MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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mitgeteilten Daten, und somit auch die Evaluation, nicht auf die Praxis <strong>der</strong> Abfrage auf Vorrat<br />
gespeicherter Verkehrsdaten für Ermittlungen bei schwerer Kriminalität (insbeson<strong>der</strong>e<br />
organisierte Kriminalität und Terrorismus) beziehen lassen. Dies war aber <strong>der</strong> eigentliche<br />
Zweck <strong>der</strong> Richtlinie 2006/24. Insgesamt und vor dem Hintergrund <strong>der</strong> für die Mitgliedsstaaten<br />
verfügbaren Kriminalstatistiken gesehen – so fährt <strong>der</strong> Bericht fort - könne jedoch die<br />
Aussage getroffen werden, dass auf 100 polizeilich registrierte Straftaten etwa 11 Abfragen<br />
entfielen 283 . Würde diese Aussage auch auf Deutschland zutreffen, so müsste tatsächlich von<br />
etwa einer halben Million Abfragen in Deutschland ausgegangen werden. Folgende Schlussfolgerungen<br />
seien zur Nutzung von Verkehrsdatenabfragen möglich:<br />
(1) Konstruktion von Beweisketten: Verkehrsdaten ermöglichen die Konstruktion von<br />
Beweisketten, indem an<strong>der</strong>e Beweismittel identifiziert o<strong>der</strong> verstärkt und Alibis verifiziert<br />
werden. Zum Beleg werden verschiedene von Mitgliedslän<strong>der</strong>n mitgeteilte Fälle<br />
bzw. Fallgruppen angegeben. Dazu gehören die Fälle eines „Tiger Kidnapping“ in<br />
Antwerpen 284 sowie eines Tötungsdelikts an dem Mitglied einer Motorradgang (Hells<br />
Angels) in England auf <strong>der</strong> Autobahn M40. Während das „Tiger Kidnapping“ eines<br />
Justizbeamten <strong>der</strong> Stadt Antwerpen nicht dokumentiert ist (und auch in belgischen<br />
Zeitungen nicht nachverfolgt werden konnte), wird (in an<strong>der</strong>en Quellen) über den<br />
Mord an einem Hells Angel in England ausführlich berichtet. Dabei handelt es sich<br />
um eine Sachverhaltsgestaltung, die bereits bei oberflächlicher Betrachtung nicht für<br />
den Wert von auf Vorrat gespeicherten Verkehrsdaten spricht, son<strong>der</strong>n ganz offensichtlich<br />
(wenn überhaupt) den typischen Fall eines Quick-Freeze-Verfahrens darstellt.<br />
Nach dem von den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilten Sachverhalt wurde <strong>der</strong> Angel<br />
auf <strong>der</strong> Autobahn M40 und auf <strong>der</strong> Rückfahrt von einer Großveranstaltung, ferner<br />
in Anwesenheit von drei weiteren Angels aus einem PKW heraus erschossen 285 . Die<br />
Polizei war unmittelbar nach <strong>der</strong> Tat am Tatort und konnte von daher sofort alle notwendigen<br />
Ermittlungsmaßnahmen einleiten. Hierzu gehörten neben <strong>der</strong> Vernehmung<br />
von Zeugen (einschließlich <strong>der</strong> Angels, die allerdings erwartungsgemäß keinerlei Angaben<br />
machten), auch die Durchsicht von CCTV-Aufnahmen und die Abfrage von<br />
Funkzellendaten. Aus Videoaufnahmen (Tankstellen) wurden das Tatfahrzeug (das<br />
wenig später ausgebrannt aufgefunden wurde und auf einen <strong>der</strong> Tatverdächtigen zurückverfolgt<br />
werden konnte 286 ) und die drei Tatverdächtigen identifiziert. Funkzellenauswertungen<br />
ergaben den Hinweis, dass Mobiltelefone <strong>der</strong> drei Tatverdächtigen<br />
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283 European Commission: a.a.O. (Fn. 156), S. 23.<br />
284 Tiger Kidnapping bezeichnet die Kombination von Geiselnahme (in <strong>der</strong> Regel von Familienangehörigen<br />
im Haus des Opfers) und (räuberischer) Erpressung.<br />
285 Zur Beschreibung des Tatverlaufs Lawrence, K.: Investigation into the Mur<strong>der</strong> of Hell‟s Angel Gerard<br />
Tobin on the M40: A Mur<strong>der</strong> committed by an Organised Crime Group against another. The Journal of Homicide<br />
and Major Incident Investigation 5 (2009), S. 39-52, S. 42.<br />
286 Lawrence, K.: a.a.O. (Fn. 285), S. 46.