inform Nr. 5 Dezember 2009 - Physio Austria
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von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> enthalten:<br />
20 Seiten Berufspolitik, Tipps, Kursangebote<br />
und Services für <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
Zeitschrift von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, dem Bundesverband<br />
der <strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />
<strong>Nr</strong>. 5 · <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong><br />
<strong>inform</strong><br />
<strong>Physio</strong>therapie in<br />
der Gynäkologie und<br />
Geburtshilfe<br />
Uro-, Procto-, Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
ist aus physiotherapeutischer Sicht ein breites<br />
Arbeitsfeld. Das erste von zwei Schwerpunkt-<br />
themen zu diesem Bereich befasst sich mit der<br />
<strong>Physio</strong>therapie in der Gynäkologie und<br />
Geburtshilfe. »
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BEZAhlTE ANZEIgE
Impressum<br />
Medieninhaber, Herausgeber<br />
und Redaktion<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, Bundesverband der<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />
linke Wienzeile 8/28, A-1060 Wien<br />
Tel. (01) 587 99 51-0, Fax DW-30<br />
www.physioaustria.at<br />
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Mag. Stefan Moritz, MSc,<br />
stefan.moritz@physioaustria.at<br />
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nicole.muzar@physioaustria.at<br />
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Elisabeth Wilfinger,<br />
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info@physioaustria.at,<br />
Eva Maierhofer,<br />
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Bibliothek: Donnerstag 15.00–18.00 h<br />
bibliothek@physioaustria.at<br />
Redaktionsschluss: Beiträge, Inserate<br />
und bezahlte Anzeigen für das mit<br />
Monats beginn er scheinende <strong>inform</strong><br />
müssen bis spätestens 5. des Vormonats<br />
im Verbandsbüro eingelangt<br />
sein. Ist dieser Tag ein Samstag,<br />
Sonn- oder Feiertag, so gilt der nächste<br />
darauf folgende Werktag.<br />
Weitere MitarbeiterInnen<br />
dieser Ausgabe:<br />
günter Ernst<br />
Valid hanuna, PT<br />
Anne Birgen<br />
Dr. Martin van der Esch, PT<br />
Angela heller, PT<br />
Peter Philip herdin, MSc, PT<br />
Emil Igelsböck, MAS, PT<br />
Dagmar Mayrhofer, PT<br />
Elisabeth Pulker, PT<br />
Chefredakteur: otto havelka<br />
(RhIZoM PR), Telefon (02230) 2791,<br />
Fax DW-27, E-Mail havelka@rhizom.at<br />
Grafik: Designpraxis Markus hörl,<br />
www.designpraxis.at<br />
Fotos: helmut Wallner /<br />
© <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, ausgenommen:<br />
wo gesondert angegeben<br />
Bildbearbeitung: helmut Wallner<br />
(Farbkorrektur und Retusche),<br />
Markus hörl (Retusche)<br />
Druck: Schmidbauer gmbh<br />
Wiener Straße 103, 7400 oberwart<br />
Bezugspreise: Einzelheft: 6 Euro;<br />
Abo (5 Ausgaben/Jahr): 28 Euro<br />
(Inland), 48 Euro (Ausland).<br />
Storno: schriftlich 2 Monate vor<br />
Ablauf des Abos.<br />
Editorial<br />
Bildungsdiskussion und<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
Nun hat also auch Österreich seine Bildungsdiskussion: haben wir zu viele StudentInnen<br />
oder zu wenig lehrende und hörsäle? Soll der Zugang zu den hochschulen frei sein, oder<br />
soll es Beschränkungen geben? Werden an den Unis nur noch Fachkräfte „am Fließband<br />
produziert“ und kommt die Wissenschaft zu kurz?<br />
Auf den ersten Blick scheint diese Diskussion die <strong>Physio</strong>therapie-Ausbildung – obwohl<br />
diese auch akademisch ist – nicht zu tangieren. Während in den Unis hörsäle besetzt<br />
und vor den Unis demonstriert wurde, lief der lehrbetrieb an den Fachhochschulen ganz<br />
normal ab.<br />
<strong>Physio</strong>therapie – eine Ausbildungsinsel der Seligen? – Mitnichten.<br />
Es stimmt schon: Etliche Probleme der Uni-StudentInnen gibt es an den Fachhochschulen<br />
nicht. Wir haben zum Beispiel ein vergleichsweise sehr gutes Verhältnis lehrende<br />
zu StudentInnen, das auch ein individuelles Arbeiten mit den StudentInnen erlaubt und<br />
damit eine bestmögliche Ausbildung auch im hinblick auf die künftige Arbeit mit PatientInnen<br />
ermöglicht. Erleichtert wird dies durch die Zugangsbeschränkung in Form eines<br />
Eignungstests. Dieser ist meiner Ansicht nach eine gute Möglichkeit, Personen mit sehr<br />
guten Berufsvoraussetzungen für die <strong>Physio</strong>therapie zu finden.<br />
In holland beispielsweise ist der Zugang zur <strong>Physio</strong>therapie-Ausbildung „frei“. Dort<br />
stürmen alljährlich hunderte AspirantInnen die hörsäle, und nach dem ersten Semester<br />
setzt nur noch ein Viertel das Studium fort. Auch das ist nichts anderes als ein Auswahlverfahren.<br />
Es stellt sich nur die Frage, ob die Idee vom „freien Zugang“ den Zeitverlust<br />
von so vielen jungen Menschen wert ist.<br />
Dramatisch wird es hierzulande aber, wenn junge <strong>Physio</strong>therapeutInnen die Fh verlassen<br />
und ihre akademische Qualifizierung durch ein Masterstudium erweitern wollen. laut<br />
Bologna-Prozess, den auch Österreich unterzeichnet hat, ist EU-weit ein durchgängiges<br />
Bildungssystem von den Bachelorabschlüssen an Fachhochschulen bis zum Master- und<br />
Doktoratsabschluss zu schaffen.<br />
hier liegt die Bildungspolitik des Bundes seit der Unterzeichnung des Vertrages vor zehn<br />
(!) Jahren praktisch in Agonie. AbgängerInnen von Bacchelor-Studiengängen (z.B. <strong>Physio</strong>therapie)<br />
werden nach wie vor in teure private Masterlehrgänge gezwungen, weil es die<br />
Bundespolitik bis heute nicht geschafft hat, wie im Fachhochschulgesetz und im Bologna-<br />
Prozess vorgesehen, eine durchgängige Studienstruktur für das <strong>Physio</strong>therapiestudium<br />
wie auch für die anderen MTD-Studien einzurichten. Solche gibt es im öster reichischen<br />
Bildungssystem einfach nicht. Von einem Doktoratsstudium, wie es im Bologna-Prozess<br />
vorgesehen wurde, ganz zu schweigen.<br />
De facto hat der Bund bislang nicht einen cent für die Umsetzung des Bologna-Abkommens<br />
locker gemacht, da auch die (neuen) Fachhochschulen von den Bundesländern<br />
finanziert werden. Und es gibt keine Anzeichen, dass hier eine Neuausrichtung erfolgen<br />
könnte. Das ist schlicht und einfach ein Skandal.<br />
Österreich braucht eine intensive Bildungsdiskussion. Und die <strong>Physio</strong>therapie ist davon<br />
direkt betroffen.<br />
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed., PT<br />
Präsidentin<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 3
Inhalt<br />
Geburtshilfe<br />
Schwerpunktthema<br />
Natürliches und schonendes gebärverhalten<br />
Schieben versus Pressen 5<br />
Interview mit Angela heller<br />
„Öffentliches Interesse am Beckenboden wächst“ 7<br />
geburtsvorbereitung<br />
Von Atemtechnik bis Geburtsposition 8<br />
Therapie von Rectusdiastasen<br />
PatientInnen mit zwei Bäuchen 9<br />
Streitpunkt „Doula“<br />
Ist „Sklavin“ ein Beruf? 10<br />
Fachgruppe Uro-, Prokto-, gynäkologie und geburtshilfe (UPgg)<br />
ProjektteilnehmerInnen gesucht 12<br />
Pilates und Beckenboden<br />
Pilatestraining – eine wertvolle Ergänzung 13<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
Kniegelenksarthrose<br />
Stabilität und Funktionalität des Kniegelenkes 16<br />
Kongresse 2010 17<br />
Sportphysiotherapie-Kongress <strong>2009</strong><br />
Alpiner Skisport – Management von Knieverletzungen 18<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
Porträt: Elisabeth Eckerstorfer<br />
Die Lösung steht im Mittelpunkt 20<br />
Bildung<br />
4. Interdisziplinäres herbstsymposium in oberösterreich<br />
Der Fuß – zentrales Element der Statik 22<br />
Direktzugang zur <strong>Physio</strong>therapie 23<br />
15 Jahre Akademie für <strong>Physio</strong>therapie am Klinikum Wels<br />
Neue Unterrichts räume zum Jubiläum 24<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> und das Redaktionsteam<br />
wünschen allen Verbandsmitgliedern,<br />
LeserInnen und InserentInnen erholsame<br />
und friedliche Feiertage und einen guten<br />
Rutsch in ein „bewegtes“ Jahr 2010.<br />
FoTo: MMchEN / PhoTocASE.coM<br />
Wäre nicht vor mehr als 200 Jahren die bis<br />
dahin bevorzugte aufrechte Gebärstellung gegen<br />
das Liegen auf dem Bett eingetauscht worden,<br />
also ein Hinwenden zu einer horizontalen<br />
Geburtshilfe erfolgt, würde es wohl nicht zum<br />
Pressen und dem Valsalva-Pressdruckmanöver<br />
gekommen sein.<br />
Valsalva (1666–1723), Chirurg<br />
und Anatom in Bologna, beschrieb<br />
erstmals den nach ihm benannten<br />
Pressdruckversuch: Durch maximale<br />
Einatmung nach kostosternal und damit<br />
verbundenem glottisschluss mit nachfolgendem<br />
luftanhalten und Pressen<br />
kommt es zu einem intraabdominalen<br />
und intrathorakalen Druckanstieg. Dieser<br />
bewirkt, dass der Rückfluss des venösen<br />
Blutes aus dem Bereich der unteren und<br />
oberen Extremitäten sowie aus dem<br />
hals- und Kopfbereich in den Brust- und<br />
Bauchraum behindert wird und zwar so<br />
lange, wie gepresst wird! Der entstehende<br />
Rückstau des Blutes bewirkt, dass<br />
während der Pressdauer aus der oberen<br />
und unteren hohlvene das Blut nicht in<br />
den Brustraum und damit zum rechten<br />
herzen fließen kann. Das vermindert das<br />
Schlagvolumen.<br />
1. Je stärker und je länger die gebärende<br />
pressen muss, umso mehr fällt der<br />
mütterliche Blutdruck ab. Der Abfall des<br />
Arteriendrucks verringert die Blutzufuhr<br />
zur Plazenta. Die Folge ist eine verminderte<br />
Sauerstoffversorgung des ungeborenen<br />
Kindes. Jedes Pressmanöver bewirkt<br />
einen Abfall der kindlichen herzfrequenz,<br />
deren Erholung von der Dauer des luftanhaltens<br />
abhängig ist.<br />
2. Auch die Barorezeptoren am Beckenboden<br />
werden durch eine Verminderung des<br />
arteriellen Drucks gehemmt, das bedeutet<br />
weniger Druckgefühl.<br />
3. Die Aufforderung an die gebärende<br />
zum „tiefen Einatmen“, welches nach<br />
kostosternal erfolgt, verschließt die glottis.<br />
Brust- und Bauchraum werden jetzt durch<br />
Anspannen der Thoraxwand und der Bauchmuskulatur<br />
verstärkt komprimiert. Der<br />
Druck verstärkt sich, je stärker und länger<br />
der gebärenden das Kommando „luft<br />
anhalten“ und „Pressen“ gegeben wird.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 4
4. Bei der „herkömmlichen“ Art der Pressanleitung<br />
(d.h. mit den „hilfsanleitungen“<br />
Rückenlage – Beine- und Kopfhochnehmen<br />
– tief luft holen – luft anhalten –<br />
mit aller Kraft pressen) halten gebärende<br />
oft bis zu 15 Sekunden die luft an. Das<br />
bedeutet die gefahr eines kindlichen<br />
Sauerstoffmangels (hypoxie). Die Mutter<br />
wird kraftlos und ist erschöpft.<br />
5. Das cTg zeigt DIP I (frühe Dezelerationen).<br />
Je forcierter und prolongierter das<br />
Pressen weiter geschieht, umso mehr verstärkt<br />
sich der Sauerstoffmangel im Blut<br />
des Kindes. Bei einer Verschlechterung<br />
des kindlichen Zustands, der sich in DIP II<br />
(späte Dezelerationen) darstellt, muss die<br />
geburt je nach höhenstand des kindlichen<br />
Kopfes entweder vaginal-operativ (Zangen-<br />
oder Vakuumextraktion), durch den Kristellergriff<br />
oder durch Sektio beendet werden.<br />
Die pathologischen cTg-Veränderungen<br />
konnten in vielen Studien gezeigt werden.<br />
Schwerpunktthema Natürliches und schonendes Gebärverhalten<br />
Schieben<br />
versus Pressen<br />
6. Die Belastung des herz-Kreislauf-Systems<br />
der Mutter beim Pressdruckmanöver<br />
ist erheblich: Außer dem Blutdruckabfall<br />
kann es im gesicht zu Einblutungen ins<br />
gewebe (Petechien) und auch zur Zyanose<br />
kommen. Ein hyposphagma, d.h. eine<br />
flächenhafte, lackartige scharf begrenzte<br />
subkonjunktivale Blutung im Auge, kommt<br />
bei intensiven Pressdruckmanövern<br />
immer wieder vor.<br />
Vorteile des Schiebens<br />
Für das Mitschieben, gleich in welchen<br />
Ausgangsstellungen, sind alle für die<br />
Presstechnik in Rückenlage eingesetzten<br />
„hilfsanleitungen“ nicht erfolgreich. Das<br />
ist für jedermann bei der Darmentleerung<br />
in gewohnter Sitzposition nachvollziehbar.<br />
Das paradoxe kostosternale Einatmen<br />
und luftanhalten verbietet sich dabei von<br />
selbst.<br />
In unterschiedlichen Studien wird gefordert,<br />
den Frauen das Umsetzen ihres<br />
spontanen Schiebe-(Press-)-Drangs ohne<br />
Atemdiktat zurück zu geben. Vor allem<br />
müsse das diktierte luftanhalten unterbleiben!<br />
Die gebärende soll dem Drang<br />
zum Mitarbeiten spontan nachgeben, ihre<br />
eigenen Fähigkeiten, Instinkte und Kräfte<br />
bei der geburt einsetzen.<br />
Die Vorteile für Mutter und Kind beim<br />
Schieben mit dem angepassten Atemverhalten<br />
in vertikalen und halbvertikalen<br />
gebärpositionen sind:<br />
1. Die gebärende ist sensomotorisch<br />
„wach“. Sie behält den Überblick über<br />
das geschehen und ist dadurch körperlich<br />
und psychisch entspannter.<br />
2. Sie kann ihre Spontanmotorik beim<br />
Schieben nach ihrem eigenen Bedürfnis<br />
einsetzen, weil die vertikale Körperstellung<br />
den Muskeltonus positiv beeinflusst.<br />
3. Ihren Körpereinsatz beim Schieben<br />
unterstützt sie spontan selbst durch funktionsrichtiges<br />
aktives Anhängen oder/<br />
und Abstützen, auch durch bewussten<br />
Bodenkontakt der Füße, der sich beim<br />
herausgebären als Fußdruckaktivität zum<br />
Boden verstärkt.<br />
4. Beim Mitschieben verkürzt und begradigt<br />
sich für das Kind der geburtsweg<br />
von der gebärmutter bis zum Scheidenausgang.<br />
5. Die gebärende arbeitet, wenn sie<br />
mitschiebt, effektiv, weil sie unter Ausnutzung<br />
der Schwerkraft die ihr Kind nach<br />
außen schiebenden inneren geburtskräfte<br />
unterstützt.<br />
6. Auch die Bauchpresse als „austreibende<br />
Schubkraft“ wird beim Schieben von<br />
der gebärenden effektiv durch Betonung<br />
der Expiration (durch den Mund, der weit<br />
geöffnet sein kann) umgesetzt.<br />
7. Die gebärende setzt ohne Atemanleitung<br />
ihren Spontanatem, abhängig von<br />
ihrer gebärhaltung, richtig ein, welcher<br />
in vertikalen gebärstellungen nie als tiefe<br />
Einatmung nach kostosternal erfolgt. Sie<br />
atmet beim Schieben selbstreguliert aus.<br />
8. Beim Mitschieben kann nach kostoabdominaler<br />
Einatmung („zum Kind atmen“)<br />
die glottis geöffnet bleiben. Bei dieser<br />
Einatemrichtung ist das Zusammenspiel<br />
von Zwerchfell und Beckenboden erhalten.<br />
Dadurch behält der Beckenboden<br />
beim Ein- und Ausatmen seine elastische<br />
Kraft zwischen seinem Bereitschafts- und<br />
Öffnungstonus. »<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 5
9. Wenn die Nutation des Steißbeinspitzchens<br />
nach dorsal durch günstige gebärpositionen<br />
und ein physiologisches Atemverhalten<br />
möglich ist, vergrößert sich der<br />
Abstand zwischen Symphyse und Steißbein<br />
innerhalb der Beckenausgangsebene.<br />
Das sichert einerseits Beckenboden und<br />
Damm eine größere Elastizität und andererseits<br />
dem Kind mehr Platz, wenn es aus<br />
der Mutter herausgeboren wird.<br />
10. Durch das Mitschieben der gebärenden<br />
wird der Beckenboden langsamer und<br />
kontinuierlicher gedehnt. Das ist schonender<br />
für alle Beckenbodenstrukturen und<br />
führt in geburtskliniken, in denen nicht<br />
routinemäßig eine Episiotomie erfolgt,<br />
zu weniger Dammschnitten und weniger<br />
traumatischen Verletzungen.<br />
11. Für den kindlichen Kopf bedeutet das<br />
Mitschieben, dass dieser geringer komprimiert<br />
wird. Dadurch ist die Sauerstoffversorgung<br />
für das Kind besser. gebärende<br />
in vertikalen Stellungen weisen weniger<br />
pathologische cTg-Muster auf, als Frauen<br />
in horizontaler Stellung.<br />
12. Durch den in vertikalen gebärstellungen<br />
verminderten Druck auf die Aorta und<br />
die Vena cava inferior werden das mütterliche<br />
herzminuten- und herzschlagvolumen<br />
verbessert und dadurch auch eine<br />
bessere Uterusdurchblutung erreicht. Das<br />
größere Blutangebot an das Kind und eine<br />
höhere Sauerstoffsättigung des kindlichen<br />
Bluts begünstigen das „fetal outcome“.<br />
13. Wenn die gebärende im eigenen<br />
Atem- und Wehenrhythmus mitschieben<br />
kann, sind Mutter und Kind weniger<br />
erschöpft. Die Kinder von gebärenden,<br />
welche nach eigenem Bedürfnis mit<br />
geöffneter glottis und ohne forciertes<br />
luftanhalten mitschieben, haben bessere<br />
arterielle und venöse Nabelschnur-ph-<br />
Werte und einen besseren APgAR-Score.<br />
14. Der Einfluss der aufrechten gebärhaltung<br />
hat eine günstige Auswirkung auf die<br />
geburtsdauer.<br />
15. Die gebärenden können in vertikaler<br />
Körperhaltung den Schmerz besser verarbeiten<br />
und fühlen sich dem geburtsgeschehen<br />
weniger ausgeliefert. Die emotionale<br />
Mutter-Kind-Bindung wird durch das Beobachten<br />
des geburtsgeschehens und den<br />
sofortigen Kontakt mit dem Kind gefördert.<br />
16. gebärende, welche geschoben<br />
haben, benötigen weniger oder gar keine<br />
Schmerzmittel.<br />
Schieben wird von den Frauen als<br />
gebären aus eigener Kraft empfunden.<br />
Das gesamterleben „ihrer“ geburtsarbeit<br />
Schwerpunktthema Natürliches und schonendes Gebärverhalten<br />
beurteilen Frauen, die geschoben haben,<br />
deutlich positiver als Frauen, die – mit<br />
allen „hilfsanleitungen“ – pressen mussten<br />
und nach der geburt häufig meinen,<br />
versagt zu haben.<br />
Wird jedoch trotz der zum Pressen gegebenen<br />
hilfsanleitungen die Frau dann zum<br />
Schieben aufgefordert, kann dies nicht<br />
gelingen. hier wurde dann lediglich das<br />
Wort „Pressen“ durch das Wort „Schieben“<br />
ersetzt!<br />
Vermittlung von Schieben und<br />
Atemverhalten im Geburtsvorbereitungskurs<br />
Im Bewusstsein der meisten Schwangeren,<br />
vor allem der Erstgebärenden, ist<br />
verankert, dass es eine Presstechnik zu<br />
erlernen gilt. Wenn den Schwangeren<br />
über Verhaltensmuster ihre körperlichen<br />
Voraussetzungen zum gebärenkönnen<br />
erfahrbar gemacht werden, d.h. wenn<br />
ihr ursprünglich vorhandener „schlummernder<br />
gebärcode“ geweckt und ihnen<br />
wiedergegeben wird, dann fordern sie<br />
keine Presstechnik. Diese Frauen wollen<br />
ihr Kind aus sich herausschieben. Diese<br />
Frauen streben dann auch keine Wunsch-<br />
Sektio an, sie wollen gebären erleben!<br />
Das „verschüttete“ Wissen um „ihr“<br />
gebärverhalten wiederzufinden, ist eine<br />
dringliche Aufgabe der geburtsvorbereitung.<br />
Im geburtsvorbereitungskurs wird<br />
erfahren, was dem Becken und Beckenboden<br />
beim Schieben und andererseits beim<br />
Pressen geschieht.<br />
Ausgangsstellung: Seitlage, Beine gebeugt,<br />
Kissen zwischen beide Knie.<br />
Die Seitlage wird anfangs für das Umsetzen<br />
der Begriffe „herausschieben“<br />
– „heraus pressen“ gewählt, weil in dieser<br />
für Extensions- und Flexionsbewegungen<br />
der Wirbelsäule leichtesten (hubfreien)<br />
Ausgangsstellung der Unterschied<br />
zwischen Schieben und Pressen am<br />
deutlichsten erfahrbar ist.<br />
Die Körperabschnitte sind zunächst zum<br />
Türmchen“ eingeordnet. „Türmchen“ bedeutet,<br />
dass die Körperabschnitte Becken<br />
– Brustkorb – Schultergürtel – Kopf wie<br />
„Klötzchen zu einem Türmchen“ übereinander<br />
aufgebaut werden.<br />
Wahrnehmungsübung<br />
Erstes Vorüben des Schiebens in dieser<br />
geburtsvorbereitung erfolgt im Anschluss<br />
an das Wahrnehmen der eigenen Körperräume<br />
als „innere Tastarbeit“ aus der<br />
lösungstherapie nach Schaarschuch/<br />
haase. In entspannter Seitlage werden<br />
Mundraum, Bauchraum und Beckenhöhle<br />
zuerst in der Vorstellung „ausgeblickt/<br />
entdeckt“, dann mit einer Tasthand<br />
gedanklich „ausgetastet“ und mit einem<br />
FoTo: PRIVAT<br />
Angela Heller, PT<br />
Seit 1958 <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
lehrtherapeutin mit Schwerpunkt gynäkologie<br />
und geburtshilfe; Referentin für<br />
interdisziplinäre Fortbildungen im Bereich<br />
Uro-, Prokto-, gynäkologie und geburtshilfe;<br />
Entwicklung der geburtsvorbereitungsmethode<br />
Menne-heller; Autorin zahlreicher<br />
Fachbücher und -publikationen; Dozentin<br />
in Deutschland und Südkorea<br />
Fantasielicht anschließend „ausgeleuchtet“.<br />
Besonders lange und intensiv sollte<br />
im Beckenraum (Beckenhöhle) als „ort<br />
des geschehens“ verweilt werden.<br />
Sind die Schwangeren mit ihrer Aufmerksamkeit<br />
und Wachheit in „ihrem“<br />
Beckenraum – wir sagen „Korridor- oder<br />
Durchgangsraum für das Kind, ehe es<br />
geboren wird“ – bietet die Kursleiterin<br />
den Schwangeren zum Vergleich zwei<br />
Denkmuster an:<br />
1. Denkmuster:<br />
„Wenn es soweit ist, schiebe ich mein<br />
Kind durch mich hindurch und dann aus<br />
mir heraus.“<br />
Das Umsetzen dieses Denkmusters ist:<br />
Die gebärstellung des Beckens (Beugung<br />
der lWS) wird mühelos gefunden.<br />
Die Schwangere meldet: Es ist wie eine<br />
„Rutsche“ für mein Kind, „es öffnet mich“<br />
innerlich. gebären ist „ein sich Öffnen!“<br />
Voraussetzung für das Umsetzen dieses<br />
Denkmusters ist eine frei bewegliche<br />
Wirbelsäule, insbesondere lendenwirbelsäule.<br />
Die glottisöffnung wurde über die<br />
„innere Tastarbeit“ und das Entdecken des<br />
Mundraums vorbereitet, z.B. lösen von<br />
Kiefergelenksverspannungen durch Kau-,<br />
Schmatzbewegungen, Tönen und gähnen.<br />
Vor dem 2. Angebot wird das Becken<br />
(lendenwirbelsäule) wieder im Körper-<br />
„Türmchen“ eingeordnet.<br />
2. Denkmuster:<br />
Ich soll pressen, „fest mitpressen“, oder<br />
„ich soll pressen, wie bei erschwertem<br />
Stuhlgang“.<br />
Beim Umsetzen dieses Denkmusters<br />
erfolgt ein intrathorakaler und intra-<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 6
abdominaler Druckanstieg im hals/Kopf,<br />
Brust-/Bauchraum bis zum Beckenboden,<br />
welcher sich verschließt. Die gesäßmuskeln<br />
spannen an, und die lendenwirbelsäule<br />
baut ein hohlkreuz (lordose) auf.<br />
Die Rückmeldungen der Schwangeren lauten<br />
jetzt: „Der geburtsweg wird länger“,<br />
„die Bewegung des Beckens erfolgt „aus<br />
der gebärstellung heraus“, „da gehe ich<br />
vom hals bis zum Beckenboden zu“ oder<br />
„viel anstrengender“.<br />
Die in Seitlage gespürte gebärbewegung<br />
des Beckens beim Schieben wird nach<br />
dieser Wahrnehmungsarbeit mit den<br />
Schwangeren in jeder folgenden geburtsvorbereitungsstunde<br />
in variierenden vertikalen<br />
und halbvertikalen gebärpositionen<br />
praktisch vertieft. Die Schwangeren/<br />
Paare suchen das, was zu ihnen passt,<br />
probieren aus. Dabei gibt die Kursleiterin<br />
notwendige verbale und taktile hilfestellungen,<br />
ermuntert und lobt!<br />
Atmung beim Schieben<br />
In der geburtsvorbereitung nach Menne/<br />
heller gibt es für das Zulassen des Spontanatems<br />
beim Schieben hilfestellungen.<br />
Dazu drei begründende hinweise:<br />
1. In den meisten geburtskliniken erfolgen<br />
in der Regel beim gebären Atemanleitungen.<br />
Die auf die geburt vorbereitete<br />
gebärende kann dadurch dem „Tief-luftholen“,<br />
„Tief-Einatmen“ etwas entgegensetzen.<br />
2. Die Schwangeren fragen, wenn im<br />
geburtsvorbereitungskurs das Schieben<br />
in verschiedenen Ausgangsstellungen<br />
probiert wird, nach: „Wie soll ich dabei<br />
atmen?“ Diese Frage darf nicht unbeantwortet<br />
im Raum stehen bleiben, hier<br />
genügt in der Regel nicht ein hinweis auf<br />
den Spontanatem!<br />
3. Eigene Beobachtungen bei vielen<br />
geburtsbegleitungen und gespräche mit<br />
hebammen bewogen mich, die Vorgehensweise<br />
(kein Programm!) mit den<br />
Schwangeren und Paaren für das Atemverhalten<br />
beim Schieben, bis das Kind<br />
aus der Mutter herausgeboren ist, in der<br />
geburtsvorbereitung zu besprechen.<br />
Die so vorbereiteten gebärenden haben<br />
keine Probleme, auch nicht bei unterschiedlichen<br />
Auffassungen der geburtsleitungen,<br />
das Schieben mit dem folgenden<br />
vorgeschlagenen Atemverhalten umzusetzen.<br />
A. heller, PT<br />
Quelle: heller, Schieben – ein natürliches und<br />
schonendes gebärverhalten, Die hebamme<br />
2004; 17: 22-31<br />
Literaturangaben zu diesem Beitrag unter<br />
www.physioaustria.at<br />
Schwerpunktthema Interview mit Angela Heller<br />
„Öffentliches<br />
Interesse am<br />
Beckenboden<br />
wächst“<br />
Angela Heller gilt als Kapazität<br />
in der gynäkologischen<br />
<strong>Physio</strong>therapie. Ihr Konzept<br />
Methode Menne-Heller zählt<br />
längst zu den Standardwerken<br />
in der <strong>Physio</strong>therapie.<br />
Auch für <strong>Physio</strong>-<strong>Austria</strong> hält<br />
die Beckenboden-Spezialistin<br />
seit über einem Jahrzehnt<br />
Weiterbildungsseminare.<br />
<strong>inform</strong>: Frau heller, Sie gelten als Pionierin<br />
der geburtsvorbereitung. Wie sind Sie<br />
dazu gekommen?<br />
Heller: Ursprünglich wollte ich Kinder-<br />
<strong>Physio</strong>therapeutin werden. Fast schicksalhaft<br />
bekam ich in Berlin und Mannheim<br />
immer wieder Anstellungen in der<br />
Frauenklinik. Mit Erlaubnis vom chefarzt<br />
und der oberhebamme durfte ich viel Zeit<br />
– auch meine Freizeit – im Kreißsaal sein<br />
und gebärende mit Atmung unterstützen.<br />
Die Frauen lagen und hatten durch cTg-<br />
Ableitung und Wehentropf wenig chancen<br />
zur Mobilität. Erst Anfang der 80iger Jahre<br />
durften werdende Väter im Kreißsaal<br />
anwesend sein. Da war auch der Anfang<br />
der Vertikalität beim gebären. geburtsvorbereitung,<br />
welche ich seit 1959 mit<br />
Schwangeren machte, musste nun den<br />
Neuerungen in der geburtshilfe angepasst<br />
werden. Eine spannende Zeit war das!<br />
<strong>inform</strong>: ... und das hat Sie nicht mehr<br />
losgelassen?<br />
Heller: Ich habe jetzt allerdings meine<br />
Fortbildungskurse für geburtsvorbereitung<br />
und Rückbildung im Wochenbett<br />
teilweise an zwei kompetente österreichische<br />
Kolleginnen übergegeben, die mein<br />
Konzept weitertragen sollen. Ich möchte<br />
mich nunmehr noch intensiver mit dem<br />
Thema ‚Beckenboden Frau und Mann’<br />
befassen, zu dem ich schon viele Jahre<br />
Weiterbildungen anbiete.<br />
<strong>inform</strong>: Worum geht es dabei konkret?<br />
Heller: Die Entschlüsselung des „geheimnis<br />
Beckenboden“ steht m.E. immer<br />
noch am Anfang, ist endlich im Focus der<br />
Fachwelt offiziell angekommen. Entleerungsstörungen<br />
und Strukturverletzungen<br />
am Beckenboden und seinen Speicherorganen<br />
haben oft massive Auswirkungen<br />
auf den ganzen Menschen. International<br />
wird viel geforscht und immer wieder<br />
werden spannende neue Studienergebnisse<br />
vorgestellt. Auch laien sprechen mehr<br />
und mehr über das so lange tabuisierte<br />
Thema. Urologische- und Enddarmzentren<br />
werden überall, auch in der Region, in der<br />
ich lebe (Mannheim – ludwigshafen –<br />
heidelberg), eingerichtet. Immer wieder<br />
suchen Patienten bei mir – oft als letzte<br />
Instanz – Rat und hilfe. In der Praxis einer<br />
Kollegin habe ich für austherapierte Notfälle<br />
die Möglichkeit, mir diese Patienten<br />
anzuschauen und mit therapeutischem<br />
Rat und Behandlung hilfen zu geben. Sie<br />
kommen oft von weit her! Mein credo ist,<br />
dass jede Maßnahme, die wir zur Therapie<br />
einsetzen, begründbar sein sollte.<br />
<strong>inform</strong>: Noch einmal zum Thema<br />
geburten: Als Verfechterin eines „natürlichen<br />
gebärverhaltens“ müsste Ihnen der<br />
Anstieg von Kaiserschnittgeburten sehr<br />
missfallen....<br />
Heller: Ja, das tut es. Das heißt nicht,<br />
dass ich die hilfe der geburtsmedizin<br />
ablehne, deren Ziel es ist, die Morbidität-<br />
und Mortalitätsrate für Kind und Mutter<br />
auf ein Minimum zu reduzieren. Aber nicht<br />
alle Kaiserschnitte haben einen pathologischen<br />
hintergrund. Für mich gilt, dass<br />
Mutter und Kind gemeinsam unbeschadet<br />
den geburtsraum verlassen dürfen und<br />
können. Meine Erfahrung ist aber, dass<br />
die Würde der Frau, welche gebären wollte<br />
aber dann entbunden wurde, sehr oft<br />
verletzt ist, seelisch und körperlich!<br />
Interview: otto havelka<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 7
Von Atemtechnik<br />
bis Geburtsposition<br />
„Das Ziel“, erklärt Barbara Schmid,<br />
ist, Schwangere darin zu bestärken,<br />
Kinder „aus eigener Kraft“ zur Welt<br />
zu bringen. Pointiert formuliert: „Zu<br />
entbinden und nicht entbunden zu<br />
werden“.<br />
Ein zentrales Thema dabei ist die geburtsposition.<br />
Denn ExpertInnen sind sich<br />
weitgehend einig, dass die in unseren<br />
Breiten übliche Rückenlage keine geeignete<br />
geburtsposition ist (siehe auch<br />
Bericht Seite 5).<br />
Eine optimale physiotherapeutische<br />
Vorbereitung auf eine „aktive“ geburt<br />
beginnt etwa acht bis zehn Wochen vor<br />
dem Tag X. In zehn Einheiten werden die<br />
Schwangeren in gruppen bis zu 20 TeilnehmerInnen<br />
(auch werdende Väter können<br />
die geburtsvorbereitung absolvieren)<br />
neben einer medizinisch-theoretischen<br />
Aufklärung in Atemtechniken und geburtspositionen<br />
instruiert und erhalten ein<br />
umfassendes Programm an Bewegungs-,<br />
Entspannungs-, Wahrnehmungs- oder<br />
auch Paarübungen.<br />
Schwerpunktthema Geburtsvorbereitung<br />
In einschlägigen Kliniken mit physiotherapeutischen<br />
Teams wird diese geburtsvorbereitung<br />
häufig kostenlos angeboten.<br />
Wer sich in kleineren gruppen (und meist<br />
zeitlich flexibler) in einer <strong>Physio</strong>therapie-<br />
Praxis auf die geburt vorbereiten will,<br />
muss 250,– bis 300,– Euro für zehn<br />
Einheiten veranschlagen.<br />
„Mittlerweile“, sagt Schmid, „gibt es<br />
schon viele“, denen das eine umfassende<br />
geburtsvorbereitung<br />
wert ist. Vor allem<br />
Frauen, „die schon<br />
eine erste komplizierte<br />
geburt hinter sich<br />
haben“.<br />
hier geht es vorrangig<br />
darum, ihnen die<br />
Angst vor der geburt<br />
zu nehmen, um die unheilvolle<br />
Spirale „Angst<br />
= Verspannung =<br />
Schmerzen“ zu durchbrechen.<br />
„Wir machen<br />
ihnen nicht weis, dass<br />
es eine schmerzfreie<br />
BEZAhlTE ANZEIgE<br />
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FoTo: PRIVAT<br />
Barbara Schmid, freiberufliche<br />
<strong>Physio</strong>therapeutin in Linz, übernahm<br />
in Abstimmung mit Angela<br />
Heller die Obhut für das Konzept<br />
der Geburtsvorbereitung nach<br />
Menne – Heller.<br />
geburt gibt“, so Schmid, „aber eine geburt<br />
ist keine Krankheit und wir bestärken<br />
die werdenden Mütter, das annehmen zu<br />
können, was auf sie zukommt“. Dazu gehören<br />
eben zum Beispiel auch funktionelle<br />
Bewegungsabläufe und Atemformen.<br />
Wenig Freude hat Schmid mit dem steigenden<br />
Trend zu (freiwilligen) Kaiserschnitt-geburten.<br />
Aus medizinischer Sicht<br />
wäre eine solche bei etwa zehn Prozent<br />
der geburten nötig. Tatsächlich wird aber<br />
im Durchschnitt jedes vierte Baby mittels<br />
Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Und das<br />
sei in mehrfacher hinsicht problematisch:<br />
Zum Einen wird dabei der Beckenboden<br />
der Mütter geschädigt, was zu vielfältigen<br />
Folgewirkungen von Rückenschmerzen bis<br />
Inkontinenz führen kann. Zum Anderen<br />
brauchen die Säuglinge die Wehen der<br />
Mutter als positiven Körperkontakt. Und<br />
nicht zuletzt, ergänzen Kinder-<strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
ist ein Kaiserschnitt für die<br />
Neugeborenen ein traumatisches Erlebnis,<br />
das oft – mitunter versteckte – Verletzungen<br />
mit sich bringt.<br />
Vor allem junge Frauen, weiß Schmid,<br />
„sind oft überfordert, kommen aber selten<br />
zur geburtsvorbereitung“. hier mangelt es<br />
auch am Bewusstsein, dass die physiothe-<br />
<br />
rapeutische geburtsvorbereitung keine<br />
simple Schwangerschaftsgymnastik ist.<br />
Womit Schmid aber nicht den Schwarzen<br />
Peter den (schlecht <strong>inform</strong>ierten) Frauen<br />
zuspielen will. Denn „Keine Frau will eine<br />
geburt schlecht machen. Keine Frau ist<br />
schuld an einer komplizierten geburt“.<br />
otto havelka<br />
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<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 8
PatientInnen mit<br />
zwei Bäuchen<br />
In ihrer täglichen Arbeit wird die oberösterreichische <strong>Physio</strong>therapeutin,<br />
Dagmar Mayrhofer, oft mit InkontinenzpatientInnen konfrontiert, die bereits<br />
einen sehr langen Weg hinter sich haben, sehr viel probiert haben, jedoch die<br />
Lebensqualität nach wie vor nicht zufriedenstellend ist.<br />
Sehr oft stellt sich in der Anamnese<br />
von Patientinnen dar, dass eine<br />
oder mehrere Geburten vorangegangen<br />
sind, ohne entsprechende<br />
adäquate Rückbildung erfahren<br />
bzw. gemacht zu haben.<br />
Denn während der Schwangerschaft<br />
wird der gerade Bauchmuskel um bis zu<br />
20 cm länger und die beiden Bäuche des<br />
Rectus werden auseinandergedrängt, um<br />
dem Baby Platz zu schaffen. Deshalb ist<br />
es ein großes Anliegen, den M. rectus<br />
abdominus zu überprüfen, sowohl bei<br />
InkontinenzpatientInnen, als auch bei<br />
Wirbel säulen patientInnen.<br />
Die meisten der PatientInnen finden es<br />
anfangs sogar eigenartig, dass Mayrhofer<br />
zuerst den Bauch begutachtet, testet und<br />
befundet, da sie ja eigentlich eine Beckenbodenproblematik<br />
aufweisen.<br />
Für den Test müssen sich die PatientInnen<br />
in die Rückenlage begeben, der/<br />
die TherapeutIn legt seine/ihre Finger zu<br />
Beginn oberhalb des Nabels in den Bauch<br />
„hinein“ und in den meisten Fällen reicht<br />
es aus, dass die PatientInnen nur den<br />
Kopf heben müssen, um als TherapeutIn<br />
etwaige Diastasen zu palpieren. (Man<br />
ertastet einen richtigen Spalt zwischen<br />
den beiden Bäuchen.) Dann variiert der/<br />
die TherapeutIn die Fingerposition (vom<br />
Sternum bis zum Schambein), um sich<br />
einen Überblick des gesamten Muskels<br />
zu verschaffen. Falls die Diastase deutlich<br />
mehr als vier Finger breit sein sollte, muss<br />
der/die PatientIn kurz versuchen, auch<br />
den Schultergürtel von der Unterlage<br />
abzuheben (in Richtung „Sit up“).<br />
In sehr vielen Fällen kommt man leider immer<br />
wieder auf dasselbe „Ergebnis“ und<br />
palpiert eine sogenannte Rectusdiastase,<br />
die sich oft über den gesamten M. rectus<br />
zieht, wobei sich die größte Schwachstelle<br />
in erster linie in Nabelhöhe befindet.<br />
Eine Rectusdiastase kann sich von<br />
Schwerpunktthema Therapie von Rectusdiastasen<br />
1 Finger breit (einlegbar) bis kaum mehr<br />
tastbar darstellen (Muskelbäuche bei den<br />
Rippenbögen) und deutlich im Verlauf<br />
des Muskels variieren, d. h. unterhalb des<br />
Sternums z. B. zwei Finger breit sein, auf<br />
Nabelhöhe vier Finger und oberhalb des<br />
Schambeins etwa wieder nur einen Finger<br />
breit.<br />
Eine Rectusdiastase bereitet den PatientInnen<br />
primär keine Schmerzen oder<br />
Beschwerden, sehr viele berichten aber<br />
von einer ständigen Darmträgheit bzw.<br />
fällt den PatientInnen beim husten/<br />
lachen/Niesen/Sit ups auf, dass sie<br />
einen richtigen „Kugelbauch“ bekommen.<br />
(Darmschlingen, die nach oben drücken).<br />
Eine unbehandelte Diastase wird aber früher<br />
oder später zu Inkontinenzproblemen,<br />
sehr oft auch zu Wirbelsäulenbeschwerden<br />
führen. Deshalb kann eine Arbeit am<br />
Beckenboden nur mit intakter Bauchmuskulatur<br />
stattfinden.<br />
Therapie (nach Menne-Heller)<br />
Ziel ist die rasche Schließung der Diastase<br />
mittels der schrägen Bauchmuskulatur,<br />
Vermeidung von konzentrischer Anspannung<br />
des Rectus.<br />
Zuallererst die PatientInnen aufklären,<br />
dass sich im Schnitt die Diastase jeden<br />
Monat um 1 Finger breit wieder schließen<br />
kann (4 Finger breit = 4 Monate), wenn<br />
sie sich im Alltag an die Tipps halten und<br />
auch täglich ihre Übungen absolvieren.<br />
Therapievorschläge:<br />
1.) Die PatientInnen sollen IMMER über<br />
die Seite aufstehen.<br />
2.) Jegliche Form von SIT UPS sollen<br />
vermieden werden! (hier ist oftmals viel<br />
Aufklärung nötig, denn die meisten Frauen<br />
wollen nach der geburt so rasch wie möglich<br />
wieder einen „flachen“ Bauch haben.)<br />
FoTo: PRIVAT<br />
Dagmar Mayrhofer, PT<br />
1999 Abschluss der <strong>Physio</strong>therapieausbildung<br />
am Kh Wels<br />
Bis Mai 2000 im lKh Kirchdorf tätig<br />
(Schwerpunkt orthopädie/gynäkologie/<br />
geburten), danach bis August 2008 im<br />
AKh linz (Schwerpunkt gynäkologische-<br />
und geburtshilfliche Station inklusive<br />
Anleitung von StudentInnen)<br />
Seit 2008 freiberufliche <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
(in eigener Praxis)<br />
Absolvierte Fortbildungen: Sämtliche<br />
Menne-heller-Fortbildungen, Palpationskurs<br />
bei Elisabeth Pulker<br />
Zwei Übungsvorschläge:<br />
a) Seitenlage: Bei der Einatmung den<br />
Bauch groß werden lassen, bei der forcierten<br />
Ausatmung auf „fff“ transversus<br />
aktivieren (oberbauch schmal, Unterbauch<br />
kurz werden lassen), Beckenbodenübung<br />
„lift fahren“ (vaginal) und zusätzlich<br />
stemmt während der Ausatmung die<br />
oben liegende hand auf Nabelhöhe in<br />
die Unterlage (am besten in erster linie<br />
dort einstemmen lassen, wo die meiste<br />
Öffnung des Rectus besteht). Wirbelsäule<br />
gerade halten. Pro Seite mind. 3 x 10<br />
Wiederholungen.<br />
b) 4-Fuß-Stand: Atmung und Transversusaktivität<br />
wie in a) und zusätzlich einerseits<br />
versuchen während der Ausatmung, dass<br />
die linke hand zum rechten Knie stemmt<br />
(dann Seite wechseln) 3 x 10 und andererseits<br />
versuchen, dass beide hände zu<br />
beiden Knien stemmen. (Tonisierung des<br />
Rectus) auch 3 x 10 Wiederholungen.<br />
3.) Bücktraining, heben/Tragen: Vorsicht<br />
– immer mit Transversusaktivität<br />
4.) Bei sehr breiten Diastasen „Rectusfixierung“<br />
nach heller und auch den<br />
PatientInnen anraten, die zwei Bäuche bei<br />
den Übungen selbst zu fixieren (zusammenhalten).<br />
Vor allem brauchen die PatientInnen viel<br />
geduld, Ausdauer, Motivation und Unterstützung<br />
durch die <strong>Physio</strong>therapeutInnen.<br />
Dagmar Mayrhofer, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 9
Ist „Sklavin“<br />
ein Beruf?<br />
Einem Trend aus den USA folgend, bieten<br />
seit drei Jahren auch hierzulande selbst<br />
ernannte „Doulas“ werdenden Müttern<br />
ihre Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung<br />
an. Das Problem dabei: Doulas<br />
agieren im (berufs)rechtlichen Niemandsland.<br />
Und auf Anfrage des Gesundheitsministeriums<br />
deponierten <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
und das Österreichische Hebammengremium,<br />
dass es keinen Bedarf an zusätzlichen<br />
Geburtsbegleiterinnen gibt.<br />
Die Idee ist nicht neu: Erfahrene Frauen,<br />
die schon eine oder mehrere geburten<br />
hinter sich haben, stehen jungen Frauen,<br />
vornehmlich bei ihrer Erstgeburt, mit<br />
Rat und Tat zur Seite. De facto wird das<br />
rund um den globus seit Jahrtausenden<br />
praktiziert. großmütter, Tanten, Freundinnen<br />
und nicht zuletzt viele Väter in spe<br />
kümmern sich um das Wohlergehen der<br />
werdenden Mütter – vom liebevollen „Einfach<br />
da sein“ bis zu kleinen und großen<br />
handgriffen im täglichen leben.<br />
Neu ist, dass das Mitgefühl etwas kostet:<br />
laut Angaben der Zeitung „Zeit“ kostet<br />
eine Doula in der Regel 400,– bis 500,–<br />
Euro. Allerdings: Als wer oder was stellen<br />
Doulas eine Rechnung? – „Sklavin“<br />
(griech. Doula, siehe Kasten) ist kein anerkannter<br />
Beruf, und viele Doulas haben<br />
„nicht einmal einen gewerbeschein“,<br />
weiß die Präsidentin des Österreichischen<br />
hebammengremiums, Renate<br />
großbichler-Ulrich.<br />
Schwierig ist auch, eine Definition zu<br />
finden, was Doulas eigentlich machen.<br />
Im berufsrechtlichen Vakuum versuchen<br />
sie sich als erfahrene Vertrauenspersonen<br />
darzustellen, die bei der geburt<br />
ganz für die werdende Mutter da sind.<br />
Kompetenzen haben sie dabei keine. Und<br />
sie beanspruchen daher auch keinen<br />
„Expertenstatus“. Den überlassen sie den<br />
etablierten gesundheitsberufen wie gynäkologInnen,<br />
hebammen, <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
etc. Die hätten allerdings ohnedies<br />
alle hände voll zu tun und könnten sich<br />
daher nicht so intensiv um die werdende<br />
Mutter kümmern.<br />
Schwerpunktthema Streitpunkt „Doula“<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
Für hebammen-Präsidentin großbichler-<br />
Ulrich ist eine derartige Argumentation<br />
ein „unglaublicher Unfug“. „Wir sind voll<br />
und ganz für Mutter und Kind da, und wir<br />
sind für beide verantwortlich. Das ist auch<br />
im gesetz so festgeschrieben.“ genau<br />
deshalb könnte im Extremfall eine Doula<br />
zum Verhängnis auch für die hebamme<br />
werden. Auch wenn Ratschläge und<br />
Zuspruch der Doula während der geburt<br />
noch so gut gemeint sind – wenn es zu<br />
Missverständnissen und Schwierigkeiten<br />
kommt, ist die hebamme verantwortlich.<br />
Für großbichler-Ulrich gibt es daher auch<br />
keine Kompromisse: „Wir treffen die Entscheidungen,<br />
und wir brauchen dabei keine<br />
Vermittlungen zur Mutter durch Dritte“.<br />
Auch bei geburtsvorbereitung und<br />
-nachbetreuung sieht die hebammen-<br />
Präsidentin keinen Bedarf an Doulas.<br />
„Wir treffen die Entscheidungen,<br />
und wir brauchen<br />
dabei keine Vermittlungen<br />
zur Mutter durch Dritte“<br />
Renate großbichler-Ulrich<br />
Präsidentin des Österreichischen<br />
hebammengremiums<br />
Es gibt ein gut funktionierendes Netzwerk,<br />
das eine optimale Betreuung werdender<br />
Mütter ermöglicht. Eine wesentliche Säule<br />
bilden darin für großbichler-Ulrich die<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen: In der geburtsvorbereitung,<br />
Bewegungsprogrammen,<br />
Übungen zur Atemtechnik, usw. (siehe<br />
auch Bericht Seite 8), „und vor allem auch<br />
in der Nachbetreuung durch ein gezieltes<br />
Beckenbodentraining“.<br />
Nachholbedarf ortet großbichler-Ulrich<br />
allerdings noch in der Kommunikation<br />
dieses Angebots. Die Betreuungsmöglichkeiten<br />
würden von vielen gar nicht wahrgenommen.<br />
So können etwa hebammen<br />
bis zur achten Woche nach der geburt auf<br />
Krankenkassenkosten beigezogen werden.<br />
„Aber das steht leider nicht im Mutter-<br />
Kind-Pass“.<br />
otto havelka<br />
Hebammen sind bei<br />
der Geburt gleichermaßen<br />
für Mutter<br />
und Kind verantwortlich.<br />
In der Geburtsvorbereitung<br />
und<br />
Nachbetreuung spielt<br />
die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 10
Was ist eine<br />
„Doula“?<br />
Der Begriff „Doula“ kommt aus dem griechischen<br />
und bedeutet „Sklavin“. Mit geburtsbegleitung hat<br />
das ursprünglich gar nichts zu tun. Die mehr als<br />
unglückliche, aus den USA stammende Selbstbezeichnung<br />
wird von Doulas in Europa fälschlich<br />
als „Dienerin der Frau“ interpretiert.<br />
Doulas verstehen sich als gehilfinnen junger<br />
Mütter, wie es in „traditionellen gesell schaften<br />
die Frauen der Dorfgemeinschaften“ sind<br />
( Eigendefinition).<br />
Eine Doula können nur Frauen werden, die selbst<br />
schon ein Kind zur Welt gebracht haben.<br />
organisiert sind Doulas in Vereinen, die Interessentinnen<br />
auch eine Schulung anbieten.<br />
Kompetenzen im berufsrechtlichen Sinn haben<br />
Doulas keine und beanspruchen sie auch nicht.<br />
Schwerpunktthema Streitpunkt „Doula“<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
<strong>inform</strong>_karriere_<strong>2009</strong>_9:<strong>inform</strong>_karriere_2007_4.qxd 02.09.<strong>2009</strong> 16:<br />
FoTo: ÖSTERREIchISchES hEBAMMENgREMIUM<br />
BEZAhlTE ANZEIgE<br />
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OSTEOPATHIE<br />
in Kooperation mit der<br />
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❋ die gesamte Osteopathie (strukturell,<br />
cranial, visceral, fascial, soft-tissue ...)<br />
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namhafter Experten<br />
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E-Mail: office@wso.at<br />
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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 11
Schwerpunktthema Fachgruppe Uro-, Prokto-, Gynäkologie und Geburtshilfe (UPGG)<br />
ProjektteilnehmerInnen<br />
gesucht<br />
Es gibt sie wieder: Am 28. Oktober wurde die neue<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Fachgruppe Uro-, Prokto-, Gynäkologie<br />
und Geburtshilfe (UPGG) aus der Taufe gehoben.<br />
Uro-, Prokto-, Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
ist nicht nur aus fachlich<br />
physiotherapeutischer Sicht ein<br />
breites Arbeitsfeld, sondern auch<br />
volkswirtschaftlich bzw. gesundheitsökonomisch<br />
gesehen ein bedeutender Bereich.<br />
Jährlich werden immense Mengen<br />
an heilbehelfen und hilfsmitteln umgesetzt,<br />
sowohl im geriatrischen Bereich,<br />
aber auch bereits in jüngeren Bevölkerungsschichten.<br />
Für einen Berufsverband wie <strong>Physio</strong><br />
<strong>Austria</strong> ist daher eine zielgerichtete und<br />
qualitätsorientierte Arbeit in diesem<br />
Bereich ein besonderes Anliegen. Nun hat<br />
sich eine gruppe von <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
die überwiegend auf diesem gebiet<br />
arbeiten, zu einer Fachgrupppe UPgg<br />
zusammengetan. „Momentan sind wir<br />
sicherlich erst ein kleiner Teil derer, die im<br />
Bereich UPgg arbeiten“, erklärt Fachgruppen-leiterin<br />
Elisabeth Udier. „Unser Ziel<br />
ist aber, möglichst viele Kolleginnen und<br />
Kollegen im Bereich UPgg in unserem<br />
Team flächendeckend zu vereinen“.<br />
Vorrangige Ziele der Fachgruppe, in der<br />
sowohl freiberuflich tätige wie angestellte<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen aus verschiedenen<br />
Bundesländern vertreten sind:<br />
• Fachlicher Austausch<br />
• gesundheitsförderung im Beckenbodenbereich<br />
(Prophylaxe)<br />
• Kooperation interdisziplinär<br />
• Qualitätssicherung–Öffentlichkeitsarbeit<br />
„Mit klaren Strukturen wird dieser große<br />
Bereich der Medizin in der Öffentlichkeit<br />
besser gesehen“, ist Udier überzeugt. „Ein<br />
professioneller Auftritt gibt Sicherheit in<br />
der interdisziplinären Zusammenarbeit und<br />
stärkt das Vertrauen der PatientInnen.“<br />
Für die verschiedenen Bereiche der UPgg<br />
werden standardisierte Fragebögen für<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen ausgewählt und von<br />
diesen dann vor und nach der Therapie<br />
ausgefüllt werden. „Damit bekommen<br />
wir einmal einen ersten Einblick in die<br />
physiotherapeutische Arbeit in Österreich,<br />
sozusagen eine IST-Stand Erhebung“, so<br />
Udier. Auf diese Werte können später<br />
weitere Projekte aufgebaut<br />
werden.<br />
gestartet wird dieses<br />
Projekt mit einem<br />
chattermin Anfang<br />
<strong>Dezember</strong>, bei dem<br />
Fragen wie Auswahl der<br />
Fragebögen, anonyme<br />
Auswertung, Projektzeitraum,<br />
etc. geklärt<br />
werden sollen. Das Projekt<br />
ist so konzipiert,<br />
dass der Zeitaufwand<br />
für die TherapeutInnen<br />
gering ist. „Es ist auch<br />
möglich, sich zu beteiligen,<br />
wenn man nur<br />
wenige PatientInnen<br />
auf diesem gebiet hat“,<br />
erklärt Udier.<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
die Interesse an<br />
diesem Projekt und<br />
Informationen über<br />
die Fachgruppe haben,<br />
können per E-Mail die<br />
Fachgruppen-leiterin<br />
Elisabeth Udier kontaktieren<br />
(elisabeth.<br />
udier@physioaustria.at)<br />
otto havelka<br />
MSc-Universitätslehrgang<br />
Gesundheitspädagogik<br />
Health Education<br />
Ziel: Kompetenzentwicklung für die Planung, Durchführung und Evaluation<br />
von fachspezifischem Unterricht insbesondere zu Gesundheitsförderung<br />
und Prävention.<br />
Dauer: 5 Semester (berufsbegleitend)<br />
Beginn: 29. Oktober 2010<br />
Gebühr: EUR 7.900,-<br />
Abschluss: Master of Science – MSc<br />
Information: Isabella Fandl, E-Mail: isabella.fandl@donau-uni.ac.at<br />
Tel: +43 (0)2732 893-2642, Fax: +43 (0)2732 893-4602<br />
www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft<br />
Donau-Universität Krems<br />
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, A-3500 Krems<br />
www.donau-uni.ac.at<br />
Inform<br />
Elisabeth Udier, PT<br />
leiterin der Fachgruppe UPgg<br />
1993 Diplom in <strong>Physio</strong>therapie am<br />
lKh graz<br />
seit 1996 freiberufliche <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
seit 2005 lehrtätigkeit an der Akademie<br />
für <strong>Physio</strong>therapie, jetzt an der<br />
Ins. Inform PFM_DUK 09.09:: 18.09.<strong>2009</strong> 11:30 Fh-Joanneum, Uhr Seite graz 1<br />
seit September <strong>2009</strong> eigene<br />
<strong>Physio</strong>therapie-Praxis in Klagenfurt und<br />
Masterausbildung in Wien<br />
Erstes Projekt<br />
<strong>Physio</strong>therapeutische Schwerpunkte:<br />
Uro-, Prokto-, gynäkologie und geburtshilfe,<br />
orthopädie, <strong>Physio</strong>therapie bei<br />
Musikern<br />
co-Autorin der <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Broschüre<br />
„Der Beckenboden, Energie für<br />
Mann und Frau“ (2. Auflage 2004)<br />
FoTo: PRIVAT<br />
Kontakt: elisabeth.udier@physioaustria.at<br />
www.fotolia.de<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 12<br />
BEZAhlTE ANZEIgE
FoTo: ElISABETh PUlKER<br />
Pilatestraining – eine<br />
wertvolle Ergänzung<br />
Der Name stammt vom Begründer<br />
der Methode, Joseph Hubertus<br />
Pilates. Er wurde 1880 in Düsseldorf/Deutschland<br />
geboren. Bereits<br />
in seiner frühen Jugend betrieb er auf<br />
grund seiner schwächlichen Konstitution<br />
zahlreiche Sportarten zur körperlichen<br />
Ertüchtigung. Im Alter von 14 Jahren<br />
posierte J.h. Pilates für anatomische<br />
Darstellungen, 1912 ging er nach England,<br />
wo er seinen lebensunterhalt als Artist,<br />
Schiläufer, Boxer, Turner und lehrer für<br />
Selbstverteidigungstechniken verdiente.<br />
Während des ersten Weltkrieges arbeitete<br />
er als Pfleger in einem lager, in dem er<br />
Kriegsversehrte unter anderem mit einem<br />
von ihm ent wickelten Trainingsgerät rehabilitierte.<br />
Nach Kriegsende kehrte Pilates<br />
nach Deutschland zurück, wo er seine<br />
Trainingsmethode weiterentwickelte. 1926<br />
wanderte er nach Amerika aus, wo er auf<br />
der Überfahrt seine zukünftige Ehefrau<br />
clara, mit der er später ein Studio in New<br />
York eröffnete, traf. Schon bald etablierte<br />
sich Pilates mit seiner speziellen Trainingsform<br />
unter Tänzern. Später trainierten<br />
auch andere darstellende Künstler<br />
und Athleten nach seiner Methode.<br />
Schwerpunktthema Pilates und Beckenboden<br />
Pilatestraining ist derzeit in aller Munde:<br />
Von ÄrztInnen empfohlen, von FitnesstrainerInnen<br />
angepriesen, von <strong>Physio</strong>therapeutInnen kritisch<br />
beäugt. – Was steckt hinter dieser Methode und wie<br />
geeignet ist sie für ein Beckenbodentraining?<br />
Inspiriert wurde Pilates sowohl von westlichen,<br />
als auch von östlichen Philosophien.<br />
So kombinierte er beispielsweise<br />
Atem- und Dehntechniken des Yoga mit<br />
dynamischen Techniken der gymnastik.<br />
Die folgenden sechs Prinzipien bezeichnete<br />
Joseph h. Pilates als Fundament<br />
seiner Trainingsmethode.<br />
Zentrierung<br />
Der Ursprung jeder Bewegung ist eine<br />
starke Körpermitte („Powerhouse“).<br />
Diese zu kräftigen ist das vorrangige Ziel<br />
der Pilatesmethode und die grundvoraussetzung<br />
für ein effektives Training.<br />
Bauch- und gesäßmuskulatur, untere<br />
lendenwirbelsäule und der Beckenboden<br />
sind die anatomischen Begrenzungen des<br />
„Powerhouse“. Durch die Anspannung der<br />
beteiligten Muskeln wird die Wirbelsäule<br />
gestützt, der Rumpf stabilisiert, gestreckt,<br />
aufgerichtet und somit haltung und<br />
gleichgewicht verbessert.<br />
Atmung<br />
Vor allem da Joseph Pilates selbst Asthma<br />
krank war, legte er größten Wert auf<br />
eine physiologische Atmung. Er verstand<br />
darunter tiefe und volle Atemzüge. In ihrer<br />
heute gelehrten Form wird die von Pilates<br />
angewandte Atemtechnik als seitliche<br />
Brustkorb- oder Zwerchfellatmung bezeichnet.<br />
Während des Trainings sollte die<br />
luft nie angehalten und der persönliche<br />
Atemrhythmus stets beibehalten werden.<br />
Als grundregel gilt, in der Startposition<br />
durch die Nase einzuatmen und während<br />
der Bewegung wahlweise durch Nase oder<br />
Mund auszuatmen.<br />
Kontrolle<br />
Der von Pilates verwendete Begriff<br />
„contrology“ lässt sich nicht allein mit<br />
Körperbeherrschung gleichsetzen. Pilates<br />
forderte die Kontrolle über Körper und<br />
geist. Jede Bewegung sollte vor ihrer Ausführung<br />
bewusst gemacht, geplant und<br />
sorgfältig ausgeführt werden. Fortschritte<br />
können dadurch schneller festgestellt, das<br />
Verletzungsrisiko verringert werden.<br />
Konzentration<br />
Die Aufmerksamkeit darf während des<br />
Trainings in keinem Moment nachlassen.<br />
Bei jeder Bewegung soll ein innerer Dialog<br />
mit dem eigenen Körper stattfinden, um<br />
dann jeden Bewegungsschritt sorgfältig<br />
überlegt, visualisiert und anschließend<br />
konzentriert auszuführen. »<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 13
FoToS: ElISABETh PUlKER<br />
Inspiration in die Flanke<br />
mit gleichzeitig aktiviertem<br />
M. transversus abdominis<br />
Präzision<br />
Neben Kontrolle und Konzentration erhöht<br />
eine präzise Ausführung den Nutzen der<br />
Übungen für den Körper. In keinem Fall<br />
dürfen Details ausgespart werden.<br />
Bewegungsfluss<br />
Ein harmonischer Bewegungsfluss soll<br />
nicht nur innerhalb einer Übung, sondern<br />
auch zwischen den einzelnen Übungen<br />
gewahrt bleiben. Das von der eingesetzten<br />
Energie abhängige innere Tempo<br />
bestimmt den Ablauf bzw. den Rhythmus<br />
der Bewegungen. Die persönliche leistungsfähigkeit<br />
muss dabei berücksichtigt<br />
und durch Training erweitert werden.<br />
Um das Training nach Pilates medizinisch<br />
beurteilen zu können, ist auf die<br />
Erkenntnisse der Arbeiten von hodges,<br />
Richardson und Sapsford zu verweisen.<br />
Diese untersuchten die Wichtigkeit einer<br />
gelungenen Kooperation aller beteiligten<br />
Muskelgruppen an der Stabilität des<br />
Rumpfes. Im Speziellen konnte gezeigt<br />
werden, dass vor allem der M. transversus<br />
abdominis, die Mm. multifidii und die<br />
Beckenbodenmuskulatur als Tiefenstabilisatoren<br />
eine wichtige synergistische<br />
Zusammenarbeit aufweisen.<br />
Weiters konnten ihre Studien verdeutlichen,<br />
dass die Tiefenstabilisatoren<br />
eine antizipatorische Vorspannung bei<br />
Bewegungen der Extremitäten aufbauen.<br />
Diese Aktivität ist bei RückenschmerzpatientInnen<br />
jedoch verlangsamt oder<br />
fehlend. Auch bei PatientInnen mit<br />
harn inkontinenz symptomen zeigt sich<br />
nicht nur ein Fehlen der antizipatorischen<br />
Vorspannung. Als Folge kann die Beckenbodenmuskulatur<br />
ihre lagesichernde<br />
Aufgabe für die organe im kleinen<br />
Becken nicht erfüllen.<br />
Schwerpunktthema Pilates und Beckenboden<br />
Expiration mit zusätzlicher<br />
Anspannung der Musculi<br />
obligii<br />
Nach der Definition der International<br />
continence Society (IcS) bestehen die<br />
Aufgaben des Beckenbodens darin, die<br />
lage der organe im kleinen Becken zu<br />
stabilisieren, die Ausscheidungsfunktionen<br />
zu ermöglichen und harn- und<br />
Stuhlkontinenz zu gewährleisten.<br />
Eine eingeschränkte Kontraktion der<br />
Beckenbodenmuskulatur führt zu einer<br />
Instabilität im lumbosakralen Übergang<br />
durch die fehlende Dorsalnutation des<br />
Sakrums. Dies zeigt sich besonders bei<br />
gewichtsverlagerungen im Stand.<br />
Die enge Verbindung von harninkontinenz<br />
und Rückenbeschwerden lässt sich auch<br />
durch eine aktuelle empirische Studie<br />
untermauern. So gaben 200 Frauen im<br />
Alter von 17 bis 45 Jahren, die an einer<br />
physikalischen Institution aufgrund von<br />
Rückenbeschwerden vorstellig waren,<br />
in 83 % der Fälle auch harninkontinenzsymptome<br />
an.<br />
Im physiotherapeutischen Behandlungssetting<br />
zur Beckenbodenrehabilitation<br />
erfolgt nach einem selektiven Muskelaufbautraining<br />
die Phase der bewussten<br />
Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur<br />
gemeinsam mit der tiefen Rumpfmuskulatur.<br />
Das nächste Ziel ist das Automatisieren<br />
der synergistischen Aktivitäten<br />
der dabei beteiligten Muskelgruppen bei<br />
Bewegungen.<br />
Speziell diese Phase der Beckenbodenrehabilitation<br />
kann mit einem Training<br />
nach J. h. Pilates begleitet werden. Im<br />
Pilatestraining werden nicht nur Beweglichkeit,<br />
Kraft, Ausdauer, Koordination<br />
und Konzentrationsfähigkeit verbessert;<br />
es werden auch Wahrnehmung, Körperhaltung<br />
und Atmung geschult. Die genau<br />
Anatomie der<br />
Bauchmuskulatur<br />
definierten Atembewegungen, die zu den<br />
Körperbewegungen synchron angeleitet<br />
werden, trainieren nicht nur mit jedem<br />
Atemzug die Mm. obliquii und den M.<br />
transversus abdominis konzentrisch und<br />
exzentrisch, sondern verhindern auch das<br />
Aufbauen eines unphysiologisch hohen<br />
intraabdominalen Druckes durch das Anhalten<br />
der Atmung bei Anstrengung. Die<br />
Wiederholungszahl der einzelnen Übungen<br />
wird bewusst gering gehalten, um einer<br />
Ermüdung, die zu einer Instabilität in den<br />
Wirbelsegmenten und einer damit verbundenen<br />
Belastung der passiven Strukturen<br />
führen würde, vorzubeugen. Die korrekte<br />
Einhaltung der Ausgangs- und Endstellungen<br />
muss durch den Trainer stets<br />
kontrolliert und korrigiert werden.<br />
hier liegt der größte Nachteil und eine<br />
Schwachstelle des Pilatestrainings: Der<br />
Mangel an gut geschulten Instruktoren<br />
und die oft zu große Anzahl an Trainingsgruppenmitgliedern.<br />
Um als PilatestrainerIn<br />
arbeiten zu können, genügen oft schon<br />
wenige Tage, in denen einzelne Übungen<br />
aus dem Konzept vermittelt werden.<br />
Es wäre wichtig, die Ausbildung verpflichtend<br />
zu zertifizieren und markenrechtlich<br />
zu schützen. Dies wurde leider verabsäumt.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden,<br />
dass Pilatestraining eine wertvolle<br />
Ergänzung zur Perfektionierung und<br />
Automatisierung des Einsatzes der<br />
Becken bodenmuskulatur und den tiefen<br />
Rumpfmuskeln in sportlichen Bewegungsabläufen<br />
und in weiterer Folge in<br />
Alltagsbewegungen sein kann.<br />
Zu optimierung dieses Effektes ist es<br />
wichtig, das Training bei einem entsprechend<br />
ausgebildeten Trainer nach<br />
vorangehender Kontrolle der Fähigkeit zu<br />
einer korrekten Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur<br />
zu absolvieren.<br />
Elisabeth Pulker, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 14
FoTo: ElISABETh PUlKER<br />
Literaturangaben:<br />
1. R Sapsford, hodges PW, Richardson<br />
ca, cooper Dh, Markwell SJ,<br />
Jull gA 2001, co-activation of the<br />
abdominal and pelvic floor muscles<br />
during voluntary exercises.<br />
2. hodges PW, Richardson cA 1999,<br />
Altered trunk muscle recruitment<br />
in people with low back pain with<br />
upper limb movement at different<br />
speeds.<br />
3. hodges PW, Richardson cA 1997,<br />
Inefficient muscular stabilization of<br />
the lumbar spine associated with<br />
low back pain. A motor control evaluation<br />
of transversus abdominis.<br />
4. Smith MD, coppieters MW und hodges<br />
2007, Postural activity of the<br />
pelvic floor muscles is delayed during<br />
rapid arm movement in women<br />
with stress urinary incontinence.<br />
5. Messelink B, Benson T, Berghmans,<br />
Bo K, corcos J, Fowler c, laycock<br />
J et al. 2005, Standardisation of<br />
terminology of pelvic floor muscle<br />
function and dysfunction: report<br />
from the pelvic floor clinical assessment<br />
group of the international<br />
continence society.<br />
Schwerpunktthema Pilates und Beckenboden<br />
Elisabeth Pulker, PT<br />
Absolventin der Akademie für <strong>Physio</strong>therapie in Wien (1989)<br />
Tätigkeit im Rudolfinerhaus und im Institut für Physikalische Medizin<br />
(Prim. h. Kern)<br />
1994–2006 lektorat an der Akademie für <strong>Physio</strong>therapie an den<br />
Salzburger landeskliniken; Aufbau eines Beckenboden-Rehab-<br />
Zentrums; leitung von Studien zu Beckenboden- und Triggerpunkttherapie<br />
; Nationale und internationale Vorträge und Seminare für<br />
Ärzte, <strong>Physio</strong>therapeuten, Apotheker und Diplomkrankenschwestern<br />
seit 2005 leitung von Pilates-gruppen<br />
2006 Mitarbeit am <strong>Physio</strong>therapeuten-Projekt Fachkräfte-Austausch<br />
im Bereich Beckenboden-Rehabilitation der EU in großbritannien<br />
seit 2007 eigene <strong>Physio</strong>therapie-Praxen in Innsbruck und Dornbirn<br />
Februar 2008 lizenz als Pilates-Mastertrainerin<br />
Pilates-DVD-Produktion<br />
Fort- und Weiterbildung in den Bereichen Beckenbodenrehabilitation<br />
mit und ohne apparative Unterstützung mit Biofeedback und<br />
Elektrostimulation beim Erwachsenen und beim Kind, geburtsvorbereitung<br />
und Rückbildungsgymnastik, craniosacraltherapie und<br />
Triggerpunkttherapie<br />
6. Pool-goudzwaard A, van Dijke gh,<br />
van gurp M, Mulder P, Snijders c,<br />
Stoeckart R. 2004, contribution of<br />
pelvic floor muscles to stiffness of<br />
the pelvic ring.<br />
7. Eliasson K, Elfving B, Nordgren B,<br />
Mattsson E 2007, Urinary incontinence<br />
in women with low back<br />
pain.<br />
8. Mens J, hoek van Dijke g, Poolgoudzwaard<br />
A, van der hulst V,<br />
Stam h., 2006 possibel harmful<br />
effects of high intra-abdominal<br />
pressure on the pelvic girdle.<br />
BEZAhlTE ANZEIgE<br />
Upledger CranioSacral Therapy®<br />
Eine spezielle komplementäre Therapieform<br />
für Regenerations- und Reorganisationsprozesse<br />
des Faszien Systems.<br />
Barral Viszerale Manipulation®<br />
Eine spezielle Therapieform von<br />
Jean-Pierre Barral für Organe, die in starker<br />
Wechselwirkung mit dem muskuloskelettalen<br />
System steht.<br />
Das Kursprogramm des<br />
Upledger Institut Österreich<br />
beinhaltet zahlreiche Techniken<br />
und Behandlungsoptionen speziell für<br />
<strong>Physio</strong>-TherapeutInnen.<br />
Kostenlos anfordern unter:<br />
www.upledger.at<br />
Upledger Institut Österreich<br />
Sparbersbachg. 63 | 8010 Graz<br />
Tel.: 0316/84 00 50-0 | Fax: 84 00 50-3<br />
E-Mail: office@upledger.at<br />
www.upledger.at<br />
www.barral.at<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 15
Stabilität und<br />
Funktionalität<br />
des Kniegelenkes<br />
Arthrose des Kniegelenkes führt zu<br />
einer Abnahme der Aktivitäten des<br />
täglichen Lebens wie zum Beispiel:<br />
gehen, Stiegen steigen oder, in das Auto<br />
einsteigen (3–5). Die Aktivitätsverminderung<br />
ist bereits zu Krankheitsbeginn<br />
feststellbar und nimmt im Verlauf der<br />
Krankheit langsam weiter zu (6).<br />
In epidemiologischen Studien sind einige<br />
Faktoren für die Verminderung der Aktivitäten<br />
bei Kniearthrose definiert (7–15).<br />
Üblicherweise wird die Degeneration des<br />
Knorpels als die wichtigste Ursache dafür<br />
angesehen. In wissenschaftlichen Studien<br />
ist aber bisher kein starker Zusammenhang<br />
zwischen Knorpeldegeneration<br />
und Funktionalität gefunden worden.<br />
Möglicherweise können andere Faktoren<br />
die Verminderung der Aktivitäten des<br />
täglichen lebens besser erklären.<br />
Schmerzen und Abnahme von Muskelkraft<br />
sind wichtige Ursachen für den Verlust<br />
von Funktionalität (16–18). Übungen mit<br />
dem Ziel, die Muskelkraft zu erhöhen,<br />
führen zu einer Zunahme der tägliche<br />
Aktivitäten (19–22). Der Effekt der<br />
Übungstherapie ist aber gering und nicht<br />
alle PatientInnen reagieren positiv (23).<br />
Deshalb ist es notwendig, die Übungstherapie<br />
durch eine Anpassung der Inhalte<br />
und durch eine adäquate Selektion der<br />
PatientInnen mit Verbesserungschancen<br />
zu optimieren. Es gibt hinweise, (a) dass<br />
die Instabilität des Kniegelenkes Auswirkungen<br />
auf die Aktivitäten des täglichen<br />
lebens hat (24–26), und (b) dass die<br />
gelenkstabilität den Zusammenhang<br />
zwischen Muskelkraft und Funktionalität<br />
beeinflusst (27–29).<br />
Die Kniestabilität wird gewährleistet durch<br />
die passiven Strukturen des gelenks (Bänder<br />
und gelenkskapsel) und durch das<br />
aktive neuromuskuläre System (Muskeln<br />
Wissenschaft und Forschung Kniegelenksarthrose<br />
Kniegelenksarthrose stellt wegen der hohen Prävalenz und<br />
dem großen Einfluss auf die Funktionalität der Patienten (1,2)<br />
ein großes Gesundheitsproblem dar. Durch die Vergreisung in<br />
den Industrieländern wird voraussichtlich die Prävalenz und<br />
Inzidenz der Kniegelenksarthrose zunehmen.<br />
und Propriozeption der gelenkkapsel).<br />
Die durchgeführten Studien zeigten, dass<br />
die gelenkstabilität ein wichtiger Faktor<br />
für die Funktionalität der PatientInnen mit<br />
Kniearthrose ist (27–29). In diesen Studien<br />
wurde die Muskelkraft, die Zugfestigkeit<br />
der Kapsel und der ligamente, die<br />
genauigkeit der Propriozeption und die<br />
Beweglichkeit des Kniegelenks während<br />
des gehens untersucht – insbesondere im<br />
Zusammenhang mit der Funktionalität der<br />
PatientInnen.<br />
Die Studien zeigten, dass die Muskelkraft<br />
der wichtigste Faktor bleibt, aber dass der<br />
Zusammenhang mit Funktionalität durch<br />
Kapsel- bzw. ligamentzugfestigkeit (laxität),<br />
Propriozeption und gelenkbeweglichkeit<br />
während des gehens beeinflusst wird.<br />
Allerdings sind diese Teile der Stabilität<br />
nicht miteinander assoziiert (siehe<br />
Figur 1). Die Stabilität des Kniegelenkes<br />
ist daher ein Prozess, abhängig von Muskelkraft,<br />
Zugfestigkeit (laxität), Propriozeption<br />
und gelenkbeweglichkeit. Darum<br />
sollte die Therapie vor allem Übungen zur<br />
Kräftigung der oberschenkelmuskulatur<br />
und zur Verbesserung der genauigkeit der<br />
Propriozeption beinhalten; mit dem Ziel,<br />
die Stabilität zu verbessern. Sobald die<br />
Kniestabilität der PatientInnen zunimmt,<br />
ist auch eine Verbesserung der Funktionalität<br />
der PatientInnen zu erwarten.<br />
Eine Einschränkung der Studien ist, dass<br />
diese cross-sectional (das heißt, es handelt<br />
sich um einmalige Messungen) ausgeführt<br />
wurden. Dadurch können keine<br />
Schlüsse kausaler Ursachen des Funktionalitätsverlusts<br />
gezogen werden. Eine<br />
weitere wichtige Einschränkung ist das<br />
Fehlen von Referenzwerten für normale<br />
bzw. pathologische Zugfestigkeit (laxität)<br />
und Propriozeption der gelenkskapsel<br />
und ligamente. Auch die Kompensation<br />
durch Bewegungen in der hüfte oder<br />
des Rumpfes bei Patienten mit Kniearthrose<br />
ist nicht bekannt. Daher sind zur<br />
optimierung der Übungstherapie und der<br />
PatientInnenauswahl (welche Patienten<br />
von Übungstherapie profitieren) weitere<br />
Studien notwendig.<br />
Figur1.<br />
The “knee joint stabilization model”: a model<br />
of the relationship between impaired factors of<br />
the stabilization process and reduced functional<br />
ability in patients with osteoarthritis of the<br />
knee. Muscle weakness affects more strongly<br />
functional ability in knee OA patients with<br />
high laxity, poor proprioception and high knee<br />
motion during walking, than in patients with<br />
low laxity, accurate proprioception and low<br />
knee motion during walking.<br />
1, 3<br />
Dr. Martin van der Esch<br />
1, 2<br />
Dr. Martijn Steultjens<br />
Univ.-Prof. Dr. Joost Dekker<br />
1, 2<br />
1 Jan van Breemen Institute, center for Rheumatology<br />
and Rehabilitation, Amsterdam,<br />
The Netherlands.<br />
2 VU University Medical center, Department<br />
of Rehabilitation Medicine, EMgo Institute,<br />
Department of Psychiatry, Amsterdam, The<br />
Netherlands.<br />
3 Department of Allied health care Research,<br />
Amsterdam School of Allied health Education,<br />
Amsterdam, The Netherlands.<br />
Die vollständige Literaturliste kann unter<br />
www.physioaustria.at eingesehen werden.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 16
BEZAhlTE ANZEIgE FoTo: PRIVAT<br />
Dr. Martin van der Esch<br />
Wissenschafter und <strong>Physio</strong>therapeut im Jan van<br />
Breemen Institut, Zentrum für Rehabilitation und<br />
Rheumatologie in Amsterdam, Niederlande.<br />
Dozent an der Fachhochschule für <strong>Physio</strong>therapie<br />
in Amsterdam und Referent an der Universität Wien<br />
im Masterstudium <strong>Physio</strong>therapie.<br />
Arbeitsschwerpunkt: Studien im Feld der Knie- und<br />
hüftarthrose, insbesondere die Relation zwischen<br />
biomechanische Faktoren und die tägliche Funktionalität<br />
der PatientInnen betreffend.<br />
2008 Promotion an der medizinischen Fakultät<br />
in Amsterdam. Titel seiner Doktorarbeit: „knee<br />
joint stability and functional ability in patients with<br />
osteoarthritis of the knee“.<br />
Derzeit Arbeit an einer Studie der Propriozeption<br />
der Knie- und hüftgelenke bei PatientInnen mit<br />
Arthrose.<br />
13826 Otto Bock_print 17.11.<strong>2009</strong> 8:07 Uhr Seite 1<br />
Wissenschaft und Forschung Kniegelenksarthrose<br />
Kongresse 2010<br />
Handchirurgie und HandtherapeutInnentag 2010<br />
anlässlich der Frühjahrsklausurtagung der Österr. gesellschaft für<br />
handchirurgie (Ögh) in Kooperation mit <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> und Ergo <strong>Austria</strong><br />
5. und 6. März 2010<br />
Salzburg, Österreich<br />
www.handchirurgen.at<br />
CareFair Germany 2010<br />
4 Pflegekongresse & Fachmesse für Pflege & Rehabilitation<br />
22.–23. April 2010<br />
Nürnberg, Deutschland<br />
(CCN-Ost / Halle 4a)<br />
www.carefair-germany.de<br />
13. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für<br />
Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) e.V.<br />
Thema: leitlinien und Qualitätsstandards, Faszination Wundchirurgie<br />
17.–19. Juni 2010<br />
Freiburg, Deutschland<br />
www.conventus.de<br />
Wussten Sie, dass Otto Bock ...<br />
… in Österreich eine Entwicklungs- und Produktionsstätte<br />
für High-Tech-Prothesen besitzt?<br />
… jeden Rollstuhl individuell nach Alter, Behinderungsart,<br />
medizinisch-therapeutischer Notwendigkeit<br />
und Kundenwunsch anfertigt?<br />
… die weltweiten Entwicklungsaktivitäten im<br />
Bereich Neurostimulation von Österreich aus<br />
koordiniert?<br />
… in jeder Kniebandage Genu Sensa 1.900 m<br />
antibakterielle Faser verarbeitet?<br />
E I N L A D U N G<br />
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Wann: 12. März 2010, 09.00 bis 16.00 Uhr<br />
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Tel.: 01/526 95 48-102 bzw. seminar.austria@ottobock.com<br />
Anmeldeschluss: 5. März 2010<br />
Achtung begrenzte Plätze!<br />
www.ottobock.at<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 17
Pressekonferenz zum Sport physiotherapie-Kongress<br />
<strong>2009</strong> (v.l.n.r.):<br />
Univ.-Prof. Dr. Erich Müller,<br />
Hans Josef Haas, Karl Lochner, PT,<br />
Mag. Wolfgang Margreiter, PT,<br />
Dr. Gerhard Oberthaler, Dr. Patrick<br />
Bernatzky, Philipp Schörghofer<br />
Workshop<br />
im leistungsdiagnostischen<br />
Labor<br />
Wissenschaft und Forschung Sportphysiotherapie-Kongress <strong>2009</strong><br />
Alpiner Skisport – Management<br />
von Knieverletzungen<br />
Von 13. bis 14. November fand in Salzburg ein internationaler interdisziplinärer<br />
Kongress zum Thema Knieverletzungen im Skisport statt. Veranstalter<br />
waren die Universität Salzburg, Interfakultärer Fachbereich für Sport- und<br />
Bewegungswissenschaft, die <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Fachgruppe Sportphysiotherapie<br />
und das Fortbildungsinstitut Sportphysiotherapie „spt- education“.<br />
Zielsetzung des Kongresses war,<br />
Rehabilitation und Prävention von<br />
Knieverletzungen als interdisziplinäre<br />
Gesamtleistung von Sportmedizin,<br />
Sportwissenschaften,<br />
Sportpsychologie und Sportphysiotherapie<br />
zu diskutieren und die Problematik<br />
schwerer Knieverletzungen beim<br />
Alpinen Ski(renn)lauf aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln zu betrachten, zu analysieren<br />
und Rehabilitationsstrategien und Präventionsmaßnahmen<br />
zu diskutieren.<br />
FoTo: UNIVERSITÄT SAlZBURg<br />
FoTo: UNIVERSITÄT SAlZBURg<br />
Univ.Prof. Dr. Erich Müller, gastgeber und<br />
leiter des Interfakultären Fachbereiches<br />
Sport- und Bewegungswissenschaft der Uni<br />
Salzburg, stellte einleitend eine vom Internationalen<br />
Skiverband lancierte und vom oslo<br />
Sports Trauma Research center (Arbeitsgruppe<br />
rund um Prof. Roald Bahr) durchgeführte<br />
Studie zu Verletzungen im Skirennlauf<br />
vor, der zufolge jeder dritte Athlet pro Saison<br />
mit einer mehr oder weniger ernsthaften<br />
Verletzung rechnen muss – im Vordergrund<br />
stehen dabei Knieverletzungen.<br />
Der <strong>Physio</strong>therapeut Nicolas Mathieu<br />
(Schweizerischer Sportphysioverband)<br />
und der Sportwissenschafter Jürgen<br />
Birklbauer zeigten die Bedeutung des<br />
sensomotorischen und des intermuskulären<br />
Koordinations-Trainings auf. Sie<br />
erläuterten die neurobiologischen<br />
grundlagen des motorischen lernens<br />
und die Notwendigkeit, das zielgerichtete,<br />
variationsreiche Üben von Bewegungsabläufen<br />
zu favorisieren. Die Umsetzung<br />
dessen veranschaulichte Nicolas Mathieu<br />
anhand des sportphysiotherapeutischen<br />
Rehabilitationsprozesses am Beispiel<br />
eines Schweizer Skirennläufers nach einer<br />
Knieverletzung.<br />
Die renommierten Sportmediziner und<br />
Kniechirurgen gerhard oberthaler,<br />
christian Fink und christian hoser diskutierten<br />
die häufigsten Knieverletzungen<br />
und die derzeit möglichen Behandlungsstrategien.<br />
Neue Behandlungsformen<br />
von Knorpel- und Meniskusverletzungen<br />
beginnen sich langsam zu entwickeln und<br />
trotz aller Fortschritte ist die <strong>Physio</strong>logie<br />
des verletzten gewebes der Indikator für<br />
das therapeutische Verhalten und die<br />
Zeitdauer der Rehabilitation. Man strebt<br />
grundsätzlich nach zeitlicher Effizienz<br />
aber zugleich sollte dabei nichts überstürzt<br />
werden, so die Mediziner unisono.<br />
Eindringlich mahnen die Sportmediziner<br />
– in Anbetracht der schwerwiegenden<br />
Verletzungen – zu einer intensiven<br />
Ursachenforschung und empfehlen die<br />
Fokussierung auf Präventivmaßnahmen.<br />
Das Impulsreferat von Arno Staudacher<br />
(Direktor des Skigymnasiums Stams und<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 18
BEZAhlTE ANZEIgE<br />
Nachwuchsreferent im Österreichischen<br />
Skiverband) konnte die Wichtigkeit der<br />
Sportphysiotherapie auch im präventiven<br />
Bereich anhand eines Projektes,<br />
das in Stams und in den alpinen ÖSV<br />
Nachwuchskadern über die letzten<br />
Jahre etabliert wurde, verdeutlichen. So<br />
werden beispielsweise die AthletInnen der<br />
landesskiverbände in einem sport physiotherapeutischen<br />
Screening auf Defizite<br />
am Bewegungsapparat untersucht und<br />
mit individuellen Trainingsvorschlägen versorgt,<br />
um den Einstieg in den leistungssportbezogenen<br />
Nachwuchskader des<br />
Österreichischen Skiverbandes gut verkraften<br />
zu können. Zudem sind in jeden<br />
Kader des ÖSV teameigene <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
integriert – mit mannigfaltigen<br />
Aufgaben: von klassischer <strong>Physio</strong>therapie<br />
über Ergänzungstraining konditioneller<br />
Faktoren bis hin zur Unterstützung im<br />
Mentalbereich.<br />
Die sportphysiotherapeutischen Experten<br />
Rainer Sieven (<strong>Physio</strong>therapeut<br />
und Sportwissenschafter) und Walter<br />
lindlbauer (<strong>Physio</strong>therapeut) legten in<br />
ihren Beiträgen rund um die Rehabilitation<br />
vorderer Kreuzband-, Meniskus- und<br />
Knorpelverletzungen großen Wert auf<br />
das Rehabilitationstraining nach dem<br />
Motto: Jede Struktur muss zusätzlich zu<br />
physiotherapeutischen Maßnahmen nach<br />
den gegebenheiten der <strong>Physio</strong>logie der<br />
Wundheilung auch belastet, also trainiert<br />
werden, um letztlich wieder belastbarer zu<br />
werden. Die Planung der Nachbehandlung<br />
Wissenschaft und Forschung Sportphysiotherapie-Kongress <strong>2009</strong><br />
Die Experten<br />
beim „Isomed<br />
2000“ Kraftdiagnostik-<br />
und<br />
Trainingsgerät<br />
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FoTo: UNIVERSITÄT SAlZBURg<br />
bezieht sich immer mehr auf Kriterien<br />
denn auf Zeitschemata – das erklärt<br />
vielleicht auch, warum TopathletInnen mit<br />
optimaler Betreuungsstruktur und hohem<br />
Ausgangsniveau den Einstieg in ihren<br />
Sport häufig schneller wieder finden als<br />
Breiten- und gesundheitssportlerInnen.<br />
Die rehabilitativen Trainingsmaßnahmen<br />
waren vor allem im Bereich intermuskuläre<br />
Koordination und komplexem Krafttraining<br />
(Kraftausdauer, Muskelaufbautraining<br />
und Schnellkraftmethoden) angesiedelt.<br />
Neu war auch der Ansatz, mentale Aspekte<br />
in die Behandlungs- und Präventionsstrategien<br />
mit ein zu beziehen. Ein von Sandra<br />
lahnsteiner präsentierte Videointerview<br />
„Belastungsreaktionen und Bewältigungsstrategien<br />
nach Verletzungen“ gab einen<br />
guten Einblick in psychische Befindlichkeiten<br />
von TopathletInnen wie Reinfried<br />
herbst, Anna Fenninger oder Phillip Schörghofer<br />
nach deren Knieverletzungen.<br />
Patrick Bernatzky (Koordinator im Österreichischen<br />
Bund für Sportpsychologie<br />
und Mentalcoach) stellte sportpsychologisches<br />
Basiswissen vor und zeigte im<br />
anschließenden Workshop praxisrelevante<br />
Beispiele mentaler Trainingsformen auf.<br />
Wolfgang Margreiter, Psychologe und<br />
<strong>Physio</strong>therapeut, präsentierte Ergebnisse<br />
seiner Diplomarbeitsstudie, die deutlich<br />
erkennen lassen, dass mentale Interventionen<br />
die heilungsprozesse nach Verletzungen<br />
positiv beeinflussen.<br />
Im abschließenden „Roundtable“ wurde<br />
noch einmal auf die Wichtigkeit des Zusammenwirkens<br />
der Disziplinen Sportmedizin,<br />
Sportwissenschaft, Sportpsychologie<br />
und Sportphysiotherapie hingewiesen.<br />
Nur so könne eine Weiterentwicklung von<br />
Rehabilitation und Prävention stattfinden.<br />
otto havelka<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 19
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Porträt: Elisabeth Eckerstorfer<br />
Die Lösung steht<br />
im Mittelpunkt<br />
Mit dem Ergebnis ist die Powerfrau<br />
hochzufrieden: „Wir haben die Zeit<br />
der Diskussionsprozesse zur intensiven<br />
Vorbereitung gut genutzt und<br />
unsere Hausaufgaben gemacht.“<br />
Eine Aufgabe, die der 46-jährigen <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
nicht nur Verantwortung<br />
sondern auch leidenschaft ist: „Wann hat<br />
man schon die Möglichkeit, eine Ausbildung<br />
ganz neu von grund auf aufzubauen?“<br />
historisch gewachsenes kann dabei<br />
evaluiert und auf Tauglichkeit überprüft<br />
werden, das eine oder andere entrümpelt<br />
werden, um die StudentInnen auch für<br />
relativ neue Anforderungen des Berufes fit<br />
zu machen. Immerhin habe sich auch der<br />
Beruf in den letzten beiden Jahrzehnten<br />
von einem medizinischen hilfsberuf zu<br />
einer eigenständigen Tätigkeit mit viel<br />
selbst zu tragender Verantwortung gewandelt.<br />
Zwar verordnet noch immer der Arzt<br />
<strong>Physio</strong>therapie, von da an obliegen jedoch<br />
dem Therapeuten/der Therapeutin weitreichende<br />
Entscheidungen – und somit<br />
auch der Erfolg der Behandlung.<br />
Tatsächlich kommt nun mit der Umstellung<br />
auf die Fachhochschule auch ein<br />
neuer Zugang in die physiotherapeutische<br />
Ausbildung, die den Anforderungen des<br />
Berufs in puncto Eigenverantwortung<br />
nachkommt. „Es geht darum, eine<br />
Mischung aus eigener Erfahrung und<br />
überprüfbarem Wissen zu vermitteln“,<br />
betont Eckerstorfer. Die Akademie sei in<br />
ihrem Wesen eben noch stark inhalteorientiert,<br />
während in der Fachhochschule<br />
eher ein ergebnisorientierter Ansatz zum<br />
Tragen kommt. Die Ausbildung passe sich<br />
somit an die Anforderung des Berufes an,<br />
sagt Eckerstorfer, die bereits 1991 lehrtherapeutin,<br />
zunächst noch im KFJ-Spital<br />
in Wien, seit 1996 dann in Steyr wurde:<br />
„Die lösung des Problems steht im<br />
Mittelpunkt. Anstelle des handwerkzeugs<br />
steht der physiotherapeutische Prozess<br />
im Zentrum. Das handwerkszeug ist dabei<br />
Mittel zum Zweck.“<br />
„Prozess statt Schublade“, nennt das<br />
die Direktorin, die seit 1999 erfolgreich<br />
die Akademie in Steyr leitet. Was damit<br />
gemeint ist, erläutert die begeisterte läuferin<br />
und Skifahrerin an einem Beispiel:<br />
Werden in der Akademie etwa noch 130<br />
Kontaktstunden in „Bewegungslehre und<br />
Biomechanik“ unterrichtet, sieht die Fh<br />
hier bewusst lediglich 85 Kontaktstunden<br />
vor. 40 Stunden stehen hingegen<br />
für das Selbststudium aus diesem Fach<br />
zur Verfügung, die unter Anleitung eine<br />
eigene herangehensweise an das Thema<br />
Elisabeth Eckerstorfer ist zufrieden: Die Direktorin<br />
der Akademie für <strong>Physio</strong>therapie in Steyr<br />
und gleichzeitig Vertreterin von Bildung und<br />
Forschung von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> sieht eine wahre<br />
Herkulesaufgabe gut gemeistert – die Umstellung<br />
ihrer Oberösterreichischen Akademie auf<br />
das Fachhochschul-Curriculum steht derzeit in<br />
der Endphase. „Seit fünf Jahren haben wir geplant<br />
und vorbereitet, 2010 wird es losgehen“,<br />
sagt Eckerstorfer.<br />
ermöglichen. Die StudentInnen werden<br />
somit ermuntert, selbst Erfahrungen zu<br />
sammeln und eigene Schwerpunkte zu<br />
setzen. Selbstverständlich ist jedoch<br />
auch der wissenschaftliche Anteil an der<br />
Fachhochschule deutlich höher als im<br />
Akademie-curriculum. Schließlich wird die<br />
Fachhochschule auch mit einem akademischen<br />
grad abgeschlossen, der anderen<br />
Studien bei Forschungsniveau und Wissenschaftlichkeit<br />
um nichts nachsteht.<br />
Dass dennoch der Patient und seine<br />
individuellen Probleme im Mittelpunkt<br />
stehen, sieht man nach Eckerstofers<br />
Ansicht bei den Akademien schon am<br />
Design des Aufnahmeverfahrens, das eine<br />
seriöse und nachvollziehbare Selektion<br />
garantiert. Anders als etwa bei ÄrztInnen,<br />
wo Kandidaten bekanntlich ausschließlich<br />
durch die schriftliche Wiedergabe von<br />
Wissen und Fertigkeiten selektiert werden<br />
(Stichwort: EMS-Testverfahren), setzt die<br />
Fh auch weiterhin auf eine in allen Ausbildungsstätten<br />
einheitlich gehandhabte<br />
Kombination aus schriftlichen Tests sowie<br />
Praxis und persönlichem gespräch. „Die<br />
Patienten sind sehr vielfältig, daher brauchen<br />
wir auch unter den Therapeuten eine<br />
breite Mischung an Persönlichkeiten“,<br />
lautet Eckerstorfers credo. Rein ein guter<br />
Analytiker zu sein reiche eben nicht aus,<br />
wenn man nicht auch soziale Kompetenz<br />
für den Beruf mitbringe, sagt die Mutter<br />
einer siebenjährigen Tochter, die 1986<br />
ihre Ausbildung zur <strong>Physio</strong>therapeutin<br />
abschloss.<br />
Auf die Erarbeitung des Fh-curriculums<br />
durch die vier Akademie-Standorte in<br />
oberösterreich ist Eckerstorfer besonders<br />
stolz: „Es wurde von Anfang an<br />
Konkurrenzdenken hintangestellt, damit<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 20
BEZAhlTE ANZEIgE<br />
gewissenhaft und erfolgreich die beste<br />
lösung für alle gefunden werden konnte.<br />
Alle finden sich im Ergebnis wieder.“<br />
Dieser Prozess war für Eckerstorfer, die in<br />
ihrer Freizeit gerne ins Theater geht, eine<br />
„spannende herausforderung“.<br />
Eine solche ist die Fh-Umstellung<br />
natürlich auch für die MitarbeiterInnen<br />
der Akademie. Auch bei ihnen ist der<br />
Akademisierungsprozess voll im gange,<br />
was Eckerstorfer besonders stolz macht:<br />
Mittlerweile gibt es etwa an der Akademie<br />
in Steyr keine/n lehrtherapeutIn mehr,<br />
die/der neben der lehrtätigkeit nicht ein<br />
Studium absolviert oder begonnen hat<br />
– ein wichtiges Kriterium, um fit für die<br />
Tätigkeit in der Fachhochschule zu sein.<br />
Eckerstorfer selbst hat 2008 ihr berufsbegleitendes<br />
Studium der Erziehungs- und<br />
Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt<br />
Bildungsmanagement mit dem Master of<br />
Arts (M.A.) abgeschlossen.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Porträt: Elisabeth Eckerstorfer<br />
Dieses Wissen kommt nun auch ihrer<br />
Tätigkeit als Verantwortliche für Bildung<br />
und Forschung von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> zu<br />
gute. Die Weiterbildung der Mitglieder<br />
ist schließlich eine wichtige Aufgabe im<br />
Verband. hier könnte es zu einigen Veränderungen<br />
für die <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
kommen. Im aktuellen Regierungsprogramm<br />
werden nun auch die Registrierung<br />
der MTD-Berufsangehörigen, in Analogie<br />
zu den ÄrztInnen und hebammen sowie<br />
der Fortbildungen genannt. D.h. zukünftig<br />
werden auch <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
kontinuierliche Fortbildungen nachweisen<br />
müssen. hier gilt es sicherzustellen, dass<br />
die Berufsverbände diese Fortbildungen<br />
selbst definieren können. Dazu wurde<br />
das Weiterbildungsdiplom (<strong>inform</strong> <strong>Nr</strong>. 3,<br />
Juni <strong>2009</strong>) ausgearbeitet. Auch hier geht<br />
es nicht um die Zahl der Stunden, die<br />
pro Jahr physiotherapeutische Techniken<br />
erarbeitet werden: „Kongress-Teilnahmen,<br />
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oder Stressbewältigung, oder auch die<br />
Reflexion spezieller Fälle mit Kolleginnen<br />
bringen da oft mehr.“ Auch thematisch<br />
ändern sich die Schwerpunkte: „Immer<br />
mehr Workshops beschäftigen sich nicht<br />
mit einer speziellen Technik, sondern haben<br />
ein klinisches Problem als zentrales<br />
Thema.“<br />
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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 21
Bevor sich alle nach der Begrüßung<br />
durch <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Präsidentin<br />
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.,<br />
auf Ferse, Knöchel, Ballen und Zehen<br />
konzentrierten, meldete sich der<br />
Vorstandsvorsitzende der freiberuflichen<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen oberösterreichs,<br />
Martin Weidinger, MSc. zu Wort, um auf<br />
die bundesweit sehr unterschiedliche<br />
Entwicklung im Bereich der Kostenrückerstattung<br />
von Seiten der Krankenkassen<br />
für <strong>Physio</strong>therapie bei WahltherapeutInnen<br />
aufmerksam zu machen.<br />
Als erster Vortragender referierte der<br />
Pionier im Bereich der neuen Fußchirurgie,<br />
Univ. Doz. Dr. Ernst ortner über die<br />
Biomechanik des Fußes und die klinische<br />
Relevanz für den physiotherapeutischen<br />
Prozess. Auf beeindruckende Weise zeigte<br />
er die Möglichkeiten der Implantatchirurgie<br />
im Bereich des gesamten Fußes.<br />
Durch dieses neuartige Implantatsystem<br />
sei man nun in der lage, mit äußerst<br />
geringer Komplikationsrate schwerste<br />
Fehlstellungen zu beheben und dennoch<br />
benachbarte Strukturen zu erhalten.<br />
Diese müssten dann durch <strong>Physio</strong>therapie<br />
reaktiviert werden. Aber auch bei Sehnenum<br />
lagerungen, wie sie zum Beispiel beim<br />
berüchtigten Fallfuß durchgeführt werden,<br />
ist postoperative <strong>Physio</strong>therapie uner-<br />
Bildung 4. Interdisziplinäres Herbstsymposium in Oberösterreich<br />
Der Fuß – zentrales<br />
Element der Statik<br />
lässlich, da Beugesehnen oft zu Strecksehnen<br />
umgewandelt werden und diese<br />
in weiterer Folge in ihrer neuen Funktion<br />
re-trainiert werden müssen.<br />
Dr. Andreas Kranzl vom labor für gang-<br />
und Bewegungsanalyse in Wien-Speising<br />
lieferte interessante Einblicke in die<br />
ganganalyse und deren unterstützende<br />
Analysemöglichkeiten zur Evaluierung<br />
diverser Bewegungsabläufe. Während beim<br />
„Normalfuß“ die hauptbelastungszone im<br />
Bereich der Ferse, des Metatarsale II/III<br />
und der großzehe liegen, konnten mittels<br />
Druckmessplatte die eindeutigen Unterschiede<br />
der ganglinie in Bezug auf Plattfuß<br />
und Klumpfuß sichtbar gemacht werden.<br />
Weitere Einflussfaktoren für die Veränderung<br />
der ganglinie sind ganggeschwindigkeit,<br />
Alter, Körpergewicht und geschlecht.<br />
Fallbeispiele für unterschiedliche ganglinien<br />
mittels Druckmessplatte zeigten auf<br />
verständliche Art und Weise den Einfluss<br />
von operationen, diversen Einlagen oder<br />
Kompensationsmuster aufgrund von<br />
Beinlängendifferenzen.<br />
Unter dem Titel „Aktive podologische<br />
Einlagen – was können sie wirklich?“<br />
beleuchtete Peter Redtenbacher, PT das<br />
gebiet der Einlagenversorgung. Neben<br />
einem geschichtlichen Streifzug ging er<br />
FoTo: PETER PhIlIP hERDIN, M.Sc., PT<br />
Am 4. Oktober <strong>2009</strong> lud <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
OÖ bereits zum vierten Mal zu einer<br />
interdisziplinären Fachtagung, bei der<br />
dieses Mal der menschliche Fuß genau<br />
unter die Lupe genommen wurde. Ein<br />
hochkarätiges ReferentInnenteam sorgte<br />
für einen Ansturm von <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
aus ganz Österreich. Mit<br />
mehr als 200 <strong>Physio</strong>therapeutInnen und<br />
VertreterInnen anderer Gesundheitsberufe<br />
war der Saal bis auf den letzten<br />
Platz gefüllt.<br />
auf das Funktionsprinzip ein, welches<br />
durch Stimulierung der Muskelspindeln<br />
und golgie Sehnenorgane aufgrund einer<br />
Muskelkettenaktivierung nach oben<br />
Einfluss auf die haltung nehmen soll.<br />
Der Einlagen-Aufbau setzt sich nach<br />
Redtenbacher aus verschiedenen Keilen<br />
zusammen, insbesondere in einen retrocapitalen<br />
(intern/extern), medioexternen<br />
und calcanearen (intern/extern) Teil.<br />
Weiters ging er auf den Behandlungsablauf<br />
ein, in dem PatientInnen zuerst auf deren<br />
gelenksstatus beurteilt werden. Nach<br />
einem dynamischen Fußabdruck im gehen<br />
werden dann in weiterer Folge relevante<br />
Körperpunkte markiert, um im anschließenden<br />
Videoverfahren etwaige Abweichungen<br />
besser herausfiltern zu können.<br />
Nach dem Einbringen der entsprechenden<br />
Keile wird erneut mittels Videokontrolle<br />
analysiert, inwiefern sich das gangbild der<br />
PatientInnen normalisiert hat. Anschauliche<br />
Fallbeispiele demonstrierten den<br />
Unterschied „Vorher-Nachher“ bei diverser<br />
Einlagenversorgungen.<br />
Dr. Andreas Scheuer bot Einblicke in<br />
den Bereich der Akupunktur und deren<br />
Einfluss auf den Fuß und andere Körperregionen.<br />
So können durch Verwendung<br />
von Akupunktursystemen Tonussenkungen,<br />
-steigerungen, antiödematöse<br />
Wirkungen, Schmerzreduktionen (über<br />
neurohumerale Regulation) und psychovegetative<br />
Entkoppelung erreicht werden.<br />
Für all jene, die sich fragen, wie <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
Akupunktur durchführen<br />
können: Triggerpunkte sind oft in der<br />
Nähe von Akupunkturpunkten, insofern<br />
können derartige Techniken ähnliche<br />
Wirkungsmechanismen zur Folge haben.<br />
Außerdem kann man Akupunkturpunkte<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 22
auch mit Softlaser oder durch lokale<br />
Kryotherapie (insbesondere bei Akutverletzungen)<br />
behandeln.<br />
corinna Meidl, PT präsentierte ihre<br />
ausgezeichnete Diplomarbeit „Evaluation<br />
aktiver konservativer Therapie und<br />
Kinesio®-Taping bei hallux Valgus“. In<br />
dieser experimentellen, empirischen<br />
Studie (einfach blind) galt es, die Effektivität<br />
von 16 Übungen, zum Teil aus<br />
dem Spiraldynamik-Konzept (Versuchsgruppe<br />
1), sowie zusätzliches Kinesio®-<br />
Taping (Versuchsgruppe 2) im Vergleich<br />
zu einer Kontrollgruppe (keine Therapie)<br />
statistisch zu beurteilen. Bei einer Therapiefrequenz<br />
von zehn mal 30 Minuten und<br />
einem hausübungsprogramm über sechs<br />
Monate konnte Versuchsgruppe 1 (nur<br />
Übungen) eine signifikante Reduktion des<br />
hallux-Valgus-Winkels im Vergleich zur<br />
Kontrollgruppe erzielen, Versuchsgruppe<br />
2 (mit Kinesio®-Taping) hingegen zeigte<br />
im Vergleich zu Versuchsgruppe 1 (nur<br />
Übungen) keine Steigerung des Therapieoutcomes.<br />
Abschließend referierte Mag. Markus<br />
Dohm-Acker über sensomotorisches<br />
Training und deren qualitative Unterschiede.<br />
Untersuchte Trainingsgeräte waren:<br />
Kippbrett, Therapiekreisel, Weichbodenmatte<br />
und das Posteromed®, sowie als<br />
„Kontroll-gerät“ der normale Einbeinstand<br />
auf hartem Boden. 15 Sportstudenten versuchten<br />
sich am Koordinationsgerät innerhalb<br />
eines 15-sekundigen Messintervalls,<br />
wobei durch EMg- Messung jenes gerät<br />
gesucht wurde, welches die höchste<br />
Muskel aktivierung auslösen konnte. Im<br />
gerätevergleich zeigte das Kippbrett<br />
Bildung 4. Interdisziplinäres Herbstsymposium in Oberösterreich<br />
die höchste Aktivierung bei Muskeln,<br />
der Kreisel hingegen die gleiche Aktivierung<br />
wie der Einbeinstand ohne gerät.<br />
Zweithöchste Aktivität erreichte die<br />
Weichboden- Matte vor dem Posteromed®.<br />
Der Musculus peroneus longus war der<br />
höchst-innervierte Muskel, während der<br />
Musculus semi membranosus am geringsten<br />
aktiviert wurde. Fazit: Trainingsintervalle<br />
sollten nicht länger als 15 Sekunden<br />
dauern, da die EMg-Aktivierung im Messverlauf<br />
deutlich abfiel. Bei der Verwendung<br />
von Therapiekreisel ist unbedingt<br />
auf den Kugeldurchmesser zu achten, der<br />
möglichst klein sein sollte.<br />
In den Vortragspausen konnten sich die<br />
BesucherInnen bei den Informationsständen<br />
der Firma Triaflex und heindl über<br />
aktuelle Möglichkeiten der Fußanalyse<br />
und Belastungsverteilung <strong>inform</strong>ieren, und<br />
diese dann auch an den eigenen Füßen<br />
testen.<br />
Für den erfolgreichen und reibungslosen<br />
Ablauf der Veranstaltung in einem exklusiven<br />
Rahmen war maßgeblich auch die<br />
Raiffeisen landesbank verantwortlich, die<br />
das Symposium tatkräftig unterstützte.<br />
Das nächste interdisziplinäre herbstsymposium<br />
ist für 2011 geplant.<br />
Peter Philip herdin, MSc, PT<br />
v.l.n.r.: Martin Weidinger, MSc, PT,<br />
Susi Pammer, Karl Lochner, PT,<br />
Klaudia Döberl, Mag. Markus<br />
Dohm-Acker, Dr. Andreas Kranzl,<br />
Corinna Meidl, PT, Peter Philip<br />
Herdin, MSc, PT,UnivDoz. Dr. Ernst<br />
Orthner, Peter Redtenbacher, PT<br />
FoTo: PETER PhIlIP hERDIN, M.Sc., PT<br />
Internationale Tagung<br />
Direktzugang zur<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
Von 22.–24. Oktober fand das erste<br />
Internationale „Gipfeltreffen“ zum<br />
Thema Direktzugang von PatientInnen<br />
zur <strong>Physio</strong>therapie und<br />
Ausrichtung des Berufsfeldes in<br />
National Harbor, MD, USA statt.<br />
Veranstaltet wurde die Tagung vom<br />
Weltverband für <strong>Physio</strong>therapie (WcPT) in<br />
Kooperation mit dem US-Amerikanischen<br />
Verband sowie dem Kanadischen Verband<br />
für <strong>Physio</strong>therapie. 150 <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
aus 18 ländern, vorwiegend VertreterInnen<br />
der Berufsverbände – von Australien bis<br />
Österreich – nahmen daran Teil. Für <strong>Physio</strong><br />
<strong>Austria</strong> war Nicole Muzar vertreten.<br />
Das Thema des Direktzugangs von PatientInnen<br />
zur <strong>Physio</strong>therapie (sprich: ohne<br />
ärztliche Zuweisung) mit welchem auch die<br />
Begriffe „First contact practitioning“ oder<br />
„self referral“ in unmittelbarem Zusammenhang<br />
stehen, befasst weltweit die <strong>Physio</strong>therapie-Berufsverbände.<br />
Die Tagung bot<br />
gelegenheit in diesbezügliche Regelungen<br />
verschiedener länder Einblick zu nehmen<br />
und Erfahrungen hinsichtlich der Umsetzung<br />
und Implementierung auszutauschen.<br />
Interessant z.B., dass – wie der Präsident<br />
des Neuseeländischen Verbandes, Johnathan<br />
Warren referierte – es neben der seit<br />
Jahrzehnten bestehenden Möglichkeit des<br />
Direktzugangs – für <strong>Physio</strong>therapeutInnen in<br />
Neuseeland z.B. auch möglich ist, PatientInnen<br />
zum Röntgen zu überweisen. Die physiotherapeutische<br />
Krankenbehandlung ohne ärztliche<br />
Überweisung ist auch in einem großteil<br />
der Staaten der USA sowie Kanadas möglich.<br />
Vorreiter in Europa zum Thema Direct Access<br />
bzw. self referral sind Irland und großbritannien.<br />
Seit 2006 besteht diese Möglichkeit auch<br />
in den Niederlanden. Deutlich wurde, dass<br />
die unterschiedlichen gesundheitssysteme<br />
und Finanzierungsmodelle sich auch in den<br />
Modellen der Umsetzung des Direktzugangs<br />
niederschlagen. Dieser Austausch und die<br />
Zusammenarbeit über die grenzen hinweg ist<br />
nicht nur aus Sicht der PatientInnen essentiell,<br />
sondern auch aus (berufs)politischer Sicht<br />
für die Entwicklung des Berufsbildes der<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen und hinsichtlich ihrer<br />
Aus- und Weiterbildung sowie der Forschung.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> wird hinsichtlich dieser Thematik<br />
in einen Diskussionsprozess einsteigen. In<br />
diesem Zusammenhang sind z. B. im Rahmen<br />
der Aus- und Weiterbildung für niedergelassene<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen Qualifikationserfordernisse<br />
zu identifizieren. Für die Ausbildung<br />
ist zu evaluieren, in welcher Weise die<br />
Ausbildungscurricula zu adaptieren sind, um<br />
die AbsolventInnen auf ein diesbezügliches<br />
Berufserfordernis vorzubereiten.<br />
Mag. Nicole Muzar, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 23
Zum Jubiläum gab es ein stattliches<br />
„Geburtstagsgeschenk“: In der Grieskirchnerstraße<br />
34 wurden die neuen,<br />
großzügig und modern ausgestatteten<br />
Unterrichts- und Übungsräume<br />
der Akademie eröffnet. Mit den neuen<br />
Räumlichkeiten ist man nun auch bestens<br />
für die kommende Umstellung auf Fachhochschulbetrieb<br />
und damit auf ein akademisches<br />
Ausbildungsniveau gerüstet.<br />
Als Ehrengäste konnten Prim. Dr. Walter<br />
Aichinger, Mag. Dietbert Timmerer und<br />
Sr. Franziska Buttinger von der geschäftsführung<br />
des Klinikums, der medizinischwissenschaftliche<br />
leiter, Prim. Dr.<br />
Akademiedirektor Emil Igelsböck, MAS, PT (5. v. l.) feiert<br />
mit dem Team der Akademie für <strong>Physio</strong>therapie in Wels<br />
das 35-jährige Jubiläum<br />
Bildung 15 Jahre Akademie für <strong>Physio</strong>therapie am Klinikum Wels<br />
Neue<br />
Unterrichts räume<br />
zum Jubiläum<br />
Viktor Sadil, sowie der Vizebürgermeister<br />
von Wels, hermann Wimmer und der<br />
leitende Arzt der oÖ gKK, Prim. Prof. Dr.<br />
Maximilian gstöttner begrüßt werden.<br />
Die Festrede „Der Wandel im Bereich der<br />
physiotherapeutischen Ausbildung“ wurde<br />
von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Präsidentin Silvia<br />
Mériaux-Kratochvila, M.Ed. gehalten.<br />
An der anschließenden Podiumsdiskussion<br />
über den Stellenwert der <strong>Physio</strong>therapie<br />
im österreichischen gesundheitswesen,<br />
beteiligten sich auch viele<br />
AbsolventInnen, PraktikumsanleiterInnen,<br />
Vortragende und Studierende, die sich die<br />
Jubiläumsfeier nicht entgehen ließen.<br />
FoToS: AKADEMIE FÜR PhYSIoThERAPIE WElS<br />
FoTo: AKADEMIE FÜR PhYSIoThERAPIE WElS<br />
Die feierliche Segnung der Räumlichkeiten<br />
durch KsR Diakon herbert Mitterlehner,<br />
musikalische Umrahmung und eine<br />
schwungvolle und kreative Darbietung der<br />
StudentInnen rundeten das Fest ab.<br />
Mit einer Präsentation über die Entwicklung<br />
der Welser Akademie, einem<br />
g’schmackigen Buffet und guter Stimmung<br />
klang die Feier aus.<br />
Emil Igelsböck, MAS, PT<br />
Am 30. Oktober<br />
<strong>2009</strong> feierte die<br />
Akademie für<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
am Klinikum<br />
Wels ihr 15-jähriges<br />
Bestehen.<br />
Bislang absolvierten<br />
hier 360<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
ihre<br />
Ausbildung.<br />
Bild unten<br />
(v.l.n.r.): Prim. Dr.<br />
Walter Aichinger,<br />
Emil Igelsböck,<br />
MAS, PT,<br />
Silvia Mériaux-<br />
Kratochvila, M.Ed.,<br />
PT, Prim. Prof.<br />
Dr. Maximilian<br />
Gstöttner, Prim.<br />
Dr. Viktor Sadil<br />
Die StudentInnen der Akademie für <strong>Physio</strong>therapie in Wels<br />
freuen sich auf die neuen Unterrichtsräume<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> 24<br />
FoTo: AKADEMIE FÜR PhYSIoThERAPIE WElS