MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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Die Frage, ob die faktische Eilbedürftigkeit <strong>der</strong> Verkehrsdatenabfrage im Hinblick auf die<br />
kurze Speicherfrist von ca. drei bis sieben Tagen Auswirkungen auf die Antragspraxis <strong>der</strong><br />
Ermittlungsstellen einerseits und die Anordnungspraxis <strong>der</strong> Gerichte an<strong>der</strong>erseits hatte, wird<br />
von allen befragten Richtern übereinstimmend verneint. Zwar sei bei Anträgen ein erhöhter<br />
Zeitdruck festzustellen („man muss sich heute mit den Beschlüssen wirklich beeilen“). Inhaltlich<br />
würden die eingehenden Anträge aber auch heute „jedes Mal auf Herz und Nieren geprüft.<br />
Nachlässigkeiten lassen wir nicht zu“, betonte ein Gesprächspartner; „abgenickt wird<br />
nichts“, drückt es ein an<strong>der</strong>er aus. Sofern eine Verkehrsdatenabfrage nach § 100g StPO beantragt<br />
wird, würden an die Begründung dieselben Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt werden, wie es auch<br />
vor dem Wegfall <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> <strong>der</strong> Fall war. Die Qualität <strong>der</strong> Anträge habe<br />
sich aufgrund <strong>der</strong> faktischen Eilbedürftigkeit nicht verän<strong>der</strong>t.<br />
Ob die beantragten bzw. die übermittelten Daten auch tatsächlich rechtmäßig im Sinne von<br />
§ 96 TKG gespeichert waren, wird von den Gerichten nicht überprüft. Die befragten Richter<br />
weisen darauf hin, dass ihnen eine dahingehende Prüfung nicht möglich sei, da die Erfor<strong>der</strong>lichkeit<br />
<strong>der</strong> Speicherung ebenso wie die Speicherdauer von den betriebsinternen Abläufen <strong>der</strong><br />
Telekommunikationsanbieter abhängig sei. Insoweit werde allgemein von einer rechtmäßigen<br />
Speicherpraxis <strong>der</strong> Telekommunikationsunternehmen ausgegangen.<br />
3.2.1. Alte Vorratsdaten<br />
Hinsichtlich des Umgangs mit Daten, die nach <strong>der</strong> alten Rechtslage vor dem 2.3.2010 nach<br />
§ 113a TKG rechtmäßig gespeichert wurden, war zunächst eine gewisse Unsicherheit festzustellen.<br />
Keiner <strong>der</strong> befragten Richter hatte bislang einen Fall bearbeitet, in dem diese Frage<br />
hätte entschieden werden müssen. Spontan neigten einige von ihnen aber, an<strong>der</strong>s als die<br />
Staatsanwälte 322 und an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> BGH 323 , einhellig <strong>der</strong> Auffassung zu, die eine Verwertbarkeit<br />
<strong>der</strong>artiger Daten verneint hatte und von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen<br />
war. Das hat sich inzwischen geän<strong>der</strong>t.<br />
3.3. Mögliche Substitute für die Verkehrsdatenabfrage<br />
Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> gegenwärtigen Rechtslage sehen die befragten Richter keine ausreichenden<br />
Substitute für die <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong>. Im Rahmen von § 100 TKG würden<br />
zwar viele Daten immerhin für ca. sieben Tage gespeichert, das sei jedoch in vielen Fällen<br />
nicht ausreichend. Auf <strong>der</strong> Grundlage des § 96 TKG würden nur die abrechnungsrelevanten<br />
Daten gespeichert. Im Rahmen <strong>der</strong> tatrichterlichen Perspektive seien jedoch häufig darüber<br />
hinausgehende Daten erfor<strong>der</strong>lich, um eine bestimmte Beweisführung hieb- und stichfest<br />
begründen zu können. § 100a StPO sei als mögliches Substitut nur im Hinblick auf zukünftig<br />
stattfindende Kommunikationsvorgänge hilfreich. Retrograde Daten können mit <strong>der</strong> Telekommunikationsüberwachung<br />
nicht erfasst werden. Darüber hinaus stelle eine Maßnahme<br />
____________<br />
322 Siehe dazu oben Pkt. 2.2.1.<br />
323 Siehe dazu oben Fn. 82