinter einem überbreiten Monstrum<br />

von Tisch und dreht Zigaretten<br />

(„Schwarzer Krauser“).<br />

Seit dem 10. August wird sein<br />

700-Seiten-Buch „Der Butt“ (tip<br />

17/77) verkauft, das in der<br />

„Spiegel“-Bestseller-Liste den<br />

Sprung von Null auf den ersten<br />

Platz schaffte. Im tip-Interview<br />

rechnet Günter Grass ungewohnt<br />

scharf und wütend mit<br />

der deutschen Literaturkritik ab.<br />

Wie steht der Autor Grass zur<br />

bundesdeutschen Literaturkritik?<br />

Marcel Reich-Ranicki beispielsweise<br />

will den „Butt“ in<br />

der Tradition eines bestimmten<br />

Realismus wissen ...<br />

GRASS Ranicki (Marcel Reich-<br />

Ranicki ist Literaturkritiker der<br />

„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“<br />

– Anm. d. Red.) ist im<br />

Grunde in seiner Einstellung zur<br />

erzählenden Prosa beim geläuterten<br />

sozialistischen Realismus<br />

stehengeblieben. Deswegen wird<br />

er auch immer enttäuscht sein,<br />

wenn ein Autor diese Formen<br />

nicht mehr für tragfähig hält.<br />

Joachim Kaiser von der „Süddeutschen<br />

Zeitung“ spricht von<br />

der „Zusammenlesewut und<br />

Zitierseligkeit des geborenen<br />

Autodidakten“. Was sagt Grass<br />

zu Kaiser?<br />

Er stellt seine Besprechung unter<br />

die Überschrift „Gelang Grass<br />

ein Danziger ‚Zauberberg‘?“<br />

Dann beantwortet er sich seine<br />

selbst gestellte Frage, ohne aber<br />

auch nur eine Sekunde darauf<br />

Rücksicht zu nehmen, ob ich jemals<br />

vorgehabt hätte, einen<br />

neuen „Zauberberg“ zu schreiben.<br />

Er hätte mich nur anrufen<br />

müssen, ich hätte es ihm verneinen<br />

können. (...)<br />

Nochmal: Wie steht der Autor<br />

Grass zur Literaturkritik?<br />

Ich habe das Gefühl, daß die Literaturkritik<br />

in der Bundesrepublik<br />

auf eine beschämende Art<br />

maßstabslos ist. Man hört im<br />

günstigsten Fall, wenn es ein<br />

belesener, ein gut aufgelegter<br />

Kritiker ist, seine persönliche<br />

Lesermeinung, mehr oder weniger<br />

witzig formuliert, und auch<br />

in erster Linie darum bemüht,<br />

mit Witz zu demonstrieren:<br />

Design fe st.<br />

Eiermann Tischgestell<br />

Schaut, wie geschickt ich das<br />

Buch reflektiere. (...) Es gibt eine<br />

Legion von heruntergekommenen<br />

Literaturkritikern, ich nenne<br />

mal den Karasek (Hellmuth Karasek<br />

ist Feuilleton-Chef des<br />

„Spiegel“ – Anm. d. Red.) als<br />

Beispiel, der hat auch mal in der<br />

„Stuttgarter Zeitung“ gut und<br />

groß angefangen, das ist runtergekommen<br />

zu einer Legion von<br />

Wadenbeißern und Wadenpissern,<br />

die nur noch von der<br />

„Spiegel“-Häme, das heißt: von<br />

der Hand in den Mund leben,<br />

ihren Aufhänger suchen und ihren<br />

Text runterschreiben und<br />

genau wissen: Das kommt dem<br />

deutschen Bedürfnis nach Häme<br />

entgegen. Hier wird rasch befriedigt,<br />

das ist „Bildzeitung“ auf<br />

mittlerem Niveau.<br />

Freischwinger »Weimar«<br />

1977 • Mai • tip 11<br />

buh, bravo,<br />

Theatertreffen<br />

Wenn Schauspieler zurückbuhen<br />

und Studenten sich<br />

um Karten prügeln<br />

„Bemerkenswertes Theater“ haben<br />

uns die zehn Jury-Mitglieder<br />

des Theatertreffens ’77 versprochen,<br />

und bemerkenswertes<br />

Theater haben wir bekommen.<br />

„Kontrovers“ war das Stichwort<br />

des diesjährigen Treffens. Bei<br />

fast allen Aufführungen spaltete<br />

sich das Publikum in Buh- und<br />

Bravorufer, was am ersten Abend<br />

von „Othello“ die Schauspieler<br />

dazu veranlasste, ihrerseits das<br />

Publikum auszubuhen. Leicht<br />

war es für die Schauspieler und<br />

Regisseure nicht; viel Arges<br />

mussten aber auch die Zuschauer<br />

über sich ergehen lassen.<br />

Für die Veranstalter, die <strong>Berlin</strong>er<br />

Filmfestspiele GmbH unter der<br />

Leitung von Dr. Ulrich Eckhardt,<br />

war es ein voller, fast stets ausverkaufter<br />

Erfolg. Dass regelrechte<br />

Kartenschlachten, angeleitet<br />

von Studenten des Theaterwissenschaftlichen<br />

Instituts, die sich<br />

um versprochene Eintrittskarten<br />

betrogen fühlten, ausgefochten<br />

wurden, schien in den Augen der<br />

erschreckten Zuschauer zum<br />

Glanze des Theatertreffens beigetragen<br />

zu haben.<br />

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tip 13·12


Fotos: Klaus Hemme (links), Beatrice Kunz / Christoph Maas<br />

1978 • März • tip 5<br />

Nina Hagen<br />

Nina Hagen erobert <strong>Berlin</strong><br />

Die Nina Hagen Band, deren erstes<br />

Konzert am 25. Februar das<br />

Quartier Latin aus allen Nähten<br />

platzen ließ, hat zweifellos Lob<br />

verdient. Exzellenter, dynamischer<br />

Rock, Ninas phantastische<br />

Stimme und die locker über die<br />

Bühne gebrachte Show machen<br />

die Gruppe zum (Geheim-)<strong>Tip</strong>.<br />

1977 • November • tip 24<br />

extrem-Theater<br />

Winterliches Freilufttheater<br />

im Olympiastadion<br />

Unter dem Titel „Winterreise“<br />

zeigt die Schaubühne am Halleschen<br />

Ufer an acht Abenden zwischen<br />

dem 1. und 13. Dezember im<br />

<strong>Berlin</strong>er Olympiastadion eine Produktion<br />

von Klaus Michael Grüber,<br />

die auf Hölderlins Roman „Hyperion“<br />

basiert. Jeweils 800 Zuschauer<br />

werden auf der überdachten<br />

Haupttribühne Platz finden.<br />

1979 • Mai • tip 11<br />

Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

rosas abrechnung<br />

rosa von praunheim über deutsche Schwule und Heteros<br />

Rosa von Praunheim (36),<br />

schwuler Filmemacher („Die<br />

Bettwurst“) und Schriftsteller<br />

(„Sex und Karriere“), dokumentiert<br />

in seinem neuen Film „ Die<br />

Armee der Liebenden oder Aufstand<br />

der Perversen“ die Aktivitäten<br />

der amerikanischen<br />

Schwulen-Bewegung. Im tip-Interview<br />

grenzt sich Praunheim<br />

hart gegen alle heterosexuellen<br />

Männer ab, bezeichnet seine<br />

Kollegen Werner Herzog, Wim<br />

Wenders und Rainer Werner<br />

Faßbinder als „Scheißer“ und<br />

kritisiert scharf die „Umarmungen“<br />

der heterosexuellen Linken:<br />

„Weil da nämlich ihre eigene<br />

verklemmte Sexualität aufbricht“<br />

(Praunheim). Der Regisseur<br />

geht auch mit Deutschlands<br />

Schwulen nicht grade zimperlich<br />

um: „Die kiffen sich tot und fi-<br />

cken, bis sie die Gelbsucht kriegen.“<br />

Dennoch sieht er Chancen<br />

einer Veränderung ...<br />

Rosa, du hast jetzt, nach sieben<br />

Jahren Arbeit, einen Film über<br />

die amerikanische Schwulen-<br />

Bewegung abgeliefert. Interessiert<br />

dich die deutsche Bewegung<br />

nicht mehr?<br />

PRAUNHEIM Ich hätte ganz gern<br />

einen Film über die deutsche<br />

Schwulen-Bewegung gemacht.<br />

Aber das wäre sicherlich frustrierend<br />

gewesen, denn das, was<br />

sich so in Deutschland abspielt,<br />

dieses Hickhack von akademischen<br />

kleinen linken Studenten-<br />

Zirkeln, die es jetzt Gott sei<br />

Dank nicht mehr gibt, ist nicht<br />

sehr erfreulich. Ich finde es besser,<br />

dann was zu machen, was<br />

halt Mut macht, was anregt, was<br />

konstruktiv ist.<br />

1979 • April • tip 9<br />

Neue Kinos<br />

für berlin<br />

engagierte Kinomacher<br />

starten die programmkinos<br />

Broadway, Yorck und Off<br />

Nachdem die dreiköpfige Truppe<br />

des Broadway am Tauentzien<br />

wieder aufgemacht hat, haben<br />

sich dieselben Leute ein weiteres<br />

Kino vorgenommen: Das<br />

ehemalige Porno-Kino Rixi in der<br />

Hermannstraße 20 heißt von Anfang<br />

des nächsten Monats an Off<br />

und eröffnet das Filmprogramm<br />

mit Rüdiger Nüchterns letztem<br />

Streifen „Schluchtenflitzer“ am<br />

5. Mai (Vorführungen 16.30,<br />

18.30 Uhr). Die 20-Uhr-Vorstellung<br />

wurde mit „Assault – Anschlag<br />

bei Nacht“ programmiert.<br />

Das Spätvorstellungs-Repertoire<br />

stand bei Redaktionsschluß noch<br />

nicht fest.<br />

Die Motivation der Kinomacher<br />

ist eine ähnliche wie im Yorck in<br />

Kreuzberg, wo sie ihre Erfahrungen<br />

mit einem Konzept von<br />

stadtteilbezogener Kino-Arbeit<br />

gemacht haben. Das Programm<br />

soll möglichst breit gefächert<br />

werden und kann in Neukölln,<br />

wo es außer dem Ili kein nennenswertes<br />

Angebot gibt, eine<br />

große Lücke füllen.<br />

2 Georg Kloster entwickelte<br />

aus diesen anfängen die<br />

heutige Yorck-Kinogruppe<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 13


14 40 JaHre tip<br />

1978 • Juli • tip 15<br />

40 JAHRe TIP • Die 70eR JAHRe<br />

Wutrede 1<br />

<strong>Berlin</strong>ale-Chef Wolf Donner<br />

über die Filmstadt <strong>Berlin</strong><br />

Warum ist Ihnen neulich im SFB<br />

der Kragen geplatzt?<br />

DONNER Gemotzt habe ich, weil<br />

hier in <strong>Berlin</strong> sehr vollmundig<br />

aus allen Kanonen orakelt, spektakelt<br />

und herumgedoktert wird<br />

an der allzeit reduzierten Filmstadt<br />

<strong>Berlin</strong>, und das geschieht<br />

auf so eine sehr seltsame Weise,<br />

nämlich in Form von Statements<br />

aus der Isolierstation. Jeder<br />

setzt so auf sein kleines Häufchen<br />

(...), meistens mit aufgehaltener<br />

Hand, und vertritt nur<br />

seinen eigenen Standpunkt.<br />

Aber so entsteht keine Filmstadt.<br />

Was hier völlig fehlt, ist<br />

das Bewusstsein, dass Filmstadt<br />

zunächst einmal Frage eines Klimas<br />

wäre, eines Filmklimas, eines<br />

Filmbewusstseins, einer<br />

Filmkultur.<br />

1979 • März • tip 6<br />

Wutrede 2<br />

<strong>Berlin</strong>ale-Chef Wolf Donner<br />

über die <strong>Berlin</strong>er presse<br />

Haben Sie ein gestörtes Verhältnis<br />

zur <strong>Berlin</strong>er Presse?<br />

DONNER Ja, Sie können das sicher<br />

so nennen. Das ist ein sehr prekäres<br />

Thema. Es gibt ein paar Indizien,<br />

die kann ich ruhig nennen,<br />

machen Sie damit, was Sie wollen.<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Presselandschaft<br />

insgesamt leidet unter einem<br />

ziemlich mickrigen Niveau. Das ist<br />

bekannt, darüber wird immer<br />

wieder geklagt. Und das wird außerhalb<br />

<strong>Berlin</strong>s mit leichtem Erstaunen<br />

und auch etwas Ratlosigkeit<br />

zur Kenntnis genommen.<br />

Aber es ist so. Und ich habe von<br />

Anfang an sehr wenig Lust gezeigt,<br />

mich darauf übermäßig intensiv<br />

einzulassen, was sicher ein<br />

Fehler ist. Es gehört zu solch einem<br />

Job dazu, die Lokalmatadore<br />

bei Laune zu halten. Ich habe<br />

meinem Nachfolger empfohlen,<br />

es so zu machen, wie einst Dr.<br />

Bauer, mit zwei, drei dieser Herrschaften<br />

jede Woche mindestens<br />

eine Stunde zu telefonieren, damit<br />

da für gut Wetter gesorgt ist.<br />

1978 • Juli • tip 15<br />

ice Palace, Joachimstaler Straße, eintritt: 5 Mark<br />

Die ersten Discos<br />

Neue tanztempel ziehen die Massen an<br />

Disco etabliert sich nun auch in<br />

Europa als zentrales Freizeit-<br />

Phänomen, gerade rechtzeitig im<br />

Zeitalter der „neuen Einsamkeit“<br />

mit dem freiwillig gewählten<br />

„Single“-Dasein im Zeichen des<br />

Gottes Narcissus. Also wohin mit<br />

diesem neuen Feeling im ersten<br />

Sommer unseres Disco-Vergnügens?<br />

Die deutschen Diskotheken<br />

der Post-Psychedelic-Ära<br />

wirkten bislang so gräßlich anheimelnd<br />

wie Thingstätten bündischer<br />

Jugend.<br />

Doch nun gibt es „Bowie“, die<br />

Summe unserer Hard-Rock-Gymnastik-Erfahrung<br />

aus den frühen<br />

Siebzigern und unserer neoschicken<br />

Disco-Deca-Trance à la<br />

Kraftwerk. „Bowie“ ist all das,<br />

wofür der Namensgeber David in<br />

seinem neueren musikalischen<br />

Œuvre einsteht: Glamour, der auf<br />

dem proletarischen Teppich<br />

bleibt, Futurismus, der die Gegenwart<br />

nicht ignoriert. Die Bowie-Besitzer<br />

haben vom ehemaligen<br />

„Tolstefanz“-Publikum die<br />

Creme abgeschöpft: Drogen-<br />

Flippies fehlen, Schickeria-Gecken<br />

lassen sich nicht blicken,<br />

linke Langweiler gaffen nicht<br />

bewusstseinsverändert herein.<br />

Dafür beinahe jeden Abend Platz<br />

für 500 ungemein attraktive jüngere<br />

Mittelklasse-Leute dreierlei<br />

Geschlechts und zivile Preise zur<br />

Musik von Graham Parker, Elvis<br />

Cos tello und Jonathan Richman.<br />

Orientalisch aussehende Besucher<br />

müssen mit Einlass-Schwierigkeiten<br />

rechnen; gelegentlichem<br />

Ärger reagieren die Bowie-Bewacher<br />

gleich mit Sippenhaft ab.<br />

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tip 13·12


1979 • August • tip 18<br />

Beuys bricht den<br />

Scheiß hier ab<br />

Die berühmte Galerie Block schließt mit einer letzten<br />

großen Beuys-ausstellung<br />

In schwere Säcke verstaut und<br />

zum Abtransport nach Amerika<br />

bereit liegt die <strong>Berlin</strong>er Galerie<br />

Block im Vorgarten der Wilmersdorfer<br />

Schaperstraße 11. Was da<br />

beerdigt wird, ist nicht weniger<br />

als eine der bedeutendsten Galerien<br />

im Nachkriegs-<strong>Berlin</strong>. Joseph<br />

Beuys, Plastiker für eine<br />

menschlichere Gesellschaft, und<br />

der Galerist René Block zelebrieren<br />

den Abbruch gemeinsam,<br />

denn sie haben nach 15jähriger<br />

Zusammenarbeit auch heute<br />

noch eine wesentliche Gemeinsamkeit:<br />

Sie sind nicht interessiert<br />

am Leerlauf des modernen<br />

Kunstbetriebs, „diesem kleinen<br />

Hans Magnus Enzensberger fiel’s nicht schwer<br />

für Zadek einzudeutschen den Molière.<br />

Des „Volkes Bühne“ führt das Stück nun auf –<br />

zum „Menschenfeind“ strömt man herbei zuhauf.<br />

Man jubelt und klatscht sich die Hände wund,<br />

die Schaperstraße hat ’nen dicken Hund.<br />

Das Publikum berauscht sich an den Reimen,<br />

die aus der neuen Übersetzung keimen.<br />

Des Enzensberger Jamben – wohl gehegt,<br />

da fühlt die tip-Kritik sich angeregt.<br />

Fünfmal gehoben ist genau die Zeile<br />

und auch gereimt – wenngleich in Hast und Eile.<br />

Die 70eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

pseudokulturellen Getue“<br />

(Beuys). Der abgeschlagene Putz<br />

der Galerie macht den Entschluß<br />

plastisch, und diese Konsequenz<br />

hat Geschichte. „Ja, jetzt brechen<br />

wir hier den Scheiß ab“ ist<br />

nicht nur der Titel der letzten<br />

Ausstellung und das Ende der<br />

Galerie Block, ein Experimentierfeld<br />

für die Entgrenzung der<br />

Kunst, es ist auch ein Zitat. Joseph<br />

Beuys beantwortete damit<br />

eine leidige Pressefrage nach<br />

seinem ersten sechsstündigen<br />

Happening in <strong>Berlin</strong>. Heute tönt<br />

der Satz in einminütiger Folge<br />

über den Lautsprecher in die<br />

Abbruchgalerie.<br />

1979 • Dezember • tip 26<br />

Der Menschenfeind<br />

enzensberger reimt für Zadek den Molière neu –<br />

der tip reimt zurück<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 15<br />

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16 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 80eR JAHRe<br />

DIe ACHTzIGeR<br />

Hausbesetzer, Lummer, geniale Dilettanten, Ost-<strong>Berlin</strong>er punker, Heiner Müller, 750 Jahre <strong>Berlin</strong>,<br />

einstürzende Neubauten, Heller Wahn, Linie 1, Wolfgang Neuss, die 3 tornados, Mauerfall<br />

1980 • März • tip 6<br />

Pleiten-<br />

berlinale<br />

Die erste <strong>Berlin</strong>ale unter<br />

der neuen Leitung von<br />

Moritz de Hadeln und<br />

Ulrich Gregor<br />

Was man in den abschließenden<br />

Pressestimmen zu den Internationalen<br />

Filmfestspielen <strong>Berlin</strong><br />

1980 liest, hat man schon während<br />

des Festivals kommen sehen:<br />

Enttäuschung über den<br />

Mangel an wirklich erstklassigen<br />

Filmen, Empörung über die Stillosigkeit<br />

der neuen Leitung Moritz<br />

de Hadeln/Ulrich Gregor im<br />

Umgang mit Gästen, Presse und<br />

Publikum, noch dazu fehlendes<br />

Einverständnis mit mehreren<br />

Entscheidungen der Jury.<br />

»Hoffentlich ist diese<br />

<strong>Berlin</strong>ale nicht für den<br />

gegenwärtigen Stand<br />

des Filmschaffens<br />

repräsentativ«<br />

Als Kinogänger wünsche ich mir,<br />

daß die <strong>Berlin</strong>ale 80 nicht für<br />

den gegenwärtigen Stand des<br />

Filmschaffens in der Welt repräsentativ<br />

ist. Ich hoffe vielmehr,<br />

daß die Gründe für die allgemein<br />

beklagte Pleite des diesjährigen<br />

Filmfests nur in den Kinderkrankheiten<br />

der neuen Leitung,<br />

in den veränderten Auswahlprinzipien<br />

der Auswahlkommission<br />

oder etwa in der Zurückhaltung<br />

der großen Filmindustrie<br />

gegenüber <strong>Berlin</strong> zugunsten von<br />

Cannes zu suchen sind, und<br />

nicht darin, daß gute Filme einfach<br />

nicht mehr produziert werden.<br />

Dies wäre das größere Übel.<br />

2 Moritz de Hadeln leitete die<br />

<strong>Berlin</strong>ale bis 2001.<br />

1980 • Oktober • tip 23<br />

theater-Spektakel<br />

Zehn Stunden „Orestie von aischylos“ an der Schaubühne<br />

Peter Steins neueste Inszenierung<br />

an der Schaubühne am Halleschen<br />

Ufer stellt sich als ein<br />

gigantisches Theaterspektakel<br />

dar. Zehn Stunden lang müssen<br />

die Zuschauer ausharren, um der<br />

„Orestie von Aischylos“ von Anfang<br />

bis Ende zu folgen. Ein Racheakt<br />

löst den nächsten ab, und<br />

das Blut der Opfer ergießt sich<br />

in Strömen übers Parkett.<br />

Neuneinhalb Stunden – inklusive<br />

zweier Pausen à eine Stunde –<br />

auf dem Boden zu hocken und<br />

Ur-Zeit-Dramatik zu erleben, das<br />

schreckte mich und wird manche<br />

Überlegung beeinflussen, ob<br />

man sich das neue Antiken-Projekt<br />

der „Schaubühne“ zur Brust<br />

nimmt oder nicht. Im Gegensatz<br />

zu anderen Rezensenten hatte<br />

ich es versäumt, den Text der<br />

Trilogie vorher gründlich durchzuarbeiten<br />

– auch darin fühle ich<br />

mich den nicht professionellen<br />

Theatergängern verwandt. So<br />

begab ich mich mit der Eintrittskarte<br />

und einem schlechten Gewissen<br />

ans Hallesche Ufer, gewärtig,<br />

im inszenierten Herrschaftswissen<br />

der Kulturprofis<br />

zu versanden.<br />

In der Pause gibt es eine warme<br />

Suppe und Zeit, die Beine zu<br />

vertreten. Das Publikum flaniert<br />

diskutierend und argumentiert<br />

Pro und Kontra aus dem verblaßten<br />

Informationsvorrat eigenerhumanistisch-klassisch-antiker<br />

Schulbildung. Aber es geht<br />

auch ohne. Auch den Ungebildeten<br />

drückt Hauptdarsteller Udo<br />

Samel am Ende artig die Hand:<br />

„Leben Sie wohl. Vielen Dank,<br />

daß Sie zugeschaut haben!“<br />

Gern geschehen! Mein Kopf hat<br />

auf Kosten meines Hinterns etwas<br />

gelernt.<br />

1980 • Januar • tip 2<br />

Joy Division<br />

eine einstimmung auf ihr<br />

einziges <strong>Berlin</strong>-Konzert<br />

Das gefürchtete Jahrzehnt, in<br />

dem alles anders und schlechter<br />

zu werden droht, ist da. Wenn<br />

wir diese ungemütliche Dekade<br />

überleben wollen, wird uns das<br />

einige Anstrengungen kosten.<br />

Joy Division kann mithelfen,<br />

nicht nur, weil wir Musik noch<br />

brauchen werden, sondern gerade<br />

diese Musik: Sie spiegelt Realitäten,<br />

entlarvt die zunehmende<br />

Unbewohnbarkeit der Vororte<br />

und zerstört Illusionen. „The<br />

Sound Of The City“ – 1980!<br />

Manchester ist keine so schöne<br />

Stadt. Joy Division kommen da<br />

her. Ihre Musik ist ein Spiegel der<br />

Wirklichkeit, ihrer Wirklichkeit.<br />

„Wir haben keine eigentliche<br />

Botschaft“, sagt Sänger Ian Curtis.<br />

„Die Texte sind offen, interpretierbar,<br />

sozusagen multidimensional.<br />

Du kannst ihnen entnehmen,<br />

was du willst.“<br />

Die Texte sind aber nur die eine<br />

Hälfte. Noch viel wichtiger ist die<br />

Musik: Überaus bedrohliche<br />

Klanggebilde, die sehr, sehr erregend<br />

sind. Musik, die an leergefegte,<br />

nasse Straßen bei Nacht,<br />

verlassene Parkhäuser und Kneipen,<br />

in denen die Stühle schon<br />

hochgestellt sind, erinnern.<br />

Wer ihr erstes im vorigen Jahr auf<br />

dem Factory Label erschienenes<br />

Album „Unknown Pleasure“ noch<br />

nicht kennt, sollte dies schleunigst<br />

nachholen. Eine bessere<br />

Platte ist 79 nicht erschienen,<br />

und sie ist eine ideale Einstimmung<br />

fürs Konzert. (21. Januar,<br />

Kant-Kino.)<br />

2 Sänger ian Curtis erhängte<br />

sich im Mai 1980. Die drei<br />

verbliebenen Bandmitglieder<br />

gründeten die New-Wave-<br />

Band New Order.<br />

tip 13·12


Die 80eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

1981 • Januar • tip 1 1981 • Oktober • tip 21<br />

Leerstand<br />

Spekulanten setzen auf den Verfall von Häusern und<br />

vernichten günstigen Mietraum<br />

Tatsächlich sind bis heute<br />

höchstens zwei Dutzend Häuser<br />

mit rund 100 Wohnungen in<br />

<strong>Berlin</strong> besetzt – nach offiziellem<br />

Eingeständnis stehen etwa 7.000<br />

Wohnungen leer. In Wirklichkeit<br />

dürfte die Zahl etwa doppelt so<br />

hoch liegen: „Eine Leerstandsgenehmigung“<br />

muß vom Hausbesitzer<br />

erst nach drei Monaten<br />

beantragt werden, eine wirksame<br />

Kontrolle gibt es praktisch<br />

nicht. Dagegen ist es „jahrzehntelange<br />

Praxis“, daß die staatlich<br />

bestellten Sanierungsträger, die<br />

ganze Quartiere in <strong>Berlin</strong> verwalten,<br />

„automatisch“ Leerstandsgenehmigungenausgestellt<br />

bekommen – auch bei<br />

„unklarer Planungslage“ über<br />

die Zukunft der Altbauten.<br />

Die Folge dieses Skandals kann<br />

jeder bei einem Spaziergang<br />

durch den Südosten Kreuzbergs,<br />

den Norden Schönebergs oder<br />

durch den alten Wedding besichtigen:<br />

„Entmietete“ Straßenzüge,<br />

schwarze Fensterhöhlen,<br />

verrottende Fassaden. Die<br />

Häuser der Gründerzeit – schon<br />

zur Zeit ihres Baus als „Mißstand<br />

mit drei Hinterhäusern“<br />

bezeichnet – haben ihre Schuldigkeit<br />

getan. Knapp 100 Jahre<br />

alte Ruinen des Spekulantentums<br />

dämmern dem einzig profitablen<br />

Abriß und Neubau entgegen.<br />

Wenn selbst die türkische<br />

Bevölkerung die alten<br />

Häuser nicht mehr „kaputtwohnen“<br />

kann, ist dieses Schicksal<br />

unvermeidlich: Trotz aller Beteuerungen<br />

von Politikern und<br />

Planern ist damit zu rechnen,<br />

daß bis Mitte der 80er Jahre etwa<br />

50.000 billige Wohnungen<br />

aus dem Altbau-Bestand <strong>Berlin</strong>s<br />

verschwinden.<br />

Lummer und<br />

der tote Rattay<br />

Der radikale innensenator<br />

räumt Häuser und ein<br />

Demonstrant stirbt<br />

Am 22. September läßt <strong>Berlin</strong>s<br />

CDU-Innensenator Heinrich Lummer<br />

acht von insgesamt 157 besetzten<br />

Häusern räumen. An<br />

diesem Tag stirbt auch der 18jährige<br />

Demonstrant Klaus-Jürgen<br />

Rattay, als Polizeieinheiten eine<br />

Straßenkreuzung räumen.<br />

»Lummer inspizierte<br />

die besetzten Gebiete.<br />

Draußen kochte es«<br />

Das Manöver war abgeschlossen,<br />

die feindlichen Stellungen waren<br />

gestürmt, ohne nennenswerten<br />

Widerstand übrigens, denn die<br />

militärische Überlegenheit war<br />

eindeutig. Der Oberkommandierende<br />

inspizierte die besetzten<br />

Gebiete. Draußen kochte es.<br />

Doch er kostete den Triumph wie<br />

einer, der jahrelang davon nur<br />

träumen durfte. „Wenn schon,<br />

denn schon“, resümierte er vor<br />

der versammelten Presse, „alles<br />

in einem Aufwasch“. Wenige Minuten<br />

später wurde das Blut eines<br />

Opfers von der Straße gewaschen.<br />

Ein „Verkehrsunfall“ –<br />

aber nicht der BVG, sondern des<br />

Innensenators.<br />

Heinrich Lummer, fast einziger<br />

<strong>Berlin</strong>er in den Reihen des neuen<br />

Senats – nicht nur die Radikalen<br />

der Hausbesetzerszene erhalten<br />

Zulauf aus Westdeutschland –<br />

wußte, was er tat. Schon bei den<br />

Auseinandersetzungen um das<br />

Rathaus Schöneberg forderten<br />

nicht nur wir: „Lummer muß zurücktreten!“<br />

Im tip-Gespräch<br />

offenbarte Lummer ein eigentümliches<br />

Verantwortungsgefühl.<br />

Auf die Frage: „Wann brennt <strong>Berlin</strong>“,<br />

antwortete der Mandatsträger<br />

in zynischer Ohnmacht: „<strong>Berlin</strong><br />

brennt dann, wenn die das<br />

wollen!“ Heißt im Klartext: Daran<br />

kann ich, der dafür Beauftragte,<br />

nichts ändern. (Andere nähmen<br />

schon hier ihren Hut.)++ Heißt<br />

weiter: Dafür schlagen wir aber<br />

zurück! „Wenn schon, denn<br />

schon. Alles in einem Aufwasch.“<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 17


18 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 80eR JAHRe<br />

1981 • September • tip 20<br />

Festival genialer Dilettanten<br />

West-<strong>Berlin</strong>s wichtigstes Konzert der 80er. Mit dabei: Sprung aus den Wolken, Malaria!,<br />

Mania D., Die tödliche Doris, Sentimentale Jugend und einstürzende Neubauten<br />

„Das ist Folklore, <strong>Berlin</strong>er Folklore.<br />

Einfach authentische Musik,<br />

authentische Musik aus<br />

West-<strong>Berlin</strong>“, sagt Blixa Bargeld,<br />

Sänger und Gitarrist der Gruppe<br />

„Einstürzende Neubauten“. Was<br />

er da als <strong>Berlin</strong>er Folklore bezeichnet,<br />

war Anfang September<br />

im Tempodrom-Zelt am Potsdamer<br />

Platz, vis-à-vis von der Mauer,<br />

zu hören: Rund vierzig Musiker<br />

traten in diversen Gruppen<br />

zu einem „Festival genialer Dilettanten“<br />

an, das Bargeld zusammen<br />

mit dem Schauspieler,<br />

Musiker und Veranstalter Mabel<br />

und dem Schauspieler und Filmemacher<br />

Wieland Speck organsiert<br />

hatte. Diese „Große Untergangsshow“<br />

bot rund 1500 zum<br />

größeren Teil ungläubig staunenden<br />

Besuchern eine Musik<br />

als Volksmusik an, die mit Wanderliedern<br />

zur Gitarre oder dem<br />

martialischen Singsang der<br />

Schöneberger Sängerknaben<br />

nichts mehr gemein hat. Wohl<br />

aber mit dem Ursprung von Folklore<br />

als einer Musik, die so einfach<br />

ist, daß sie jeder spielen<br />

kann und die eben nicht von<br />

wenigen für viele gemacht wird.<br />

In maximal zwanzig Minuten langen<br />

Auftritten pro Band waren<br />

an diesem Abend mehr an bisher<br />

nicht gehörten Rhythmen<br />

und Klängen zu hören als den<br />

Neuerern der Rockmusik, den<br />

Neue-Welle-Fabrikanten, zugesprochen<br />

werden. Und in ihren<br />

Texten, zumeist kurzen, zynischen<br />

Statements, ist mehr von<br />

der Realität in <strong>Berlin</strong> zwischen<br />

Kreuzberg und Wedding zu erfahren<br />

als in den lapidaren und<br />

aufgepeppten „Ich steh auf<br />

<strong>Berlin</strong>“-Hymnen der kommerziell<br />

erfolgreichen Wellen-Reiter.<br />

Auch hier und auch so läßt sich<br />

der Anspruch, Volksmusik zu<br />

spielen, festmachen.<br />

1982 • Juli • tip 15<br />

punker vom prenzlauer Berg<br />

Der West-<strong>Berlin</strong>er rockmusiker Dimitri Leningrad über die Ost-<strong>Berlin</strong>er punk-Szene und<br />

ihr Leben am rand der sozialistischen Gesellschaft<br />

Ich traute meinen Augen nicht,<br />

als ich ihnen das erste Mal begegnete.<br />

Sie standen draußen, in einer<br />

geschlossenen Traube zusammen<br />

und gehörten zu denen, die<br />

den schon seit Wochen ausverkauften<br />

Konzertsaal nicht betreten<br />

würden. Das war vor wenigen<br />

Tagen vor einem Gig der Gruppe<br />

Pankow in der „Hauptstadt“. Vielleicht,<br />

dachte ich, ist an der alten<br />

Römerweisheit „nomen est<br />

omen“ doch etwas Wahres dran?<br />

Leider, dem war nicht so. Die<br />

Band langweilte. Zwar klappten<br />

einige Blockrockfans von den<br />

Stühlen, forderten euphorisch<br />

Zugaben, aber mit Punk hatte die<br />

Kapelle Pankow wirklich nichts zu<br />

tun. Egal, immerhin lernte ich an<br />

diesem Abend sieben Punks ken-<br />

nen. Als wäre ich ihnen gestern in<br />

der Musichall oder im SO36 begegnet,<br />

so markant setzten sie<br />

sich von der wartenden Menge<br />

ab. Sie fallen auf. Fashion? Oder<br />

gilt es als der letzte Schrei, ein<br />

Punk zu sein in Ost-<strong>Berlin</strong>? Weder<br />

noch, denn „modisches Nachahmen<br />

führt zu nichts“, meint Reporter<br />

Martin Linzer zur unklaren<br />

Situation: ein klares Wort aus der<br />

kulturpolitischen Wochenzeitung,<br />

die der Kulturbund der DDR regelmäßig<br />

vorlegt. Herr Linzer hat<br />

Recht. Die Punks in der DDR sind<br />

keine Mode-Punks. Vielmehr bewegen<br />

sie sich riskant am Rand<br />

der sozialistischen Gesellschaft.<br />

Die SED staunt. Die Volkspolizei<br />

ist noch ratlos. Was tun? Aus allen<br />

Lagern der Society schließen<br />

sich ständig neue Anhänger dieser<br />

aufregenden Außenseitergruppe<br />

an, teilweise erst gerade<br />

14, 15 Jahre alt. Es bilden sich<br />

Treffs, die meistens privat und<br />

geheim gehalten werden.<br />

tip 13·12


Foto: Jochen Clauss / story press<br />

1983 • März • tip 6<br />

Heller Wahn<br />

ein Verriss im tip sorgt für eine empörungswelle<br />

auf der <strong>Berlin</strong>ale und beschmierte Wände im Verlag<br />

Wie langweilig muß eigentlich ein<br />

Filmfestival sein, damit ein Verriß<br />

tagelang für Gesprächsstoff sorgen<br />

kann? Als vorletzten Donnerstag<br />

– an diesem Tag lief erstmals<br />

„Heller Wahn“ – der tip in<br />

<strong>Berlin</strong> ausgeliefert wurde, standen<br />

die Cineasten kopf. Die Kritik,<br />

die tip-Redakteur Werner Mathes<br />

unter dem Titel „Von Dackeln und<br />

Doggen“ über Margarethe von<br />

Trottas Film verfaßt hatte, bewegte<br />

die Gemüter, männliche<br />

wie weibliche.<br />

Auf der Pressekonferenz nach der<br />

Vorführung des Trotta-Werks verlas<br />

Margit Eschenbach eine Erklärung<br />

des Verbandes der Filmarbeiterinnen<br />

gegen die Mathes-<br />

Kritik. Derselbe Text kursierte an<br />

diesem Tag auch als Flugblatt auf<br />

der <strong>Berlin</strong>ale. Abends gegen 19<br />

1981 • September • tip 20<br />

Heiner Müller<br />

Da er alle bisherigen Aufführungen<br />

seiner Stücke für falsch hielt<br />

(„zu penetrant-aufklärerisch“)<br />

inszenierte der DDR-Dramatiker<br />

Heiner Müller nun selbst. In Bochum<br />

brachte er spektakulär seinen<br />

„Auftrag“ zur Aufführung.<br />

Zentrales Thema des Stückes ist<br />

der Verrat an der Revolution<br />

Die 80eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Uhr kreuzten mehrere Frauen im<br />

Haus der tip-Redaktion in der<br />

Potsdamer Straße auf und beschmierten<br />

die Wände des Hausflures<br />

bis hinauf in den zweiten<br />

Stock: „Mathes Schwanz-Bonus“.<br />

Auch ein Stil, immerhin.<br />

Schelte bezogen wir auch von<br />

Vertretern der Filmindustrie, die<br />

uns vorhielten, der tip sei als<br />

„Pilot-Blatt“ zu mehr Zurückhaltung<br />

verpflichtet. Deren Befürchtungen<br />

erwiesen sich als richtig:<br />

Fast in der gesamten deutschen<br />

Tagespresse wurde der Trotta-<br />

Film verrissen. Selbst nach den<br />

Filmfestspielen geisterte der Tenor<br />

der tip-Kritik noch durch die<br />

öffentlich-rechtlichen Nachbereitungen.<br />

Dabei ist der Film wirklich<br />

nicht gut – was sogar Kritikerinnen<br />

bestätigen.<br />

Betroffene Pressekonferenz: Ula Stöckl, Margarethe von Trotta, Hanna Schygulla<br />

Der DDr-Dramatiker Heiner Müller inszeniert im Westen<br />

und erzählt die ganze Wahrheit über Bochum<br />

Kann man in Bochum arbeiten?<br />

MÜLLER Ja.<br />

Kann man in Bochum leben?<br />

Nein.<br />

Wie kann man dort arbeiten<br />

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13·12 tip 40 JaHre tip 19


20 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 80eR JAHRe<br />

1985 • Januar • tip 2 1984 • September • tip 19<br />

Blixa Bargeld<br />

Nick Cave über Blixa Bargeld und die Neubauten<br />

Das erste Mal sah ich Einstürzende<br />

Neubauten im holländischen<br />

Fernsehen. Es war im Jahr des<br />

Herrn 1982. Meine damalige<br />

Gruppe The Birthday Party machte<br />

eine Serie von Konzerten in<br />

den Niederlanden, und es war<br />

gegen Ende der Tournee in Den<br />

Haag. Also ich war gerade bemüht,<br />

die Treppe unseres bescheidenen<br />

Hotels herunterzulaufen,<br />

als ein merkwürdiger<br />

hypnotischer Ton aus dem Fernsehraum<br />

geblasen kam und meine<br />

Ohren auf eine unwiderstehliche<br />

Art verführte – wie ein<br />

Wurm oder eine Zunge. Nicht<br />

unähnlich Odysseus, der Gestalt<br />

der griechischen Mythologie,<br />

wurde ich an die Quelle dieses<br />

geisterhaften, sirenischen<br />

Sounds gezogen, und als ich den<br />

Fernsehraum betrat, wurden<br />

meine musikalischen Vorstellungen<br />

mit einem Schlag weggewischt<br />

– zerschlagen auf dem<br />

Felsen der Musik von Einstürzende<br />

Neubauten.<br />

(...) Schließlich fand die Kamera<br />

den dritten Mann. Er stand da im<br />

schwarzen Leoparden-Imitat,<br />

schwarzen Gummi-Hosen,<br />

schwarzen Gummi-Stiefeln. Um<br />

seinen Nacken baumelte eine<br />

völlig ruinierte Gitarre. Seine<br />

Haut klebte an seinen hervorstechenden<br />

Knochen, sein Schädel<br />

war ein völliges Desaster – und<br />

1983 • Juli • tip 14<br />

Neues Deutsches Feuilleton<br />

Jörg Fauser in seiner Kolumne „Wie es euch gefällt“ über die neuen Kulturkritiker<br />

Zu den bedenklichen Erbstücken,<br />

die uns der Narzißmus der<br />

siebziger Jahre hinterlassen hat,<br />

gehört ein Trend im Neuen<br />

Deutschen Feuilletonismus – jene<br />

Kulturkritik, deren Autoren<br />

sich selbst wichtiger nehmen als<br />

den Gegenstand ihrer Betrachtung.<br />

Sich selbst, damit meine<br />

ich: ihr Spiegelbild im lauen Bad<br />

ihrer Sätze. Daß sie auch Haarausfall<br />

oder Hämorrhoiden ha-<br />

die Augen quollen ihm aus dem<br />

Kopf wie einem blinden Mann.<br />

Und trotzdem: Die Augen starrten<br />

uns an, als würden sie einen<br />

himmlischen Besuch signalisieren.<br />

Hier stand ein Mann an der<br />

Schwelle zur Großartigkeit, hier<br />

stand ein Napoleon vor den Feuern<br />

des Sieges, ein Cäsar, der zu<br />

wissen schien, wer die Messer<br />

bereithielt. Für sechzig Sekunden<br />

stand dieser Mann wie erstarrt.<br />

Dann öffnete er seinen Mund und<br />

stieß einen Schrei hervor, der<br />

klang, als ob man ihm eine Distel<br />

aus der Seele gezogen hätte. Dieser<br />

Mann war Blixa Bargeld.<br />

2 Blixa Bargeld war von 1984<br />

bis 2003 Gitarrist der Band<br />

Nick Cave and the Bad<br />

Seeds.<br />

ben wie andere Menschen, Fickprobleme<br />

oder Schwierigkeiten<br />

mit dem Hausmeister, nein, das<br />

haben sie nicht zum Gegenstand<br />

ihrer Diskurse gemacht, sondern<br />

die schwarzen Stiefel, die Yamaha<br />

oder Harley Davidson, ihr<br />

geiles Fußballfeeling, den Fluß<br />

ihrer wichtigen Wörter, ihr Styling,<br />

ihre Gefühle, ihren eigenen<br />

Stil. Nicht etwa rasende Reporter<br />

und politische Paranoiker<br />

Was für eine<br />

Arschlochfrage!<br />

interview mit Queen-Sänger<br />

Freddie Mercury<br />

Was macht die Frische dieser<br />

Tournee aus?<br />

MERCURY Ich und meine herrlichen<br />

Kostüme natürlich! (lacht)<br />

Das spannende Element dieser<br />

Tour ist, daß wir wirklich von allen<br />

Queen-Alben Songs spielen<br />

werden. Wir haben in den letzten<br />

Wochen auch viele alte Songs<br />

wieder einstudiert. Das hat mich<br />

nachdenklich gemacht. Vor 13 Jahren<br />

haben wir das gespielt. Damals<br />

hatte ich noch lange Haare,<br />

schwarze Fingernägel, Make-up<br />

im Gesicht – so wie das Boy George<br />

heute macht – das Gefühl, diese<br />

alten Lieder heute noch zu<br />

singen, ist seltsam – hört sich an,<br />

als wäre ich ein alter Mann, nicht<br />

wahr? Na ja, für 37 schaue ich gar<br />

nicht so schlecht aus, das sag ich<br />

dir, Darling! (lacht)<br />

Würdest du dich als Künstler<br />

beschreiben? Bist du eher ein<br />

ordentlicher, organisierter<br />

Mensch oder ein chaotischer,<br />

spontaner?<br />

Ich bin bloß eine musikalische<br />

Hure, mein Lieber.<br />

Eine ordentliche?<br />

Chaotisch, ordentlich und unordentlich.<br />

Manchmal so und<br />

manchmal so. Was für eine<br />

Arschlochfrage! Ich bin ich. Ich<br />

bin wie ich bin, das reicht doch,<br />

oder?<br />

bestimmen den „new journalism“<br />

bei uns, sondern durchgestylte<br />

Narzisse aus dem Dunstkreis<br />

der Adorno-Seminare und<br />

des Kulturbolschewismus der<br />

68er-Bewegung, eine Deinhard-<br />

Lila-Fraktion der deutschen<br />

Spätlinken.<br />

2 Der Schriftsteller Jörg Fauser<br />

schrieb ab 1979 für den tip.<br />

1987 verunglückte er tödlich.<br />

tip 13·12


Foto: Jochen Clauss / story press<br />

1986 • Mai • tip 11<br />

Linie 1<br />

Die premierenkritik zum größten erfolg und evergreen des Grips-theaters<br />

So ein <strong>Berlin</strong>-Stück, so ein Stück<br />

<strong>Berlin</strong> schafft keine andere Bühne.<br />

Denn die Grips-Spieler sind<br />

auf dem Quivive, singen und<br />

agieren haarscharf zur U-Musik<br />

von Birger Heymann, die No-Ticket-Band<br />

macht Dampf. Der Zug<br />

geht ab, durch die Mythen des<br />

<strong>Berlin</strong>er Alltags. Es wird ein<br />

Festzug: sich selbst anerkennend<br />

auf die Schulter zu klopfen, ist<br />

ein existenzielles Grundbedürfnis<br />

der <strong>Berlin</strong>er. Jenseits von<br />

Sommernachtsträumen und<br />

750-Jahrfeiern hat man auch im<br />

Die 80eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Grips-Theater ein Wir-<strong>Berlin</strong>er-<br />

Gefühl gern; das wird hier nicht<br />

von offiziellen Stellen verordnet,<br />

»Volker Ludwig hat<br />

wieder einen Hit<br />

geschrieben fürs Grips.<br />

Einen Hit für <strong>Berlin</strong>«<br />

das will erst einmal erarbeitet<br />

sein. Es ist viel drin in dieser<br />

Untergrund-Revue, wie in der<br />

Currywurst; viel Fleisch, aber<br />

nicht nur. Und auch viel Ketchup<br />

wird drübergegossen, dicke Soße<br />

des Gefühls beim Happy-End<br />

im Bahnhof Zoo.<br />

Volker Ludwig hat wieder einen<br />

großen Hit fürs Grips geschrieben.<br />

Einen Hit für <strong>Berlin</strong>. Das<br />

Lebensgefühl für diese Stadt, die<br />

Grundstimmung ist positiv. Woher<br />

der Grips-Chef seinen Optimismus<br />

nimmt, das wird uns auf<br />

der langen Reise vom Zoo zum<br />

Schlesischen Tor und zurück<br />

nicht verraten.<br />

workout<br />

Viel mehr als Sport und Spa.<br />

Achten Sie auf unsere Sommerspecials<br />

1985 • Juni • tip 14<br />

botho strauß<br />

ein frühes Bashing des<br />

Schwurbelmeisters<br />

Der Windmacher verdichtet in seinem<br />

Buch „Diese Erinnerung an<br />

einen, der nur einen Tag zu Gast<br />

war“ den bösen Zeitgeist wieder<br />

einmal unnachahmlich. In den<br />

Sand möchte er stecken seinen<br />

Kopf. Klagt Strauß: „Ah, nicht wissen<br />

möchte’ ich, sondern / erklingen.<br />

Versaitet bis unter die Milz“,<br />

und das im Zeitalter des Kabel.<br />

Seine Prosa- und Theaterstücke<br />

»Wir überflogen<br />

uns nur / wie in<br />

einem viel zu langen<br />

Zeitungsbericht«<br />

waren ja schon immer kalauerverdächtig.<br />

Das elegische Gedicht<br />

(bei Hanser) vom Leben, Lieben<br />

und Sterben in unheiliger Zeit<br />

zeigt jetzt den Meister des unfreiwilligen<br />

Humors in Höchstform. In<br />

der tip-Redaktion macht vor allem<br />

der unsterbliche Epitaph: „Wir<br />

überflogen uns nur / wie einen<br />

viel zu langen Zeitungsbericht …“<br />

die fröhliche Runde.<br />

2 Botho Strauß lebt heute in<br />

<strong>Berlin</strong> und in der Uckermark<br />

und steht weiterhin unter<br />

Kalauerverdacht.<br />

www.aspria-berlin.de<br />

13·12 tip A unique members’ club for culture, business, sport and well-being 40 JaHre tip 21<br />

Be More


22 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 80eR JAHRe<br />

1987 • August • tip 16<br />

750 Jahre <strong>Berlin</strong><br />

<strong>Jubiläum</strong>, japanisches Großfeuerwerk, tour de France,<br />

Queen, reagan, turnfest: eine Sause jagt die nächste<br />

Die 750-Jahrfeier nähert sich dem<br />

Höhepunkt. <strong>Berlin</strong> (West) soll an<br />

den August-Wochenenden seine<br />

„SternStunden“ erleben. Die<br />

Sieges-Else im Tiergarten strahlt<br />

schon in frischem Gold.<br />

»Das Amüsement ist<br />

kalkuliert bis zum<br />

Klosettgroschen“<br />

Jetzt nur nicht schlappmachen.<br />

Nach Deutschem Turnfest und<br />

Tour de France, nach Mythos und<br />

Reise nach <strong>Berlin</strong>, <strong>Berlin</strong>er Lektionen<br />

und <strong>Berlin</strong>er Gästebuch,<br />

nach Reagan, Mitterand und<br />

Queen Elizabeth, nach Bauausstellung,Oberbürgermeistertreffen<br />

und Transit 87 geht die Geburtstagsparty<br />

erst richtig los.<br />

Seit 15. Juli wird das „Stadtfest“<br />

gefeiert, nonstop bis zum 30. August.<br />

Mit einem historischen<br />

Jahrmarkt und „Sternschnuppen“<br />

auf der – seit Wochen schon abgesperrten<br />

– Straße des 17. Juni,<br />

„Nachtlandschaften“ im Tiergarten,<br />

Wasserkorso über Landwehrkanal,<br />

Spree und Havel,<br />

Westhafenfest und, zum Abschluß<br />

und -schuß, einem japa-<br />

nischen Großfeuerwerk auf dem<br />

Flughafen Tempelhof.<br />

Vom Sommerloch und Sommerpause<br />

keine Rede. Auch wenn es<br />

längst zum guten Ton gehört, sich<br />

über die Gigantomanie der<br />

750-Jahrfeier zu mokieren, möchte<br />

man sich dem Urteil des Herrn<br />

Alfons Goldschmidt anschließen<br />

– „Wie kaum eine andere Großstadt<br />

der Welt verkauft <strong>Berlin</strong><br />

seine Vergnügungen. Das Amüsement<br />

ist kalkuliert bis zum Klosettgroschen.“<br />

Dies wurde den<br />

<strong>Berlin</strong>ern allerdings schon 1928<br />

ins Stammbuch geschrieben.<br />

1986 • Juli • tip 16<br />

Zu-rück-blei-ben!<br />

Die BVG zwischen Samtträumen und Sturmbannführerin<br />

„Ei-se-na-cher Straaaahse“, wispert<br />

die Stimme aus dem Lautsprecher,<br />

als werde dem ahnungslosen<br />

Fahrgast die Endstation<br />

Sehnsucht annonciert. Eigentlich<br />

wollten wir ja nur zum<br />

Video-Shop fahr’n; sind wir nun<br />

unversehens in Shangri-La eingelaufen,<br />

wo Märchenprinzen<br />

und Glücksnymphen auf uns<br />

warten? „Zurück-bleiben-bitte“,<br />

säuselt die Stimme beinahe flehentlich,<br />

mit einem dicken Seufzer<br />

hintendran.<br />

Die Türen knallen zu – aus, der<br />

kurze Traum! Eine ganz ordinäre<br />

U-Bahn-Fahrt. Aber diese Stimme<br />

... Für die Gemeinde der regelmäßigen<br />

Fahrgäste auf der U7<br />

ist der Stopp in der Eisenacher<br />

Straße ein Kulturerlebnis – natürlich<br />

nur, wenn jener Zugabfertiger<br />

mit der Samtstimme das<br />

Mikro ableckt.<br />

„KLEISTPARK!!!“, kreischt uns<br />

dagegen die Sturmbannführerin<br />

vom nächsten Bahnhof die Ohren<br />

voll. „Einsteigen, bitte! Zurückbleiben!!<br />

ZURÜCKBLEI-<br />

BEN!!!“ Wir stehen auf im Waggon,<br />

legen die Hände an die<br />

Jeans-Naht und salutieren.<br />

1986 • April • tip 9<br />

Das Risiko<br />

Zum ende von <strong>Berlin</strong>s<br />

schwärzestem Lokal<br />

Die Untergrund-Spelunke „Risiko“<br />

hat am Ostersonntag dichtgemacht.<br />

Nach fünf Jahren<br />

nächtlicher Exzesse in <strong>Berlin</strong>s<br />

schwärzestem Lokal ging nun<br />

das gnädige Rotlicht dort endgültig<br />

aus.<br />

Mit diesem „Laden“ an den<br />

Yorckbrücken wurde Stadtgeschichte<br />

gemacht; hier traf sich<br />

die Creme der sogenannten<br />

Rock-Subkultur. Vor allem in der<br />

Blütezeit zwischen 1981 und<br />

1983 entpuppte sich das Risiko<br />

als Wohnzimmer der <strong>Berlin</strong>er<br />

Untergrund-Kulturschaffenden.<br />

In aufsehenerregenden Spektakeln<br />

wurde der Grundstein für<br />

manche Karriere gelegt. Unter<br />

anderem wurde hier die Bewegung<br />

der „genialen Dilettanten“<br />

ausgetüftelt.<br />

Der Laden wurde am 4. April<br />

1981 von einem Kollektiv eröffnet.<br />

Zuvor beherbergten die<br />

Räume Deutschlands erste Frauenkneipe<br />

„Blocksberg“. Als jene<br />

das Handtuch warf, begann dort<br />

eine neue Epoche. Die Nächte, in<br />

denen es meist bis in die Morgenstunden<br />

ging, waren jeweils<br />

sehr unterschiedlich. Man konnte<br />

dort ein schwebendes Glücksgefühl<br />

erleben, aber auch finsterstes<br />

Chaos und Depression.<br />

»Das Wohnzimmer der<br />

<strong>Berlin</strong>er Untergrund-<br />

Kulturschaffenden«<br />

Ebenfalls bemerkenswert war<br />

die Bandbreite der Musik, die<br />

aufgelegt wurde. Alles wurde<br />

gespielt und nicht selten brachten<br />

die Gäste eigene Produktionen<br />

mit. Aber auch Blut, fliegende<br />

Barhocker, zerbrochene Fenster<br />

gehörten zu diesem einzigartigen<br />

Ambiente. Mit der Schließung<br />

an Ostern ist es nun endgültig<br />

vorbei. Das komplizierte<br />

Miet- und Pachtverhältnis hat<br />

zum Ende geführt. Schade um<br />

diesen herrlichen „Schandfleck“,<br />

der nach der Räumung der Ruine<br />

am Winterfeldtplatz eine der<br />

letzten Bastionen des alten <strong>Berlin</strong>er<br />

Underground war.<br />

tip 13·12


1988 • April • tip 9<br />

NEUSS Ich rede hier nicht als<br />

tip-Mitarbeiter, ich mache kein<br />

Interview, ich mache kein Gespräch<br />

mit euch, ich schlage<br />

vor, wir machen ’ne Diskussion.<br />

Jeder sagt, was ihm einfällt,<br />

weil, erstmal die Leser zum Lesen<br />

zu kriegen, das ist ’n Kunststück.<br />

Für mich ist in <strong>Berlin</strong> tip<br />

immer noch tip-top, verstehste?<br />

Ich les’ das immer noch lieber<br />

(lacht) als den „Stern“, wo ich<br />

doch „Stern“-Mitarbeiter bin.<br />

Ihr kommt gar nicht zu Wort,<br />

das merkt ihr, ja, ja?<br />

HOLGER Weil wir nicht im<br />

„Stern“ kommen?<br />

»Der Alkohol-<br />

Rock‘n‘Roll ist stehengeblieben.<br />

Kannste<br />

hören überall«<br />

NEUSS Weil sie erstens nicht im<br />

„Stern“ kommen. Zweitens: Im<br />

RIAS sind se nicht zu hören.<br />

Mach doch mal SFB 2 an. Da<br />

hörst du alles, nur nicht die Tornados.<br />

Und? Bei Radio Schamoni,<br />

ja, 100,6, Pornosender in<br />

<strong>Berlin</strong>, dieser eingewanderte<br />

Die 80eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

DDR-Sender, Schamoni, dieser<br />

Wichsgriffel aus Münster, der<br />

beschäftigt die Tornados und<br />

den Wolfgang nicht. Neiiin,<br />

nichts Angetörntes will der haben,<br />

und schon gar nicht,<br />

wenn’s jetzt im tip steht. Also:<br />

Der Arnulf Rating aus Wuppertal<br />

ist einer von den Tornados,<br />

der Holger Klotzbach aus Hannover<br />

ist der zweite von den<br />

Tornados …<br />

HOLGER Aus Düsseldorf.<br />

NEUSS Aus Düsseldorf. Ich hab’<br />

extra Hannover gesagt, und aus<br />

Celle, der Willi Günter Thews<br />

ist der dritte Tornado. Und der<br />

vierte Tornado diskutiert mit<br />

denen, Wolfi Neuss. (...) Wenn<br />

ihr nicht soviel auswendig lernen<br />

müßtet, sondern Stegreif<br />

machen würdet, dann würdet<br />

ihr am liebsten toben – die ganze<br />

Nacht. Ihr würdet gar nicht<br />

mehr aufhören. Und wenn es<br />

nicht so ist, red’ ich es euch ein.<br />

ARNULF: Aber Wolfgang, die<br />

Leute bleiben nicht, wenn ich<br />

zwei Stunden schweige.<br />

NEUSS Nee, aber icke. Das war<br />

ja ’ne persönliche Sache zwischen<br />

uns beiden. Nee, so’n Typ<br />

wie du darf nicht zwei Stunden<br />

schweigen. Du bist ja schon mit<br />

Reden langweilig. Aber ich hab<br />

das doch mit dem Schweigen<br />

nur gemeint, weil du doch jetzt<br />

auf der Bühne den Günter mit<br />

der Ekstase übertriffst. Der<br />

Günter, der trinkt ja nun keinen<br />

Alkohol, das ist ja der Unterschied<br />

zwischen euch beiden,<br />

also drück ich’s mal elegant<br />

aus.<br />

HOLGER Zum Rock’n’Roll gehört<br />

aber Alkohol …<br />

NEUSS Früher. Der Rock’n’Roll<br />

hat auch ’ne Entwicklung. Und<br />

der Alkohol-Rock’n’Roll ist stehengeblieben.<br />

Kannste hören<br />

überall. Ach übrigens: Wenn<br />

wir im Rock’n’Roll- Jargon sprechen<br />

würden: Klar gehört ihr<br />

dann zu den Leuten, die Hardrock<br />

machen. Totalen Hardrock.<br />

2 Kurz nach Mauerfall lösten<br />

sich die 3 tornados auf. Holger<br />

Klotzbach gründete die<br />

Bar jeder Vernunft und leitet<br />

heute das tipi. arnulf rating<br />

arbeitet als Solo-Kabarettist.<br />

Günter thews erlag 1993 seinem<br />

aidsleiden. Wolfgang<br />

Neuss starb 1989. Man kann<br />

ihn auf dem Waldfriedhof<br />

Zehlendorf besuchen.<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 23<br />

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1988 • Juli • tip 15<br />

Besetzer flüchten über die Mauer<br />

Die Besetzung des Lenné-Dreiecks endet in einem großen Gelächter<br />

Bombige Aufnahme in Ost-<strong>Berlin</strong>: Frühstück und Zigaretten für 220 Mauerspringer<br />

In der Nacht zum 1. Juli, um 5.01<br />

Uhr, räumte die Polizei das Lenné-Dreieck<br />

und machte Schluß<br />

mit fünf Wochen „Freie Republik“.<br />

Damit nahm die längste Besetzung,<br />

die es seit Jahren gegeben<br />

hat, ein Ende. Trotzdem war<br />

wohl die Staatsmacht überrascht,<br />

mit welchem Ideenreichtum<br />

die Besetzer ihr entgegen-<br />

24 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 80eR JAHRe<br />

traten. Nur 52 von ihnen nahmen<br />

das Angebot an, durch eine<br />

Schleuse, eskortiert von Polizei,<br />

den Platz zu verlassen. Die große<br />

Mehrheit ging einen anderen<br />

Weg: über die Mauer. Laut Polizeiangaben<br />

waren es 182 Personen,<br />

nach Ansicht von Ex-Besetzern<br />

sollen es allerdings mindestens<br />

220 gewesen sein, die bei<br />

der Mauerspring-Aktion mitmachten.<br />

Ein Augenzeuge: „Die<br />

Leute haben sich den Bauch gehalten<br />

vor lachen.“ „Drüben, in<br />

Ost-<strong>Berlin</strong>, wurden sie, so ein<br />

Beteiligter, „bombig behandelt“.<br />

Mit LKWs wurden sie aus dem<br />

Sperrbereich gefahren; der<br />

Staatssicherheitsdienst nahm<br />

ihre Personalien auf.<br />

Doch, noch einmal ein Beteiligter,<br />

„denen war es egal, ob wir<br />

unseren Ausweis zeigten oder<br />

nicht“. Danach gab es erst einmal<br />

ein opulentes Frühstück mit<br />

Gratiszigaretten. Schließlich<br />

wurden sie gefragt, welchen<br />

Übergang sie denn bevorzugen<br />

würden. Ihre Wünsche wurden<br />

samt und sonders erfüllt. In<br />

Sechsergruppen wurden sie zum<br />

Übergang ihrer Wahl gebracht.<br />

Der größte Teil der Ex-Besetzer<br />

stieg Friedrichstraße in die U-<br />

Bahn ein. Kaum ein Dutzend von<br />

ihnen wurde von Polizeikräften<br />

bei Spontanüberprüfungen identifiziert.<br />

Ein Novum des deutschdeutschen<br />

Tourismus: Kein Mauerspringer<br />

wurde zum Zwangsumtausch<br />

verdonnert. Keiner<br />

allerdings bekam nachher, wieder<br />

zurück im Westen, das obligatorische<br />

Begrüßungsgeld.<br />

»Kein Mauerspringer<br />

wurde zum Zwangsumtausch<br />

verdonnert«<br />

Und die Moral von der Geschicht:<br />

Die Drohung „Geht doch rüber in<br />

den Osten, wenn es euch hier im<br />

Westen nicht mehr paßt“ werden<br />

jetzt wohl immer mehr Leute<br />

beherzigen.<br />

Immer einen tip voraus.<br />

Danke für 40 Jahre <strong>Berlin</strong>er Kulturinfo.<br />

Auch über gewöhnliche und besondere Ereignisse.<br />

tip 13·12


Fotos: aus dem Buch „<strong>Berlin</strong> im November“, erschienen in der Nicolaischen Volksbuchhandlung<br />

1989 • Dezember • tip 26<br />

revolution und Mauerfall<br />

Ost-<strong>Berlin</strong>er Notizen aus den tagen der revolution – von Wolfgang Gersch<br />

Wir trauen unseren Augen nicht:<br />

Es ist Revolution! Tag für Tag. Und<br />

immer ein Stück mehr. Wir protestieren<br />

und unterschreiben,<br />

diskutieren und demonstrieren –<br />

und lesen am Morgen, und sehen<br />

am Abend, daß wir viele sind.<br />

Das sei keine echte Revolution,<br />

meinte ein Schriftsteller, weil es<br />

nicht um die Besitzverhältnisse<br />

ginge. Um was denn sonst? Es<br />

geht um das Besitzrecht, das die<br />

SED sich über das Volk angemaßt<br />

hat. Die Massen enteignen die<br />

sozialistischen Expropriateure.<br />

Neunter November, 18.57 Uhr,<br />

Fernsehen DDR. Ich verstehe<br />

wohl, daß die Grenze aufgehen<br />

wird, als Schabowski einen Zettel<br />

hervorfingert und am Schluß<br />

der Pressekonferenz so tut, als<br />

habe er noch den Wetterbericht<br />

zu verlesen. Aber die Phantasie<br />

Die 80eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

reicht nicht aus, sich die Zukunft<br />

vorzustellen und daß sie noch<br />

am gleichen Abend beginnt.<br />

Auch ich möchte zur Bornholmer,<br />

als das Fernsehen die ersten<br />

Bilder vom Freudentaumel<br />

der <strong>Berlin</strong>er bringt. Aber ich vermag<br />

es nicht. Ich rede mich auf<br />

das Referat heraus, an dem zu<br />

arbeiten mir in diesen Tagen unglaubliche<br />

Schwierigkeiten<br />

macht. In Wahrheit bin ich blockiert.<br />

Oft zu Vorträgen oder<br />

Lesungen eingeladen in die<br />

westliche Welt, war die Mauer<br />

für mich durchlässig geworden.<br />

Und ich wäre mir absurd erschienen<br />

zwischen jene, die nach 28<br />

Jahren oder überhaupt zum ersten<br />

Mal im Leben ins andere Halberstadt<br />

zogen, wo ich eben erst,<br />

im Hanseatenweg geredet hatte.<br />

Ich schaue den Trabis nach, die<br />

durch die Nacht flitzen, wie ich<br />

noch nie Trabis flitzen sah.<br />

Früh um drei klingelt das Telephon.<br />

Der Sohn: „… Ich bin drüben.<br />

Hier sieht’s ja genauso aus<br />

wie bei uns!“ Hatte er gedacht,<br />

nach Phantasien zu kommen?<br />

Aber er hat nur erst den Wedding<br />

gesehen. Jetzt kann ich mit<br />

den anderen schluchzen. Noch<br />

nie ist in Deutschland auf einen<br />

Schlag soviel geweint worden.<br />

CineStar gratuliert herzlich!<br />

Wir sagen Danke für 40 Jahre filmreife Haupstadt-<br />

Infos und das volle Kinoprogramm im tip <strong>Berlin</strong>!<br />

Karten dazu gibt’s unter CineStar.de<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 25


1990 • Januar • tip 1<br />

Ost-Kino<br />

eine einführung in den<br />

sozialistischen Kinoalltag<br />

Die Ost-<strong>Berlin</strong>er Kinolandschaft<br />

ist recht überschaubar: 22 Filmtheater<br />

gibt es dort. Keine in<br />

Wohnzimmergröße aufgeschachtelten<br />

Kinosäle oder sonstiger<br />

Schnickschnack, aber leider auch<br />

kein übermäßig moderner Komfort.<br />

Eben Kino, wie es mal war.<br />

Die Preise sind einheitlich und<br />

liegen, zumindest noch, auf dem<br />

sagenhaften Tiefstand von 2,05<br />

bis 3,05 Mark, die fünf Pfennige<br />

sind die „Kulturabgabe“. Für Filme<br />

mit Überlänge wird 50%<br />

Aufschlag verlangt.<br />

Die großen modernen Uraufführungskinos<br />

befinden sich vorzugsweise<br />

in City-Nähe: Das International<br />

und das Kosmos in<br />

der Karl-Marx-Allee, und das<br />

altehrwürdige Colosseum in der<br />

Schönhauser Allee. Hier gibt es<br />

auch Spätvorstellungen. Eins<br />

der neuen Vorzeigeobjekte mit<br />

dem bezeichnenden Namen Sojus<br />

liegt im Neubaubezirk Marzahn.<br />

Gelegentlich finden Filmpremieren<br />

aber auch in kleineren,<br />

weniger zentralen Kinos<br />

wie dem Pankower Tivoli oder<br />

im Johannisthaler Astra statt.<br />

Hervorzuheben ist das Babylon<br />

am Rosa-Luxemburg-Platz. In<br />

diesem Kino laufen auch ältere<br />

Filme, Wiederaufführungen und<br />

Fundstücke für filmgeschichtlich<br />

Interessierte.<br />

Übrigens – Naschkatzen sollten<br />

ihre Verpflegung lieber mitbringen,<br />

die Süßwarenstände, sofern<br />

es sie gibt, sind häufig geschlossen.<br />

26 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 90eR JAHRe<br />

DIe NeuNzIGeR<br />

Hauptstadt, rechtsradikale Jugend, east Side Gallery, Skandalfilme, paul Van Dyk, auguststraße,<br />

Loveparade, Volksbühne, Christos reichstag, Mitte-Clubs, Hertha-aufstieg, Holocaust-Denkmal<br />

»Die Preise liegen auf<br />

dem sagenhaften Tiefstand<br />

von 2,05 Mark«<br />

1990 • Juli • tip 14<br />

east Side Gallery<br />

Malerinnen und Maler für ein letztes Mauerstück<br />

Von der Oberbaumbrücke bis<br />

<strong>Berlin</strong> Hauptbahnhof in der<br />

Mühlenstraße in <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain<br />

entsteht auf dem ehemaligen<br />

Antifaschistischen<br />

Schutzwall die längste Bildersammlung<br />

der Welt unter freiem<br />

Himmel: „East Side Gallery<br />

GDR, The Largest Open Air Gallery<br />

in the World“. Wer kann<br />

und will, darf sich noch bis zum<br />

13. August daran beteiligen.<br />

Die sogenannte Hinterlandmauer<br />

an der sechsspurigen Ausfallstraße<br />

ist mit ihrem festgefügten<br />

Beton eine logische Ergänzung<br />

zu der asphaltierten Autorennstrecke.<br />

Ein paar „verunfallte“<br />

Schrottwagen zeugen<br />

stets von der ungebrochenen<br />

menschlichen Sehnsucht nach<br />

überhöhter Geschwindigkeit.<br />

Im absoluten Gegensatz dazu<br />

befindet sich die Malerei von<br />

inzwischen 27 Künstlern, die<br />

aus aller Damen und Herren<br />

Länder ihre Vorstellungen zu<br />

der thematischen Vorgabe „Umwelt,<br />

Toleranz und Frieden“ an<br />

die ehemals Unberührbare gepinselt,<br />

gespachtelt und ge-<br />

sprüht haben. Gemanagt wird<br />

die ungewöhnliche Galerie im<br />

Westen der Stadt von Christine<br />

MacLean. Die „wuva GmbH“, die<br />

„Werbe- und Veranstaltungs-<br />

Agentur“, im östlichen Teil der<br />

Stadt hat vom Friedrichshainer<br />

Bezirk die Nutzungsrechte erworben<br />

und sich für die Idee<br />

begeistert, die Mauer als Mauer<br />

zum real existierenden Kunstwerk<br />

zu verändern: „Die Mauer,<br />

ehemals ein Symbol für Abgrenzung,<br />

Angst und Unterdrückung,<br />

wird durch diese Galerie in ein<br />

Kunstwerk umgewandelt, welches<br />

Menschen, Völker und Gedanken<br />

vereinigt.“<br />

Wenn sich Malerinnen und Maler<br />

angesprochen fühlen, zu den<br />

vorgegebenen Themen ihre Umsetzung<br />

zu verwirklichen, sollten<br />

sie sich mit Christine Mac-<br />

Lean in Verbindung setzen. Wie<br />

lange allerdings diese Kunstprodukte<br />

Bestand haben werden,<br />

weiß noch niemand. Und<br />

sicher ist es von Interesse, dann<br />

auch zu erfahren, was werden<br />

wird, wenn diese Mauer doch<br />

noch einmal abgebaut wird.<br />

1990 • Januar • tip 1<br />

Ost-Musik<br />

Geht doch: in der DDr tönt<br />

mehr als puhdys und Silly<br />

Wer seine Ohren liebt, der hielt<br />

sie bisher beim Stichwort „Rock<br />

aus der DDR“ meist ganz schnell<br />

zu. Er musste schließlich befürchten,<br />

dass sie durch den real<br />

existierenden Schleim solcher<br />

Rock-Zombies wie City, Karat<br />

oder Puhdys sofort verklebten.<br />

Die gleiche Gefahr bestand auch<br />

bei den pseudoaufklärerischen<br />

Ost-<strong>Berlin</strong>er Soft-Rockern Pankow<br />

oder Silly. Das, was sich<br />

bereits vor der Öffnung der Mauer<br />

privilegiert auf westlichen<br />

Bühnen tummeln durfte, war<br />

jedoch nur der offizielle, der<br />

SED-kompatible Teil der DDR-<br />

Musikszene. Seit dem 9. November<br />

drängt nun eine Flut neuer,<br />

bisher unbekannter Bands in<br />

den Westen, speziell in den<br />

Westteil dieser Stadt.<br />

»Eine Flut neuer Bands<br />

drängt in den Westteil<br />

dieser Stadt«<br />

Gruppen mit so kuriosen Namen<br />

wie Die Ich-Funktion, Big Savod,<br />

Herbst in Peking, Die Firma, Freigang,<br />

Feeling B, Die Skeptiker<br />

oder Die Vision gehören zu einer<br />

DDR-Musikszene jenseits der<br />

staatlichen Plattenfirma AMIGA.<br />

Allerdings war bisher keine<br />

DDR-Band in der Lage, den Staat<br />

völlig zu ignorieren. Um öffentlich<br />

auftreten zu dürfen, musste<br />

sich jede Band einer sogenannten<br />

„Einstufung“ vor Mitgliedern<br />

des Kulturministeriums unterziehen.<br />

Diese „Einstufungskommission“<br />

überzeugte sich bei<br />

einem Live-Auftritt von den<br />

künstlerischen Qualitäten jeder<br />

Gruppe und vergab dann eine<br />

Spiellizenz.<br />

tip 13·12


Foto: Birgit Hoffmann / tip<br />

1991 • November • tip 24<br />

rechtsradikale<br />

Scheißwesten, Scheißausländer: ein Besuch bei Skinheads<br />

in Hohenschönhausen<br />

In der Vergangenheit war die pädagogische<br />

Betreuung rechter<br />

Schmuddelkinder in West-<strong>Berlin</strong><br />

tabu. Tauchten rechtsradikale<br />

Cliquen auf, wurde mit Dokumentarfilmen<br />

über den Nationalsozialismus<br />

geantwortet.<br />

„Nazis raus!“ Mit unmissverständlichen<br />

Worten setzten die<br />

empörten Eltern Peter nach einem<br />

längeren Knastaufenthalt an<br />

die Luft. Seitdem ist der Achtzehnjährige,<br />

Skinhead aus Hohenschönhausen,<br />

obdachlos.<br />

Noch muss er sich die Nächte<br />

nicht in irgendwelchen Abbruchhäusern<br />

oder Parkanlagen um<br />

die Ohren schlagen. Ein Freund<br />

überließ ihm vorübergehend seine<br />

Bude – inzwischen Treffpunkt<br />

einer Skinclique aus Hohenschönhausen.<br />

„Die Alten sind für<br />

mich gestorben“, erklärt Peter<br />

mit stockender Stimme und<br />

feuchten Augen, die einer halb<br />

geleerten Brandyflasche geschuldet<br />

sind.<br />

„Ausländer kriegen die Sozialhilfe<br />

in den Arsch geschoben, und<br />

Peter kriegt nichts“, empört sich<br />

Freundin Susi (16). Wenig später<br />

gesteht Peter ein, dass er nicht<br />

weiß, wie er „den ganzen Stress<br />

auf dem Sozial- und Arbeitsamt<br />

Die 90eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

bewältigen soll“. Seine Hilflosigkeit<br />

im Ämterdickicht steht im<br />

krassen Widerspruch zu seinem<br />

Machogehabe. Weder Straßenkampferfahrungen<br />

noch sein<br />

durchtrainierter Körper helfen<br />

ihm weiter. Während einer<br />

Schimpfkanonade auf den<br />

„Scheißwesten“ und die „Scheißausländer“<br />

betreten zwei Kumpels<br />

die Wohnung, knallen Sixpacks<br />

auf den Couchtisch, legen<br />

umständlich ihre Bomberjacken<br />

ab. Linkisch ziehen sie ihre Gasknarren<br />

aus Schulterhalftern,<br />

deponieren sie demonstrativ<br />

neben einer Baseballkeule und<br />

einem Springmesser im ansonsten<br />

leeren Bücherregal.<br />

1992 • März • tip 6<br />

Gorgonzola-Club<br />

als Service in Kreuzberg noch besonders klein geschrieben wurde<br />

Nur lästige Hektiker verlassen<br />

den Gorgonzola-Club in der<br />

Dresdener Straße, wenn nach<br />

einer Viertelstunde noch keine<br />

Karte auf dem Holztisch liegt.<br />

Schließlich ist das Restaurant<br />

halb gefüllt. Da können drei<br />

Kellner schon mal ins Schleudern<br />

kommen. Sie erklären dennoch<br />

geduldig, warum das gewünschte<br />

Gericht nicht bestellt<br />

werden kann („Ist aus“). Die<br />

zweite Wahl ist keine gute Idee<br />

(„Auch aus“). Die Gnocchi in<br />

Salbeibutter sind auf Zimmer-<br />

1990 • Dezember • tip 25<br />

Kann berlin<br />

Hauptstadt?<br />

Man darf ja mal fragen<br />

So hart es klingt: <strong>Berlin</strong> fehlt die<br />

Reife für die Rolle der statisch<br />

empfindlichsten Hauptstadt im<br />

vielgerühmten europäischen<br />

Haus. Der <strong>Berlin</strong>er eignet sich<br />

gerade noch für das kleinstädtische<br />

Personal einer Posse über<br />

ein europäisches Desaster unter<br />

deutscher Federführung.<br />

»Der <strong>Berlin</strong>er leidet an<br />

zerebraler Muffigkeit«<br />

Er ist selbstgefällig, provinziell,<br />

lokalpatriotisch, zutiefst fremdenfeindlich,<br />

großmäulig und<br />

autistisch zugleich. Jeder Bewohner<br />

einer westdeutschen<br />

Mittelstadt weiß mehr über die<br />

Welt außerhalb seiner Stadtgrenzen<br />

als der <strong>Berlin</strong>er. Der<br />

<strong>Berlin</strong>er leidet an einer zerebralen<br />

Muffigkeit: Jeder Auffahrunfall<br />

in seinem Kiez erscheint<br />

weltpolitisch erheblicher als ein<br />

Volksaufstand in einem Nachbarland.<br />

Mit dem <strong>Berlin</strong>er ist<br />

keine Hauptstadt zu machen.<br />

2 am 20. Juni 1990 hatte sich<br />

der Bundestag für <strong>Berlin</strong> als<br />

regierungssitz entschieden –<br />

mit 338 zu 320 Stimmen.<br />

temperatur gehalten. Hohes<br />

Niveau auch bei den Desserts.<br />

Die Panna cotta, erst wenige<br />

Tage alt, ziert nicht etwa Beerenfruchtmark,<br />

sondern Apfelmus.<br />

Darüber hinaus stimmt die<br />

Atmosphäre. Hier räumen sogar<br />

manche Gäste nach dem Essen<br />

selbst das Geschirr ab, wenn<br />

sich gerade niemand darum<br />

kümmern kann. Viele leere Gläser<br />

und volle Aschenbecher sorgen<br />

zusätzlich für Gemütlichkeit.<br />

Und dafür zahlen Kreuzberger<br />

gern ein bisschen mehr.<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 27


28 40 JaHre tip<br />

1993 • Januar • tip 1<br />

40 JAHRe TIP • Die 90eR JAHRe<br />

Skandalfilme<br />

Christoph Schlingensief, philip Gröning, thomas Heise und<br />

romuald Karmakar stören den politischen Betrieb<br />

Die spinnen, die Deutschen. Erst<br />

rufen sie laut nach Filmen, die<br />

sich mit den aktuellen Themen<br />

und Problemen auseinandersetzen.<br />

Und wenn sie da sind,<br />

macht man es ihnen schon wieder<br />

schwer. Kanzler Kohl beschwert<br />

sich höchstpersönlich<br />

über Philip Grönings „Die Terroristen“,<br />

Heiner Müller traut sich<br />

nicht, Thomas Heises „Stau“ in<br />

seinem Theater zu zeigen, die<br />

Filmbewertungsstelle verweigert<br />

Romuald Karmakars Söldner-<br />

Dokumentation „Warheads“ ein<br />

Prädikat, und das Fernsehen<br />

wäre den von ihm koproduzierten<br />

Film „Terror 2000“ von<br />

Christoph Schlingensief gerne<br />

wieder los. Skandalfilme in skandalösen<br />

Zeiten.<br />

Ein Land hat sich radikal verändert.<br />

Eberswalde, Rostock, Hoyerswerda,<br />

Mölln. Das Vierte<br />

Reich. 76 registrierte rechtsextreme<br />

Organisationen, 4.000<br />

straff organisierte Ultras, 6 bis<br />

7.000 randalierende Neonazis<br />

und Skins. Ein Viertel aller Deutschen<br />

will die Ausländer rausschmeißen.<br />

Hass, dumpfe, dumme<br />

Vorurteile, Fremdenangst,<br />

Aggressionen gegen Türken, Vietnamesen,<br />

Asylbewerber, Juden,<br />

Linke, Schwule, Behinderte.<br />

Allein 1992 1.600 Gewalttaten,<br />

800 Verletzte, 18 Tote.<br />

Jahrelang werden Neonazis und<br />

der rechte Straßenterror das beherrschende<br />

deutsche Thema<br />

sein. Die ganze Welt weiß das,<br />

sagt es, sorgt sich. Nur die Her-<br />

ren in Bonn betreiben business<br />

as usual und reagieren mehr verärgert<br />

als entsetzt, seit das Geschäft<br />

gestört ist, seit der Industriestandort<br />

und Handelspartner<br />

Deutschland in Verruf gerät.<br />

Dauernd muss er sich entschuldigen,<br />

klagt Herr Kinkel. Währenddessen<br />

zündeln CDU und<br />

CSU weiter, schüren das Klima<br />

militanten Fremdenhasses, hetzen<br />

subtil die Rechten auf und<br />

laufen den Reps nach.<br />

Immer schon haben sie alles Linke<br />

verteufelt und alles Rechte<br />

toleriert. Nicht die ersten Morde<br />

in Deutschland, sondern die stille<br />

Duldung durch Politik, Polizei<br />

und Justiz hat die Welt aufge-<br />

»Bundeskanzler Kohl<br />

beschwerte sich<br />

höchstpersönlich über<br />

Philip Grönigs Film<br />

›Die Terroristen‹«<br />

schreckt. Nicht die unselige Asyldebatte<br />

hat die Neonazis heimlich<br />

bestätigt, sondern unglaubliche<br />

antisemitische, fremdenfeindliche,<br />

nazifreundliche Bemerkungen<br />

seit Jahrzehnten aus<br />

dem Mund von CDU- und CSU-<br />

Chargen, Ministern, Bürgermeistern,<br />

Staatssekretären, die in<br />

anderen Demokratien sofort<br />

entlassen worden wären. Nicht<br />

hier, wo der braune Urschlamm<br />

nie ausgetrocknet wurde. Und<br />

nun geht die Saat auf.<br />

1992 • Juli • tip 14<br />

Paul van Dyk<br />

Der junge paul van Dyk<br />

träumt von eigenen partys<br />

Wo wäre die House Music in<br />

<strong>Berlin</strong> ohne den ehemals von<br />

der Stasi beherrschten Teil des<br />

Volkes? Sicherlich stellte die<br />

jetzt vielbejubelte Szene einen<br />

ziemlich lächerlichen Haufen<br />

dar, denn gerade das Engagement<br />

von im Osten geborenen<br />

Techno-Trabanten sorgte oftmals<br />

für den entscheidenden,<br />

ekstaseverbreitenden Kick. So<br />

wurden die wichtigen Tekknozid-Partys<br />

vom ehemaligen Arbeiter-<br />

und Bauern-Staatsbürger<br />

Wolle Neugebauer organisiert,<br />

der Tresor von seinem Landsmann<br />

Johnny Keller zu einem<br />

der spektakulärsten Clubs in<br />

Europa hochgemanagt. Und die<br />

tollsten Partyorte befinden sich<br />

sowieso im alten Ost-<strong>Berlin</strong>.<br />

»Er mixt perfekt und<br />

saugt die Stimmung<br />

der Tänzer auf«<br />

Zum Beispiel mit Paul van Dyk,<br />

bekannt als DJ der „Brain“- und<br />

„Dubmission“-Partys. Der 20jährige<br />

ist in Eisenhüttenstadt bei<br />

Frankfurt/Oder geboren und aufgewachsen,<br />

ehe er kurz vor dem<br />

Mauerfall per Ausreiseantrag<br />

nach <strong>Berlin</strong> kam. Seine unverbrauchte<br />

Begeisterung brachte<br />

ihn dann später an die Plattenspieler,<br />

um die sich alles dreht.<br />

Er mixt perfekt, wirbelt hinter<br />

seinen Turntables, schwenkt die<br />

Arme und versucht, die Stimmung<br />

der Tänzer in sich aufzusaugen<br />

und zu steigern.<br />

„Was sind das nur für DJs, die<br />

pünktlich um 5 Uhr den Saphir<br />

über die Platte kratzen lassen,<br />

einpacken und nach Hause gehen,<br />

weil sie nicht länger bezahlt<br />

werden?“, fragt Paul verständnislos<br />

und fügt hinzu: „Ich kann<br />

mir nicht vorstellen, dass diese<br />

Menschen überhaupt noch etwas<br />

für die Musik empfinden. Sie zerstören<br />

mit solchen Aktionen die<br />

ganze Atmosphäre und sorgen<br />

bei den Leuten für ein schlechtes<br />

Gefühl. Wenn ich irgendwann<br />

meine eigenen Partys mache,<br />

kommt das nicht vor.“<br />

tip 13·12


Foto: Birgit Hoffmann / tip<br />

1992 • Juni • tip 12<br />

Wem gehört die Auguststraße? Die Ausstellung „37 Räume“ hatte die entscheidende Antwort<br />

auguststraße<br />

Die 90eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Noch ist die auguststraße in Mitte eine verrottete Gegend. Doch ein ausstellungsprojekt<br />

macht sie zum Kunst- und Galerie-Zentrum<br />

Einst gehörte die Auguststraße in<br />

der Spandauer Vorstadt zu den<br />

Flecken dichtester Besiedlung Europas;<br />

heute droht das Gespenst<br />

des Abrisses der alten Bebauung.<br />

Die Klärung der Besitzverhältnisse<br />

lähmt jede Entwicklung. Für<br />

eine Woche (14. bis 21. Juni) wollen<br />

Kunstjournalisten und Ausstellungsmacher<br />

das soziale und<br />

kulturelle Potential des Ortes in<br />

„37 Räumen“ erschließen.<br />

Wem die Auguststraße im alten<br />

<strong>Berlin</strong>er Scheunenviertel gehört,<br />

ist seit der Wende zur die Geschicke<br />

der Bewohner entscheidenden<br />

Frage im <strong>Berlin</strong>er Monopoly<br />

MEIN Mii.<br />

geworden. Viele Wohnungen stehen<br />

zwangsweise leer und Häuser<br />

verfallen, während die Behörden<br />

nach alten Akten graben. Nahe<br />

des zukünftigen Regierungsviertels<br />

droht das Quartier als begehrter<br />

Standort verplant zu werden.<br />

Doch bevor in der brisanten<br />

baupolitischen Situation die Karten<br />

offen auf den Tisch gelegt<br />

werden, verteilen sich 37 Spieler<br />

über die Felder der Straße. Nicht<br />

in Besitz wollen sie die Räume<br />

nehmen, sondern sich für kurze<br />

sieben Tage in dem Zeitloch einnisten,<br />

das die ungewisse Zukunft<br />

als Spekulationsobjekt von der<br />

NULL Anzahlung<br />

NULL Zinsen<br />

ab 85 ¤/Monat<br />

1<br />

Vergangenheit trennt; schon einmal<br />

regierte hier die Politik der<br />

Vertreibung, nämlich der jüdischen<br />

Gemeinde. In kurzfristigen<br />

Mietverträgen hat der Kunstwerke<br />

e.V. die Möglichkeit der Zwischennutzung<br />

gesichert, die zur<br />

produktiven Keimzelle eines anderen<br />

Umgangs mit dem Stadtraum<br />

werden will.<br />

„Ich kannte die Auguststraße vorher<br />

nicht“, berichtet die junge<br />

Kuratorin Melitta Kliege. „Zunächst<br />

war ich erstaunt, erschüttert über<br />

die Baufälligkeit. Erst dachte ich:<br />

das ist Anmaßung, eine Farce, hier<br />

mit Kunst einzugreifen.“<br />

DER NEUE SEAT Mii. AB 8.890 ¤. 2<br />

Einmalige Überführungskosten von 610,00 ¤.<br />

1992 • März • tip 6<br />

berlinale dreist<br />

Die Filmfestspiele versinken<br />

in der Bedeutungslosigkeit<br />

Moritz de Hadeln sitzt fest im<br />

Sattel. Je tiefer das Festival in<br />

der Bedeutungslosigkeit versinkt,<br />

umso dreister dichtet der<br />

Festivalleiter Misserfolge in Erfolge<br />

um. „Es herrschte die beste<br />

Stimmung seit Jahren“, gab Festivalleiter<br />

Moritz de Hadeln seine<br />

Einschätzung zur <strong>Berlin</strong>ale 1992<br />

im offiziellen „berlinale journal“<br />

zu Papier. Mochten regelmäßige<br />

Festivalbesucher auch an einen<br />

Druckfehler glauben – den Funktionären<br />

in Gremien und Kuratorien<br />

und ihrer greisen Kamarilla<br />

aus der deutschen Filmwirtschaft,<br />

der abhängigen Fachpresse<br />

und den Filmpolitikern wider<br />

Willen kam de Hadelns Notlüge<br />

gut zupass.<br />

Das Branchenblatt „Filmecho“,<br />

offizielles Organ des Hauptverbandes<br />

Deutscher Filmtheater,<br />

wo noch immer kräftig Fünfziger-Jahre-Luft<br />

geatmet wird,<br />

schloss sich dem Eigenlob des<br />

Festivalchefs an.<br />

„Eine erfreuliche Bilanz“ zog<br />

auch <strong>Berlin</strong>s an der <strong>Berlin</strong>er<br />

Filmkultur nachweislich desinteressierte<br />

Kultursenator Ulrich<br />

Momin. Der Schulterschluss der<br />

alten Garde und der jungen hedonistischen<br />

Lohnschreiber<br />

schafft ein Klima, in dem dem<br />

Kritiker die Rolle des Hofnarren<br />

zukommt. Die <strong>Berlin</strong>ale ist auf<br />

dem besten Wege in eine Epoche,<br />

nach der sich das deutsche<br />

Kino seit Langem sehnt: geradewegs<br />

in die fünfziger Jahre.<br />

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30 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 90eR JAHRe<br />

1993 • Februar • tip 5<br />

Frank Castorf<br />

ein Krawallmacher, der begeistert<br />

Frank Castorfs Volksbühne am<br />

Rosa-Luxemburg-Platz ist ein erstaunliches<br />

Phänomen. Ganz egal,<br />

wie die Inszenierungen (Klassiker,<br />

aber auch viele neue Stücke) im<br />

Einzelnen beurteilt werden – dieses<br />

zu DDR-Zeiten heruntergespielte<br />

Haus lebt. Es gibt Bewegung,<br />

Aufregung, Diskussion. Von<br />

welchem anderen Theater könnte<br />

man das behaupten! Nicht zu vergessen<br />

– die einmalig günstigen<br />

Eintrittspreise. So bekommt man<br />

junges Publikum ins Theater.<br />

Es zeigt sich jetzt auch, dass der<br />

Regisseur Castorf das Zeug zum<br />

Intendanten hat. Er lässt das<br />

ganze Haus bespielen, holt<br />

Rockmusiker, Videokünstler, Literaten<br />

in den Roten Salon. Und<br />

er macht eben nicht alles allein,<br />

sondern umgibt sich mit Theatermachern,<br />

deren Arbeit man<br />

sonst gar nicht zu sehen bekommt<br />

– den Schweizer Christoph<br />

Marthaler, den Filmregisseur<br />

Christoph Schlingensief<br />

(sein Polit-Horror-Film „Terror<br />

2000“ wurde von der <strong>Berlin</strong>ale-<br />

Leitung ausgesperrt), den Choreographen<br />

Johann Kresnik. Allesamt,<br />

wie Castorf selbst, Provokateure,<br />

Krawallmacher im<br />

eingeschlafenen Theaterbetrieb.<br />

Und Regisseure, die ohne falsche<br />

Sentimentalität den ostwestdeutschen<br />

Konflikt angehen.<br />

Castorf sucht sich gezielt Verstärkung.<br />

Er braucht verwandte<br />

Seelen, doch will er zugleich das<br />

Spielangebot erweitern. Seine<br />

eigenen Inszenierungen objektivieren<br />

sich in solchen Zusammenhängen.<br />

Er weiß wohl<br />

selbst, dass sich das große Haus<br />

auf Dauer mit Castorfiaden allein<br />

nicht füllen lässt.<br />

2 Frank Castorf hat gerade<br />

seinen intendantenvertrag<br />

bis 2016 verlängert.<br />

1995 • Juni • tip 12<br />

Holocaust-Denkmal<br />

Wie Lea rosh die Mauer beinahe mal zum Denkmal für die<br />

ermordeten Juden gemacht hätte<br />

Ohne sie gäbe es das geplante<br />

Holocaust-Denkmal wahrscheinlich<br />

nicht. Unbeirrt zog sie das<br />

Projekt durch: Lea Rosh, eine<br />

führende Kraft der deutschen<br />

Bewältigungsbranche.<br />

Hätte man gleich auf Lea Rosh<br />

gehört, dann wäre uns der ganze<br />

Rummel um das Holocaust-<br />

Denkmal, das eine 20.000 Quadratmeter<br />

große Fläche zwischen<br />

Brandenburger Tor und<br />

Potsdamer Platz füllen soll, erspart<br />

geblieben. Keiner der über<br />

500 größenwahnsinnigen Ent-<br />

würfe hätte je das Licht der Welt<br />

erblickt. Aber es wollte ja keiner<br />

hören. Lea Rosh’ Vorschlag im<br />

Bildband „<strong>Berlin</strong> 13. August<br />

1990“ war ebenso einleuchtend<br />

wie genial, und vor allem billig.<br />

Einfach den ehemals antifaschistischen<br />

Schutzwall stehen lassen<br />

und zum „Denkmal für die Juden“<br />

umdeklarieren.<br />

2 1997 wurde ein zweiter<br />

Wettbewerb ausgeschrieben.<br />

Das heutige Stelenfeld<br />

wurde 2004 eröffnet.<br />

1994 • Juli • tip 15<br />

Betriebsurlaub vom Planeten Ork<br />

Loveparade<br />

Die rave-Nation kam und<br />

spaltete die Stadt<br />

Wie ein aus dem Ruder gelaufener<br />

Betriebsausflug vom Planeten<br />

Ork brach am 2. Juli die Rave-<br />

Nation über <strong>Berlin</strong> herein. Die<br />

Loveparade hinterließ neben<br />

dem verwüsteten Ku’damm eine<br />

geteilte Hauptstadt. Die Urteile<br />

der halbnackten, durchgedrehten<br />

Raver und die der hüftsteifen<br />

Chronisten am Rande des Umzugs<br />

könnten nicht unterschiedlicher<br />

sein: „Love, Peace & Happiness<br />

funktioniert noch immer“,<br />

jubeln die einen; „Weltkongress<br />

der Autisten in Trance“, nörgeln<br />

die anderen.<br />

Die Sozialpädagogen sichteten in<br />

diesem Jahr Massen an Proleten<br />

und Kindsköpfen mit Spritzpistolen.<br />

Permanent blickten diese in<br />

das Antlitz des Bösen, ohne es<br />

zu erkennen: Adidas und Puma<br />

waren präsent, und Camel versuchte<br />

sich mit schnödem Mammon<br />

und Kugelschreibern street<br />

credibility zu erschleichen. Die<br />

blasierten kleinen Rave-Arschlöcher<br />

ließen sich jedoch – unbeeindruckt<br />

vom Vorwurf der Hohlköpfigkeit<br />

– gutgelaunt die Hirnrelais<br />

von den mächtigen Beats<br />

auf „Party“ umschalten.<br />

Will wirklich noch jemand den<br />

Begriff „Underground“ in den<br />

Diskurs über den Massenkarneval<br />

Loveparade einführen, dessen<br />

Donnerhall selbst in der<br />

„Dithmarscher Landeszeitung“ (unten)<br />

zu vernehmen war, und sich da- tip /<br />

mit nicht lächerlich machen? Ja?<br />

Dann einfach weiter beim Schrei-<br />

Hoffmann<br />

ben den Autopiloten anlassen:<br />

Die Klischees kommen so ganz<br />

Birgit<br />

von selbst. Foto:<br />

tip 13·12


Foto: tip<br />

1995 • Juni • tip 14<br />

reichstag verhüllt<br />

Allen Unkenrufen und Wetterunbilden<br />

zum Trotz, der Reichstag<br />

ist verhüllt. Und es ist großartig.<br />

Bei Sonnenschein, bei Regen,<br />

bei Dunkelheit und in der Dämmerung.<br />

Und bis auf die Nörgler,<br />

die immer die Haare in der Suppe<br />

suchen, die Mäkler, die es<br />

nicht leiden können, wenn anderen<br />

etwas ziemlich Tolles ge-<br />

1995 • Mai • tip 11<br />

Prater<br />

Der traditionell herunter–<br />

gekommene prater wird<br />

eine neue Spielstätte der<br />

Volksbühne<br />

Proletarier aller Stadtteile –<br />

amüsiert euch! Wo sich vor hundert<br />

Jahren die Dienstmädchen<br />

und Ladengehilfen mit Polka,<br />

einem Schießstand und einer<br />

Würfelbude vergnügten, wo der<br />

Gesangsverein „Immerfroh“ und<br />

der Raucherklub „Maryland“ rauschende<br />

Sommerfeste feierten,<br />

hat die Volksbühne eine neue<br />

Spielstätte eröffnet: Im alten<br />

<strong>Berlin</strong>er Ballhaus und Vergnügungslokal<br />

„Prater“, mitten im<br />

Prenzlauer Berg an der Kastanienallee<br />

gelegen, wollen Castorfs<br />

Mannen eine Mischung aus Varieté<br />

und Experimentierbühne<br />

etablieren: Entertainment auf<br />

der Höhe der Zeit.<br />

Die 90eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

So lässig war <strong>Berlin</strong> noch nie – dank Christo und Jeanne-Claude<br />

lingt, sind alle zufrieden. Sie<br />

gehen und staunen, reden und<br />

zeigen, machen Picknick und<br />

umkreisen den ehemaligen<br />

Reichstag wie Motten das Licht.<br />

Sie unterhalten sich über Kunst,<br />

über das Für und das Wider. Sie<br />

sind begeistert und merken<br />

meist gar nicht, wie sehr dieses<br />

Ereignis nicht nur den Reichstag,<br />

1997 • April • tip 9<br />

Hertha BSC<br />

sondern die ganze Stadt verändert.<br />

Das Brandenburger Tor ist<br />

auf, die Linden sind die Straße,<br />

auf der man flaniert, und die<br />

Mauer ist nur noch eine Fußnote<br />

der Geschichte. Und alle bleiben<br />

dabei normal, sind freundlich<br />

wie nie. Christo und Jeanne-<br />

Claude haben ein Kunststück<br />

fertiggebracht.<br />

am tag, als alle über die Zahl 75.000 sprachen<br />

Liebe Hertha,<br />

zugegeben, wir haben dir immer<br />

wieder die rote Karte gezeigt –<br />

Jahr für Jahr, Saison für Saison.<br />

Wer interessierte sich schon für<br />

dich? Kein Schwein, höchstens<br />

ein paar verlorene Froschseelen<br />

im riesigen Olympiastadion. Du<br />

hast es uns auch nicht leicht gemacht:<br />

Skandale über Skandale,<br />

Dummheiten über Dummheiten,<br />

Grabenkämpfe noch und nöcher.<br />

Fußball fand nur nebenbei statt.<br />

Doch plötzlich ist alles ganz anders.<br />

Du hast eine zurechnungsfähige<br />

Geschäftsführung, einen<br />

erstklassigen Trainer und eine<br />

sympathische Mannschaft.<br />

Am Tag nach dem Spiel gegen<br />

Kaiserslautern machte eine Zahl<br />

in der Stadt die Runde: 75.000.<br />

Ob beim Bäcker oder Blumenhändler,<br />

in der U-Bahn oder am<br />

Tresen. Alle sprachen diese Zahl<br />

fast ehrfürchtig aus und bekamen<br />

dabei leuchtende Augen.<br />

Wir natürlich auch. Ist doch klar.<br />

»Fußball fand bei dir<br />

nur nebenbei statt.<br />

Doch plötzlich ist alles<br />

ganz anders«<br />

75.000. Eine so schöne Zahl kriegen<br />

die Bayern in ihrem Olympiastadion<br />

ihren Lebtag nicht<br />

zustande. Nie mehr zweite Liga!<br />

Und vor allem: immer wieder ins<br />

Olympiastadion!<br />

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SKUNK ANANSIE<br />

Fr. 16.11. 21:00 Columbiahalle<br />

RADIO EINS & Musikexpress präsentieren:<br />

FLORENCE &<br />

THE MACHINE<br />

Sa. 01.12. 20:00 Arena<br />

Infos unter www.mct-agentur.com<br />

Online Tickets unter www.tickets.de<br />

Ticket Hotline: 030 -6110 1313<br />

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Swing –taktlos tanzt<br />

zu jedem Takt<br />

mittwoch ab 20:30 Tanzparty<br />

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<strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />

Fon 693.58.35<br />

www.taktlos.de<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 31


32 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 90eR JAHRe<br />

1994 • Dezember • tip 26<br />

Clubszene Mitte<br />

Gut für Mitte: Die Bonner bleiben lieber zu Hause.<br />

Der Club-Wildwuchs kann ungestört weitergehen<br />

Für die Clubszene im Stadtbezirk<br />

Mitte sah es noch vor ein<br />

oder zwei Jahren eher schlecht<br />

aus, schwebte doch über jeder<br />

kleinen Spelunke die Vision eines<br />

topsanierten Bürokomplexes<br />

mit Erlebnisgastronomie,<br />

wenn nicht sogar hauptstädtische<br />

Raumordnung. Doch das<br />

Ausbleiben der Bonner Ministerialkolonnen<br />

führt jetzt wieder<br />

zum Wachstum der subkulturellen<br />

Mauerblümchen. Es vergeht<br />

kein Monat, in dem nicht irgendwo<br />

ein neuer Laden die<br />

<strong>Berlin</strong>er Nachtschattengewächse<br />

bereichert.<br />

Aber das Clubbing hat in Mitte<br />

einen anderen Charakter als<br />

sonst in <strong>Berlin</strong>. Clubtouren müssen<br />

nicht von MTV erschaffen<br />

werden, sie finden jedes Wochenende<br />

statt. Hier ist mehr<br />

Raum zum Experimentieren,<br />

denn genau das, was andere urbane<br />

Bereiche eher behindert<br />

und abschreckt, bildet den Nährboden<br />

für die WMFs, Toasters,<br />

Delicious Doughnuts, Moskaus,<br />

E-Werke, Tresore, Bunker, Ex-<br />

Kreuz-Clubs, Lime-Clubs und<br />

Friseure. Es gibt kaum jemanden,<br />

der die genaue Anzahl von<br />

Örtlichkeiten aufzuzählen vermag,<br />

die in Mitte einen festen<br />

1998 • Mai • tip 12<br />

George tabori<br />

Platz gefunden haben. Das Ausblieben<br />

der hauptstädtischen<br />

Flugbegradigung hat die notwendige<br />

Intimität geschaffen,<br />

die im Westteil der Stadt für die<br />

Clubszene immer hart erkämpft<br />

werden musste. Dazu kommt<br />

noch, dass es dort auch immer<br />

schwerer wird, sich zu platzieren.<br />

Seitdem selbst die Gegend<br />

um das Schlesische Tor den<br />

Charme Charlottenburger Prunkimmobilien<br />

versprüht, gibt es<br />

offenbar für die Clubszene kein<br />

Halten mehr. Das fällt umso<br />

leichter, da in Mitte „ja sowieso<br />

schon alle herumhängen“.<br />

Ein Interview mit der Theaterlegende zum 84. Geburtstag<br />

George Tabori, wie geht es Ihnen?<br />

Sie haben gerade Ihren 84.<br />

Geburtstag gefeiert.<br />

TABORI Ich sehe und ich höre<br />

fast nichts mehr.<br />

Wie kann man Regie führen,<br />

ohne etwas zu sehen und zu<br />

hören?<br />

Sagen Sie das bitte noch mal …<br />

Es ist doch sicher ein Problem,<br />

Regie zu führen, wenn man<br />

nicht mehr viel hören und sehen<br />

kann …<br />

1996 • Mai • tip 10<br />

Karneval der<br />

Kulturen<br />

Der Karneval tanzt zum<br />

ersten Mal durch Kreuzberg<br />

Der „Karneval der Kulturen“<br />

geht in die Arena und feiert mit<br />

einem Straßenumzug. Eigentlich<br />

ist es ja schade, dass keiner rufen<br />

wird: „Kamellekes, de Prinz<br />

kütt.“ Aber dafür ist dieses neu<br />

ins Leben gerufene Fest weniger<br />

vom Lokalkolorit, dafür umso<br />

mehr international geprägt. All<br />

die Kulturen, die in <strong>Berlin</strong> zu<br />

Hause sind, seien sie nun afrikanisch,<br />

südamerikanisch oder<br />

auch türkisch geprägt, haben<br />

den Deutschen ein Rhythmusgefühl<br />

beigebracht.<br />

Die Selbstdarstellung der Kulturen,<br />

deren Spektrum von traditioneller<br />

Musik bis zu Ethno-<br />

Pop, von Jungle bis Soul, von<br />

Walzer bis zur Samba reicht,<br />

dürfte schon am Vorabend des<br />

Himmelfahrtstages auf der Party<br />

in der Arena reichen, um das<br />

tanzwütige Publikum in Laune<br />

zu bringen. An dem Erfolg der<br />

Parade vom Hermannplatz zum<br />

Mariannenplatz, mit 30 Sattelschleppern<br />

und 2000 Akteuren,<br />

dürfte kaum ein Zweifel bestehen,<br />

schließlich haben die Erfahrungen<br />

mit der „Love Parade“<br />

gezeigt, dass das Potenzial<br />

der Amüsierwilligen unerschöpflich<br />

ist.<br />

Ja, aber ich sehe hier genug und<br />

ich höre genug.<br />

„Der nackte Michelangelo“ ist<br />

ein Stück mit wenig Text.<br />

Sehr schöne Songs.<br />

Nach Gedichten von Michelangelo.<br />

Sehr, sehr schöne Songs von<br />

Schostakowitsch, die er geschrieben<br />

hat, bevor er starb.<br />

Zenit<br />

/<br />

Spielte der Stalinismus eine<br />

Rolle in diesem Werk?<br />

Baltzer<br />

Wer?<br />

Der Stalinismus.<br />

David<br />

Nein. Foto:<br />

tip 13·12


1998 • April • tip 9<br />

Modern talking<br />

Oh doch, sie sind wieder da! Und größer als Gott<br />

Dieter Bohlen und Thomas Anders<br />

sind als Modern Talking vereint<br />

zurück. Und tip-Autor Knud<br />

Kohr erklärt uns, warum man<br />

davon auch begeistert sein kann.<br />

Das Comeback von Modern Talking<br />

nimmt Ausmaße an, von<br />

denen die Protagonisten selbst<br />

überrascht sein dürften. Dass<br />

sie eine Menge CDs verkaufen<br />

werden – das Album stieg von<br />

null auf eins in die deutschen<br />

Charts ein, das Remix-Album<br />

„Back For Good“ hatte 200.000<br />

Vorbestellungen – damit war zu<br />

rechnen. Schließlich setzte die<br />

Band von 1984 bis ’87 weltweit<br />

über 60 Millionen Platten ab.<br />

Wirklich verwunderlich aber ist,<br />

wie triumphal die Rückkehr der<br />

peinlichen Zwei vonstatten<br />

geht: Während ihres ersten Auftritts<br />

bei „Wetten, dass …?“ waren<br />

über 17 Millionen Fernsehzuschauer<br />

dabei. Nahezu jedes<br />

seriöse Feuilleton berichtete<br />

1999 • November • tip 25<br />

Mein <strong>Berlin</strong><br />

Die 90eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

über sie. Mädchen, die beim<br />

Split des Duos gerade erst ihre<br />

Milchzähne bekamen, drängeln<br />

sich nun vor ihren Hotels. Auch<br />

ich mache da übrigens keine<br />

Ausnahme: Ich fuhr an einem<br />

Tag die 600 Kilometer von <strong>Berlin</strong><br />

nach Frankfurt am Main und<br />

zurück, um ihrer Pressekonferenz<br />

beizuwohnen. Für die Rolling<br />

Stones täte ich das nicht.<br />

Und nicht für Gott persönlich.<br />

Wladimir Kaminer über das insektenarme <strong>Berlin</strong><br />

Auf mich wirkt <strong>Berlin</strong> wie ein<br />

Kurort. In erster Linie wegen des<br />

milden Wetters. Im Sommer ist<br />

es selten heiß, im Winter nie<br />

richtig kalt. Und es gibt ganz<br />

wenig Mücken, hier im Prenzlauer<br />

Berg eigentlich gar keine. In<br />

New York gefährden die Moskitos<br />

den Straßenverkehr, sie<br />

übertragen Krankheiten und<br />

sorgen dort ständig für Epidemien.<br />

In Moskau ist die Mückenproblematik<br />

auch aktuell. Überall<br />

auf der Welt gibt es Mücken.<br />

Nur hier nicht. Das ist selbstverständlich<br />

nicht der einzige<br />

Grund, warum mir <strong>Berlin</strong> so<br />

gefällt. Die Menschen finde ich<br />

auch cool. Die meisten Bewohner<br />

der Hauptstadt sind ruhig,<br />

gelassen und nachdenklich.<br />

Wenn man überlegt, was so alles<br />

passiert ist in den letzten<br />

Jahren, der Mauerfall, die Wie-<br />

dervereinigung, die Schließung<br />

des Kasinos im Europa-Center …<br />

Trotzdem drehen nur wenige<br />

durch. Die <strong>Berlin</strong>er tun stets,<br />

was sie für richtig halten, und<br />

haben am Leben Spaß.<br />

»Trotz Mauerfall und<br />

Kasino-Ende drehen<br />

nur wenige durch«<br />

In Moskau dagegen, als die Tagesschau<br />

einmal 20 Minuten<br />

später gesendet wurde, kam es<br />

zu einer Serie von Selbstmorden,<br />

und viele flohen aus der<br />

Stadt, weil sie dachten, die Welt<br />

geht unter. Laut Statistik haben<br />

in Russland nur 17,8 Prozent der<br />

Bevölkerung an ihrem Leben<br />

Spaß. Zu viele Mücken wahrscheinlich.<br />

Deswegen ziehe ich<br />

<strong>Berlin</strong> vor.<br />

Wirgratulieren herzlich zum<br />

<strong>Jubiläum</strong> undfreuenuns<br />

auf eineweiterhin erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit!<br />

LEXTON Rechtsanwälte | Kurfürstendamm 220 | 10719 <strong>Berlin</strong><br />

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13·12 tip 40 JaHre tip 33


Am 17. Juni wird der letzte deutsche<br />

Filmpreis dieses Jahrhunderts<br />

verliehen. Da kann man die<br />

Nominierungen nicht einfach nur<br />

vermelden. Michael Naumann<br />

lud zum Nomination-Event ins<br />

Adlon Hotel.<br />

Was macht den Event zum<br />

Event? Und was unterscheidet<br />

den Nomination-Event zum<br />

deutschen Filmpreis von den<br />

dpa-Meldungen der letzten Jahre?<br />

Vielleicht die typischen<br />

Event-Insignien: windschnittige<br />

Empfangsdamen, Corporate Design,<br />

neurotische Entertainment-<br />

Einlagen und die Hummerhäppchen<br />

von der Hypo-Bank. Nomination,<br />

natürlich, wo wir doch<br />

sowieso schon keine Ortsgespräche,<br />

sondern Citycalls führen,<br />

aber komischerweise immer<br />

noch altmodisch von Oscar-No-<br />

34 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 90eR JAHRe<br />

1999 • April • tip 8<br />

Deutscher Filmpreis<br />

Sektglashumanist Michael Naumann lädt zum Nomination-event<br />

minierungen reden. Mit dem<br />

neudeutschen Filmtitel „The<br />

Marriage of Eva Braun“ hat unser<br />

Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten<br />

bereits auf den<br />

Filmfestspielen den richtigen<br />

Impuls gegeben.<br />

Der Adlon-Abend der Filmpreisnominierungen<br />

war Event qua<br />

seiner Präsenz, ein Naumann-<br />

Event eben, mit der Mischung<br />

aus platonischem Staatsphilosophentum<br />

und Bad Godesberger<br />

Wir-sind-wieder-wer. Naumann,<br />

der immer ein wenig den Sektglashumanisten<br />

gibt, wenn er<br />

ganz nietzscheanisch vom<br />

„Kunstwillen“ des deutschen<br />

Films spricht, Naumann, der zart<br />

den Zeitgeist geißelt und nach<br />

einem kleinen spontanen Aperçu<br />

stolz wie Oskar bemerkt: „Das<br />

stand nicht im Manuskript.“<br />

Michael Naumann ohne Hummerhäppchen,<br />

dafür mit Lola-Statue<br />

Der von hier<br />

tip 13·12<br />

Foto: Svea Pietschmann / tip<br />

Echt mittendrin.<br />

Echt unterwegs.<br />

Echt schon 40?<br />

Der <strong>Berlin</strong>er Kurier gratuliert dem<br />

jüngsten 40-Jährigen der Hauptstadt<br />

zu mehr als 1000 Ausgaben tip.


Die 90eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

1999 • Dezember • tip 26<br />

Schaubühne am Lehniner platz<br />

Neue Bewirtschaftung: Sasha Waltz und thomas Ostermeier übernehmen die berühmteste Bühne Deutschlands<br />

Einerseits ist es ein ganz normaler<br />

Intendantenwechsel, neue<br />

Leute übernehmen ein großes<br />

Theater. Andererseits ist es ein<br />

Einschnitt, der wie kein anderer<br />

in den letzten Jahren einen Generationswechsel<br />

markiert:<br />

Thomas Ostermeier (Ex-DT-Baracke)<br />

und die Choreografin Sasha<br />

Waltz (Ex-Sophiensäle)<br />

übernehmen gemeinsam die<br />

seit der Stein-Zeit berühmteste<br />

Bühne Deutschlands.<br />

Ostermeiers Theater lässt sich<br />

in Stoffwahl und theatralischen<br />

Mitteln radikal auf die Gegenwart<br />

ein – dem schicken Stil der<br />

alten Schaubühne setzt er neue<br />

Stücke entgegen, die von einer<br />

heruntergekommenen, kaputten,<br />

verfallenden Gesellschaft<br />

erzählen. Sasha Waltz hat mit<br />

ihren Tanztheaterstücken („Al-<br />

lee der Kosmonauten“) dem<br />

Tanz ein neues, jugendliches<br />

Publikum erschlossen und mit<br />

ihren komisch melancholischen<br />

Stücken absurde, traurige, temporeiche<br />

Geschichten erzählt.<br />

Mit dem Neubeginn an der<br />

Schaubühne übernehmen zum<br />

ersten Mal ein Regisseur und<br />

eine Choreografin gemeinsam<br />

ein Theater. Einen Bruch mit<br />

schlechten Konventionen des<br />

Kulturbetriebs markiert die<br />

neue Schaubühne durch Mitbestimmung<br />

des Ensembles und<br />

finanzielle Selbstbeschränkung<br />

der Künstler.<br />

2 2005 verließ Sasha Waltz<br />

die Schaubühne. thomas<br />

Ostermeier gehört weiterhin<br />

zur künstlerischen Leitung<br />

der Schaubühne.<br />

Haben Sie schon<br />

die App vom<strong>Tip</strong><br />

gesehen?<br />

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13·12 tip 40 JaHre tip 35


36 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 2000eR JAHRe<br />

zWeITAuseNDeR<br />

Die peinlichsten <strong>Berlin</strong>er, Generation Wodka, Hebbel am Ufer, Göttinnen der Volksbühne,<br />

Neukölln, Baader Meinhof Komplex, Neues Museum, Bonaparte, Lars von trier, Schlingensief<br />

2001 • Januar • tip 2<br />

Cookie<br />

ein Mann und seine Bars<br />

In einer wüsten Kellerbar hat<br />

alles angefangen. Hier sind wir<br />

versunken, nachts, wie in einem<br />

Traum, mit hart gemixten Cocktails<br />

für fünf Mark. Wir haben die<br />

Winternächte im Keller geliebt,<br />

berauscht und glücklich, dass es<br />

einen Ort wie diesen gab: die<br />

erste Cookies Bar, Auguststraße,<br />

<strong>Berlin</strong>-Mitte, 1994.<br />

Cookie, alias Heinz, betreibt<br />

seit sechs Jahren die Cookies<br />

Bar. Er war blutjung, als er 1992<br />

von London nach <strong>Berlin</strong> ging.<br />

„Ich wollte in <strong>Berlin</strong> leben und<br />

Spaß haben“, sagt der 26-Jährige.<br />

Inzwischen hat sich ein<br />

Traum für ihn erfüllt, den er gar<br />

nicht hatte. Innerhalb von<br />

sechs Jahren hat er die Kellerbar<br />

zum kommerziellen Club<br />

etabliert, ist Mitinhaber der<br />

Greenwich Bar und Besitzer des<br />

Café Bravo geworden.<br />

Die Zeiten haben sich geändert,<br />

mit ihnen Cookie und sein Publikum.<br />

„Ich bin ein Mitte-Boy,<br />

und das find ich gut“, sagt der<br />

unnahbare Cookie. „<strong>Berlin</strong>-Mitte<br />

hat sich sehr verändert. Und ich<br />

bin froh darüber. Gäbe es keine<br />

Veränderung, wären wir noch<br />

beim klassischen Haustanz.“<br />

2001 • Dezember • tip 24<br />

Miss Sexyland<br />

Sie war jung und brauchte das Geld. So wurde Marion S.<br />

für 500 Mark zum bekanntesten Busen <strong>Berlin</strong>s<br />

Marion S. ist von Natur aus eher<br />

schüchtern. Verhandeln war<br />

noch nie ihre starke Seite. Und<br />

außerdem: Woher sollte sie ahnen,<br />

was aus diesem Bild einmal<br />

werden würde? 500 Mark klang<br />

gut, Anfang der 80er. Und stolz<br />

war sie natürlich auch ein wenig,<br />

sagt sie heute.<br />

Vorher hatte eine Farbige für Big<br />

Sexyland geworben und davor<br />

eine Brünette und vor der Brünetten<br />

noch eine andere. Nach<br />

Marion kam gar keine Frau mehr,<br />

ganze 18 Jahre lang, bis heute.<br />

Und so ist sie die „Miss Sexyland“<br />

von <strong>Berlin</strong> geworden, erst im<br />

Westen und dann – nach dem Fall<br />

der Mauer – auch im Osten.<br />

Irgendwann, vielleicht Mitte der<br />

90er, hat sich das Bild von seinem<br />

ursprünglichen Inhalt gelöst,<br />

hat sich befreit von den<br />

sexuellen Konnotationen und<br />

Anspielungen, wurde zu etwas<br />

anderem, zum Markenzeichen<br />

des alten <strong>Berlin</strong>, zum verbliche-<br />

nen Logo einer Stadt, die unter<br />

Tonnen von Betonplatten, Baukränen<br />

und Partner-für-<strong>Berlin</strong>-<br />

Broschüren begraben wurde. Wer<br />

heute das Plakat sieht, denkt an<br />

David Bowie und das Sound, an<br />

den Dschungel und Christiane F.,<br />

an Peepshow-Baracken zwischen<br />

Ku’damm und Kant-Dreieck.<br />

Wenn Marion ihr eigenes Bild<br />

sieht, denkt sie immer nur, wie<br />

blöd sie war – damals, als sie den<br />

Fetzen Papier unterschrieb, der<br />

sie für 500 Mark zum Lockvogel<br />

für einen Sexbetrieb machte, zur<br />

Masturbationsvorlage im öffentlichen<br />

Raum. Mehrmals hat sie<br />

versucht, das Plakat zu beseitigen,<br />

hat mit den Sexyland-Betreibern<br />

gesprochen, hat Anwälte<br />

eingeschaltet, irgendwann<br />

resigniert. Das war Mitte der<br />

80er und für Marion S. Zeit, einen<br />

Schlussstrich zu ziehen.<br />

Schlussstrich unter ein Leben,<br />

das ihr nur wenig Geld und viele<br />

2000 • Januar • tip 1<br />

Die Peinlichen<br />

Zum Millenniumbeginn<br />

kürte der tip das erste<br />

Mal die 100 peinlichsten<br />

<strong>Berlin</strong>er<br />

platz Nr. 1: Dr. Motte<br />

Magier für Millionen möchte er<br />

sein, doch in Wahrheit ist er<br />

kaum mehr als ein Pausenclown<br />

für Provinzraver: Motte alias Matthias<br />

Roeingh, „größter Partyveranstalter<br />

aller Zeiten“. Mit<br />

dümmlichen Mottos („Music is<br />

the Key“) und noch dümmlicheren<br />

Teilnehmern (Junge Union)<br />

hat er aus der Love Parade eine<br />

pubertäre Trallala-Veranstaltung<br />

für Sparkassen-Azubis und Marken-Junkies<br />

gemacht. Will man<br />

ihm sein Riesenspielzeug wegnehmen,<br />

stampft er mit den Füßen<br />

und droht mit Liebesentzug.<br />

Für seine anhaltenden Verdienste<br />

um den schlechten Geschmack<br />

bekam er im letzten Jahr den<br />

Bambi verliehen. Das qualifiziert<br />

ihn für einen Spitzenplatz in unserer<br />

Liste. Ab in die Kiste, Motte!<br />

falsche Freunde einbrachte. Foto: Harry Schnitger / tip (links)<br />

tip 13·12


2001 • September • tip 20<br />

Bastarde<br />

Qpferdachs editorial nach dem 11. September 2001<br />

„Bastarde“ – so titelte in der vergangenen<br />

Woche unmittelbar<br />

nach dem Anschlag die New Yorker<br />

„Village Voice“. Bastarde sind<br />

Menschen, die Dinge tun, die<br />

man unter keinen Umständen<br />

tut. Bastarde sind die Terroristen,<br />

die das La Belle in die Luft<br />

sprengten und in diesen Tagen<br />

nach 15 Jahren ihr Urteil erwarten.<br />

Der Bombe damals bin ich<br />

als regelmäßiger Besucher dieser<br />

Disco nur knapp entgangen, weil<br />

ich nicht dort war, sondern zufällig<br />

an dem Wochenende in<br />

Westdeutschland weilte.<br />

Ich kenne die Wut und den Hass,<br />

die so ein Anschlag erzeugt. Und<br />

trotzdem war es damals wie<br />

Die 2000eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

heute klar, dass man sich so etwas<br />

nicht gefallen lassen kann.<br />

Die Auftraggeber für den Massenmord<br />

zu finden und vor ein<br />

Gericht zu stellen, wird unvergleichlich<br />

schwieriger, doch nicht<br />

unmöglich. Unsere westliche<br />

Lebensart aber werden die Islamisten<br />

nicht aushebeln. Und<br />

wenn sich das Koordinatensystem<br />

unserer Wahrnehmung tatsächlich<br />

verschoben hat, betrifft<br />

es sicher nur die Relation von<br />

wichtig und unwichtig. Die Bastarde<br />

aber, die meinen, sie könnten<br />

sich in Gottes Namen zu<br />

Herren über Leben und Tod machen,<br />

sie soll der Teufel holen,<br />

wenn es ihn denn geben sollte.<br />

2002 • Februar • tip 5<br />

Kosslicks einstand<br />

Fettnäpfe ohne ende: Dieter Kosslicks erste <strong>Berlin</strong>ale<br />

Lieber Dieter Kosslick,<br />

Zugegeben, Ihr Deutsch ist besser<br />

als das von Moritz de Hadeln,<br />

doch damit hat es sich denn<br />

auch. Mit dem seismografischen<br />

Gespür eines Minensuchgeräts<br />

orteten Sie jeden Fettnapf im<br />

Umkreis von zehn Meilen zum<br />

<strong>Berlin</strong>ale-Palast, outeten sich<br />

auf der Verleihung des Teddy im<br />

Tempodrom als Nicht-Gay,<br />

klampften im Kant-Kino zur musikalischen<br />

Todesstrafe BAP<br />

oder ließen sich auf dem Marle-<br />

ne-Dietrich-Platz im Bademantel<br />

ablichten. Jeder einzelne<br />

Fauxpas hätte anderen Festspieldirektoren<br />

längst den Ruf<br />

ruiniert, doch Sie leben damit<br />

gänzlich ungeniert.<br />

So spontan wird keine <strong>Berlin</strong>ale<br />

mehr sein. Und so viel Stimmung<br />

wird der Stadt in den nächsten<br />

Monaten fehlen. Vielleicht auch<br />

ein Signal an den Senat: Don’t<br />

worry! Be peinlich! Wowereit,<br />

übernehmen Sie.<br />

Stapelliegevon R. Heide<br />

Nicht quadratisch,<br />

aber praktisch und gut.<br />

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HAPPY<br />

BIRTHDAY<br />

TIP!<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 37


38 40 JaHre tip<br />

2002 • April • tip 8<br />

40 JAHRe TIP • Die 2000eR JAHRe<br />

Kaminers<br />

Kaffee burger<br />

party bis zum abwinken<br />

mit polka, punk und Ska<br />

Was kann schon toll sein, ein<br />

paar Russen beim Feiern zuzuschauen?<br />

Eine ganze Menge. Zu<br />

den Polka-Partys im Burger oder<br />

im Mudd Club kommen vor allem<br />

Deutsche.<br />

Ab 23 Uhr ist das Kaffee Burger,<br />

wo die Veranstaltung zweiwöchentlich<br />

samstags stattfindet,<br />

voll. Vor dem Eingang bilden sich<br />

lange Schlangen. Aber nur jeder<br />

fünfte Gast sei tatsächlich ein<br />

Russe. „Meine Frau überprüft die<br />

Quote regelmäßig, indem sie an<br />

der Kasse sitzt und jeden Besucher<br />

auf Russisch anspricht“,<br />

erzählt Wladimir Kaminer. Er<br />

lacht. „Sie hat damit nicht viel<br />

Erfolg. An einem Abend konnten<br />

sogar nur vier Leute auf ihre Fragen<br />

richtig antworten.“ Kaminer<br />

denkt nach, sagt, er wisse nicht,<br />

weshalb fast nur Deutsche kommen.<br />

Er wendet sich wieder seinem<br />

Turntable zu und sucht die<br />

nächsten Platten aus. Ska, Punk<br />

und Independent-Rock.<br />

»Wenn die Moskau-<br />

Tussis tanzen, fliegt<br />

der Goldschmuck«<br />

Viele Deutsche kommen nur<br />

deshalb, weil er der DJ ist: Wladimir<br />

Kaminer ist hierzulande<br />

der beliebteste Russe seit Gorbatschow.<br />

Mit seinen Erzählungen<br />

über die <strong>Berlin</strong>er Russen<br />

erreicht der 34-Jährige eine immer<br />

größer werdende Anhängerschaft.<br />

Auch im Burger ist er der<br />

Star: Auf dem Podest an der<br />

Tanzfläche stehen immer ein<br />

paar Russinnen direkt in seiner<br />

Nähe. Doch Kaminer, ein Familienvater<br />

mit gemütlicher Ausstrahlung,<br />

beachtet sie kaum.<br />

Mehr als in allen anderen Szeneläden<br />

aber erfüllen die Burger-<br />

Russinnen auch hier das Klischee:<br />

Sie sind stark geschminkt,<br />

die Haare tragen sie vorn mit<br />

kurzem Pony, an den Seiten wallend<br />

und hoch toupiert. Wenn<br />

sie tanzen, fliegt der Goldschmuck:<br />

Moskau-Tussis.<br />

2004 • Januar • tip 2<br />

Hebbel am Ufer<br />

Matthias Lilienthals ausschweifendes HaU-rein-theater<br />

Seit dem Neubeginn unter Matthias<br />

Lilienthal vor zwei Monaten<br />

hat sich das Hebbel-Theater<br />

in ein Versuchslabor verwandelt:<br />

Das Hebbel am Ufer, kurz HAU,<br />

testet die Grenzen des Theaters<br />

aus – und sorgt für spannende<br />

Kollisionen zwischen Kunst und<br />

Wirklichkeit.<br />

Das Jahr hat gut angefangen für<br />

Matthias Lilienthal, den Mann,<br />

der seit November an den drei<br />

HAU-Bühnen das Theater neu<br />

erfindet. Auf der Silvesterparty<br />

im HAU2, dem früheren Theater<br />

am Halleschen Ufer, tobte eine<br />

„Porno-Karaoke“, bei der Performer<br />

live für den passenden<br />

Soundtrack zu Filmen der Sparten<br />

Blümchensex, Oswald Kolle<br />

und Hardcore sorgten. Kein<br />

Wunder, dass die HAU-Partys<br />

inzwischen auch bei Leuten, die<br />

nie freiwillig ins Theater gehen<br />

würden, Kultstatus genießen.<br />

Ein paar Stunden später, morgens<br />

um kurz nach sieben am<br />

ersten Tag des neuen Jahres,<br />

hängt Lilienthal nicht wie jeder<br />

normale Mensch verkatert im<br />

Bett, sondern im Flugzeug nach<br />

New York, er will einige Regisseure<br />

treffen, mit denen das<br />

HAU zusammenarbeitet. Der<br />

Mann schont sich nicht.<br />

Allein in den ersten beiden Monaten<br />

fanden auf den drei HAU-<br />

Bühnen gut 70 Premieren statt,<br />

dazu noch Minifestivals, HipHop-<br />

Konzerte, ein Themenwochenende<br />

zur Wirtschaftskrise in<br />

Argentinien, Besuche streiken-<br />

der Studenten, Diskussionen mit<br />

Diedrich Diederichsen und<br />

Guillaume Paoli, dem Philosophen<br />

der Glücklichen Arbeitslosen,<br />

und jede Menge ausschweifende<br />

Partys. Ein gewisser Overkill<br />

scheint zum Stil des Hauses<br />

zu gehören.<br />

Das Prinzip Überforderung funktioniert.<br />

Das HAU hat in wenigen<br />

Wochen eine enorme Ausstrahlungskraft<br />

entwickelt. Die Werbeplakate<br />

mit den lädierten<br />

Boxern sind in Kreuzberg, Mitte<br />

und Schöneberg kaum zu übersehen,<br />

auch Theater-Ignoranten<br />

haben von dem neuen Theater<br />

zumindest mitgekriegt, dass es<br />

irgendwie hip ist, und im Zuschauerraum<br />

tauchen immer<br />

öfter lauter junge Gesichter auf.<br />

Sieht so aus, als hätte das HAU<br />

in Rekordzeit ein neues Publikum<br />

gefunden.<br />

2006 • Februar • tip 3<br />

arctic Monkeys<br />

ein waschechtes punkalbum und das nächste große Ding<br />

„I Predict A Riot“ – mit diesem<br />

Schlachtruf mischten die Kaiser<br />

Chiefs aus Leeds vor einem Jahr<br />

die Szene auf. Doch der wahre<br />

Krawall findet woanders statt.<br />

Vier Jungs um den 19-jährigen<br />

Sänger Alex Turner ist das gelungen,<br />

was andere Bands in den<br />

letzten Jahren versprachen, aber<br />

nie ganz einlösten: ein waschechtes<br />

Punkalbum. „Never mind<br />

the bollocks, here’s the Arctic<br />

Monkeys!“<br />

Doch der Hype ist berechtigt.<br />

Die klasse Kracher auf „Whatever Aurin<br />

People Say I Am, That’s What I’m<br />

Not“ werden diese Band zum<br />

Thomas<br />

großen Ding machen. Foto:<br />

tip 13·12


2004 • August • tip 18<br />

Unsere Göttinnen<br />

Die Schauspielerinnen der Volksbühne sind scharf und<br />

gefährlich wie rasiermesser. eine Begeisterung<br />

Bald ist es so weit: Die Sommerpause<br />

ist vorbei, die Spielzeit<br />

beginnt. Und wenn es endlich<br />

wieder in die Volksbühne geht,<br />

dürfen wir ihnen wieder begegnen,<br />

den Dostojewski-Nihilisten,<br />

Koks-Gräfinnen und Hysterikern<br />

der New Economy, all den<br />

Exzesskünstlern aus Frank Castorfs<br />

und René Polleschs Theaternächten.<br />

Lauter Heroen der<br />

Schauspielkunst. Und vor allem:<br />

lauter unglaubliche Schauspielerinnen.<br />

Nirgends sind Frauen auf der<br />

Bühne so sexy und so unkalkulierbar,<br />

nirgends werden Radikalfeminismus,<br />

der offene Sexismus<br />

des Intendanten und die<br />

2006 • Oktober • tip 21<br />

Helge Schneider<br />

Helge Schneider übers Sterben und sein eduscho-Studium<br />

SCHNEIDER Das Interview ist<br />

doch für den Film „Das kleine<br />

Arschloch und der alte Sack –<br />

Sterben ist schön“, oder?<br />

„Sterben ist scheiße.“<br />

Sterben ist scheiße? Ach ja, ist<br />

ja scheiße.<br />

Obwohl im Film das Sterben<br />

letztlich doch ganz schön ist.<br />

Ich habe den Film ja noch nicht<br />

ganz gesehen. Nimmst du schon<br />

auf?<br />

Ja. Ich habe gelesen, dass Sie als<br />

junger Mann in Ihrer Freizeit ein<br />

Eduscho-Studium betrieben haben<br />

– also alte Männer in Stehcafés<br />

beobachten. Haben Sie für<br />

13·12 tip<br />

Die 2000eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Lust am großen männermordenden<br />

Auftritt so rasant kurzgeschlossen.<br />

Die Volksbühne, das<br />

bedeutet Astrid Meyerfeldts<br />

heisere Tobsuchtsanfälle. Susanne<br />

Düllmanns fein nuanciertes<br />

Parlando. Jeanette Spassovas<br />

unterkühlte Melancholie.<br />

Kathrin Angerers wimpernklimpernder<br />

Lolita-Sex. Die hysterische<br />

Intelligenz und damenhafte<br />

Grandezza von Sophie Rois.<br />

Lauter Ex–tremisten.<br />

Ein Darstellerkollektiv, wie es<br />

seit Fassbinders Tagen keines in<br />

Deutschland mehr gegeben hat.<br />

Und ein Ensemble aus lauter<br />

Stars, wie sie lange kein Theater<br />

hervorgebracht hat.<br />

die Synchronisation des alten<br />

Sacks noch auf diese Erfahrungen<br />

zurückgegriffen?<br />

Der alte Sack ist ja jetzt schon in<br />

einem Stadium, wo er alle Facetten<br />

des Menschseins durchgemacht<br />

hat. Da kommt dann das<br />

Sich-Ergeben-im-Leben, das<br />

einfache Dasein, und in meiner<br />

Synchronstimme ist das alles<br />

erhalten. Ich versetze mich dann<br />

in diese Figur und bin das dann.<br />

Da habe ich bei den alten Opas<br />

im Eduscho einiges gelernt.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Was war das jetzt? „taz“?<br />

Nein, tip.<br />

40 JaHre tip 39


40 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 2000eR JAHRe<br />

2006 • April • tip 9 2007 • April • tip 9<br />

Nord-Neukölln<br />

Nach dem rütli-Skandal und vor der Gentrifizierung:<br />

in Neukölln lebt die berühmte <strong>Berlin</strong>er Mischung<br />

Nord-Neukölln gilt seit dem<br />

Rütli-Skandal als die <strong>Berlin</strong>er<br />

Bronx. Das ist Unsinn, denn die<br />

robuste <strong>Berlin</strong>er Mischung aus<br />

Bürgerlichen und Freaks, Kreativen<br />

und Migranten verhält sich<br />

gegen alle Einheitsprinzipien<br />

extrem resistent, auch gegen das<br />

Ghetto-Label.<br />

Wenn ich aus meinem Wohnzimmerfenster<br />

schaue, sehe ich auf<br />

den Hof der Rütli-Schule. Seit<br />

die ersten Meldungen vom Hilferuf<br />

der Rütli-Lehrer kamen<br />

und sich die Pressemeute vor<br />

dem Schultor sammelte, lebe ich<br />

laut „Spiegel“ in der deutschen<br />

Bronx. Manche sprechen gar von<br />

Slum. Doch wenn ich vor die<br />

Haustür trete, stolpere ich über<br />

die Auslagen eines Bio-Ladens,<br />

der Trödler an der Ecke winkt,<br />

und die Glocken der St. Christophorus-Kirche<br />

läuten. Der Kiez<br />

hat es schwer, seinem Ghetto-<br />

Image gerecht zu werden, denn<br />

seine neuen Seiten werden immer<br />

sichtbarer.<br />

Die Veränderung kommt mit<br />

leuchtenden Schaufenstern<br />

nach Nord-Neukölln, das<br />

manchmal ganz schön dunkel<br />

ist, weil so viele Geschäfte leer<br />

stehen. In einem ehemaligen<br />

Döner-Laden jedoch lehnen seit<br />

Kurzem großformatige Bilder an<br />

den Wänden.<br />

Der Ausländeranteil im Reuter-<br />

Kiez liegt bei 30 Prozent, und<br />

damit weit über dem Neuköllner<br />

Durchschnitt. Doch gerade deswegen<br />

ist die Gegend heiß begehrt,<br />

vor allem bei jungen Leuten<br />

und solchen, die Wert auf<br />

die berühmte <strong>Berlin</strong>er Mischung<br />

legen – Bürgerliche und Proleten,<br />

Kreative und Migranten,<br />

Spießer und Freaks, alle auf einem<br />

mehr oder minder harmonischen<br />

Haufen. Prächtige Gründerzeitbauten<br />

prägen das Straßenbild.<br />

Die Wohnungen sind<br />

toll, aber oft unsaniert, und so<br />

bleiben die Mieten billig.<br />

Vor Kurzem hat das Café Ringo<br />

»Der Kiez hat es<br />

schwer, seinem<br />

Ghetto-Image gerecht<br />

zu werden«<br />

in der Sanderstraße eröffnet und<br />

ist schon ein Magnet. Betreiberin<br />

Christina Hohmann, deren<br />

Teilhaber auch das Café Mathilda<br />

in der Kreuzberger Graefestraße<br />

gehört, schätzt das ruppige Flair<br />

in Neukölln.<br />

Die berliner<br />

ein überfälliges Loblied<br />

Dem <strong>Berlin</strong>er wird, und daran ist<br />

er möglicherweise nicht ganz<br />

unschuldig, eine recht grobschlächtige<br />

Beurteilung zuteil.<br />

Unfreundlich soll er sein, ruppig<br />

und ausgestattet mit großer<br />

Schnauze. Mag alles stimmen,<br />

greift aber viel zu kurz. Daher<br />

folgt hier ein Loblied.<br />

Zunächst mal ist gar nicht einzusehen,<br />

was so unfreundlich da -<br />

ran ist, wenn jemand einen<br />

Großteil der Stadt von Zugezogenen<br />

besiedeln lässt – ja, ihnen<br />

ganze Stadtteile überlässt, ohne<br />

zu mucken. Der <strong>Berlin</strong>er erzeugt<br />

keinen Assimilationsdruck auf<br />

die neuen Bürger. Er lässt sie in<br />

ihren Ghettos wursteln, er zeigt<br />

jedem eine Ecke, in der er sich<br />

einrichten kann, und schreit<br />

nicht ständig nach Anpassung<br />

wie die Schwaben, die schon<br />

schief gucken, wenn der Bürgersteig<br />

schlecht gefegt ist.<br />

»Der <strong>Berlin</strong>er schreit<br />

nicht ständig nach<br />

Anpassung«<br />

Er ist tolerant. Man kann mit<br />

Krawatte in eine Kreuzberger<br />

Kneipe gehen oder mit kurzen<br />

Hosen ins Borchardt, ohne dass<br />

es jemanden juckt. Der <strong>Berlin</strong>er<br />

hat einen großen Langmut. Mit<br />

besonders nervigen Neu-<strong>Berlin</strong>ern<br />

geht er nach dem Motto<br />

um: nicht mal ignorieren. Überhaupt<br />

ist der <strong>Berlin</strong>er nicht vordergründig<br />

freundlich, nur weil<br />

das nach außen besser wirkt.<br />

Seine Schroffheit ist Ehrlichkeit<br />

auch Fremden gegenüber, die er<br />

immer wissen lässt, woran sie<br />

sind. Er kennt keine Klassenunterschiede<br />

– jeder kann sein<br />

Freund werden, das hat er z.B.<br />

den Hamburgern voraus.<br />

Auch den Unfug überlässt er den<br />

Auswärtigen: Das Stadtschloss<br />

will ein Baumarktbesitzer aus<br />

Norddeutschland wieder errichten,<br />

und den rbb, einen der<br />

schlechtesten Sender der ARD,<br />

führt eine Frau aus Heidelberg.<br />

Im Grunde genommen ist und<br />

bleibt er der einzige Weltbürger<br />

der Stadt.<br />

tip 13·12


Foto: Harry Schnitger / tip<br />

2008 • September • tip 21<br />

raF im Kino<br />

Der Ballerfilm „Baader Meinhof Komplex“ versetzt die<br />

Nation in ein schweres trauma. Viele müssen jetzt reden<br />

Die RAF ist immer noch in der<br />

Lage, Schaden anzurichten. Eines<br />

der prominentesten Opfer<br />

im aktuellen deutschen Herbst<br />

ist Frank Schirrmacher. Nach<br />

Sichtung des RAF-Films veröffentlichte<br />

der „FAZ“-Herausgeber<br />

einen Text, der zwischen<br />

Größenwahn und Heulsusigkeit<br />

pendelte. Schirrmacher betrachtete<br />

den Film nämlich als „eine<br />

Befreiung von der Erziehungsdiktatur“,<br />

und man würde schon<br />

gerne wissen, welche Erziehungsdiktatur<br />

gemeint ist und<br />

was sie unterrichtet. Aber<br />

Schirrmacher redet in Zungen.<br />

Überhaupt entwickelte sich in<br />

den Tagen vor dem Kinostart<br />

2008 • September • tip 21<br />

Bonaparte<br />

13·12 tip<br />

Die 2000eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

eine anschwellende Gespensterdebatte.<br />

Reihum fuhren viele<br />

Medien Augenzeugen, Betroffene<br />

und Leibhaftige auf. Der Ex-<br />

Bundesjustizminister Hans-Jochen<br />

Vogel talkte bei „Anne<br />

Will“, der Ex-Innenminister Gerhart<br />

Baum schrieb für die „Zeit“,<br />

der Ex-Terrorist Peter-Jürgen<br />

Boock parlierte mit dem<br />

Deutschlandfunk. Es war wie ein<br />

riesiges Ehemaligentreffen. „Der<br />

Baader Meinhof Komplex“ ist da<br />

lange kein Film mehr, sondern<br />

eine öffentliche Gruppentherapie<br />

mit Millionen von Teilnehmern.<br />

Halb Deutschland ist im<br />

RAF-Trauma, Schirrmacher nur<br />

einer von vielen.<br />

ein kleines Wunder: kritische Musik zum Glücklichsein<br />

Durchatmen, hinsetzen. Noch mal<br />

drüber nachdenken. Nein, wirklich,<br />

Bonaparte sind das nächste<br />

große Ding. Das, worauf die Welt<br />

gewartet hat. Kritische Musik zum<br />

Glücklichsein. Anspruch und Party.<br />

Nicht brav, nicht doof, nicht<br />

hässlich. Dabei macht die „Hedonist<br />

Army“ – wie sie sich auch<br />

bezeichnen – nicht unbedingt<br />

neue Musik, nur bringen sie sie<br />

verdammt glaubwürdig rüber. In<br />

<strong>Berlin</strong>, Europa oder Neuseeland<br />

hat Bonaparte seine Zirkustruppe<br />

überzeugend präsentiert. Wo sie<br />

waren, stand hinterher eine verschwitzte<br />

und weich gerockte<br />

Menge mit Zeilen im Ohr wie „You<br />

know Tolstoi, I know Playboy. You<br />

know too much too much too<br />

much!“, immer noch freudig auf<br />

und ab springend.<br />

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40 JaHre tip 41


42 40 JaHre tip<br />

40 JAHRe TIP • Die 2000eR JAHRe<br />

2009 • September • tip 21<br />

Shalom, <strong>Berlin</strong>!<br />

<strong>Berlin</strong> wird zum Magneten für junge israelis<br />

Junge Israelis erobern das <strong>Berlin</strong>er<br />

Nachtleben. Sie eröffnen<br />

Clubs in alten Lagerhallen, veranstalten<br />

Disco-Nächte in Kellergewölben<br />

und legen Platten<br />

von Grandmaster Flash und<br />

Dschingis Khan auf. Ihre Herkunft<br />

ist dabei zwar stets präsent,<br />

spielt aber oft nur eine<br />

untergeordnete Rolle.<br />

„Ganz ehrlich“, sagt Natalie, als<br />

ihr Romina den Flyer zeigt. „Das<br />

Ganze ist schon ein bisschen<br />

meschugge.“ Rabbinerköpfe fliegen<br />

darauf herum, siebenarmige<br />

Leuchter und Davidsterne – und<br />

das in einer Optik, die man<br />

sonst nur von Werbezetteln für<br />

Großraumdiscos kennt. Der Flyer<br />

kündigt die schwul-jüdische<br />

„Meschugge“-Party an, die ein<br />

wilder Israeli einmal im Monat<br />

im Ackerkeller in Mitte veranstaltet.<br />

Über dem Dancefloor<br />

hängen israelische Flaggen. Aus<br />

den Lautsprechern kommen<br />

Oriental-Sounds, hebräische<br />

Schlager, Electropop und die<br />

größten Grand-Prix-Hits aller<br />

Zeiten. „‚Dschingis Khan‘ ist einer<br />

meiner absoluten Lieblingssongs“,<br />

sagt DJ Jonathan, die<br />

gleichnamige Band sei damit<br />

1979 beim Grand Prix in Jerusalem<br />

angetreten. Auch Modern<br />

Talking gehört zu seinem Repertoire,<br />

„Maria Magdalena“ von<br />

Sandra und „Personal Jesus“ von<br />

Depeche Mode. Der Top-Hit der<br />

Party heißt „Messiah“, eine Klezmerpop-Hymne,<br />

die von der Ankunft<br />

des Erlösers handelt und<br />

alle mitreißt. Etwa ein Drittel<br />

der tanzenden Menge versteht<br />

den hebräischen Text und singt:<br />

„Messiah, Oioioioioi!“ Auch Natalie<br />

und Romina sind nicht<br />

mehr zu bremsen.<br />

Hinter dem DJ hüpft Aviv Netter<br />

auf und ab, der den „Meschugge“-<br />

Abend veranstaltet und heute<br />

Hasenohren trägt. Das Energiebündel<br />

aus Israel freut sich, dass<br />

die Stimmung mal wieder super<br />

ist. „Ich möchte mit meiner Party<br />

die unkoschere Seite Israels<br />

zeigen“, sagt er und erzählt, dass<br />

schon bei seiner ersten Veranstaltung<br />

vor zwei Jahren der Andrang<br />

so groß gewesen sei, dass<br />

die Polizei kommen musste, weil<br />

sich Nachbarn über das Tohuwabohu<br />

vor der Tür beschwert hatten.<br />

Als er vor vier Jahren zum<br />

ersten Mal nach <strong>Berlin</strong> kam, hat<br />

er sich gleich in die Stadt verliebt.<br />

„Kein Vergleich zum Nachtleben<br />

in New York“, sagt der<br />

24-Jährige. Dort lebt seine Familie<br />

heute. Avivs Affinität für die<br />

deutsche Hauptstadt war für sie<br />

ein Skandal. Seine verstorbene<br />

Großmutter, die vor dem Krieg<br />

nach Palästina ausgewandert<br />

war, stammte aus einer Intellektuellenfamilie<br />

in <strong>Berlin</strong>-Mitte, die<br />

fast komplett dem Holocaust<br />

zum Opfer fiel. Für Familie Netter<br />

war Deutschland tabu. „Mein<br />

Vater hat mich für verrückt erklärt,<br />

als ich ihm sagte, dass ich<br />

nach <strong>Berlin</strong> gehen werde“, erzählt<br />

er. Meschugge eben, genau<br />

wie seine Party.<br />

2010 • Juni • tip 13<br />

Neue Mitte<br />

Wird die King Size Bar zum<br />

partykeller der <strong>Berlin</strong>er<br />

republik?<br />

King Size – der Name ist natürlich<br />

ein Witz. Ein Tresen, ein paar<br />

Barhocker, eine Wand, ein<br />

Durchgangsbereich zu den Toiletten,<br />

der sich zu vorgerückter<br />

Stunde in eine Tanzfläche verwandelt.<br />

Der Laden in der Friedrichstraße<br />

112b ist winzig, hinter<br />

den verspiegelten Scheiben verbirgt<br />

sich kaum mehr als ein<br />

Loch in der Wand, und das ist<br />

auch der Grund, warum hier<br />

nicht jeder reinkommt.<br />

Die besten Kontakte helfen nicht<br />

weiter, wenn es drinnen so voll<br />

ist wie in der U-Bahn von Tokio<br />

zur Rush Hour. Und das war seit<br />

der Eröffnung der Bar im Mai<br />

bisher an jedem Wochenende<br />

der Fall.<br />

King Size, so heißt die neue Bar,<br />

für die sich die Grill-Royal-Betreiber<br />

Boris Radczun und Stephan<br />

Landwehr mit dem überaus<br />

umtriebigen Partyveranstalter<br />

Conny Opper zusammengetan<br />

haben. Wenn der Grill Royal<br />

das Wohnzimmer der <strong>Berlin</strong>er<br />

Republik ist, hat die King Size<br />

Bar das Zeug dazu, ihr Partykeller<br />

zu werden.<br />

Auch der Hype um das King Size<br />

wird irgendwann abklingen, und<br />

dann wird eine kleine, tolle Bar<br />

übrig bleiben, in der sich wohl<br />

noch öfter solche Szenen abspielen<br />

werden wie neulich auf<br />

dem Nachhauseweg.<br />

Ein Paar stolpert aus der Bar. Er<br />

stützt sich bei ihr ab. Bleibt stehen,<br />

wankt, kramt in seinen Taschen.<br />

„Scheiße, ich hab mein<br />

ganzes Geld verloren.“ Sie: „Das<br />

hast du nicht verloren, das hast<br />

du da drin versoffen.“<br />

Dass das Geld der beiden nicht<br />

mehr fürs Taxi reicht, ist aber<br />

nicht so schlimm. Die Straßenbahn<br />

hält direkt gegenüber.<br />

Auch nachts.<br />

tip 13·12


2011 • September • tip 21<br />

Lars von trier<br />

Das Filmfestival von Cannes hat Lars von trier wegen<br />

eines Nazi-Scherzes verbannt. im tip-interview spricht er<br />

nun über die Nazi-Franzosen. Scherzhaft natürlich<br />

Sind Sie denn mit zukünftigen<br />

Filmen aus Cannes verbannt?<br />

VON TRIER Ich bin mir nicht sicher.<br />

Ich habe nichts gehört. Das<br />

Problem ist ja auch: Was, wenn<br />

ich mich plötzlich für Schuhe zu<br />

interessieren beginne? Die veranstalten<br />

ja auch andere Messen<br />

im Festivalpalais, eine Schuhmesse<br />

etwa – darf ich mich dann<br />

dort aufhalten?<br />

Niemand will jenseits des Filmfestivals<br />

freiwillig nach Cannes.<br />

Vielleicht. Aber die Theorie interessiert<br />

mich. Die Franzosen. Die<br />

Franzosen sind die echten Nazis.<br />

2011 • März • tip 8<br />

til Schweiger<br />

13·12 tip<br />

Die 2000eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

Nein, das soll ich nicht sagen.<br />

Schneiden Sie das raus. (lacht)<br />

Das habe ich auf Band.<br />

„Die Franzosen sind die echten<br />

Nazis.“ Das ist ein gutes Zitat.<br />

Ja, das ist ein gutes Zitat.<br />

Ja, das finde ich auch.<br />

Autorisieren Sie das ganze Interview?<br />

Oh ja.<br />

Haben Sie etwas gesagt, das Sie<br />

zurücknehmen möchten?<br />

Nein, nein. Bitte.<br />

Danke.<br />

Ich bin sicher, Sie beschützen<br />

mich so gut Sie können.<br />

til Schweiger über die peinlichen-Liste und gute Komödien<br />

In „Zweiohrküken“ gibt es eine<br />

Szene, in der Sie den tip ausführlich<br />

würdigen: Sie überfahren<br />

einen Kiosk, der exklusiv mit<br />

tip-Heften mit dem fiktiven Titel<br />

„Die 40 nervigsten Kritiker“<br />

ausgestattet ist. Im Audiokommentar<br />

auf der DVD sprechen<br />

Sie über das Jahr, in dem Sie<br />

prominent die ganze Stadt geziert<br />

haben, weil wir Sie in unserer<br />

Liste der 100 peinlichsten<br />

<strong>Berlin</strong>er aufgenommen hatten.<br />

Sie machen das mit viel Humor.<br />

SCHWEIGER Das hat mir auch<br />

einen wahnsinnigen Spaß ge-<br />

macht, die Szene zu drehen.<br />

Aber ich würde es nicht noch<br />

mal machen.<br />

Aber nicht, weil Sie uns schonen<br />

wollen?<br />

Nein, weil das ein Insider-Gag<br />

war, der für viele Zuschauer<br />

nicht nachvollziehbar war, die<br />

dann die Szene als unrealistisch<br />

empfanden.<br />

Was ist für Sie der Maßstab für<br />

eine gelungene Komödie?<br />

Wenn ich lache.<br />

Zum Beispiel?<br />

„Keinohrhasen“.<br />

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2011 • Juli • tip 15<br />

Klaus Lemke<br />

„ein Splitter vom paradies“ – der Münchener regisseur<br />

Klaus Lemke hat sich hemmungslos in <strong>Berlin</strong> verliebt<br />

Auf seine alten Tage hat der<br />

Münchener Guerilla-Filmemacher<br />

Klaus Lemke seine Liebe zu<br />

<strong>Berlin</strong> entdeckt. Er sagt, dass<br />

ihm die Stadt so gut gefällt, weil<br />

man hier lernen kann, glücklich<br />

von einer Katastrophe des Lebens<br />

in die nächste zu schreiten.<br />

»Die Bauarbeiter in<br />

den Cafés sehen hier<br />

aus wie Rockstars«<br />

Lassen Sie uns über <strong>Berlin</strong> sprechen.<br />

Vor ein paar Jahren sagten<br />

Sie in einem Interview, <strong>Berlin</strong><br />

sei gar nichts. Neowilhelminischer<br />

Unsinn. Eine Steinwüste.<br />

Was für verwirrte Söhne,<br />

verspannte Töchter. Warum<br />

drehen Sie nun trotzdem hier?<br />

LEMKE Erst mal glaube ich, dass<br />

der Satz mit den Söhnen und<br />

Töchtern immer noch stimmt.<br />

Aber der ist egal. <strong>Berlin</strong> ist die<br />

einzige Stadt, die tatsächlich<br />

ideologiefrei ist. Weder katholisch<br />

wie München noch in der<br />

calvinistischen Ideologie der<br />

Dinge gefangen wie Hamburg.<br />

Jeder hier, der nicht ganz doof<br />

ist, versucht sich ein Stück Boheme<br />

zu erhalten. (...) Für die<br />

meisten Leute sind die 14 Tage,<br />

die sie hier verbringen, die freiesten<br />

ihres Lebens. In dieser<br />

Stadt, die nur aus Lücken besteht.<br />

Man kann in <strong>Berlin</strong> lernen,<br />

glücklich von einer Katastrophe<br />

des Lebens in die nächste zu<br />

schreiten.<br />

Ist es trotzdem nicht etwas seltsam,<br />

dass Sie ausgerechnet<br />

vorm Oberholz gedreht haben,<br />

der <strong>Berlin</strong>er Zentrale der Webkreativen?<br />

Das ist ganz fantastisch mit denen.<br />

Ich kann dort alles machen.<br />

Wir haben davor schon mit Stühlen<br />

geschmissen. Alle, die da<br />

sitzen, wollen zum Film, deswegen<br />

sagen sie nichts.<br />

Gibt es noch andere Gründe,<br />

warum Sie <strong>Berlin</strong> auf einmal ins<br />

Herz geschlossen haben?<br />

Die Straße des 17. Juni mit dem<br />

Sowjetischen Ehrenmal, mit den<br />

Panzern, das ist eindrucksvoll.<br />

Wir sind nächtelang durch die<br />

Stadt gefahren. Du fährst eine<br />

Stunde lang und es ist immer<br />

noch Stadt. Das ist für uns ungewöhnlich.<br />

Oder wenn ich hier<br />

die Bauarbeiter in den süßen,<br />

kleinen billigen Cafés sehe – die<br />

sehen hier aus wie Rockstars.<br />

Was hier alles in der U-Bahn<br />

fährt, in dem Karton, also in dem<br />

Waggon, das ist hier so bunt.<br />

Oder die Wohnungen, die hundertmal<br />

größer sind als das, was<br />

ich mir in München leisten könnte.<br />

Mit dieser Notbeleuchtung,<br />

da hat man fast Angst, vergewaltigt<br />

zu werden in der Ecke.<br />

Das klingt ja wie eine Liebeserklärung.<br />

<strong>Berlin</strong> ist für mich wie ein Splitter<br />

vom Paradies. Ich gehe<br />

manchmal weinend durch die<br />

Straßen, weil ich so viel Glück<br />

habe, das in meinem Alter noch<br />

kennenlernen zu dürfen.<br />

44 40 JaHre tip tip 13·12


Die 2000eR JAHRe • 40 JAHRe TIP<br />

2010 • August • tip 19<br />

Christoph Schlingensief<br />

Christoph Schlingensief starb im august 2010. ein Nachruf<br />

„Es ist so schön, Blödsinn zu machen,<br />

dass einfach nur das Leben<br />

da ist. Ich will, dass diese Krankheit<br />

abhaut, dass sie von der<br />

Erde verschwindet“, hat Christoph<br />

Schlingensief, schon schwer<br />

krank, vor gut einem Jahr in seinem<br />

letzten tip-Interview gesagt,<br />

wütend, verletzt und lebensbejahend,<br />

auch wenn das<br />

Eure<br />

Leben wehtut. Die Ehrlichkeit,<br />

mit der er sich in seinen letzten<br />

Inszenierungen und dem Buch<br />

über seine Krebserkrankung mit<br />

seinem drohenden Sterben auseinandergesetzt<br />

hat, hat vielen<br />

Menschen in ähnlichen Situationen<br />

geholfen. Und vermutlich<br />

jeden, der sich da rauf eingelassen<br />

hat, tief berührt. Christoph<br />

Schlingensief war ein sehr besonderer<br />

Mensch. Sein Mut, seine<br />

Warmherzigkeit, seine ziemlich<br />

radikale Kunst, sein guter<br />

Humor, eine menschliche und<br />

künstlerische Integrität und<br />

Nicht-Korrumpierbarkeit, die<br />

weder durch Erfolg noch durch<br />

Karrierekrisen gefährdet war, die<br />

scheinbar kindliche unverstellte<br />

Unschuld, mit der er sich in seine<br />

Theater-, Kino- und Kunstabenteuer<br />

gestürzt hat, machen ihn<br />

zu einer Ausnahme in einem Kulturbetrieb,<br />

der fast nur aus Profis,<br />

kaum aus Leuten, die aufs<br />

Ganze gehen, zu bestehen<br />

scheint. Deshalb gibt es auch<br />

keinen Widerspruch zwischen<br />

seinen harten Schock-Kunstwerken<br />

und dem letzten Projekt, ein<br />

Festspielhaus für Afrika zu bauen:<br />

Immer ist das Kunstwerk, mit<br />

einem von Beuys geliehenen<br />

Lieblingsausdruck Schlingensiefs,<br />

eine „soziale Plastik“.<br />

Kunst war für Christoph Schlingensief<br />

kein Beruf, sondern eine<br />

Lebensform, die einzig mögliche<br />

Weise, sich in der Welt zu bewegen.<br />

Christoph Schlingensief war<br />

für das Theater, für die Aktionskunst<br />

und erst recht für viele<br />

Menschen, die ihn kannten, das,<br />

was Fassbinder, neben Beuys<br />

wahrscheinlich sein zweites großes<br />

Vorbild, für das deutsche<br />

Kino sein wollte: jemand, nach<br />

dem nichts mehr ist wie davor.<br />

13·12 tip 40 JaHre tip 45


»Die<br />

Rechtschreibreform<br />

ist alternativlos!«<br />

Schöne Grüße andas „<strong>Tip</strong>p“<br />

Direktam<br />

Bahnhof Friedrichstraße<br />

www.distel-berlin.de<br />

Kasse: 2044704<br />

Hoch die Tassen!<br />

Die taz gratuliert zum<br />

40. Geburtstag.<br />

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GLÜCKWUNSCH<br />

TIP BERLIN!<br />

Wir sagen DANKE und<br />

freuen uns auf die<br />

weitere Zusammenarbeit.<br />

Sie zahlen das teurere u. erhalten ein weiteres<br />

Hauptgericht bis max. 8 gratis dazu.<br />

ü<br />

abspann<br />

Wir danken herzlich den autoren, aus deren texte wir auf<br />

den vorangegangenen Seiten zitiert haben ...<br />

Bernd Albrecht (7), Wolfgang Altmann (42), Joel Amaretto (28), Helmut Blecher (6),<br />

Michael Böhm (17), Nick Cave (20), Rudolph Dolezal (20), Wolf Donner (28), Ottavio<br />

endrizzi (7), eraserhead (22), Laura ewert (41), Jörg Fauser (20), Monika Frey (8), Oliver<br />

Gehrs (40), Wolfgang Gersch (25), Fiesta Gitana (6), Barry Graves (14, 22), Hans Jürgen<br />

Günther (16), iris Hahnemann (7), Brigitte Herdlitschke (26), Karl Hermann (36, 37),<br />

Alfred Holighaus (27), Bärbel Jäschke (9), Julia Johannsen (36), Wladimir Kaminer (33),<br />

Knud Kohr (33), Peter Lauderbach (31, 32, 35, 38, 39, 45), Olaf Leitner (15, 16), Dimitri<br />

Leningrad (18), Stephen Locke (12), Lutz Manthe (9), Werner Mathes (11, 12, 13, 17),<br />

Rebecca Menzel (40), Katrin Bettina Müller (29), Wolfgang Neuss (23), Sassan Niasseri<br />

(38), Katja Nicodemus (34), Beate Ostermann (26), Hans-Ulrich Pönack (14, 16), Qpferdach<br />

(26, 32, 37), Carola Rönneburg (27), Hans-Georg Sausse (18), Rüdiger Schaper (21,<br />

22, 30, 32), Michaela Schlagenwerth (35), Barbara Schnurle (15), eberhard Seidel-Pielen<br />

(27), Andre Simonoviescz (8), Stief (6), Johnnie Stieler (32), Kaus Stemmler (4), Nicolas<br />

Sustr (44), Christoph Terhechte (29), Sascha Rettig (39), Klaus Vogt (30), Thomas<br />

Weiland (38), Heiko Zwirner (42, 43)<br />

... und den Kolleginnen und Kollegen aus 40 Jahren:<br />

Jackie A.<br />

Stefan Abtmeyer<br />

Karin Aderholt<br />

Bernd Albrecht<br />

Betty Amrhein<br />

eva Apraku<br />

Bettina Baumgartl<br />

Jens Berger<br />

Thomas Behrendt<br />

Anna Blancke<br />

Helmut Blecher<br />

Robert Bleyl<br />

Karim Bouchouchi<br />

Bernhard Braith<br />

iris Braun<br />

Wolfgang Brenner<br />

Christian Bug<br />

Dietmar Bührer<br />

Oliver Burghard<br />

Heiner Deja<br />

Wolfgang Doebeling<br />

Olga-Louise Dommel<br />

Wolf Donner<br />

Joachim Düring<br />

Johannes Duringer<br />

eugen egner<br />

Friedrich eckelt<br />

Laura ewert<br />

Katrin Falkenberg<br />

Jörg Fauser<br />

Sandra Feldt<br />

Michael Z. Fischer<br />

Monika Frey<br />

Uwe Gaschler<br />

Oliver Gehrs<br />

Fred & Günther<br />

Britta Geithe<br />

Smetty Gensch<br />

Petra Grimm<br />

Constanze Groß<br />

Dirk Grünheit<br />

Volker Gunske<br />

Hans-Jürgen Günther<br />

Doja Hacker<br />

iris Hahnemann<br />

Claudia Harder<br />

erik Heier<br />

Christine Heise<br />

elke Hemmen<br />

André C. Hercher<br />

Karl Hermann<br />

eva-Maria Hilker<br />

Birgit Hoffmann<br />

Bodo Hoffmann<br />

Alfred Holighaus<br />

Amelie Holtfreter-Glienke<br />

Peter W. Jansen<br />

Axel Jacobi<br />

ilka Jänicke<br />

Bärbel Jäschke<br />

Silke „Jenny“ Jentzsch<br />

Renate Junge<br />

Sebastian Kasper<br />

Heike Keil<br />

Stefan Klaasen<br />

Andrea Kloidt<br />

Brigitta Kock<br />

Konstanze Köhler<br />

Gabriele König<br />

Heike Korge<br />

Ulrike Kowalski<br />

Christiane Lang<br />

Martin Lang<br />

Michael Langenstein<br />

Peter Laudenbach<br />

Stephan Lehmann<br />

Martina Leykamm<br />

Olaf Leitner<br />

Hagen Liebing<br />

Marcus Liesenfeld<br />

Stephen Locke<br />

Dorit Loock<br />

Reszö Markovicz<br />

Julia Martineck<br />

Werner Mathes<br />

Matthias Matussek<br />

Bernd Maywald<br />

Jürgen Meurer<br />

Norbert Michalke<br />

Wiebke Mieder<br />

Cristina Moles Kaupp<br />

Natalie Moritz<br />

Lillian Mousli<br />

Svjetlana Mur<br />

Werner „Hase“ Müsch<br />

Betty Myller<br />

erik Neumann<br />

Sönke Lars Neuwöhner<br />

Sassan Niasseri<br />

Katja Nicodemus<br />

Ruth Nicolay<br />

Thomas Nöske<br />

Roland Oelfke<br />

OL<br />

Beate Ostermann<br />

Michael Ostermann<br />

Jürgen Otte<br />

Roland Owsnitzki<br />

Daniel Papra<br />

Winfried Passilewicz<br />

Lars Penning<br />

Gert Pflüger<br />

Angelika Philipp<br />

Svea Pietschmann<br />

Bernd Pohlenz<br />

Hans-Ulrich Pönack<br />

Sven Poser<br />

Benjamin Pritzkuleit<br />

Alfons Puke<br />

Qpferdach<br />

Jim Rakete<br />

Rattelschneck<br />

Babette Rautenberg<br />

Bert Rebhandl<br />

Regina Reddig<br />

Petra Reiche<br />

Gertraud Richter<br />

Riesenmaschine<br />

Carola Rönneburg<br />

Andreas Rost<br />

Thea Sahm<br />

Bernd Sauer-Diete<br />

Hans-Georg Sausse<br />

Rüdiger Schaper<br />

Christian Scharff<br />

Susan Schiedlofsky<br />

Heike Schmidbauer<br />

edeltraud Schmidt<br />

Kai Schmidt<br />

Sandra Schmidt<br />

Harry Schnitger<br />

Denise Schöwig<br />

Rainer Schulz<br />

Anne Schuster<br />

ingo Schütte<br />

Mike Schüttler<br />

Kornelia Schwarz<br />

Christine Seibold<br />

Guido Sieber<br />

Andre Simonoviescz<br />

elena Skobalj<br />

Thomas Skorloff<br />

Jacek Slaski<br />

Dana Sohrmann<br />

Frank Sperling<br />

Anita Staud<br />

Klaus Stemmler<br />

Carola Stoiber<br />

Armin Stolz<br />

Holger Stück<br />

Christoph Terhechte<br />

Astrid Tetzel<br />

Dirk Teuber<br />

Melanie Thamm<br />

László Trepák<br />

Dieter Trompeter<br />

Sylvia Troschke<br />

Susanne Vahl<br />

Michael Vahlsing<br />

Carsten van Ryssen<br />

eva Vierling<br />

Karin Vogel<br />

Kerstin Vogel<br />

elisabeth Völker<br />

David von Becker<br />

Katharina Wagner<br />

Marcus Weingärtner<br />

Michael Werzinger<br />

Claudia Wiegand<br />

Sonja Witkowski<br />

Oliver Wolff<br />

Martin Zeising<br />

Heiko Zwirner<br />

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tip 13·12

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