28.03.2013 Aufrufe

RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

das Dargestellte in eine gewisse künstlerische Sphäre hebt, überhaupt<br />

nicht mehr gesucht worden ist; dagegen fühlte man sich oft in die<br />

reinste Wirklichkeit, die man ja auch im gewöhnlichen Leben hat,<br />

hineinversetzt. Aber man möchte da ganz trivial sagen: Dazu geht<br />

man schließlich nicht gerade ins Theater.<br />

Derjenige, der reinen Naturalismus in der künstlerischen Darstellung<br />

sucht, der gleicht einem Menschen, der nicht ein künstlerisch<br />

gemaltes Porträt haben will, dem das gar nicht gefällt, sondern der<br />

eigentlich nur eine Photographie haben möchte, vielleicht eine Farbenphotographie,<br />

weil er diese besser versteht. Aber gerade das Hinaufheben<br />

ins Künstlerische besteht darinnen, daß man mit ganz anderen<br />

Mitteln Wahrheit in der Kunst offenbart, als die Natur mit ihren<br />

Mitteln unmittelbar Wahrheit offenbart.<br />

Wahrheit muß da sein in der Natur; Wahrheit muß da sein in der<br />

Kunst. Aber die Wahrheit in der Natur leuchtet dem Geiste entgegen;<br />

aus der Wahrheit in der Kunst leuchtet der Geist heraus. Und wenn<br />

man sich an solch eine Sache hält, dann bedeutet das, daß man den<br />

Weg zum Stil aus innerem künstlerischen Bedürfnis heraus suchen<br />

und auch finden will.<br />

Daher ist es eine gute Übung, auch einmal die Sprachorgane hineinzubringen<br />

in ein Sprechen, das abweichen muß von dem gewöhnlichen<br />

naturalistischen Sprechen, durch seine eigene, individuelle<br />

Eigenart abweichen muß. Und wir werden sehen, wie das Sprachgestaltende<br />

von demjenigen abweichen muß, was im gewöhnlichen<br />

Leben normal vorhanden ist, indem wir uns die Szene anhören aus<br />

Lessings «Minna von Barnhelm», in welcher der Riccaut de la Mar-<br />

Hniere auftritt, der nicht so sprechen kann, wie man gewöhnlich<br />

spricht, weil er Franzose ist und deutsch spricht. Da ist einfach dur^ch<br />

die Natur der Sache die Stilisierung notwendigerweise gegeben. Und<br />

er schaltet ja immerfort dem Deutschen Französisches ein, spricht das<br />

Deutsche mit französischer Intonation.<br />

Wenn man an solchen Dingen die Sprachgestaltung übt, so kommt<br />

man schon in jene Geläufigkeit hinein, die Stil hat, und aus diesem<br />

Grunde wollen wir uns diese Szene einmal anhören aus «Minna von<br />

Barnhelm».

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!