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Merano Magazine - Sommer 2010

Merano Magazine - Neuigkeiten aus dem Meranerland. Die Ausgabe Sommer 2010 zeigt Meraner Hochgenüsse. Hier finden Gourmets Insider Tipps für Meran und Umgebung.

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text edith Schlocker<br />

Wiedergutmachung an der Mutter<br />

Walter pichler ist Bildhauer. seine Welt ist das dreidimensionale, die Bevölkerung von räumen mit fi-<br />

guren. der ideale ort für die umsetzung seiner gesamtkunstwerklich angelegten ideenwelt ist für den<br />

gebürtigen südtiroler st. Martin im Burgenland, wo pichler lebt und arbeitet. Hier verschmelzen archi-<br />

tektur und skulptur zur untrennbaren einheit, zu einem organischen, mythisch aufgeladenen ganzen.<br />

Um sich dem Raum oder der<br />

Skulptur anzunähern, zeichnet<br />

Walter Pichler. Zeichnend entstehen<br />

ganz exakte Pläne, »Zeichnen<br />

ist für mich aber auch sehr befreiend«,<br />

sagt Pichler. »So wie andere<br />

schreiben, zeichne ich halt. Ich<br />

könnte gar nicht denken ohne zu<br />

zeichnen«, bringt es der Künstler<br />

auf den Punkt. Gebe ihm die<br />

Zeichnung doch jede Möglichkeit<br />

der Erweiterung.<br />

Mit schmerzhaften Emotionen sehr<br />

viel zu tun hat der Zyklus ganz neuer<br />

Zeichnungen, die Walter Pichler<br />

im Bergfried des auf Schloss Tirol<br />

bei Meran eingerichteten Südtiroler<br />

Landesmuseums zeigt. Im<br />

obersten Geschoss des Wehrturms<br />

wird auf sieben Etagen anhand<br />

von historischen Dokumenten und<br />

Fotografien sowie Gegenständen<br />

des Alltags die dramatische Geschichte<br />

Südtirols im 20. Jahrhundert<br />

intelligent nacherzählt. Breiter<br />

Raum wird auch der Migration<br />

gewidmet: der Auswanderung der<br />

armen Tiroler Ende des 19. Jahrhunderts<br />

über die faschistische<br />

Optionszeit bis heute, wo das rei-<br />

che Südtirol zum Einwanderungsland<br />

für Menschen aus aller Welt<br />

geworden ist.<br />

Unmittelbar damit haben auch<br />

Pichlers Zeichnungen zu tun, in denen<br />

er die Geschichte seiner Mutter<br />

erzählt. Geschichten, die der<br />

1936 als jüngstes von neun Kindern<br />

geborene Künstler zum größten<br />

Teil nur vom Hörensagen kennt.<br />

Die meisten spielen in der Südtiroler<br />

Heimat, einige auch in Telfs,<br />

wo die elfköpfige Familie nach der<br />

Option lebte. Die wirtschaftlichen<br />

Zwänge hatten dieses Weggehen<br />

notwendig gemacht, weshalb der<br />

Vater 1940 für Deutschland optiert<br />

hat. »Das Leben in der Telfser<br />

Südtirolersiedlung kam einem<br />

Ghetto gleich, jeder Schulweg war<br />

ein Kampf«, erinnert sich Pichler.<br />

Doch diese seine Geschichten seien<br />

nicht so wichtig.<br />

Worum es Walter Pichler geht, ist,<br />

mit diesem Zyklus Wiedergutmachung<br />

an dem zu leisten, was an<br />

»meiner Mutter verbrochen wurde«.<br />

Und dass das auf Schloss<br />

Tirol stattfindet, findet Pichler<br />

ausgesprochen gut. Wobei es für<br />

inFo<br />

südtiroler landesmuseum schloss tirol<br />

15. Mai bis 15. november, täglich 10 bis 17 uhr, im august bis 18 uhr.<br />

www.schlosstirol.it<br />

Pr-artikel<br />

den Künstler wichtig ist, dass diese<br />

Zeichnungen nicht nur für das<br />

Schicksal seiner Mutter stehen,<br />

sondern für das unzähliger Frauen<br />

ihrer Generation, denen ganz Ähnliches<br />

widerfahren sei.<br />

Pichler macht seit Jahren immer<br />

wieder Zeichnungen von seiner<br />

Mutter. Eine seiner schönsten<br />

überhaupt sei eine über sie, sagt<br />

er. Daraus eine ganze Serie zu<br />

machen, berge allerdings die Gefahr<br />

in sich, ins Illustrative abzurutschen.<br />

Was Pichler hier erzählt,<br />

sind Geschichten. »Geschichten,<br />

die jeder anders erlebt hat, anders<br />

in Erinnerung hat«, so der Künstler.<br />

Daraus eine Zeichnung zu machen,<br />

sei das einzig Objektive. »Denn<br />

da muss man ja nicht die Wahrheit<br />

sagen, da kann ich Geschichten<br />

erzählen, die ich gut finde. Das ist<br />

das Schöne an der Zeichnung.«<br />

In rund 30 Sequenzen erzählt Pichler<br />

diese Geschichten, auf ganz<br />

kleinen Blättern und sehr großen.<br />

Nur leicht mit Bleistift hingehaucht<br />

oder in expressiver Wucht opulent<br />

farbig zelebriert.<br />

merano magaZine<br />

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