inform Nr. 5 Dezember 2009 - Physio Austria
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PatientInnen mit<br />
zwei Bäuchen<br />
In ihrer täglichen Arbeit wird die oberösterreichische <strong>Physio</strong>therapeutin,<br />
Dagmar Mayrhofer, oft mit InkontinenzpatientInnen konfrontiert, die bereits<br />
einen sehr langen Weg hinter sich haben, sehr viel probiert haben, jedoch die<br />
Lebensqualität nach wie vor nicht zufriedenstellend ist.<br />
Sehr oft stellt sich in der Anamnese<br />
von Patientinnen dar, dass eine<br />
oder mehrere Geburten vorangegangen<br />
sind, ohne entsprechende<br />
adäquate Rückbildung erfahren<br />
bzw. gemacht zu haben.<br />
Denn während der Schwangerschaft<br />
wird der gerade Bauchmuskel um bis zu<br />
20 cm länger und die beiden Bäuche des<br />
Rectus werden auseinandergedrängt, um<br />
dem Baby Platz zu schaffen. Deshalb ist<br />
es ein großes Anliegen, den M. rectus<br />
abdominus zu überprüfen, sowohl bei<br />
InkontinenzpatientInnen, als auch bei<br />
Wirbel säulen patientInnen.<br />
Die meisten der PatientInnen finden es<br />
anfangs sogar eigenartig, dass Mayrhofer<br />
zuerst den Bauch begutachtet, testet und<br />
befundet, da sie ja eigentlich eine Beckenbodenproblematik<br />
aufweisen.<br />
Für den Test müssen sich die PatientInnen<br />
in die Rückenlage begeben, der/<br />
die TherapeutIn legt seine/ihre Finger zu<br />
Beginn oberhalb des Nabels in den Bauch<br />
„hinein“ und in den meisten Fällen reicht<br />
es aus, dass die PatientInnen nur den<br />
Kopf heben müssen, um als TherapeutIn<br />
etwaige Diastasen zu palpieren. (Man<br />
ertastet einen richtigen Spalt zwischen<br />
den beiden Bäuchen.) Dann variiert der/<br />
die TherapeutIn die Fingerposition (vom<br />
Sternum bis zum Schambein), um sich<br />
einen Überblick des gesamten Muskels<br />
zu verschaffen. Falls die Diastase deutlich<br />
mehr als vier Finger breit sein sollte, muss<br />
der/die PatientIn kurz versuchen, auch<br />
den Schultergürtel von der Unterlage<br />
abzuheben (in Richtung „Sit up“).<br />
In sehr vielen Fällen kommt man leider immer<br />
wieder auf dasselbe „Ergebnis“ und<br />
palpiert eine sogenannte Rectusdiastase,<br />
die sich oft über den gesamten M. rectus<br />
zieht, wobei sich die größte Schwachstelle<br />
in erster linie in Nabelhöhe befindet.<br />
Eine Rectusdiastase kann sich von<br />
Schwerpunktthema Therapie von Rectusdiastasen<br />
1 Finger breit (einlegbar) bis kaum mehr<br />
tastbar darstellen (Muskelbäuche bei den<br />
Rippenbögen) und deutlich im Verlauf<br />
des Muskels variieren, d. h. unterhalb des<br />
Sternums z. B. zwei Finger breit sein, auf<br />
Nabelhöhe vier Finger und oberhalb des<br />
Schambeins etwa wieder nur einen Finger<br />
breit.<br />
Eine Rectusdiastase bereitet den PatientInnen<br />
primär keine Schmerzen oder<br />
Beschwerden, sehr viele berichten aber<br />
von einer ständigen Darmträgheit bzw.<br />
fällt den PatientInnen beim husten/<br />
lachen/Niesen/Sit ups auf, dass sie<br />
einen richtigen „Kugelbauch“ bekommen.<br />
(Darmschlingen, die nach oben drücken).<br />
Eine unbehandelte Diastase wird aber früher<br />
oder später zu Inkontinenzproblemen,<br />
sehr oft auch zu Wirbelsäulenbeschwerden<br />
führen. Deshalb kann eine Arbeit am<br />
Beckenboden nur mit intakter Bauchmuskulatur<br />
stattfinden.<br />
Therapie (nach Menne-Heller)<br />
Ziel ist die rasche Schließung der Diastase<br />
mittels der schrägen Bauchmuskulatur,<br />
Vermeidung von konzentrischer Anspannung<br />
des Rectus.<br />
Zuallererst die PatientInnen aufklären,<br />
dass sich im Schnitt die Diastase jeden<br />
Monat um 1 Finger breit wieder schließen<br />
kann (4 Finger breit = 4 Monate), wenn<br />
sie sich im Alltag an die Tipps halten und<br />
auch täglich ihre Übungen absolvieren.<br />
Therapievorschläge:<br />
1.) Die PatientInnen sollen IMMER über<br />
die Seite aufstehen.<br />
2.) Jegliche Form von SIT UPS sollen<br />
vermieden werden! (hier ist oftmals viel<br />
Aufklärung nötig, denn die meisten Frauen<br />
wollen nach der geburt so rasch wie möglich<br />
wieder einen „flachen“ Bauch haben.)<br />
FoTo: PRIVAT<br />
Dagmar Mayrhofer, PT<br />
1999 Abschluss der <strong>Physio</strong>therapieausbildung<br />
am Kh Wels<br />
Bis Mai 2000 im lKh Kirchdorf tätig<br />
(Schwerpunkt orthopädie/gynäkologie/<br />
geburten), danach bis August 2008 im<br />
AKh linz (Schwerpunkt gynäkologische-<br />
und geburtshilfliche Station inklusive<br />
Anleitung von StudentInnen)<br />
Seit 2008 freiberufliche <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
(in eigener Praxis)<br />
Absolvierte Fortbildungen: Sämtliche<br />
Menne-heller-Fortbildungen, Palpationskurs<br />
bei Elisabeth Pulker<br />
Zwei Übungsvorschläge:<br />
a) Seitenlage: Bei der Einatmung den<br />
Bauch groß werden lassen, bei der forcierten<br />
Ausatmung auf „fff“ transversus<br />
aktivieren (oberbauch schmal, Unterbauch<br />
kurz werden lassen), Beckenbodenübung<br />
„lift fahren“ (vaginal) und zusätzlich<br />
stemmt während der Ausatmung die<br />
oben liegende hand auf Nabelhöhe in<br />
die Unterlage (am besten in erster linie<br />
dort einstemmen lassen, wo die meiste<br />
Öffnung des Rectus besteht). Wirbelsäule<br />
gerade halten. Pro Seite mind. 3 x 10<br />
Wiederholungen.<br />
b) 4-Fuß-Stand: Atmung und Transversusaktivität<br />
wie in a) und zusätzlich einerseits<br />
versuchen während der Ausatmung, dass<br />
die linke hand zum rechten Knie stemmt<br />
(dann Seite wechseln) 3 x 10 und andererseits<br />
versuchen, dass beide hände zu<br />
beiden Knien stemmen. (Tonisierung des<br />
Rectus) auch 3 x 10 Wiederholungen.<br />
3.) Bücktraining, heben/Tragen: Vorsicht<br />
– immer mit Transversusaktivität<br />
4.) Bei sehr breiten Diastasen „Rectusfixierung“<br />
nach heller und auch den<br />
PatientInnen anraten, die zwei Bäuche bei<br />
den Übungen selbst zu fixieren (zusammenhalten).<br />
Vor allem brauchen die PatientInnen viel<br />
geduld, Ausdauer, Motivation und Unterstützung<br />
durch die <strong>Physio</strong>therapeutInnen.<br />
Dagmar Mayrhofer, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 9