MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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zwischen <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Tatverdächtigen und <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> Verurteilten wird sichtbar, wenn<br />
auf das Verhältnis zwischen Tatverdächtigen und Verurteilten insgesamt abgestellt wird.<br />
Während in Deutschland insgesamt durchschnittlich etwa 30 Verurteilte auf 100 Tatverdächtige<br />
im Jahr 2009 entfallen (656.122 Verurteilte, 2.187.217 Tatverdächtige (wobei darauf<br />
hinzuweisen ist, dass Polizeiliche Kriminalstatistik und Strafverfolgungsstatistik nicht unmittelbar<br />
aufeinan<strong>der</strong> bezogen werden können, da es sich nicht um Verlaufsstatistiken handelt),<br />
liegt die Quote beim Delikt des Nachstellens bei 2 %. Das Problem liegt hier ganz offensichtlich<br />
nicht in <strong>der</strong> Aufklärung und in <strong>der</strong> Ermittlung von Tatverdächtigen (denn diese sind den<br />
Opfern und über <strong>der</strong>en Anzeige den Strafverfolgungsbehörden regelmäßig bekannt), son<strong>der</strong>n<br />
in Bereichen, die mit dem Zugang zu Verkehrsdaten zur Identifizierung eines Tatverdächtigen<br />
nicht zusammenhängen können 236 . Denn die Jahre 2007 bis 2009 zeigen eher einen kleinen<br />
Zuwachs in <strong>der</strong> von vornherein recht hohen Aufklärungsquote. Da die Strafzumessungspraxis<br />
bei den Verurteilungen wegen Nachstellens zunächst durch Geldstrafen (70 %) und<br />
durch zu Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen (25 %) charakterisiert ist, ist anzunehmen,<br />
dass ein erheblicher Teil <strong>der</strong> Verfahren über Geringfügigkeitseinstellungen erledigt wird.<br />
Dies ergibt sich aus für das Bundesland Hessen für 2008 mitgeteilten Daten, die sich auf<br />
1209 erledigte Verfahren wegen Nachstellens beziehen 237 . Danach wurden nach §§ 170 Abs.<br />
2, 152 Abs. 2 StPO 33,4 % <strong>der</strong> Verfahren eingestellt, wegen Geringfügigkeit kam es in 18 %<br />
<strong>der</strong> Verfahren zur Einstellung. 21,7 % <strong>der</strong> Fälle wurden auf den Privatklageweg verwiesen; in<br />
13,7 % <strong>der</strong> Fälle kam es zu sonstigen Entscheidungen. 4,4 % <strong>der</strong> Verfahren resultierten in<br />
einem Strafbefehl und 9,2% in einer Anklage. Nahezu die Hälfte <strong>der</strong> Verfahren führen demnach<br />
wegen eines fehlenden öffentlichen Interesses nicht zu einer Anklage bzw. zu einem<br />
Strafbefehl. Im Übrigen bereiten insbeson<strong>der</strong>e die Tatbestandsmerkmale, die sich auf „Beharrlichkeit“<br />
und „schwerwiegende Konsequenzen für das Opfer“ beziehen, Probleme 238 . Im<br />
Zusammenhang mit Hauptverhandlungen wird gerade wegen <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> sich teilweise<br />
über lange Zeiträume hinziehenden Handlungen eine Tendenz zu Absprachen angesprochen<br />
239 . Ferner wird es bei <strong>der</strong> Verfolgung von Anzeigen wegen Nachstellens auch zu<br />
Ermittlungen wegen an<strong>der</strong>er Straftaten (Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch<br />
etc.) kommen, die dann zur Verurteilung gelangen und teilweise dazu führen, dass<br />
jedenfalls in <strong>der</strong> Strafverfolgungsstatistik (in die das jeweils schwerste Delikt aufgenommen<br />
wird) eine Verurteilung nicht mehr auftaucht.<br />
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236 Hierzu Fünfsinn, H.: Erste Erfahrungen mit dem Stalking-Bekämpfungsgesetz. Lawzone 1 (2010), S. 13-16,<br />
S. 15, <strong>der</strong> aus einer hessischen Untersuchung mitteilt, dass nach Angaben <strong>der</strong> Staatsanwaltschaften die in wegen<br />
Stalking gestellten Anzeigen mitgeteilten Sachverhalte überwiegend den Tatbestand des § 238 nicht erfüllten.<br />
237 Fünfsinn, H.: Erste Erfahrungen mit dem Stalking-Bekämpfungsgesetz. Lawzone 1 (2010), S. 13-16, S. 15.<br />
238 Zu entsprechenden Erfahrungen und Verteilungen in Schleswig-Holstein vgl. Stahlmann-Liebelt, U.: § 238<br />
StGB - Das Wun<strong>der</strong>mittel <strong>der</strong> Zukunft? Gemeinsam gegen Stalking. Fachtagung am 31. Oktober 2007 im Landeshaus<br />
in Kiel.<br />
239 Etzel, T.: § 238 StGB (Nachstellen) in <strong>der</strong> anwaltlichen Praxis. Lawzone 1 (2010), S. 17-22, S. 21.