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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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FÜNFTER VORTRAG<br />

Dornach, 9. September 1924<br />

Das Kunstgeheimnis des Meisters:<br />

Vertilgung des Stoffes durch die Form<br />

Wir wollen heute damit beginnen, rezitatorisch zu zeigen, wie auf der<br />

einen Seite das in einer Dichtung nach der Prosa Hinüberspielende<br />

mehr wirken kann, und auf der anderen Seite die durchgebildete Dichtung.<br />

Es gibt dazu eine Möglichkeit dadurch, daß wir bei Goethe wiederholt<br />

Dichtungen zunächst in rhythmischer Prosa durchgeführt finden,<br />

Dichtungen, in denen Goethe den Stoff von vornherein dichterisch<br />

empfindet; er rhythmisierte ihn. Aber als er später an diese<br />

Dichtungen wieder herantrat und reifer war, hatte er das Bedürfnis,<br />

die Dichtungen umzuschreiben, so umzuschreiben, daß sie in bezug<br />

auf die Sprachgestaltung innerlich ganz künstlerisch wurden. Und so<br />

haben wir von Goethe geradezu eine deutsche und eine römische<br />

«Iphigenie». Die deutsche «Iphigenie», sie ist noch herausgeboren<br />

aus dem unmittelbaren Empfinden, in dem noch viel Prosaelement<br />

war. Aber Goethe konnte solche Dinge überhaupt nicht bloß prosaisch<br />

empfinden, sondern wenn er von solchen inneren Erlebnissen sprach,<br />

so wurde das schon durchaus poetisch, wurde rhythmische Prosa. Die<br />

Gestaltung gab er dann später, als er in römischen Formen lebend<br />

das Bedürfnis bekam, alle Sprachgestaltung, ich möchte sagen, wirklich<br />

plastisch künstlerisch zu machen.<br />

Und so werden wir denn heute mit dem Iphigenien-Monolog beginnen,<br />

zunächst so, wie ihn Goethe innerhalb der deutschen «Iphigenie»<br />

in rhythmischer Prosa ausgebildet hat.<br />

Frau Dr. Steiner: Monolog aus «Iphigenie»<br />

Heraus in eure Schatten, ewig rege Wipfel des heiligen Hains, wie in das<br />

Heiligtum der Göttin der ich diene, tret* ich mit immer neuem Schauder,<br />

und meine Seele gewöhnt sich nicht hierher! So manche Jahre wohn' ich<br />

hier unter euch verborgen, und immer bin ich wie im ersten fremd. Denn

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