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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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Satz nach dem Verse und nicht nach der Syntax gestaltet, wenn er<br />

also etwas, wovon der Prosagläubige meint, von der einen Verszeile<br />

müsse die Sache in die nächste hinübergezogen werden, nicht tut, sondern<br />

einfach dem Vers gehorcht und nicht der Grammatik! Wir haben<br />

in dieser Beziehung heute sogar innerhalb unserer Literatur eine starke<br />

Anomalie. Die jüngeren Dichter möchten mit aller Gewalt wiederum<br />

zu Stil kommen und bringen es dahin, mitten im Satze drinnen, der<br />

sich organisch noch in die nächste Zeile hinüberschlingt, den Reim<br />

anzubringen, so daß der Reim mitten im Satze steht, im grammatischen<br />

Satze, nicht im versifizierten Satze. Da muß man sagen: Gewiß,<br />

es sind Gründe vorhanden, das nicht zu tun. Aber innerhalb eines<br />

Geisteslebens, wie das heutige es ist, wo jedes Stilgefühl verlorengegangen<br />

ist, kann man wiederum voll begreifen das Bestreben jüngerer<br />

Dichter, den Reim dahin zu setzen, wo der Grammatik ein Faustschlag<br />

versetzt wird. Dann ist aber auch der Rezitator gehalten, diesen<br />

Reim nun tatsächlich nicht zu verschlucken, sondern in seine Rezitation<br />

hineinzuziehen und ebenso der Grammatik einen Faustschlag zu<br />

versetzen. - Es ist heute in einer gewissen Beziehung ein vollentwickelter<br />

Kampf da zwischen Kunst und Geschmack, und man soll<br />

sich bewußt in diesen Kampf zwischen Kunst und Geschmack, insbesondere<br />

in der Sprachgestaltung, heute hineinstellen wollen.<br />

Für die Prosa - ich habe öfter darauf aufmerksam gemacht - gab es<br />

in der Zeit, in der man noch Stilgefühl hatte, in der man noch künstlerischen<br />

Sinn hatte, durchaus auch dasjenige, was einer Kunst ähnlich<br />

sah, die Rhetorik. Die Eloquenz nannte man es. Das hat sich wie<br />

so manches andere von den alten Zöpfen in den Universitäten erhalten,<br />

und die Universitäten, wenigstens die älteren, haben immer Professoren<br />

der Eloquenz angestellt. Und so gab es in Berlin einen Professor<br />

der Eloquenz, einen sehr berühmten Mann. Er war nach seinem Lehrauftrag<br />

Professor der Eloquenz, aber die Öffentlichkeit und daher<br />

auch das Universitätsleben hatten keine Verwendung für einen Professor<br />

der Eloquenz beziehungsweise für seine Vorlesungen. Kein<br />

Mensch dachte anders als: Jeder Mensch soll reden, wie ihm der<br />

Schnabel gewachsen ist, also wozu braucht man da eine Unterweisung.<br />

- Daher bemerkte das Publikum gar nicht, daß da ein berühm-

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