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Inzucht und Exogamie

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in den genetischen Erhebungen von Sanghvi (siehe unten) vermittelt werden, die<br />

das Verhältnis der <strong>Inzucht</strong> zu den in Südindien praktizierten Verwandtenehen so<br />

dargestellt haben, daß es auch soziologisch interpretiert werden kann.<br />

Das Auftreten verschiedener Erbmerkmale oder das häufigere Vorkommen von<br />

Erbänderungen in einer Population einerseits <strong>und</strong> das Verschwinden von Merkmalen<br />

in ihr andererseits, die differente Neubildung oder der differente Untergang<br />

von Anlagen, bewirkt eine Differenzierung von Rassen oder Körperformgruppen.<br />

Beide Vorgänge erscheinen also auch in der Folge fortgesetzter <strong>Inzucht</strong>verbindungen,<br />

welche die Heiratsregeln festschreiben, die man mit Levi-Strauss die<br />

"einfachen <strong>Exogamie</strong>systeme" nennt.<br />

Auch die Auswirkung der durch die einfachen <strong>Exogamie</strong>systeme bedingten <strong>Inzucht</strong><br />

kann man mit Chopra folgendermaßen beschreiben: "Die Zunahme der<br />

Homozygotie in Inzestfamilien (gemeint ist der Begriff <strong>Inzucht</strong>familie/ H.S.) reduziert<br />

die Variabilität eines Merkmals, d.h. die Familienmitglieder werden untereinander<br />

ähnlicher sein als bei panmiktischen Ehen. Dagegen nimmt die Variabilität<br />

zwischen den Familien zu." 73 Einzelne Familiengrippen als Erblinien eines<br />

Erbliniengemischs (=Population) differenzieren sich über die <strong>Inzucht</strong> aus zu<br />

eigenständigen Populationen oder endogamen Stammesgruppen <strong>und</strong> fixieren ihre<br />

Differenz gegenüber den Erblinien jener Population, zu der sie vor der Abspaltung<br />

durch <strong>Inzucht</strong> gehört haben. So erscheint in genetischer Perspektive der<br />

Vorgang, den Ethnologen <strong>und</strong> Soziologen Segmentierung, respektive Fission<br />

nennen, der bewirkt, daß die solidaritätsbedingte Restriktion der Gattenwahl mit<br />

der Angleichung der Körperformen der Gruppe ihrer Solidarität auch einen morphologischen,<br />

d.h. an ihren Mitgliedern äußerlich sichtbaren Ausdruck verleihen.<br />

Auf welche Weise diese Gruppen sich der ausdifferenzierten Körpermerkmale<br />

bedienen, haben wir oben an den Beispielen der Heiratsklassenzuschreibungen zu<br />

Konstitution <strong>und</strong> Temperament <strong>und</strong> zu anderen genetischen Merkmalen bereits<br />

beschrieben.<br />

Die Abgrenzung der Stämme zu endogamen Einheiten korrespondiert unter<br />

bestimmten Bedingungen auch mit jener Abgrenzung durch Sprache oder noch<br />

allgemeiner durch die Kultur (Sitten, Bräuche, Riten, Mythen, materielle Kulturgüter),<br />

die ihrerseits, schon der Kommunikationsprobleme wegen, die Heiratsneigung<br />

jenseits ihrer Grenzen hemmen. Prozesse dieser Art kann man besonders<br />

gut in Neu Guinea studieren, wo Kulturen <strong>und</strong> Sprachen mit relativ kleinen<br />

Gruppen als ihren Trägern im Abstande kleinster Radien variieren. Deshalb<br />

korreliert mit der Differenz der Kulturen unter archaischen Bedingungen häufig<br />

auch eine genetisch sich manifestierende Abgrenzung von Zeugungskreisen<br />

(kleinen Ethnien als Körper- wie Kulturformgruppen), welche ihre morphologische<br />

Unterschiedlichkeit durch <strong>Inzucht</strong>, d.h. durch die Formen ihrer Verwandtenheirat,<br />

fixieren, genauso wie sie ihre politische Integration durch Heirat oder<br />

Herstellung verwandtschaftlicher Beziehungen betreiben. Ihre Kontaktverweigerung<br />

jenseits ihrer Territorialgrenzen führt auch zu den erwähnten Dialektgren-<br />

73 R.Chopra, Populationsgenetische Konsequenzen von Inzest, ibid, S.328

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