MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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Beispiel 1: Tötungskriminalität<br />
Ermittlungen in einem Tötungsdelikt aus dem Februar 2010, bei dem die Ermittlungen noch vor dem<br />
Urteilvom 2.3.2010 begonnen wurden. Damals stand noch mehr Zeit zur Verfügung um zu selektieren,<br />
welche Daten zu Beginn benötigt werden und welche eventuell erst später beantragt werden müssen. Im<br />
Laufe <strong>der</strong> Ermittlungen, als sich die neue Entwicklung abzeichnete, hatte sich die Situation geän<strong>der</strong>t. Nun<br />
sahen sich die Ermittler gezwungen, bereits am Anfang <strong>der</strong> Ermittlungen ein Maßnahmenpaket zu schnüren,<br />
in <strong>der</strong> Hoffnung, dass die tatsächlich benötigten Informationen dabei sind. Es werden nun viel mehr<br />
Daten bereits in den ersten Tagen eingeholt, um Verkehrsdaten mangels längerer Speicherfristen überhaupt<br />
nutzen zu können.<br />
Beispiel 2: Wirtschaftskriminalität<br />
Betrug zum Nachteil von Wertpapieranlegern. Im Zuge <strong>der</strong> Ermittlungen gab es Hinweise auf an<strong>der</strong>e<br />
Straftaten, bei denen sich die Täter bei den Opfern per Telefon als angebliche Vermögensberater gemeldet<br />
hatten (wobei dies oft von Callcentern geschah) und persönliche Daten erfragt hatten, mit denen vermögensschädigende<br />
Wertpapiergeschäfte (Schaden für die Bank: € 1,1 Mio.) getätigt wurden. Die einzige<br />
Spur ist in diesen Fällen <strong>der</strong> Verbindungsanruf bei <strong>der</strong> Bank. Ohne Verkehrsdaten gibt es in <strong>der</strong>artigen<br />
Fällen zumeist keine Ermittlungsansätze. Über Funkzellenauswertung bzw. den Einsatz eines IMSI-<br />
Catchers würde zusätzlich in Rechte nicht betroffener Menschen eingegriffen, was bei Vorliegen <strong>der</strong> Vorratsdaten<br />
teilweise vermeidbar wäre.<br />
Beispiel 3: Steuerhinterziehung<br />
Steuerhinterziehung mit Schadenshöhe im zweistelligen Millionenbereich durch hierarchisch strukturierte<br />
Tätergruppierungen. Die Mittelsmänner zu identifizieren, bereitet aktuell erhebliche Schwierigkeiten:<br />
Die Kontakte wurden ursprünglich per (Mobil-)Telefon geknüpft. Durchsuchungen bei Tatverdächtigen<br />
könnten Aufmerksamkeit erregen bzw. weitere Mittäter warnen. Eine Auswertung <strong>der</strong> retrograden<br />
Verbindungsdaten des originären Täters wäre die einzige Maßnahme um die Strukturen zu ermitteln und<br />
so einen Verlust von Beweismitteln zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Beispiel 4: Enkeltrick<br />
Im Beispiel des Enkeltricks agieren oft polnischen Tätergruppen, die vom Ausland aus hier anrufen.<br />
Gleichzeitig steht in Deutschland ein Läufer bereit, <strong>der</strong> anschließend das Geld abholt. Diese Gruppierungen<br />
können ohne Ermittlung <strong>der</strong> Verkehrsdaten nicht mehr identifiziert werden. Viele <strong>der</strong> betagten Opfer<br />
bemerken den Betrug erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach Gesprächen mit Angehörigen o<strong>der</strong> Bekannten.<br />
In <strong>der</strong> Zwischenzeit kann die Datenlöschfrist bereits überschritten sein.<br />
Beispiel 5: Grenzüberschreiten<strong>der</strong> Kfz.-Diebstahl<br />
Im Raum Nürnberg ist seit einiger Zeit ein starker Anstieg an PKW-Diebstählen zu verzeichnen. Es ist<br />
bekannt, dass die Täter vor, während und nach <strong>der</strong> Tat kommunizieren. Die Kfz. werden kurzgeschlossen<br />
und nach Tschechien gefahren. Die einzige Möglichkeit, die Täterstrukturen zu ermitteln und nachzuweisen,<br />
führt über die Kommunikation. Ohne gespeicherte Kommunikations- bzw. Standortdaten fühlen sich<br />
die Ermittler hilflos. Als alternative Maßnahme könnten Polizeistreifen versuchen die Täter auf frischer<br />
Tat zu fassen. Das ist aber anhand <strong>der</strong> Größe des Gebiets unrealistisch.<br />
Beispiel 6: Baustellenplün<strong>der</strong>ung<br />
Seriendiebstähle von teuren Baumaschinen durch eine reisende ausländische Tätergruppe in einem<br />
größeren Umkreis auf sächsischen Baustellen. Retrograde Verkehrs- (in diesem Fall v.a. Funkzellen-)<br />
Daten waren hier <strong>der</strong> einzig zielführende erste Ermittlungsansatz. Bei <strong>der</strong>art komplexen Fällen dauert es<br />
allerdings eine gewisse Zeit, bis überhaupt erkennbar wird, ob und von wem Daten erhoben werden müssen.<br />
Ohne diese Informationen fehlt auch <strong>der</strong> Ansatzpunkt für eine Observation.