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Inzucht und Exogamie

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Gendrift <strong>und</strong> <strong>Inzucht</strong><br />

46<br />

Der Feststellung von Morin: "Die <strong>Exogamie</strong> erweitert die genetische Vermischung<br />

in demographischem Sinne, bewirkt also wachsende Unterschiede zwischen<br />

den Individuen," 75 kann man deshalb auch nicht ohne eine nähere Betrachtung<br />

der Kontextbedingungen zustimmen. Sie gilt so nur für die Panmixie größerer<br />

Populationen, nicht aber für die sog. einfachen <strong>Exogamie</strong>systeme, die ja per<br />

definitionem Syteme der Verwandtenheirat sind. Mit Rücksicht auf diese Differenz<br />

läßt sich die bereits zitierte Schlußfolgerung von Chopra auch auf die Regel<br />

bringen: Je deutlicher sich endogame Gruppen voneinander unterscheiden, je<br />

stärker sich die Individuen innerhalb der endogamen Gruppen gleichen, desto<br />

schwerer wird die Zwischenheirat zwischen diesen endogamen Kreisen. Und, um<br />

diese Formengleichheit der Gruppen aufrecht zu erhalten, erscheint auch sehr<br />

häufig desto demonstrativer ihre Fremdenfeindlichkeit. Aber, je differenzierter die<br />

Individuen der ausheiratenden Gruppen, je größer die gruppeninterne somatische<br />

Differenzierung, desto ausgeglichener erscheint der exogame Horizont, d.h. die<br />

Zeugungs-Einheit, welche die Fremden integriert. Die Ausdehung der genetischen<br />

Vermischung hängt also ganz von dem Grenzverhältnis der <strong>Exogamie</strong> zur<br />

Endogamie ab, d.h. von dem Umfang <strong>und</strong> der Reichweite der Verwandtschaft der<br />

endogamen Gruppe, deren Segmente zueinander in exogamen Relationen stehen.<br />

Im Falle der konsequent praktizierten Verwandtenehe nivelliert sich die Differenz<br />

der exogamen Gruppen auf den Durchschnitt der endogamen Einheit, die<br />

ihrerseits morphologisch sich immer stärker von den benachbarten endogamen<br />

Einheiten zu unterscheiden beginnt <strong>und</strong> wegen der politischen Funktion des<br />

Heiratsvertrages sich auch politisch von ihnen deutlich absondert. Mit der<br />

politisch praktizierten Differenzierung stellt sich auch eine endogamiebedingte<br />

somatische ein, welche der politischen Differenzierung nun auch in der Variation<br />

der Körperformen ein sinnliches Erscheinungsbild liefert, d.h. ihrer Solidarität<br />

eine zusätzliche Ausdrucksmöglichkeit liefert.<br />

Dieser nach innen homogenisierende Effekt der Heiratsregeln mit relativ hohem<br />

<strong>Inzucht</strong>skoeffizienten, der die Gruppen mit der Funktion des Zeugungskreises genetisch<br />

immer stärker voneinander abgrenzt <strong>und</strong> damit ihre Differenzen auch<br />

biologisch unterstreicht, was die Heiratsregeln als Allianzsystem politisch intendieren,<br />

d.h. der die Mitglieder innerhalb seiner Grenzen sich immer ähnlicher erscheinen<br />

läßt, darf bei der Erklärung der rassischen Lokal-, Misch- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>formen<br />

(also der Körper- <strong>und</strong> der Kulturformgruppen) nicht vernachlässigt werden,<br />

denn die Konsequenz der Heiratsregulierung ist eine Form, <strong>und</strong> zwar des<br />

künstlich oder institutionell bedingten Gendrifts unter den Bedingungen reproduktiver<br />

Isolation (z.B. Clan- oder Stammesendogamie). Der durch Isolation<br />

begründeten Zufallsauslese, die man Gendrift nennt, muß die künstlich hergestellte<br />

oder kulturell institutionalisierte Auslese der einfachen <strong>Exogamie</strong>systeme<br />

75 E.Morin, Das Rätsel des Humanen, München 1974, S.191

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