MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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Auf gespeicherte Bestandsdaten darf im automatisierten Verfahren nach §§ 111, 112 TKG<br />
(dann beschränkt auf die in § 111 Abs. 1 TKG genannten Daten) o<strong>der</strong> im Rahmen eines manuellen<br />
Auskunftsverfahrens nach § 113 TKG zugegriffen werden.<br />
Das Urteil befasst sich unter an<strong>der</strong>em mit diesen Möglichkeiten. 56 Danach haben auch die zur<br />
Beantwortung von behördlichen Auskunftsersuchen herangezogenen Vorratsdaten „erhebliches<br />
Gewicht“, denn <strong>der</strong> Gesetzgeber begrenzt auch hierdurch den Umfang <strong>der</strong> Anonymität<br />
von Bürgern im Internet, jedoch bleibt die Aussagekraft dieser Daten für den Staat eng begrenzt<br />
und <strong>der</strong> durch sie geschaffene Erkenntniswert punktuell. 57 Der bislang in <strong>der</strong> Literatur<br />
teilweise vertretenen Ansicht, wonach auch die Nutzung von Verkehrsdaten mit dem Zweck<br />
<strong>der</strong> Ermittlung von Bestandsdaten eines Beschlusses nach § 100g StPO – und damit einer<br />
richterlichen Entscheidung – bedürfe, 58 erteilt das Gericht indirekt eine Absage. 59 Bei <strong>der</strong><br />
Umsetzung <strong>der</strong> vom Gericht in diesem Zusammenhang vorgesehenen Anfor<strong>der</strong>ungen würde<br />
es sich anbieten, die immer noch bestehenden Rechtsunsicherheiten 60 dieses Regelungsbereichs<br />
durch eine klare Normengestaltung endgültig zu beenden.<br />
Neben <strong>der</strong> rechtlichen Einschätzung führt <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong> Vorratsdaten auch zu einer mittelbaren<br />
praktischen Auswirkung mit großer Bedeutung: Da in vielen Fällen von Anbietern<br />
nicht mehr die Zuordnung von IP-Adressen zu einzelnen Nutzern protokolliert wird (vgl.<br />
hierzu unten), können Anfragen, die sich auf diesen Vorgang beziehen, bei <strong>der</strong>artigen Anbietern<br />
nicht mehr beantwortet werden. Konkret bedeutet dies, dass diese Anbieter nicht mehr in<br />
<strong>der</strong> Lage sind, darüber Auskunft zu geben, welcher Kunde eine bestimmte IP-Adresse in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit genutzt hat. Ermittlungen, die sich ausschließlich auf IP-Adressen richten,<br />
sind daher gegenwärtig in vielen Fällen zum Scheitern verurteilt.<br />
Darüber hinaus können Probleme in den Fällen entstehen, in denen Informationen bei einem<br />
Anbieter zwar vorhanden sind, aber nicht aufgrund <strong>der</strong> allgemeinen Norm des § 96 TKG gespeichert<br />
wurden. So erlaubt zwar § 100 TKG ebenfalls die Erhebung und Verwendung von<br />
Verkehrsdaten. Allerdings dürfen nach dieser Vorschrift Daten nur erhoben und verwendet<br />
werden, soweit dies „zum Erkennen, Eingrenzen o<strong>der</strong> Beseitigen von Störungen o<strong>der</strong> Fehlern<br />
an Telekommunikationsanlagen“ erfor<strong>der</strong>lich ist. Wenn bei einem Anbieter Daten nicht<br />
____________<br />
56 Vgl. Rz. 254 ff. des Urteils.<br />
57 Rz. 258, 256.<br />
58 Vgl. hierzu etwa Bär, Handbuch zur EDV-Beweissicherung, Rn. 205 ff.; Eckhardt, in: Spindler/Schuster,<br />
Recht <strong>der</strong> elektronischen Medien, § 113 TKG Rn. 9 sowie Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht,<br />
Rn. 660 ff.<br />
59 Rz. 261 a.E. Die wohl überwiegende Auffassung (vgl. Rz. 45 m.w.N.) war bereits vor Einführung <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong>,<br />
dass ein Auskunftsersuchen nach § 113 TKG ausreichend war. Die „Klarstellung“ durch<br />
den Gesetzgeber bleibt aufgrund <strong>der</strong> lückenhaften Verweisungskette dennoch unbefriedigend, vgl.<br />
Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, Rn. 667.<br />
60 Vgl. Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, Rn. 667 m.w.N.