MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
213<br />
tels begangen werden. Als wenig hilfreich wird aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Ermittlungspraxis das<br />
Fehlen einer eigenen Rechtsgrundlage alleine für die Erhebung von Verkehrsdaten betrachtet.<br />
Diese rechtliche Situation führe dazu, dass zwingend auch Inhaltsüberwachungen durchgeführt<br />
werden müssen. Das sei gerade im Bereich <strong>der</strong> IuK-Kriminalität zu aufwendig und zugleich<br />
zu wenig zielführend. Die Verkehrsdatenauswertung habe im Übrigen eine ganz an<strong>der</strong>e<br />
Zielrichtung, nämlich die Rekonstruktion von Kommunikation in <strong>der</strong> Vergangenheit. Zu<br />
diesem vergangenheitsbezogenen Ermittlungsziel könne die auf Inhalte bezogene Telekommunikationsüberwachung,<br />
die nur die Gegenwart und die Zukunft abdeckt, nichts beitragen.<br />
Dies werde bei <strong>der</strong> IuK-Kriminalität beson<strong>der</strong>s augenfällig, gelte im Grundsatz aber auch für<br />
Ermittlungen in den an<strong>der</strong>en Deliktsbereichen.<br />
Mit dem Wegfall <strong>der</strong> gesetzlichen Pflicht, Daten auf Vorrat zu speichern, haben die Ermittlungsorgane<br />
keine Möglichkeit mehr, von den Diensteanbietern die Herausgabe von Daten<br />
förmlich zu verlangen. Freilich gesteht <strong>der</strong> Gespächspartner ein, dass einzelne Anbieter im<br />
Einzelfall aus Kulanz durchaus kooperationsbereit seien. Allerdings seien Speicherumfang<br />
und -fristen unklar. Diese Praxis bringe es im Übrigen mit sich, dass die verfahrensbezogenen<br />
Garantien des Gesetzes zur <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong>, das die Abfrage an den förmlichen Beginn<br />
eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens geknüpft hatte, heutzutage leerliefen.<br />
Denn nunmehr komme es vor, dass die Behörden von den Unternehmen Daten ohne beson<strong>der</strong>es<br />
Verfahren auf eine einfache schriftliche Anfrage hin zur Verfügung gestellt bekämen.<br />
Damit könnten auch die entsprechenden Bestimmungen <strong>der</strong> Art. 91 1 –91 6 C.p.p. umgangen<br />
werden, in denen festgelegt ist, ab wann richterliche und staatsanwaltliche Zwangsmaßnahmen<br />
überhaupt angeordnet werden dürfen. 437<br />
Generell nicht mehr ermittelbar seien auf dem Wege <strong>der</strong> Abfrage bei den TK-Anbietern allerdings<br />
Daten über eingehende Telefonate. Daher werden die Auswirkungen des Urteils für<br />
die polizeiliche Arbeit nach <strong>der</strong> auch den deutschen Interviewpartnern vorgegebenen Skala<br />
insgesamt als sehr hoch bewertet.<br />
4.5. Schweden<br />
Schweden gehört zu <strong>der</strong> Gruppe von EU-Mitgliedslän<strong>der</strong>n, die die Richtlinie 2006/24/EG<br />
bislang nicht umgesetzt haben. Zwar wurde nach längerem innenpolitischen Streit 438 und in<br />
Folge <strong>der</strong> Verurteilung Schwedens durch den Europäischen Gerichtshof vom 4.2.2010 in dem<br />
von <strong>der</strong> EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahren 439 nach <strong>der</strong> Reichstagswahl<br />
2010 ein Gesetzentwurf 440 vorgelegt, <strong>der</strong> sich an <strong>der</strong> Mindestspeicherdauer von 6<br />
Monaten orientiert (siehe dazu unten Pkt. 4.5.3.). Er wird allerdings nicht wie ursprünglich<br />
____________<br />
437 Dies ist die formale Eröffnung des Ermittlungsverfahrens (urmărire penală).<br />
438 Vgl. etwa MMR-Aktuell 2010, 298689.<br />
439 Rechtssache C-185/09, Urteil vom 4.2.2010, ABl. C 80/6 vom 27.3.2010.<br />
440 Regeringens proposition 2010/11:46 [Gesetzentwurf zur <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> zur Strafverfolgung und<br />
zur Durchführung <strong>der</strong> Richtlinie 2006/24/EG].