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Vitus» auf CD mit ZKO Neues «Outfit» - Jecklin & Co. AG

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Porträt<br />

Sportliche Eleganz:<br />

Bariton Simon Keenlyside<br />

Halb zwei war ausgemacht. Schlag halb<br />

zwei steht er da. Doch davor hatte er<br />

mehr als ein Jahr <strong>auf</strong> sich warten lassen.<br />

Interviews <strong>mit</strong> Simon Keenlyside?<br />

No way.<br />

In seiner Garderobe dann im Opernhaus<br />

wischt er die ausgemachten dreissig Minuten<br />

<strong>mit</strong> einer Handbewegung zur Seite.<br />

Fragen Sie, was Sie wollen, ich habe Zeit.<br />

Wie er da so vorne <strong>auf</strong> der Stuhlkante<br />

sitzt, hat er nichts, aber gar nichts vom<br />

Don Giovanni des Vorabends, der raffiniert<br />

und charmant, athletisch und<br />

ziemlich aus der Hüfte gesteuert über die<br />

Zürcher Bühne fegt. Keenlyside am Tag<br />

dar<strong>auf</strong> ist freundlich, entschuldigt sich<br />

für sein nicht ganz perfektes Deutsch<br />

und ist vor allem bemüht, es möglichst<br />

gut zu machen. Auf diesen Gegensatz<br />

angesprochen, lässt er zuerst ein grosses<br />

Lachen folgen. Dann: «Also im Ernst! –<br />

es wäre doch ziemlich albern, heute zu<br />

behaupten, dass ich bin, was ich spiele.<br />

Das Ding heisst Theater, es heisst Sotun-als-ob.<br />

Wir Sänger sind gewöhnliche<br />

Leute, die lediglich behaupten, etwas anderes<br />

zu sein.»<br />

Nun ja – wenn man ihn über seine<br />

Kindheit reden hört, könnte man ihm<br />

das Gewöhnliche fast glauben. Vater und<br />

Grossvater waren zwar Musiker und<br />

spielten Klein Simon <strong>mit</strong> Haydn und<br />

Mozart in den Schlaf. Trotzdem dachte<br />

er, selber Geige spielend, nie daran, in<br />

ihre Fussstapfen zu treten. Da war ihm<br />

das Singen schon lieber, was allerdings<br />

nicht nur einfach war: «Singende Knaben<br />

wurden ganz schön gehänselt. Zum<br />

Glück war ich fit und sportlich.» So kam<br />

er <strong>mit</strong> acht Jahren <strong>auf</strong> die Chorschule des<br />

St. John’s <strong>Co</strong>llege in Cambridge, wo er alles<br />

lernte, was ihm für sein späteres Musikerleben<br />

nützlich sein konnte. «Und<br />

meine Stimme damals? Das Beste an ihr<br />

war, dass sie gänzlich unbeschädigt<br />

war.»<br />

Sprachgefühl im Sängergepäck<br />

Einer seiner frühen Gesangslehrer packte<br />

ihm das Gefühl für Sprache, für Worte<br />

und den sorgfältigen Umgang da<strong>mit</strong> in<br />

sein Sängergepäck. Wenn er also französisch<br />

singt, Pelléas zum Beispiel, so feilt<br />

er so lange an seinen Sprechwerkzeugen<br />

herum, bis jede Bindung sitzt und jeder<br />

nasale Laut – dennoch – klingt. Bei<br />

Schumann oder Strauss gibt er keine<br />

Ruhe, bevor nicht jedes ch oder k weich<br />

und dennoch verständlich geformt ist.<br />

Und sein Italienisch trainiert er so lange,<br />

bis er sich auch im Schlaf nicht verheddert<br />

im Schnellsprechen und -singen. Es<br />

bleibe ihm gar nichts anderes übrig,<br />

meint er, «denn ich singe ja selten in meiner<br />

Muttersprache. Es ist auch ein Respekt<br />

vor dem Werk, dass ich mich bemühe,<br />

die jeweilige Sprache zu sprechen.»<br />

Erfolg <strong>mit</strong> Pelléas und Abschied<br />

Seine professionellen Gesangs-Anfänge<br />

waren alles andere als geschenkt. Die jugendliche<br />

Stimme war zwar baritonal,<br />

aber leicht. Und wenn du keinen Faust’schen<br />

Packt schliessen willst, riet ihm<br />

sein Lehrer, dann bleib vorerst beim Liedgesang.<br />

Da<strong>mit</strong> war es allerdings schwierig,<br />

ein Auskommen zusammenzukratzen.<br />

Auch das ist Keenlyside: Die Kunst<br />

ist edel und darf hoch hin<strong>auf</strong>fliegen,<br />

aber <strong>mit</strong> den Füssen bleibt er dabei lieber<br />

<strong>auf</strong> dem Boden.<br />

Sein erstes Engagement – das war 1987<br />

– führte ihn nach Hamburg an die<br />

Staatsoper und schmiss ihn ziemlich<br />

unsanft in den Opernalltag. «Am Tag<br />

meiner Ankunft ging ich noch in Jeans<br />

und im Hemd durchs «Figaro»-Bühnenbild,<br />

tags dar<strong>auf</strong> steckte ich bereits im<br />

Almaviva-Kostüm, und es galt ernst. Ich<br />

sang zwölfmal den Grafen, habe nie vorher<br />

den Dirigenten gesehen, und meine<br />

verschiedenen Gräfinnen erkannte ich<br />

auch nur, weil alle dasselbe Kostüm trugen.»<br />

Nach einem guten Jahr verliess er<br />

Hamburg: nie wieder Hausbariton!<br />

Das Stagione-System passt ihm deshalb<br />

bestens, und über die Arbeit im Grand<br />

Théâtre Genf, wo er lange vor seinem<br />

Salzburger Erfolg den Pelléas sang, gerät<br />

er regelrecht ins Schwärmen. «Ich hatte<br />

eine wunderbare Zeit in Genf, ja ich glaube,<br />

es war einer meiner schönsten Pelléas.<br />

Wir steckten tief in dieser urfranzösischen<br />

Atmosphäre: Der Dirigent Louis<br />

Langrée, das Orchestre de la Suisse Romande,<br />

die Regie von David Caurier und<br />

Moshe Leiser – alles war französisch.»<br />

An Ostern sang er in Salzburg zum letzten<br />

Mal Pelléas – «es war zugleich mein<br />

schönster». Simon Rattle als Dirigent<br />

und umsichtiger Animator einerseits,<br />

die Partnerin Angelika Kirchschlager<br />

<strong>mit</strong> ihrer zauberhaften Mélisande andererseits.<br />

Unvergesslich aber vor allem,<br />

weil sich Keenlyside <strong>mit</strong> dieser Produktion<br />

von der Partie verabschiedet hat.<br />

«Jede Bühnenfigur hat auch ihr Verfalldatum.<br />

Bald werde ich 50 – Zeit, sich von<br />

diesem Jüngling zu trennen. Ich habe<br />

mich bereits im Dezember von Billy Budd<br />

verabschieden müssen – der ist ja noch<br />

jünger. Ich gestehe es: Gleich zwei Rollen<br />

innerhalb so kurzer Zeit, das bringt mich<br />

schon etwas aus dem Gleichgewicht.<br />

Aber ich sage mir: There are other fish<br />

to fry!»<br />

Die choreografierte Winterreise<br />

Mit deutschen Liedern ist der junge Keenlyside<br />

einst gross geworden. Allerdings<br />

ging er damals noch mehr vom Bild des<br />

Sängers in der Flügel-Ecke aus. Erst später<br />

kam er in Kontakt <strong>mit</strong> einer der führenden<br />

zeitgenössischen Choreographinnen,<br />

<strong>mit</strong> Trisha Brown. Sie inszenierte<br />

Monteverdi, er sang den Orfeo – und aus<br />

ihm ward ein bewegter Sänger. Dann –<br />

vor drei Jahren – erstaunte Simon Keenlyside<br />

in Luzern <strong>mit</strong> einer choreografierten<br />

Winterreise. Um nicht missverstanden<br />

zu werden: Der Sänger selbst war auch<br />

Tänzer. Im leichten Leinenanzug und<br />

nackten Fusses stand oder lag er oder<br />

schritt über die Bühne und sang.<br />

«Sage jemandem, ein Engländer singt die<br />

Winterreise und tanzt dazu – und er wird<br />

sich vor Lachen krümmen. Ich kann das<br />

sogar verstehen. Ich werde auch heute<br />

noch oft dar<strong>auf</strong> angesprochen in Interviews:<br />

Werden Sie vielleicht als nächstes<br />

zum Schwanengesang tanzen, Herr Keenlyside?<br />

Aber da lasse ich mich nicht provozieren;<br />

es war ein wunderschönes Projekt.<br />

Und selbst wenn es ein Flop geworden<br />

wäre: ich war mir sicher, dass ich meinen<br />

folgenden Winterreisen in jedem Fall<br />

näher stehen würde als davor.» Eine Stunde<br />

ist bis hierher verstrichen. Warum geben<br />

Sie sich so zickig <strong>mit</strong> der Presse –<br />

steht da noch als letzte Frage <strong>auf</strong> dem<br />

Papier. Soll ich? Soll ich nicht? Lieber bleiben<br />

lassen. «Wissen Sie», meint Keenlyside<br />

beim Verabschieden und off the record,<br />

«alle sagen immer, ich sei so zickig<br />

<strong>mit</strong> den Medien. Ich weiss gar nicht, warum<br />

ich diesen Ruf habe.» Nein, weiss<br />

ich auch nicht. Gabriela Kaegi<br />

Simon Keenlyside, Tales Of Opera, Bellini,<br />

Cilea, Leoncavallo, Massenet, Mozart, Rossini,<br />

Wagner, Münchner Rundfunkorchester, Ulf<br />

Schirmer, Leitung | Fr. 34.90, Best-Nr. 1<br />

R. Schumann, The Songs of Robert Schumann,<br />

Simon Keenlyside, Bariton, Graham Johnson,<br />

Klavier | Fr. 38.90, Best-Nr. 2<br />

W.A. Mozart, Don Giovanni, <strong>mit</strong> Simon Keenlyside<br />

als Don Giovanni, Chamber Orchestra of<br />

Europe, Claudio Abbado, Leitung<br />

Fr. 98.70, Best-Nr. 3<br />

Benjamin Britten, Billy Budd, Simon Keenlyside,<br />

London Symphony Chorus, Tiffin Boys’<br />

Choir, Richard Hickox, Leitung<br />

Fr. 72.–, Best-Nr. 4<br />

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