inform Nr. 5 Dezember 2009 - Physio Austria
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Ist „Sklavin“<br />
ein Beruf?<br />
Einem Trend aus den USA folgend, bieten<br />
seit drei Jahren auch hierzulande selbst<br />
ernannte „Doulas“ werdenden Müttern<br />
ihre Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung<br />
an. Das Problem dabei: Doulas<br />
agieren im (berufs)rechtlichen Niemandsland.<br />
Und auf Anfrage des Gesundheitsministeriums<br />
deponierten <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
und das Österreichische Hebammengremium,<br />
dass es keinen Bedarf an zusätzlichen<br />
Geburtsbegleiterinnen gibt.<br />
Die Idee ist nicht neu: Erfahrene Frauen,<br />
die schon eine oder mehrere geburten<br />
hinter sich haben, stehen jungen Frauen,<br />
vornehmlich bei ihrer Erstgeburt, mit<br />
Rat und Tat zur Seite. De facto wird das<br />
rund um den globus seit Jahrtausenden<br />
praktiziert. großmütter, Tanten, Freundinnen<br />
und nicht zuletzt viele Väter in spe<br />
kümmern sich um das Wohlergehen der<br />
werdenden Mütter – vom liebevollen „Einfach<br />
da sein“ bis zu kleinen und großen<br />
handgriffen im täglichen leben.<br />
Neu ist, dass das Mitgefühl etwas kostet:<br />
laut Angaben der Zeitung „Zeit“ kostet<br />
eine Doula in der Regel 400,– bis 500,–<br />
Euro. Allerdings: Als wer oder was stellen<br />
Doulas eine Rechnung? – „Sklavin“<br />
(griech. Doula, siehe Kasten) ist kein anerkannter<br />
Beruf, und viele Doulas haben<br />
„nicht einmal einen gewerbeschein“,<br />
weiß die Präsidentin des Österreichischen<br />
hebammengremiums, Renate<br />
großbichler-Ulrich.<br />
Schwierig ist auch, eine Definition zu<br />
finden, was Doulas eigentlich machen.<br />
Im berufsrechtlichen Vakuum versuchen<br />
sie sich als erfahrene Vertrauenspersonen<br />
darzustellen, die bei der geburt<br />
ganz für die werdende Mutter da sind.<br />
Kompetenzen haben sie dabei keine. Und<br />
sie beanspruchen daher auch keinen<br />
„Expertenstatus“. Den überlassen sie den<br />
etablierten gesundheitsberufen wie gynäkologInnen,<br />
hebammen, <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
etc. Die hätten allerdings ohnedies<br />
alle hände voll zu tun und könnten sich<br />
daher nicht so intensiv um die werdende<br />
Mutter kümmern.<br />
Schwerpunktthema Streitpunkt „Doula“<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
Für hebammen-Präsidentin großbichler-<br />
Ulrich ist eine derartige Argumentation<br />
ein „unglaublicher Unfug“. „Wir sind voll<br />
und ganz für Mutter und Kind da, und wir<br />
sind für beide verantwortlich. Das ist auch<br />
im gesetz so festgeschrieben.“ genau<br />
deshalb könnte im Extremfall eine Doula<br />
zum Verhängnis auch für die hebamme<br />
werden. Auch wenn Ratschläge und<br />
Zuspruch der Doula während der geburt<br />
noch so gut gemeint sind – wenn es zu<br />
Missverständnissen und Schwierigkeiten<br />
kommt, ist die hebamme verantwortlich.<br />
Für großbichler-Ulrich gibt es daher auch<br />
keine Kompromisse: „Wir treffen die Entscheidungen,<br />
und wir brauchen dabei keine<br />
Vermittlungen zur Mutter durch Dritte“.<br />
Auch bei geburtsvorbereitung und<br />
-nachbetreuung sieht die hebammen-<br />
Präsidentin keinen Bedarf an Doulas.<br />
„Wir treffen die Entscheidungen,<br />
und wir brauchen<br />
dabei keine Vermittlungen<br />
zur Mutter durch Dritte“<br />
Renate großbichler-Ulrich<br />
Präsidentin des Österreichischen<br />
hebammengremiums<br />
Es gibt ein gut funktionierendes Netzwerk,<br />
das eine optimale Betreuung werdender<br />
Mütter ermöglicht. Eine wesentliche Säule<br />
bilden darin für großbichler-Ulrich die<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen: In der geburtsvorbereitung,<br />
Bewegungsprogrammen,<br />
Übungen zur Atemtechnik, usw. (siehe<br />
auch Bericht Seite 8), „und vor allem auch<br />
in der Nachbetreuung durch ein gezieltes<br />
Beckenbodentraining“.<br />
Nachholbedarf ortet großbichler-Ulrich<br />
allerdings noch in der Kommunikation<br />
dieses Angebots. Die Betreuungsmöglichkeiten<br />
würden von vielen gar nicht wahrgenommen.<br />
So können etwa hebammen<br />
bis zur achten Woche nach der geburt auf<br />
Krankenkassenkosten beigezogen werden.<br />
„Aber das steht leider nicht im Mutter-<br />
Kind-Pass“.<br />
otto havelka<br />
Hebammen sind bei<br />
der Geburt gleichermaßen<br />
für Mutter<br />
und Kind verantwortlich.<br />
In der Geburtsvorbereitung<br />
und<br />
Nachbetreuung spielt<br />
die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 10