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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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aus dem Grunde, weil wir zum Beispiel beim anderen Menschen nicht<br />

durchweg veranlaßt sein werden, in seinen Worten, die er ausspricht,<br />

etwas Saures zu sehen. Wir sprechen aber schon bei seinem Mienenspiel<br />

aus einem ganz natürlichen Instinkt heraus von einem sauren<br />

Gesichte. Wir werden nicht leicht einen Satz sauer finden, aber ein<br />

Gesicht werden wir außerordentlich leicht sauer finden.<br />

Nun, sehen Sie, dasjenige, was da bei einem Gesichte uns veranlaßt,<br />

es als sauer zu bezeichnen, das regt genau dieselben Gegenden dahinten,<br />

wo es schon gegen die Kehle zu geht, in der Zunge an, etwas geistiger,<br />

aber doch tätig zu sein, gerade so, wie wenn wir Essig verschlukken.<br />

Es ist eine innere Verwandtschaft, die instinktiv durchaus sich<br />

im Menschen geltend macht. Und das Unbewußte weiß in diesem<br />

Augenblicke ganz genau die Beziehung zwischen dem Essig und dem<br />

Gesichte. Der Essig aber hat die Eigentümlichkeit, daß er die mehr<br />

passiven kleinen Organe der Zunge für sich in Anspruch nimmt. Das<br />

Gesicht der «Tante» bei gewissen Gelegenheiten hat die Eigentümlichkeit,<br />

daß sie die mehr aktiven Teile derselben Gegend in Anspruch<br />

nimmt.<br />

Wir müssen sagen: Wir sehen da hinein in den geheimnisvollen<br />

Übergang von Empfindung zur Sprache. Dieser Übergang ist durchaus<br />

da. Das Moralische erregt die Sprache auf demselben Wege, auf<br />

dem das Physische die Empfindung erregt. Wenn man das weiß, dann<br />

wird man auch die Möglichkeit gewinnen, ich möchte sagen, in die<br />

tieferen Regionen des Wirkens untertauchen zu können. Man wird<br />

wirklich dahin kommen, zu wissen, daß es gut ist, wenn ich irgendeinen<br />

Satz auszusprechen habe, der sich künstlerisch auf das saure<br />

Gesicht der Tante bezieht, als aufmerksamer Lebensbeobachter in der<br />

Seele eine deutliche Empfindung, eine Nachempfindung, einen Nachgeschmack<br />

davon zu haben, wie der Essig schmeckt. Und das hilft.<br />

Es führt ein Weg von dem einen zu dem anderen herüber.<br />

Habe ich einen Satz dahingehend auszusprechen, daß jemand mir<br />

einen Vorwurf gemacht hat, oder habe ich zuzuhören bei einem Vorwurf,<br />

der mir gemacht wird, dann wird es gut sein, instinktiv in den<br />

Untergründen der Seele die Nachempfindung, wie man sagen könnte,<br />

den Nachgeschmack des Wermuts in mir zu erregen.

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