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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE

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sehen der Prosa und der poetischen Gestaltung. Und dieser Kompromiß<br />

liegt eigentlich im Alexandriner vor, im Alexandriner, der in der<br />

Regel sechs Jamben hat, aber, weil sechs Jamben in einer Zeile festzuhalten<br />

nicht so leicht ist, sie so hat, daß er sie fortwährend vermischt<br />

mit dem, worin man nicht genau den Jambus festhalten kann. Dadurch<br />

entsteht eben ein Kompromiß. Aber in dem Augenblicke, wo die<br />

Sprache anfängt rhetorisch zu werden, ist auch die Tendenz naheliegend,<br />

das Rhetorische der Sprache, das etwas leicht Dekadentes hat,<br />

wiederum durch ein strenges Festhalten am gestalteten Rhythmus zu<br />

bändigen.<br />

Das alles liegt beim Alexandriner vor. Daher gibt eigentlich der<br />

Alexandriner die Möglichkeit, wenn man ihn sprachlich übt, das<br />

Gegenteil von dem herbeizuführen, was ich sagte vom Hexametersprechen.<br />

Das Hexametersprechen leitet hinüber zum gut Prosasprechen;<br />

der Alexandriner bereitet gut vor zum eigentlichen poetischen<br />

Sprechen.<br />

Das möchten wir dadurch anschaulich machen, daß Frau Dr. Steiner<br />

nun eben gerade französische Alexandriner vorbringen wird. In der<br />

französischen Sprache sind die Alexandriner am besten vorhanden als<br />

solche, während sie in der deutschen Sprache immer nachgeahmt erscheinen,<br />

wenn sie gebraucht werden, und immer so erscheinen, als<br />

ob sie eigentlich nicht hingehörten. Sie ergeben sich nicht aus den<br />

Untergründen der Sprache. Daher wird der Alexandriner sprachgestaltend<br />

schon am besten an einer französischen Probe sich darstellen<br />

lassen.<br />

Goethe hat ja in seinem «Faust» wiederholt den Übergang gesucht<br />

von den übrigen Versmaßen, die er gebraucht hat, zum<br />

Alexandriner. Man kann überall an den einzelnen Stellen nachweisen,<br />

warum Goethe den Alexandriner verwendet. Er verwendet ihn<br />

da, wo es ihm schwierig wird, durch etwas anderes poetisch zu<br />

sein. Wenn es ihm schwierig wird, innerlich poetisch zu sein in<br />

seinem «Faust», wenn er solche Szenen hat, so verwendet er ihn,<br />

um äußerlich poetisch zu sein. Daher finden wir überall da, wo<br />

diese Verlegenheit im «Faust» eingetreten ist, den Übergang zum<br />

Alexandriner.

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