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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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Und dramatisch ist ja dieses lyrische Gestalten des Bildes in einem<br />

besonderen Fall ganz großartig geworden.<br />

Ich mache Sie aufmerksam auf den ersten Teil des «Faust». Sie<br />

werden darin finden, daß abwechselnd die Personenbezeichnung im<br />

ersten Teil des «Faust» Gretchen und Margarete ist. Und das ist in<br />

etwas hineinführend, was mit der ganzen seelischen Entstehungsgeschichte<br />

des «Faust» tief zusammenhängt. Sie werden überall «Gretchen»<br />

beigeschrieben finden als Personenbezeichnung für diejenige<br />

Gestalt, die aus dem Frankfurter Gretchen in den «Faust» übergegangen<br />

ist. Sie werden überall beigeschrieben finden den Namen Gretchen<br />

da, wo Sie ein gerundetes Bild haben: Gretchen am Brunnen; Gretchen<br />

am Spinnrad und so weiter, wo das Lyrische in das Dramatische<br />

langsam hineingegangen ist. Dagegen werden Sie überall «Margarete»<br />

finden, wo die Gestalt einfach im gewöhnlichen Fortlauf des Dramas<br />

aus der dramatischen Handlung heraus mitgestaltet worden ist. Alles<br />

dasjenige, was den Namen Gretchen trägt, ist ein in sich geschlossenes<br />

Bild, das lyrisch entstanden ist und sich zusammengestaltet hat zu<br />

dramatischem Aufbau. Das weist darauf hin, wie selbst in intimer<br />

Weise das Lyrische ganz sich verobjektivieren kann, so daß es für die<br />

dramatische Kombination brauchbar werden kann. Nun, in dieser Art<br />

wird überhaupt dramatisch geschaffen, daß der dramatische Künstler<br />

immer die Möglichkeit hat, über seinen Gestalten zu stehen. Sobald<br />

man anfängt, persönlich für irgendeine Gestalt sich einzusetzen, kann<br />

man sie nicht mehr dramatisch gestalten. Goethe hat sich, namentlich<br />

als er den ersten Teil seines «Faust» geschaffen hatte, ganz eingesetzt<br />

für die Persönlichkeit des Faust. Daher ist die Persönlichkeit des Faust<br />

auch verschwimmend, nicht abgeschlossen, nicht gerundet. In Goethe<br />

ist sie nicht ganz abgesondert objektiv gegenständlich geworden. Die<br />

anderen Gestalten sind es.<br />

Nun, dieses Gegenständlichwerden hat aber auch zur Folge, daß<br />

man sich wiederum ganz in die Gestalten hineinversetzen kann, daß<br />

man sie wirklich schauen kann, daß man identisch in einer gewissen<br />

Weise mit ihnen werden kann. Das ist eine Gabe, die ganz bestimmt<br />

demjenigen zugekommen ist, der Shakespeares Dramen verfaßt hat,<br />

diese Möglichkeit, die Gestalt ganz wie etwas bildhaft objektiv Er-

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