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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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nennt die Lieblinge des Publikums. Diese Lieblinge des Publikums<br />

sind am meisten der Gefahr ausgesetzt, sich so stark einzuleben in<br />

die Welt, die auf den Brettern sich abspielt, daß sie darüber sehr leicht<br />

den inneren gefühls- und empfindungsgemäßen Zusammenhang mit<br />

der Welt, die außerhalb der Bretter liegt, verlieren. Und immer wieder<br />

und wiederum lernt man gerade Schauspieler kennen, die eigentlich<br />

die Welt nicht kennen, die ganz gut wissen, wie ein Charakter bei<br />

Shakespeare ist, bei Goethe ist, bei Schiller ist. Sie kennen den Teil,<br />

Hamlet, Macbeth, Richard III. Sie kennen einen ausgepichten Frivolling<br />

aus diesem oder jenem Lustspiel; sie kennen die ganze Welt im Abbilde<br />

der Dramatik, aber sie kennen nicht wirkliche Menschen. Und<br />

das setzt sich oftmals bis in einen gewissen Teil des Publikums hinein<br />

fort. Man erlebt dann immer wieder und wieder, daß, wenn irgendwie<br />

die Rede ist von einem Lebensfall, man von einem Lebensfall zu<br />

sprechen beginnt, mit Todsicherheit derjenige, der im Schauspielerischen<br />

darinnensteht, aus irgendeinem Stück einem irgend etwas anzuführen<br />

beginnt. Diese Dinge gehen dann in einer ungemein verfälschenden<br />

Gestalt auf den ganzen öffentlichen Geschmack über, so<br />

daß man oftmals überhaupt nicht mehr von Geschmack, sondern von<br />

der Perversität der Geschmacksempfindung höchstens sprechen kann.<br />

In dieser Beziehung konnte man unendlich Trauriges erleben in der<br />

Zeit, während der Gerhart Hauptmanns «Weber» aufgeführt worden<br />

sind. Denken Sie sich, was da die zartesten Gemüter mit den Täuschendsten<br />

Unterröcken, mit sehr stark ausgeschnittenen Kleidern<br />

alles sich ansahen während des Verlaufes dieses «Weber »-Stückes, was<br />

ihnen niemals in den Sinn gekommen wäre, im Leben an sich herankommen<br />

zu lassen. Was sie im Leben geflohen haben würden wie<br />

irgendeinen brüllenden Löwen, das haben sie sich von der Bühne herunter<br />

mit Entzücken angeschaut: das Aufessen eines krepierten Hundes.<br />

So weit ist es gekommen.<br />

Nicht daß ich in diesem Zusammenhange etwas einwende dagegen,<br />

daß man sich von der Bühne herunter anschaut das Aufessen eines<br />

krepierten Hundes. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich wende nichts<br />

gegen die künstlerische Verwendung dieses Motives ein, sondern ich<br />

wende nur etwas ein gegen die Perversität des Geschmackes, die da

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