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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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sprechenden Geistern hineinzubringen. Man kann das schon durch die<br />

Sprachgestaltung selber herausbekommen. Die Sprachgestaltung wird<br />

nicht dadurch, daß man sagt, gestalte dieses so, gestalte diesen Laut so,<br />

gestalte diese Silbe, gestalte diesen Satz so, sondern Sprachgestaltung<br />

wird, indem man die richtigen Übergänge übt vom Epischen herüber<br />

durch das Geist-Dramatische zum Materiell-Dramatischen. Da nimmt<br />

einen der Sprachgenius selber als Schüler auf, indem man seine Wege<br />

geht. Und das ist dasjenige, worauf es ankommt.<br />

Sehen Sie, es ist merkwürdig, daß man gerade bei der Exemplifizierung<br />

einer solchen Sache auf Lessing kommt. Man kann ja sagen,<br />

die Dinge, die Lessing fertiggebracht hat, seine berühmten Dramen,<br />

sind gar nicht auf dieser Höhe. Lessing geht da einmal in dieser<br />

«Faust»-Szene eigentlich durchaus über sich selbst hinaus. Vielleicht<br />

mit Ausnahme der Szenen, wo der Major Teilheim vorkommt, ist<br />

nichts in Lessings Dramen von dieser Höhe wie diese «Faust»-Szene.<br />

Daraus aber können Sie ersehen, wie Lessing da durch den Stoff,<br />

durch dasjenige, was ihm als Stoff vorliegt, zur Gestaltung gebracht<br />

wird. Und man kann schon daraus sehen, wie es auch in der Poesie<br />

sein muß, ähnlich wie es zum Beispiel bei einem solchen Bildhauer<br />

wie Michelangelo war, der die Steine zu seinen Statuen, zu seinen<br />

Marmorstatuen sich selber im Marmorbruche suchte. Er ging herum,<br />

er sah sich Stein für Stein an und fand dann den einen nur, aus dem<br />

er irgendeine Gestalt herausmeißeln konnte. Er ließ sich von der konfigurierten<br />

Natur die Aufgabe für die konfigurierte Kunst geben. Man<br />

muß Stoffgefühl entwickeln, wenn man Künstler sein will. Und das<br />

ist hier ganz anschaulich bei Lessing.<br />

Aber auf der anderen Seite fordert es uns auch auf, daß der darstellende<br />

Künstler, der rezitierende oder schauspielerische Künstler,<br />

sich die Empfindung verschaffen muß, inwiefern ein Stoff wirklich<br />

seinen entsprechenden künstlerischen Ausdruck gefunden hat. Und<br />

ganz besonders gut gelingt es Lessing aus diesem Stoffe heraus, der<br />

ihm eigentlich so ans Herz gewachsen war, daß man nur das tiefste<br />

Bedauern darüber haben kann, daß Lessing nicht mehr zustande gebracht<br />

hat von seinem «Faust»; aber es war ihm wiederum, weil es<br />

eben herauswuchs über den gewöhnlichen Lessing, zu schwer, es

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