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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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Ästhetisieren und auch Symbolisieren. Dagegen kann man beobachten,<br />

wie die Schauspielkunst selber im Grunde schon hineingespielt<br />

hat in ein gewisses Bewußtwerden. Ich darf da vielleicht doch etwas<br />

weiter ausholen. Sehen Sie, wir können sagen: Es ist außerordentlich<br />

viel Unfug getrieben worden von Goethe-Interpreten und Goethe-<br />

Biographen in bezug auf das, was über Goethes Künstlerschaft gesprochen<br />

worden ist. Goethes Künstlerschaft ist wirklich etwas,<br />

was, ich möchte sagen, wie vorausnehmend für das Spätere dastand.<br />

Und man kann eigentlich immer nur sagen: Diejenigen Menschen,<br />

Literaturhistoriker, Ästhetiker und so weiter, die immer von Goethes<br />

Unbewußtheit, von Goethes Naivität sprechen, bezeugen im Grunde<br />

genommen nur, daß sie selber höchst unbewußt sind über das, was<br />

eigentlich in Goethes Seele vorging. Sie legen ihre eigene Unbewußtheit<br />

in Goethe hinein.<br />

Wie sind eigentlich Goethes wunderbarste lyrische Produkte entstanden?<br />

Sie sind unmittelbar aus dem Leben heraus entstanden. Es<br />

hat ja etwas Gefährliches, über Goethes Liebesverhältnisse zu sprechen,<br />

weil man leicht mißverstanden werden kann, allein der Psychologe<br />

darf nicht vor solchen Mißverständnissen zurückscheuen. Goethes<br />

Verhältnis zu denjenigen Frauengestalten, die er namentlich in seiner<br />

Jugend, aber auch im späteren Alter liebte, war ein solches, daß<br />

eigentlich die schönsten Schöpfungen der Lyrik aus diesem Verhältnisse<br />

hervorgegangen sind. Wodurch ist das möglich? Es ist dadurch<br />

möglich gewesen, daß Goethe eigentlich immer in einer Art von Spaltung<br />

seines eigenen Wesens darinnenstand. Indem er äußerlich erlebte,<br />

selbst in den intimsten, ihm tiefst zu Herzen gehenden Erlebnissen,<br />

war Goethe immer in solcher Art Persönlichkeitsspaltung. Er war der<br />

Goethe, der wahrhaftig nicht schwächer liebte als irgendein anderer,<br />

aber er war zugleich der Goethe, der wiederum in anderen Momenten<br />

darüberstehen konnte, der gewissermaßen als ein Dritter zuschaute,<br />

wie der sich neben ihm objektivierende Goethe das Liebesverhältnis<br />

zu irgendeiner weiblichen Gestalt entwickelte. Goethe konnte sich in<br />

einem gewissen Sinne - das ist psychologisch durchaus real gesprochen<br />

- immer aus sich und von sich selbst zurückziehen, konnte in<br />

einer gewissen Weise empfindend-kontemplativ zu dem eigenen Er-

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