ZAHNÄRZ TEBLATT
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Bedeutung einer Tugendethik für die<br />
gegenwärtige Zahn-Medizin-Ethik – Teil 1<br />
HISTORISCHES PARADIGMA ALS MORALISCHE RICHTSCHNUR<br />
<strong>ZAHNÄRZ</strong>TLICHER GRUNDHALTUNG<br />
In den letzten Jahren beginnt „Ethik in der Zahnheilkunde“<br />
zunehmend, sich als ein eigenständiges Thema der<br />
zahnmedizinischen Fachdiskussion zu etablieren. Deutsche<br />
Wissenschaftler beschäftigen sich verstärkt damit,<br />
ein Arbeitskreis Ethik in der DGZMK wurde gegründet,<br />
und Ethik hält Einzug in die Aus- und Fortbildung von<br />
Zahnärzten. Der niedergelassene Zahnarzt Dr. Peter<br />
Weißhaupt, Iserlohn, hat sich im Rahmen einer Master-<br />
Arbeit mit Zahn-Medizin-Ethik auseinandergesetzt und<br />
diese und weitere Ausarbeitungen in einem Buch publiziert.<br />
Ihm geht es darum, aus der Perspektive eines<br />
Praktikers zu verdeutlichen, wie wichtig die Sensibilisierung<br />
von Zahnärzten für die ethischen Implikationen ihres<br />
Tuns ist.<br />
Ältestes historisches Paradigma: Tugendethik<br />
Ethische Determinanten der Zahnarzt-Patienten-Beziehung<br />
sind einerseits das ärztlicher Profession immanente Versprechen,<br />
das für den Patienten Gute als Zweck zahnärztlichen<br />
Handels anzustreben, und andererseits die auf Vertrauensvorschuss<br />
gründende berechtigte Erwartungshaltung an<br />
den Zahnarzt, dieses Versprechen einzulösen. Als Leitlinie<br />
für die – notwendige – Orientierung (zahn-) ärztlicher<br />
Grundhaltung kann die Tugendethik von aktueller Bedeutung<br />
sein.<br />
Tugend, etymologisch von Tauglichkeit und Vortrefflichkeit,<br />
bezeichnet die „vorzügliche Haltung einer Person in einem<br />
spezifischen Bereich menschlichen Könnens und menschlicher<br />
Erfahrung, deren Besitz und Ausübung uns im<br />
allgemeinen in die Lage versetzt, die Güter zu erreichen,<br />
die einer Praxis inhärent sind, und deren Fehlen wirksam<br />
verhindert, solche Güter zu erreichen.“ (MacIntyre).<br />
Tugenden auf Ziele zu beziehen, löst das ursprüngliche<br />
Problem, sie überhaupt zu definieren. Definitionsversuche<br />
wie: Tugenden sind Charakterzüge tugendhafter Personen,<br />
oder tugendhaft ist, wer Tugenden erkennen lässt, führen<br />
zu einem Zirkelschluss. Bezieht man Tugenden jedoch auf<br />
Ziele, „gibt dies dem moralischen Leben einen Vektor:<br />
Richtung und Maß von einem Ausgangs- bis zu einem<br />
Endpunkt.“ (Pellegrino).<br />
Als das historisch erste der ethischen Paradigmen lässt<br />
sich die Tugendethik von der Verpflichtungsethik und der<br />
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Nutzenethik anhand von Leitfragen unterscheiden:<br />
Tugendethik: In welche Handlungsweisen müssen sich<br />
die Bürger einüben, damit sie taugliche Staatsbürger sind?<br />
Verpflichtungsethik: Wie lässt sich rechtfertigen, dass<br />
Akteure kategorisch verpflichtet sind, bestimmte Handlungen<br />
auszuführen bzw. zu unterlassen?<br />
Nutzenethik: Wie lässt sich eine Handlung auszeichnen,<br />
die für möglichst viele Menschen möglichst erwünschte<br />
Erfolge zeigt?<br />
Der primäre Typ ethischen Urteilens wird somit erkennbar:<br />
Dies ist für die Tugendethik die Bewertung von Personen,<br />
für die Verpflichtungsethik die Bewertung von Handlungen,<br />
(als weltweit anerkannt gilt hier die in den 70er Jahren von<br />
Beachamp und Childress für die Medizin konzipierte Prinzipien-Ethik),<br />
und für die Nutzenethik die Realisierung eines<br />
utilitären Optimums. Als geistige Väter des tugendethischen<br />
Paradigmas gelten Platon und Aristoteles.<br />
Platons Ideal: Der gerechte Staat<br />
Platon stellt die primär auf den Bereich der Individualethik<br />
des Sokrates bezogene Frage nach dem Guten in den<br />
umfassenden Kontext politisch sozialen Handelns. Platon<br />
gelangt zu seiner Ideenlehre durch die Enttäuschung über<br />
die politische Situation seiner Zeit; bei seiner Beschäftigung<br />
mit der Politik stellt er fest, dass Ungerechtigkeit und<br />
Korruption herrschen; daher sein Anspruch auf radikale<br />
Rückbesinnung auf die Fundamente des Staates, d.h. auf<br />
das Wesen der Gerechtigkeit. Platon konstatiert: Der Mensch<br />
weiß ursprünglich, was Gerechtigkeit und die anderen<br />
Tugenden bedeuten. Er trägt in seiner Seele bereits deren<br />
Urbilder, die Ideen mit sich, deren er sich – als bereits vor<br />
seinem Dasein vorhandene – angesichts deren Abbilder<br />
wiedererinnert.<br />
Aristoteles – tugendhaft sein heißt:<br />
Aus richtigen Motiven richtig handeln<br />
Aristotels behält den primär an den Zwecken orientiertem<br />
Rahmen der platonischen Philosophie bei; jedoch setzt er<br />
sich mit Platons Ideenlehre kritisch auseinander und bezeichnet<br />
die Rede von den Ideen als Urbildern und den<br />
Dingen als zugehörigen Abbildern als „leere Worte“ und<br />
„poetische Metaphern“. Die Forschungen des Aristoteles<br />
sind darauf gerichtet, das Wesen der Natur überhaupt zu