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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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ganz zu gestalten. Er konnte nur in Momenten eigentlich diese Künstlerschaft<br />

entwickeln.<br />

Ganz besonders empfindet man das, wenn Lessing eine kleine Szene<br />

darstellt, die aus seinem unmittelbaren Erleben heraus stammt, ganz<br />

aus seinem Leben, wo Lessing selber, indem er die entsprechende<br />

Sache erlebte, trotzdem von ihm mit Recht gesagt wird, daß er so<br />

trocken und nüchtern war, daß er nie geträumt hat! Ja, Lessing war<br />

ein Mensch, der nie geträumt hat, so trocken und nüchtern war er,<br />

seine Poesien sind auch danach, nicht die Prosastücke, ich meine jetzt<br />

die Poesien. Aber ich möchte trotzdem, nicht dem poetischen Bilde,<br />

sondern der Realität gemäß behaupten: Die Szene, die kleine Szene,<br />

die er da noch für seinen «Faust» zustande gebracht hat, stamme dennoch<br />

von einem Erlebnis, das bis zu einem hohen Grade wirkliche<br />

Wachvision war, Wachvision, die eine gewisse Rolle gespielt hat in<br />

Lessings eigenen individuellen Lebenslagen, von der manches ausgegangen<br />

ist.<br />

Und so sehen wir denn, daß Faust, nachdem er gewissermaßen in<br />

Reminiszenz die Dinge über sich hat ergehen lassen, die er über sich<br />

ergehen lassen mußte, aus seinem Drang an die Geisterwelt heranzukommen,<br />

an diese wirklich herankommt, wir sehen, daß er, nachdem<br />

er sich vertieft hat in den Gang der Geistesgeschichte, wirklich<br />

das, was nun bei Lessing künstlerisch gestaltete Wachsuggestion ist,<br />

erlebt. Wir stehen vor der Situation: ein Geist mit langem Barte steigt<br />

aus dem Boden herauf, in einen Mantel gehüllt.<br />

GEIST:<br />

Wer beunruhiget mich? Wo bin ich? Ist das nicht Licht, was ich empfinde?<br />

FAUST (erschrickt, fasset sich aber und redet den Geist an):<br />

Wer bist du ? Woher kommst du ? auf wessen Befehl erscheinst du ?<br />

GEIST:<br />

Ich lag und schlummerte und träumte, mir war' nicht wohl, nicht übel;<br />

da rauschte, so träumte ich, von weitem eine Stimme daher; sie kam<br />

näher und näher; Bahall! Bahall! hörte ich, und mit dem dritten Bahall<br />

stehe ich hier!

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