Das Plakat in der DDR - Kulturhaus Helferei
Das Plakat in der DDR - Kulturhaus Helferei Das Plakat in der DDR - Kulturhaus Helferei
Das Plakat in der DDR Ausstellung im Kulturhaus Helferei vom 9.– 20. November 2009
- Seite 2 und 3: WER HAT DAS PISSOIR VOM SENEFELDERP
- Seite 4 und 5: Ein Plakat von Wilhelm Schubert mit
- Seite 6 und 7: Dieser Trend wurde befördert durch
- Seite 8 und 9: Abbildung 9, Gerhard Trost, „impe
- Seite 10 und 11: WER HAT DAS PISSOIR VOM SENEFELDERP
- Seite 12 und 13: So eine schöne Militärmusik Diete
- Seite 14 und 15: Berlin schöner denn je Schubert-He
- Seite 16 und 17: Gegen den Schlaf der Vernunft Andr
- Seite 18 und 19: Tagesleistung Manfred Butzmann 1983
- Seite 20: Baum Arno Krause 1979, P1/Buchdruck
<strong>Das</strong> <strong>Plakat</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />
Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9.– 20. November 2009
WER HAT DAS PISSOIR VOM<br />
SENEFELDERPLATZ GEKLAUT?<br />
Zur Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9. November – 20. November 2009<br />
E<strong>in</strong>e Geschichte <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> erzählen mit <strong>Plakat</strong>en aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> – das war unser Anliegen,<br />
nachdem wir e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> grossen Sammlung <strong>der</strong> Zürcher Fotograf<strong>in</strong> Barbara<br />
Hausammann zum ersten Mal sahen.<br />
Uns bee<strong>in</strong>druckte die Ästhetik <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>e; <strong>der</strong> versteckte Witz und Biss, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> den<br />
Jahren <strong>der</strong> Wende. Aus diesen <strong>Plakat</strong>en lernt man auch zwischen den Zeilen zu lesen – eigentlich<br />
nicht ganz typisch für das Genre <strong>Plakat</strong>. <strong>Plakat</strong>e haben üblicherweise e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige,<br />
klare Botschaft.<br />
Während wir die Ausstellung für das <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> zusammenstellten, mussten wir<br />
bisweilen über die Plattheit und Spiessigkeit <strong>der</strong> politischen Propaganda schmunzeln, die so<br />
schwer mit dem kommunistischen Fe<strong>in</strong>d von „drüben“ zusammen zu br<strong>in</strong>gen ist.<br />
Gleichzeitig erzählen die <strong>Plakat</strong>e von Menschen, die ähnliche Sorgen, Bedürfnisse und<br />
Sehnsüchte hatten wie wir im Westen. <strong>Das</strong> möchten wir Ihnen mit dieser Ausstellung auch<br />
zeigen.<br />
Im Namen des Stadtgesprächs und des <strong>Kulturhaus</strong>es <strong>Helferei</strong> bedanken wir uns bei Barbara<br />
Hausammann, dass sie uns ausgewählte Perlen aus ihrer Sammlung von rund 5‘500 <strong>Plakat</strong>en<br />
aus allen Jahrzehnten <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> für diese Ausstellung zur Verfügung stellt.<br />
Unser Dank gilt ebenso Ilse-Maria Dorfstecher, die uns beraten und uns mehrfach auf historische<br />
H<strong>in</strong>tergründe und verborgene Zusammenhänge h<strong>in</strong>gewiesen hat. Sie recherchierte<br />
und fand noch mehr <strong>Plakat</strong>e. E<strong>in</strong>ige davon s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung zu sehen. Ilse-Maria Dorfstecher<br />
führt am 9. November 2009 zweimal durch die Ausstellung. Ihren Text f<strong>in</strong>den Sie <strong>in</strong><br />
diesem Katalog.<br />
Andrea König Philippe Dätwyler<br />
<strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> Kulturbeauftragter <strong>der</strong> Zürcher Landeskirche
„<strong>Das</strong> politische <strong>Plakat</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>“<br />
Ilse-Maria Dorfstecher zur Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong><br />
Natürlich würde ich lieber über kulturelle <strong>Plakat</strong>e - <strong>Plakat</strong>e für Theateraufführungen, zu Filmen,<br />
für Ausstellungen und Veranstaltungen - sprechen und schreiben, da könnte ich ganze<br />
Lobeshymnen s<strong>in</strong>gen und beklagen, dass so viel Gutes mit <strong>der</strong> "Wende" untergegangen ist,<br />
weggeworfen wurde. Über das politische <strong>Plakat</strong> zu schreiben war mir anfangs gar nicht angenehm,<br />
bis ich mich <strong>in</strong> die Materie e<strong>in</strong>gearbeitet habe. Da kamen dann doch durch Vergleiche<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Jahrzehnte, <strong>in</strong> denen die <strong>DDR</strong> existiert hat, erstaunliche Tatsachen, erhellende<br />
politische Erklärungen zutage, Historisches wurde sichtbar.<br />
Ich behaupte: <strong>Das</strong> politische <strong>Plakat</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> hat es nicht gegeben. Es gab gute, sehr gute<br />
und schlechte, sehr schlechte politische <strong>Plakat</strong>e. Es gab Höhen und Tiefen, die mit Personen<br />
und Zeitereignissen zu tun haben.<br />
Ich will den Versuch e<strong>in</strong>er Erklärung wagen. Die <strong>Plakat</strong>e, die nach 1945 bis ungefähr 1957<br />
entstanden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> mehrere Kategorien zu teilen:<br />
Es gab gerade ältere Kollegen mit <strong>Plakat</strong>erfahrungen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr naturalistischen erzählenden<br />
Stil arbeiteten. Dafür stehen Namen wie Wilhelm Schubert, Detlev Gl<strong>in</strong>ky, Arno<br />
Mohr u.a. Nun könnte man sagen, das sei kulturpolitisch so verordnet, weil die Kampagne<br />
Formalismus - Realismus losgetreten worden war. Ich glaube, <strong>der</strong> tiefere Grund ist e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er.<br />
Es gab zu gleichen Zeit für Ausstellungen und Veranstaltungen ganz an<strong>der</strong>e, <strong>Plakat</strong>e mit<br />
abstrahierenden Formen. Ich denke, die naturalistisch erzählenden <strong>Plakat</strong>e, die für e<strong>in</strong>en Teil<br />
<strong>der</strong> politischen <strong>Plakat</strong>kunst jener Jahre typisch s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d gespeist aus e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Tradition.<br />
So sahen <strong>in</strong> den zwanziger Jahren und auch noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
Anzeigenflächen <strong>der</strong> Filmtheater im Freiraum über <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangstür aus, die das Publikum<br />
mit erzählendem Inhalt <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>os locken sollten.<br />
Daneben gab es die <strong>Plakat</strong>e, die wir heute als satirisch bezeichnen<br />
würden, aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> von René Graetz, Elisabeth<br />
Shaw o<strong>der</strong> Herbert Sandberg, die aber mit direkter Stellungnahme,<br />
scharfer Frontstellung und realistischen Mitteln arbeiteten.<br />
Zur gleichen Zeit gab es auch sog. "formalistische <strong>Plakat</strong>e",<br />
die ich mit den Namen John Heartfield, Klaus Wittkugel, Wilhelm<br />
Deffke im politischen <strong>Plakat</strong> belegen möchte.<br />
Diese Richtung knüpft an ästhetische Mittel <strong>der</strong> zwanziger<br />
Jahre an, vielfach mit Techniken <strong>der</strong> Fotomontage o<strong>der</strong> mit<br />
abstrahierenden Formen arbeitend. Es ist müßig, heute nach<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit, dem emotionalen E<strong>in</strong>druck auf die Menschen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Straße zu fragen.<br />
Abbildung 1 Wilhelm Deffke, 1947
E<strong>in</strong> <strong>Plakat</strong> von Wilhelm Schubert mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>drucksvoll gezeichneten<br />
Marx-Kopf von 1953 kann ebenso nachdrücklich<br />
werben wie die Heartfield-Montagen von 1955/57 gegen den<br />
drohenden Atomkrieg o<strong>der</strong> das leuchtende <strong>Plakat</strong> von Klaus<br />
Wittkugel mit Sonne und Fahne zum 40. Jahrestag <strong>der</strong> Oktoberrevolution.<br />
Abbildung 2 Wilhelm Schubert, „1818 1883 Karl Marx“, 1953, Offset<br />
Mit großem Abstand zu den 50er Jahren würde ich diese politischen <strong>Plakat</strong>e deshalb als so<br />
gelungen betrachten, weil dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>e Überzeugung stand. Die Männer waren aus dem KZ,<br />
<strong>der</strong> Emigration o<strong>der</strong> dem <strong>in</strong>neren Wi<strong>der</strong>stand gegen den Faschismus gekommen und von<br />
<strong>der</strong> Sache, die sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>öffentlichkeit vertraten, überzeugt. Sie suchten nach e<strong>in</strong>em<br />
Ausdruck, den sie mit ihren Mitteln leisten konnten. Daraus nahmen diese <strong>Plakat</strong>e ihre Überzeugungskraft.<br />
1958 gab es e<strong>in</strong>en großen Wettbewerb "Frieden<br />
<strong>der</strong> Welt" im U-Bahnhof Alexan<strong>der</strong>platz, <strong>in</strong>itiiert<br />
von Klaus Wittkugel. Jahrelang h<strong>in</strong>gen hier<br />
<strong>in</strong>ternationale politische <strong>Plakat</strong>e, auf Großflächen<br />
übertragen, wurden die Menschen täglich<br />
mit großartigen Ideen konfrontiert.<br />
Abbildung 3 Klaus Wittkugel. Großflächenübertragung im<br />
U-Bahnhof Alexan<strong>der</strong>platz, „...daß nie e<strong>in</strong>e Mutter mehr<br />
ihren Sohn bewe<strong>in</strong>t“, 1958<br />
In den 60-er Jahren wurde das von großen Ideen getragene politische <strong>Plakat</strong> immer schwächer.<br />
Die Schüler <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>meister arbeiteten mit "Versatzstücken" wie Fahne, Hammer und<br />
Sichel, Hammer, Zirkel, Ährenkranz (die <strong>DDR</strong>-Insignien), Stern, Gewehr, Rakete, Herz, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesichtern,<br />
und vor allem mit dem Foto, seltener mit <strong>der</strong> Fotomontage. Es musste immer<br />
e<strong>in</strong>e Bewegung nach oben geben. Es waren saubere gebrauchsgrafische Arbeiten, ohne<br />
Zweifel, aber sie erreichten ihr Publikum nicht. Um das Niveau zu heben, wurde 1965 <strong>der</strong><br />
Wettbewerb "Die besten <strong>Plakat</strong>e des Jahres" vom Zentralvorstand des Verbandes Bilden<strong>der</strong><br />
Künstler geme<strong>in</strong>sam mit dem Kulturm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong>s Leben gerufen. Natürlich kann man mit<br />
e<strong>in</strong>em Wettbewerb nicht automatisch bessere politische <strong>Plakat</strong>e erzeugen. Es mussten an-
<strong>der</strong>e Faktoren dazukommen, e<strong>in</strong>e größere Freizügigkeit im gesellschaftlichen Leben, e<strong>in</strong>e<br />
bessere Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs.<br />
Als 1973 die "Weltfestspiele <strong>der</strong> Jugend und Studenten" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> stattfanden, gab es außer<br />
den 3 offiziellen <strong>Plakat</strong>en zum ersten Mal <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Auflage sog. Poster, stark farbige Blätter<br />
mit Grafik o<strong>der</strong> Malerei von bekannten Künstlern <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> <strong>in</strong> sehr unterschiedlichen <strong>in</strong>dividuellen<br />
Handschriften, die e<strong>in</strong> heiteres Lebensgefühl ausdrückten und neben den Tüchern<br />
begehrte Sammlerobjekte wurden.<br />
Abbildung 4 Nuria Quevedo, "X. Weltfestspiele <strong>der</strong> Jugend und Studenten",<br />
1973, Offset<br />
Mit den Wettbewerben - zu dem fast alle Grafiker des kle<strong>in</strong>en Landes <strong>DDR</strong> jährlich ihre <strong>Plakat</strong>e<br />
e<strong>in</strong>sandten und die damit zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> Jury e<strong>in</strong>en guten Überblick über Stärken und<br />
Schwächen <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>kunst ermöglichten - kam mehr Bewegung <strong>in</strong> erstarrte Formen. Wer<br />
sich die Mühe machte, die jährliche Ausstellung <strong>der</strong> "Besten" <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Stadtbibliothek<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Breitestraße zu besuchen, konnte gut Vergleiche anstellen. Aussagen wurden <strong>in</strong>dividueller.<br />
Zum Jahrestag des Bauernkrieges 1974 gab es wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Wettbewerb. Zu dem historischen<br />
Thema kamen gute Ergebnisse zustande, es g<strong>in</strong>g ja auch nicht um Parteitage o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e gegenwärtige gesellschaftliche Ereignisse. Auch <strong>der</strong> 30. Jahrestag <strong>der</strong> Befreiung<br />
vom Faschismus konnte noch von dieser allgeme<strong>in</strong>en Zustimmung vieler Menschen <strong>der</strong><br />
<strong>DDR</strong> profitieren, <strong>der</strong> auch auf die Gestalter ausstrahlte. Es wurde zwar viel mit Fotos gearbeitet,<br />
aber diese Fotos waren im Bildgedächtnis vieler Menschen verankert. <strong>Das</strong>s aber auch<br />
die politisch motivierte Aussage davon profitieren konnte, war neu. Es entstanden sehr lockere<br />
Grafikblätter zu Persönlichkeiten <strong>der</strong> Geschichte. Neben Rosa Luxemburg und Karl<br />
Liebknecht rückten auch die Altvor<strong>der</strong>en Marx und Engels wie<strong>der</strong> näher <strong>in</strong> den Blickw<strong>in</strong>kel.<br />
Natürlich Che Guevara <strong>in</strong> allen möglichen Darstellungsformen, Bob Dylan wurde e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />
Ikone.
Dieser Trend wurde beför<strong>der</strong>t durch e<strong>in</strong>e Verordnung, die <strong>der</strong><br />
Verband Bilden<strong>der</strong> Künstler ausgehandelt hatte, dass bis zu<br />
100 <strong>Plakat</strong>en zensurfrei gedruckt werden konnten. Davon profitierten<br />
beson<strong>der</strong>s die Grafiker, die sich dem Umweltschutz,<br />
dem Kampf gegen kle<strong>in</strong>bürgerliche Ideale verschrieben hatten.<br />
Manfred Butzmann, Joseph Huber, Mart<strong>in</strong> Hoffmann, Wolfgang<br />
Janisch, Bogomil Helm, Eva und Bernd Haak waren<br />
plötzlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft, natürlich vor allem <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>, angekommen.<br />
Abbildung 5 Eva und Bernd Haak, "Köpenicker ÖKO Kirmes", 1988, Offset<br />
Seit Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre wurde dem großen Bil<strong>der</strong>bedürfnis,<br />
vor allem junger Leute, mit e<strong>in</strong>em Programm des Staatlichen<br />
Kunsthandels, dem Posterprogramm, Rechnung getragen.<br />
Neben freundlichen Seitenhieben auf gesellschaftliche Missstände<br />
traten romantische Motive, Blumenarrangements, aber<br />
auch Weltraumfantasien, erotische Darstellungen und zur<br />
Freude vieler auch Bildnisse von Pop-Größen. Damit konnten<br />
Jugendklubs und Wohnungen ausgestattet werden. Viele Jugendliche<br />
benutzten sie auch zur Demonstration ihrer Haltung.<br />
Abbildung 6 Manfred Bof<strong>in</strong>ger, „Tach Kampagnero!“, 1982, Offset<br />
Es setzte e<strong>in</strong>e Entwicklung e<strong>in</strong>, die überraschend kam. Zwar bediente <strong>der</strong> Kunsthandel <strong>der</strong><br />
<strong>DDR</strong> das Bildbedürfnis gerade <strong>der</strong> Jüngeren mit leichter Kost, auch mit erotischen Anzüglichkeiten.<br />
Ins Posterprogramm wurden auch Gedenktage aufgenommen: für Händel, Bach,<br />
E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e größere Anzahl von Postern anlässlich des 80. Geburtstages<br />
von Bertolt Brecht wurde 1978 gedruckt. Sie stammten aus<br />
e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb. Beson<strong>der</strong>s Kunststudierende<br />
leisteten aus diesem Anlass e<strong>in</strong>en erfreulich frischen Beitrag.<br />
Sie hoben beson<strong>der</strong>s die anarchische Seite des jungen Brecht<br />
hervor.<br />
Abbildung 7 Thomas Ste<strong>in</strong>ert, „die alte neue hoffnung BB gen. <strong>der</strong> grosse<br />
raucher“, 1978, Offset
<strong>Das</strong> Illustrative, Unverb<strong>in</strong>dliche und das Pompöse vor allem im politischen <strong>Plakat</strong>, nahm dagegen<br />
zu und demonstrierte so, dass die früheren Inhalte - Schaffung e<strong>in</strong>er ausbeutungsfreien,<br />
friedlichen Welt - nicht mehr die frühere <strong>in</strong>nere Beteiligung bei Gestaltern und Angesprochenen<br />
hervorriefen.<br />
Von Heute gesehen, war zu dieser Zeit <strong>der</strong> Konsens <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialistischen Gesellschaft<br />
schon aufgekündigt. Die offiziellen politischen <strong>Plakat</strong>e, die im Auftrag <strong>der</strong> SED, <strong>der</strong> Sozialistischen<br />
E<strong>in</strong>heitspartei <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, herausgegeben wurden, wurden immer un<strong>in</strong>teressanter,<br />
trotzdem bekamen sie Auszeichnungen im Wettbewerb. Wenn dann - wie geschehen - die<br />
Grafiker gescholten wurden, weil sie den Auftraggebern ke<strong>in</strong>e hochwertigen Bildideen <strong>in</strong><br />
überragen<strong>der</strong> Gestaltung lieferten, dann ist die vielbesprochene Bl<strong>in</strong>dheit <strong>der</strong> Realität gegenüber<br />
e<strong>in</strong>getreten. Nicht nur e<strong>in</strong> <strong>DDR</strong>-Syndrom.<br />
Bei dieser Gelegenheit möchte ich von e<strong>in</strong>er Begebenheit berichten, die sich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Beise<strong>in</strong><br />
als Juror<strong>in</strong> für den <strong>Plakat</strong>wettbewerb von 1982 abspielte.<br />
Es handelte sich um das <strong>Plakat</strong> von Joachim Jansong<br />
zum 500. Geburtstag von Mart<strong>in</strong> Luther "Gott über alle<br />
D<strong>in</strong>ge".<br />
Es war e<strong>in</strong>e Litfaßsäule abgebildet, an <strong>der</strong> die <strong>Plakat</strong>schichten<br />
herabgerissen waren. Am Grunde <strong>der</strong> Säule<br />
erschienen relativ kle<strong>in</strong> Luther und <strong>der</strong> Gekreuzigte.<br />
Daraufh<strong>in</strong> die Me<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>es fest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei verankerten<br />
Juroren: <strong>Das</strong> ist das e<strong>in</strong>zig überzeugende politische<br />
<strong>Plakat</strong> aus dem e<strong>in</strong>gereichten Konvolut, das können<br />
wir nicht zeigen. Welch Zynismus.<br />
Wir haben durchgesetzt, dass es zwar gezeigt wurde,<br />
aber es bekam ke<strong>in</strong>e Auszeichnung und wurde aus <strong>der</strong><br />
Gruppe <strong>der</strong> politischen <strong>Plakat</strong>e <strong>in</strong> die Gruppe <strong>der</strong> "gesellschaftlichen<br />
<strong>Plakat</strong>e" e<strong>in</strong>geordnet, was e<strong>in</strong>er Zurückordnung<br />
gleichkam.<br />
Abbildung 8 Joachim Jansong, „Mart<strong>in</strong> Luther 1483 1983<br />
Gott über alle D<strong>in</strong>ge“, 1982,Offset<br />
<strong>Das</strong>s immer noch vere<strong>in</strong>zelt großartige <strong>Plakat</strong>e mit e<strong>in</strong>er klaren menschlichen und politischen<br />
- nicht parteipolitischen - Haltung entstanden, soll hier betont werden.
Abbildung 9, Gerhard Trost, „imperialism“, 1977, Offset<br />
In den 80erJahren nehmen die Eigenaufträge - <strong>der</strong> Grafiker gestaltet nicht nur das <strong>Plakat</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n lässt es auch auf eigene Kosten <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Auflage drucken - , nicht nur bei den<br />
Umweltplakaten, son<strong>der</strong>n auch bei den politischen <strong>Plakat</strong>en zu, die Grafiker wollten sich dem<br />
Diktat <strong>der</strong> Auftraggeber nicht mehr bed<strong>in</strong>gungslos unterwerfen. Dabei g<strong>in</strong>g es nicht um persönliche<br />
D<strong>in</strong>ge, son<strong>der</strong>n um große Themen: es g<strong>in</strong>g um Frieden, um Solidarität, um Abrüstung.<br />
Abbildung 10 Harry Pflaum - ohne Worte, 1981, Eigenauftrag zum<br />
Thema Abrüstung, Eigendruck<br />
Den größten Anteil an <strong>Plakat</strong>en, die im Eigenauftrag entstanden, hat Manfred Butzmann.<br />
Kaum e<strong>in</strong> wichtiges Thema, das den Menschen auf den Nägeln brannte, mit dem er sich<br />
nicht leise, aber treffend zu Worte meldete. Er hat ganze Serien zum Thema Heimatkunde,<br />
Naturzerstörung, Stadtzerstörung, Bürgerrechte, Autofetischismus drucken lassen, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Druckerei Graetz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auguststraße <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Als er am 8. Oktober 1989 wie viele an<strong>der</strong>e<br />
Berl<strong>in</strong>er Bürger brutal geschlagen wurde - nach e<strong>in</strong>em knappen Monat war die Grenze offen
und <strong>der</strong> Untergang <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> besiegelt - hat er es real bei <strong>der</strong> Polizei und im <strong>Plakat</strong> "angezeigt".<br />
Als das System <strong>der</strong> sozialistischen Ordnung <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> im Oktober 1989 implodierte, waren<br />
Schauspieler, Schriftsteller, Rocksänger, Lie<strong>der</strong>macher und bildende Künstler schon lange<br />
vorher beunruhigt. Sie hatten den Prozess <strong>der</strong> langsamen Auflösung <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Ordnung ohnmächtig beobachten müssen. Auf <strong>der</strong> Demonstration am 4. November 1989 auf<br />
dem Alexan<strong>der</strong>platz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wurden Transparente mit den orig<strong>in</strong>ellsten Wortgebilden und<br />
treffendsten Bildideen getragen.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Plakat</strong> bezieht sich auf den unbeliebten<br />
kurzzeitigen Nachfolger von Erich Honecker,<br />
Egon Krenz.<br />
Gruppe Grappa „Neid! Erkanne<strong>in</strong>fachalles“, 1989,<br />
Siebdruck<br />
In e<strong>in</strong>er Ausstellung im Museum für Deutsche Geschichte wurden die meisten Transparente<br />
und <strong>Plakat</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung unter dem Titel "Tschüss SED" 1990 noch e<strong>in</strong>mal gezeigt.<br />
<strong>Das</strong> Kapitel "Politisches <strong>Plakat</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>" war damit geschlossen
WER HAT DAS PISSOIR VOM SENEFELDERPLATZ GE-<br />
KLAUT?<br />
Die <strong>DDR</strong>-<strong>Plakat</strong>-Kultur im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9.- 20. November 2009<br />
Aus <strong>der</strong> Sammlung von Barbara Hausammann<br />
Wer hat das Pissoir vom Senefel<strong>der</strong>platz geklaut?<br />
Hans-Jürgen Malik 1989, P1/Siebdruck<br />
1990 sagt die Partei, s<strong>in</strong>d wir wohnungs-sorgen-frei<br />
Mart<strong>in</strong> Gübig 1976, P1/Tiefdruck<br />
Alles für das Wohl des Volkes und den Frieden<br />
Dieter He<strong>in</strong>dorff 1982, P1/Offsetdruck
Spare mit je<strong>der</strong> Kilowattstunde!<br />
Jutta Damm-Fiedler 1979, P1/Offsetdruck<br />
Nutze jede M<strong>in</strong>ute Arbeitszeit<br />
Klaus Parche 1987, P1/Buchdruck<br />
Die Nibelungen – e<strong>in</strong> deutsches Trauerspiel<br />
Irene Hartmann/Bernd Hoffmann 1984, P1/Offsetdruck
So e<strong>in</strong>e schöne Militärmusik<br />
Dieter Böde 1984/85, P1/Siebdruck<br />
Rock für den Frieden<br />
Dieter Böde 1985, P1/Offsetdruck<br />
Mappe Klaus Wittkugel<br />
1. Sowjetmacht + Elektrifizierung = Kommunismus 1967, A3<br />
2. 1917 Oktober 1957, A3<br />
3. Ich b<strong>in</strong> Bergmann! Wer ist mehr? 1952, A3<br />
4. Qualität (Ausstellung) 1950, A3
Mappe John Heartfield<br />
For<strong>der</strong>t: Verbot <strong>der</strong> Atomwaffen! 1955, A3<br />
Wenn wir es alle nicht wollen, wird es nie se<strong>in</strong>!, 1957, A3<br />
Weg mit <strong>der</strong> Sonnenf<strong>in</strong>sternis am Rhe<strong>in</strong>!, 1957, A3<br />
1917 – 1957, 40. Jahrestag <strong>der</strong> grossen sozialistischen Oktoberrevolution, 1957<br />
Zwischen Deutschen e<strong>in</strong>e Mauer (Adenauer)<br />
Sandberg Kollektiv 1958, P1/Farblitho<br />
Am 1. Mai SED<br />
Arno Mohr 1946, 95x67/Offsetdruck (Repr<strong>in</strong>t)
Berl<strong>in</strong> schöner denn je<br />
Schubert-Hellerau 1952, 86.5x61/Farblitho<br />
Wir for<strong>der</strong>n Friedensvertrag mit Deutschland<br />
Anonym 1952, 86.5x61/Offsetdruck<br />
Ich gebe das Beste – Mutti und Vati auch<br />
Norbert Wientzkowsky 1981, P1/Offset
Me<strong>in</strong>st du die Russen wollen Krieg?<br />
Wolfgang Geisler 1982, P1/Offsetdruck<br />
Marx macht Macht<br />
Re<strong>in</strong>hardt Mart<strong>in</strong> 1975, P1/Offsetdruck<br />
„Ch<strong>in</strong>esisches Souvernir: In e<strong>in</strong>er Zeit <strong>der</strong> Prüfung erkann man se<strong>in</strong>e wahren Freunde“<br />
Manfred Butzmann 1990, P1/Siebdruck
Gegen den Schlaf <strong>der</strong> Vernunft<br />
André Kahane 1989, P1/Ste<strong>in</strong>litho<br />
Ich zeige an<br />
Manfred Butzmann 1989, P1/Offsetlitho<br />
Sagt hier jemand schon wie<strong>der</strong> unsere Bürger?<br />
Mart<strong>in</strong> Hoffmann 1990, 26x58/Offsetlitho
Grundrechte des Deutschen Volkes<br />
Manfred Butzmann 1990, 61x50.6/Offsetlitho<br />
Berl<strong>in</strong> – Unvolksam<br />
Bogomil J. Helm 1989, 30x82/Siebdruck<br />
Heimatkunde 4601 Eutzsch<br />
Manfred Butzmann 1990, 71x40.6/Offsetdruck
Tagesleistung<br />
Manfred Butzmann 1983, P1/Offsetdruck<br />
Dank Euch Ihr Sowjetsoldaten!<br />
Horst Hirth 1975, P1/Offsetdruck<br />
Mc Ronald’s<br />
Feliks Büttner 1986, 61.5x82.5/ Siebdruck
Über LEBEN<br />
Klaus Lemke 1988, P1/Siebdruck<br />
Weisse Weste fürs Weisse Haus<br />
Hans-Jürgen Malik 1983, P1/Siebdruck<br />
Marcus Aurelius<br />
Jochen Fiedler 1987, 86.0x60.4/Siebdruck
Baum<br />
Arno Krause 1979, P1/Buchdruck<br />
TschüsSED 4.11.89<br />
Anonym 1989, P1/Offsetdruck