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ein magazin zum geburtstag Geschichten. Erlebnisse ... - Spar

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Über 1600 Wohnungen bietet der <strong>Spar</strong>- und Bauver<strong>ein</strong> im Dortmunder<br />

Norden, darunter viele rund um den Borsigplatz. Schmuckstück und<br />

Erkennungszeichen ist das Concordiahaus, erbaut Anfang 1900.<br />

Im Erdgeschoss des „Türmchenhauses“ befand sich bis in die 50er-Jahre<br />

das beliebte Tanz- und Festlokal „Concordia“.<br />

EIn hauS, EIn Platz<br />

Zu Besuch am Borsigplatz in der Dortmunder Nordstadt<br />

Als der BVB 1909 am Borsigplatz gegründet<br />

wurde, stand dort bereits <strong>ein</strong>es der ersten Häuser<br />

des <strong>Spar</strong>- und Bauver<strong>ein</strong>s: das Concordiahaus.<br />

Damals wie heute trifft man an diesem für<br />

Dortmund so wichtigen Ort noch „Originale“,<br />

Menschen, die über fünfzig Jahre ihrem Viertel<br />

treu geblieben sind. Heute wohnen auch viele<br />

Studenten im Viertel und prägen mit regelmäßigen<br />

Kunstaktionen s<strong>ein</strong>en Charakter. Doch wie<br />

eh und je steht der Ort für Superlative. Wo steht<br />

der größte Adventskranz der Welt? Natürlich auf<br />

dem Borsigplatz.<br />

Pariser Flair im Dortmunder Norden: Der „Stern<br />

des Nordens“ mit s<strong>ein</strong>en sechs auf ihn zuführenden<br />

Straßen und s<strong>ein</strong>en Platanen wurde nach französischem<br />

Vorbild angelegt. S<strong>ein</strong>en Namen verdankt er der 1871<br />

gegründeten Maschinenfabrik des August Julius Albert<br />

Borsig. Hier zu wohnen, war schon was. „Man wohnt<br />

nicht in Dortmund, man wohnt am Borsigplatz“, heißt es<br />

hier noch heute selbstbewusst. Und das nicht nur, weil<br />

der Platz durch die Meisterfeiern des BVB europaweit<br />

Berühmtheit erlangt hat. Die Älteren erinnern sich noch<br />

stolz an die Dortmunder Hoesch-Stahlschmiede, in der sie<br />

malocht haben und die bis zu ihrer Schließung 1995 gut<br />

17.000 Menschen Arbeit gegeben hat.<br />

In der „guten alten Zeit“, so um 1920, war die Gegend als<br />

„Nachtjackenviertel“ bekannt. Damals hingen die Mütter<br />

und Ehefrauen im Nachtjäckchen im Fenster und hielten<br />

Ausschau nach ihren Männern. Die waren in den umliegenden<br />

Kneipen versackt und tranken noch <strong>ein</strong> Bier. Und<br />

weil’s so schön schmeckte, noch <strong>ein</strong>s …<br />

Solche <strong>Geschichten</strong> und noch viele mehr kennt Annette Kritzler. Die Stadtführerin<br />

betreibt mit <strong>ein</strong>er Kollegin die „BorsigplatzVerFührungen“. Wenn sie<br />

mit ihren Teilnehmern durch die Straßen zieht, wirft sie gerne <strong>ein</strong>en Blick in<br />

Ateliers oder Restaurants und macht auf Kl<strong>ein</strong>ode wie besondere Gärten und<br />

Hinterhöfe aufmerksam. Auch den schönen Innenhof des Concordiahauses besucht<br />

sie oft. „Das Haus mit dem Türmchen ist <strong>ein</strong>e Landmarke, weit über die<br />

Grenzen Dortmunds hinaus bekannt.“<br />

Im Krieg diente das Türmchen übrigens als Flakbeobachterposten. Heute<br />

kennen ihn BVB-Fans, weil Hausmeister Günter Domscheit die Glocke im<br />

Turm läutet, wenn Borussia wieder <strong>ein</strong>mal Meister geworden ist. Seit 1959<br />

wohnt Domscheit am Borsigplatz, seit 2006 arbeitet er für die Genossenschaft.<br />

Zusammen mit Andreas Prigge, stellvertretender Leiter der Technik bei der<br />

Genossenschaft, sitzen wir bei Domscheits auf der Küchenbank. Günter, wie<br />

ihn jeder nennt, erinnert sich gut an die Zeit, als noch an jeder Ecke <strong>ein</strong>e<br />

Kneipe stand: „Wenn ich früher tapezieren wollte, ging ich in die Kneipe. Ich<br />

brauchte nur zu sagen, dass ich drei Mann <strong>zum</strong> Helfen suche und hinterher<br />

<strong>ein</strong>en ausgebe. Dann hatte ich gleich fünf Helfer.“ Ein Bier kostete damals<br />

35 Pfennig – das sind 18 Cent.<br />

Den Abbau des Hoesch-Werkes, das nach China verkauft worden war, hat<br />

Günter Domscheit vom Türmchen aus verfolgt. Das habe wehgetan, besonders<br />

die Sprengungen. Doch das ist Vergangenheit. Die Gegenwart ist fröhlicher,<br />

besonders, wenn man wie Domscheit fest in s<strong>ein</strong>em Quartier verwurzelt ist.<br />

„Abends tut mir der Arm vom Winken und Grüßen weh“, feixt er.<br />

Auch Anja Lenze ist bekennender Borsigplatzfan. Über 20 Jahre hat die<br />

44-Jährige in der Wambeler Straße in <strong>ein</strong>er Genossenschaftswohnung gewohnt.<br />

Sie ging gerne in den Hoeschpark und an <strong>ein</strong>er Wand ihrer Wohnung<br />

prangte <strong>ein</strong> Straßenschild „Borsigplatz“. Aktionen wie der große Adventskranz<br />

und das jährliche „Nordstadtdinner“ haben ihr gefallen. Gerne erinnert sie<br />

sich an das „Running Dinner“, das vom Quartiersmanagement organisiert<br />

wird. In drei verschiedenen Wohnungen wird dann gekocht und gegessen.<br />

120 JAHRE 10.11<br />

An der Garage treffen wir das Ehepaar<br />

Hoffmann. Der 70-jährige Rudi<br />

Hoffmann ist traurig über die Entwicklung<br />

des Viertels. „Als ich an den<br />

Borsigplatz gezogen bin, waren hier<br />

alle Nationen vertreten. Wenn wir zusammen<br />

im Hof gegrillt haben, gab es<br />

Paella, Pizza, Fisch und Würstchen.“<br />

Doch die Nachbarschaft sei nicht<br />

mehr so herzlich wie früher. Auch<br />

ärgert es ihn, dass viele sich nicht an<br />

Regeln halten. Aber deshalb lange<br />

böse s<strong>ein</strong>? N<strong>ein</strong>, das könne und wolle<br />

er nicht.<br />

In der Uhlandstraße lebt H<strong>ein</strong>z<br />

Brummel. Hoffentlich schmeckt der<br />

Kaffee, fragt er besorgt. Der Kaffee<br />

schmeckt prima – und wenn Herr<br />

Brummel ins Erzählen kommt, m<strong>ein</strong>t<br />

man, s<strong>ein</strong>en längst verstorbenen<br />

Onkel, den Schlachter Grizelius,<br />

die Straße lang fahren zu sehen: „Er<br />

hatte, um 1947 war das, <strong>ein</strong> Auto mit<br />

Holzvergaser, mit <strong>ein</strong>em Schornst<strong>ein</strong><br />

darauf. Das wurde mit Holz geheizt<br />

und er fuhr damit <strong>zum</strong> Schlachthof.“<br />

Der Wandel der Zeit berührt alle Bewohner<br />

des Viertels. Jeder erlebt ihn<br />

auf s<strong>ein</strong>e Art, nimmt ihn anders wahr.<br />

Und als der <strong>Spar</strong>- und Bauver<strong>ein</strong> 2012<br />

<strong>zum</strong> großen Nachbarschaftsfest im<br />

Uhlandblock lud, trafen sich viele<br />

wieder und ließen die gute alte Zeit<br />

noch <strong>ein</strong>mal aufleben. Von diesem<br />

Fest spricht man heute noch.<br />

Und jeder Neubeginn hat ja auch<br />

s<strong>ein</strong>e guten Seiten. Früher gab es<br />

hier viele Prügeleien, erinnert sich<br />

Hausmeister Domscheit. „Wenn Du<br />

was willst, komm raus“, hieß es in den<br />

Kneipen. Vielleicht doch ganz gut,<br />

dass es jetzt mehr Künstlerateliers<br />

als Kneipen in der Nordstadt gibt.<br />

Immer wieder geht die Sonne auf. Im<br />

Dortmunder Norden.<br />

Lehm Unter der tapete<br />

„als wir 1947 aus dem sauerland, wohin wir evakuiert worden<br />

waren, zurückkamen, war ich sieben Jahre alt. m<strong>ein</strong>e oma wohnte<br />

gegenüber in der uhlandstraße 133. dann kam auch m<strong>ein</strong> vater<br />

aus dem Krieg heim. Wir hatten nur zwei Zimmer, denn wir mussten<br />

uns die Wohnung mit <strong>ein</strong>em untermieter teilen. nach dem<br />

Krieg war alles zerbombt und viele häuser waren weg. ich habe<br />

damals geholfen, in den Wannen Kalk zu löschen, der <strong>zum</strong> Bauen gebraucht wurde.<br />

in der uhlandstraße wurden extra eisenbahnschienen verlegt, um die hohen<br />

schutthaufen mit teckelwagen abzufahren. dann ging in eigenregie das Bauen los.<br />

Jeder besorgte sich irgendetwas. die kaputten Wände in unserer Wohnung hat m<strong>ein</strong><br />

vater mit lehm ausgebessert. deshalb kann ich die tapete heute nicht abreißen, da<br />

hängen dann große lehmstücke daran.“<br />

H<strong>ein</strong>z Brummel, Mitgliedervertreter, 73 Jahre, Interview 2013<br />

Der größte<br />

Adventskranz<br />

der Welt: der<br />

Borsigplatz.<br />

„Bier – Stahl – Fußball“ – der<br />

Dreiklang des Viertels auf der Wand<br />

des Schankraumes in der bekannten<br />

Gaststätte des Concordiahauses.<br />

Hier wurde getanzt und getafelt.

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