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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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füllt sich mit dem Reichtum objektiver Welten, denen gegenüber<br />

unser subjektives Seelenleben doch nur ein sehr beschränktes Gebiet<br />

ist.<br />

Einförmig wirkt dieses subjektive Seelenleben für denjenigen, der<br />

den unendlichen Reichtum objektiver Welten hat rinnen und raunen<br />

hören. Diese will er in der künstlerischen Wiedergabe unmittelbar<br />

erleben, nicht verschleiert durch persönliche - aufdringliche Seelenfärbung.<br />

Sie mag bei gewissen Rollen berechtigt sein, nicht aber bei<br />

Gedichten; denn selbst die gedämpfte Stimmung eines lyrischen Gedichtes<br />

wird besser getroffen, wenn man das Gedicht aus sich heraus<br />

sprechen läßt, aus seinen Elementen, dem Rhythmus und den Lauten,<br />

in die sich der Inhalt hineinergießt, als aus den Weichteilen der Herzmuskeln,<br />

oder den mehr oder weniger krankhaft zugespitzten Nerven.<br />

Hier ist der Punkt, von dem aus wir uns dem Verständnis desjenigen<br />

nähern können, was mit Sprachgestaltung gemeint ist. Es ist<br />

das Erleben der Lautwirkungen im Medium der Luft, des ausströmenden<br />

Atems, nachdem die Beherrschung der Lautbildung, des<br />

Lautansatzes, entsprechend der Gesetzmäßigkeiten und Forderungen<br />

der Sprachwerkzeuge, herausgearbeitet worden ist, Ereignis und -<br />

Erreichtes geworden ist. Es ist das scharf entwickelte Gehör für die<br />

Tonintervalle, die Klangschattierungen, die zum Beispiel unmöglich<br />

aufstrebend sein können, sich erhellend, verjüngend, wenn die Wortlinie,<br />

die seelische Kurve abwärts geht; jene von der Bewegung getragene<br />

Linie, die dem Wort, der Zeile, der Strophe ihren Schwung<br />

gibt; die künstlerische Linie, die das Imputierende, Aktivierende, Anfeuernde<br />

ist, die vom Geiste inspiriert, vom kunstbegabten Ich abgefangen<br />

wird. Nie darf sie erstarren. Auch in den Pausen nicht, den<br />

so unbedingt nötigen Pausen, die sie zu gestalten hat und an denen<br />

sie sich, im Geiste wieder untertauchend, neuen Schwung holt. Durch<br />

das stete sich Versenken in die eigene Seele wird die Bewegung in<br />

der Linie getötet - es dominiert schließlich die Linie der Selbstbetrachtung,<br />

wie wir sie beim Narciß kennen. Immerhin, es ist etwas<br />

edles am Narciß, wenn er auch in Selbst-Bewunderung versinkt; er<br />

ist wenigstens schön. Heute aber ist schön sein nicht pikant genug -<br />

und gar edel schön sein -, das reizt nicht. Das Häßliche ist schon

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