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<strong>new</strong> <strong>spaces</strong> <strong>07</strong> 365 Tage<br />

Gaggenau<br />

<strong>new</strong> <strong>spaces</strong> <strong>07</strong><br />

365 Tage<br />

Siehe Seite 34


2 Editorial<br />

Willkommen in der Welt von Gaggenau!<br />

„Wenn man einen schönen Raum hat, muss man ihn auch zeigen“,<br />

sagt der Berliner Architekt Thomas Baecker über seine innovativen<br />

Supermarkt-Entwürfe. Dieses Zitat aus unserer Story über<br />

die neuen Food-Tempel eignet sich auch als Motto dieser aktuellen<br />

Ausgabe von <strong>new</strong> <strong>spaces</strong>. Gaggenau zeigt Ihnen schöne Räume.<br />

Solche, die Funktionalität und Optik grandios vereinen wie moderne<br />

Premium-Supermärkte, und solche, die Grenzen zwischen<br />

Kunst und Design verschwimmen lassen wie das maßgeschneiderte<br />

Architektenhaus zwischen Rheintal und Schwarzwald – ein<br />

versteckter Solitär direkt am Waldrand. Wir entdecken mit Ihnen<br />

kleine Räume wie ein kreisrundes Hausboot in Kopenhagen<br />

und unendlich große: „Skywalks“ sind Panorama-Stege in luftiger<br />

Höhe, über die sich nichts als der Himmel spannt. Wir zeigen<br />

Ihnen Genuss- und Erlebnisräume wie den neuen Weinkubus von<br />

Gaggenau und bulthaup, und wir laden Sie ein auf einen Besuch<br />

im virtuellen Raum des neuen Gaggenau Online-Showrooms.<br />

Freuen Sie sich auf ein Magazin, das Ihnen vielfältige Anregungen<br />

und Einblick für Ihre tägliche Arbeit geben wird. Lassen Sie<br />

sich inspirieren von Kreativen, die einen Schritt in die Welt von<br />

morgen wagen.<br />

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen herzlichst<br />

Sven Schnee<br />

Leitung<br />

Gaggenau International


FOTOS (VON OBEN): BRUNO HELBING FOTOGRAFIE ZÜRICH, JOEP VERHOEVEN/DIRK KREIJKAMP, CHRIS MALUSZYNSKI/MOMENT/AGENTUR FOCUS<br />

14<br />

44<br />

52<br />

Impressum<br />

Gaggenau <strong>new</strong> <strong>spaces</strong> <strong>07</strong><br />

Herausgeber Gaggenau Hausgeräte GmbH, Marketing international<br />

Objektleitung Sven Schnee<br />

Projektmanagement Annette Kaiser<br />

Inhalt<br />

04 Thinking the Future I Gelee-Designer aus Großbritannien: Jellymongers<br />

10 Inside Gaggenau Gaggenau und bulthaup beweisen Weinkompetenz<br />

14 Best Practice Ein Bungalow zwischen Rheintal und Schwarzwald<br />

20 Kitchen Love Der niederländische Architekt Erick van Egeraat<br />

22 Thinking the Future II Supermärkte und Architektur: die neuen Food-Tempel<br />

28 Projects Ein modernes Hausboot in Kopenhagen<br />

32 New Products Das neue vollelektronische Gas-Kochfeld<br />

34 Gaggenau Online Der neue virtuelle Gaggenau Showroom<br />

35 Sights and Scenes Länder-Special Singapur<br />

43 What’s next? Spektakuläre architektonische Planungen<br />

44 Thinking the Future III Telling Tales: Objekte erzählen Geschichten<br />

52 Thinking the Future IV Skywalks: Stege zwischen Himmel und Erde<br />

58 Worldwide Neuigkeiten aus der Gaggenau Welt<br />

Chefredaktion Peter Würth (v. i. S. d. P.) Art Direction Dirk Linke Chefin vom Dienst Inga Borg Gestaltung Annette Arnheim Bildredaktion Trine Skraastad<br />

Schlussredaktion Sebastian Schulin Herstellung Claude Hellweg (Ltg.), Oliver Lupp Autoren dieser Ausgabe Wolf-Christian Fink, Josephine Grever, Roland Hagenberg,<br />

Isabelle Hofmann, Tobias Moorstedt, Kerstin Schweighöfer, Oliver Stilling, Andreas Toelke Fragen oder Anregungen zum Inhalt <strong>new</strong><strong>spaces</strong>@gaggenau.com<br />

Verlag und Anschrift der Redaktion HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH, ein Unternehmen der GANSKE VERLAGSGRUPPE, Harvestehuder Weg 42, 20149 Hamburg,<br />

Tel. +49 40 44188-257, Fax +49 40 44188-236 Geschäftsführung Manfred Bissinger, Dr. Kai Laakmann, Dr. Andreas Siefke Objektleitung Frank Rothschuh<br />

Litho fi lestyle medienproduktion, Hamburg Druck Neef+Stumme, Wittingen Copyright © 2010 by Gaggenau. Nachdrucke nur mit Quellenangabe und Belegexemplar.<br />

Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

3


4 Thinking the Future I<br />

Essbare Architektur<br />

Aus buntem Wackelpudding bauen Bompas &<br />

Parr Modelle weltberühmter Bauwerke und<br />

versetzen selbst Stararchitekten ins Staunen<br />

Text: Josephine Grever


Meister der Götterspeise<br />

Sam Bompas (links) und<br />

Harry Parr sind von Jelly<br />

genauso fasziniert wie von<br />

Architektur – und haben<br />

aus der doppelten<br />

Leidenschaft ihr Businessmodell<br />

entwickelt.<br />

FOTO: CHRIS TERRY


6 Thinking the Future I<br />

Fast zweieinhalb Meter lang ist das<br />

wackelnde Modell des Flughafens Barajas bei<br />

Madrid. Im Original das größte Bauwerk<br />

des Architekten Richard Rogers.<br />

Zum 75. Geburtstag gab es für die<br />

Gäste sein Meisterwerk samt Flugzeugen<br />

aus orangefarbener Götterspeise<br />

zum Nachtisch.


„ Nach fünfzehn Minuten war der Flughafen komplett<br />

verspeist. We love that“, sagt Sam Bompas. FOTO:<br />

ROGERS STIRK HARBOUR + PARTNERS


8 Thinking the Future I<br />

Wenn man ein weltbekannter Architekt ist und von der Queen<br />

geadelt wurde, dann braucht man für einen wichtigen Jubeltag<br />

ein Highlight, von dem noch lange die Rede ist. Als Richard<br />

Rogers vor zwei Jahren seinen 75. Geburtstag feierte, war es<br />

der Nachtisch eines Festmahls, zu dem er alle Mitarbeiter eingeladen<br />

hatte. Nach dem Hauptgang wurde auf sechs großen<br />

Tabletts eine gelb-orange-rote, beschwingt wackelnde Götterspeise<br />

hereingetragen: das Modell des Flughafens Bajaras bei<br />

Madrid, vor vier Jahren eingeweiht und mit über 93 000 Quadratmetern<br />

Rogers’ bisher größtes Werk. Die essbare Version<br />

– 2340 mm lang, 57 mm breit, komplett mit gewelltem Dach,<br />

gegabelten Trägern und Minifl ugzeugen – bestand aus puren<br />

Obstsäften und Blattgelatine. Die Überraschung: Der überdimensionale<br />

Wackelpudding schmeckte auch noch fabelhaft.<br />

„Wir verarbeiten nur frische Zutaten“, betonen Sam<br />

Bompas und Harry Parr, zwei clevere Londoner Unternehmer<br />

Mitte zwanzig, die das architektonische Meisterwerk in<br />

Götterspeise „übersetzten“. „Deshalb schmeckt es nicht nach<br />

Chemie und künstlichen Aromen, sondern nach Erdbeeren,<br />

Grapefruit oder Mango. Mit Fertigprodukten aus dem Supermarkt<br />

hat das nicht die geringste Ähnlichkeit.“ Wie lange<br />

brauchte es, um den Flughafen zu konstruieren? „Eine ganze<br />

Woche“, erinnert sich Sam Bompas zufrieden. „Nach<br />

fünfzehn Minuten war nichts mehr davon übrig. We love that.“<br />

Inzwischen sind die beiden Geschäftspartner mit ihrer vor<br />

drei Jahren gegründeten Firma Jellymongers vielgefragt bei<br />

Wegweiser zum Götterspeisen-Bankett<br />

Extravagant und skurril, wie<br />

es nur Londoner sein können.<br />

FOTOS: EMMA RIOS (UNTEN), CHARLES VILLYARD (2)<br />

Night Glow Jelly<br />

Mit Chinin angereicherte Götterspeise von<br />

Bompas & Parr leuchtet im Dunkeln.<br />

exklusiven Gesellschaften und großen kulturellen Veranstaltungen<br />

– ob sie Nachbildungen von Londoner Sehenswürdigkeiten<br />

konstruieren oder das Taj Mahal bauen. Die Preise für ihre bunten<br />

Architekturmodelle variieren je nach techni schem Schwierigkeitsgrad<br />

und beginnen bei 800 Pfund. Wie entstehen solche<br />

Ideen? „Der Reiz der Götterspeise ist leicht zu verstehen“, antwortet<br />

Sam Bompas. „Nicht nur, weil sie Erinnerungen an die<br />

Kindheit weckt. Sie ist vielseitig, man kann sie in jede Form gießen,<br />

ihr jede Farbe und Ge schmacksnote verleihen. Und ihre<br />

Transparenz macht sie zweifellos zu einem ästhetisch schönen<br />

Objekt. Sie sollte als Kunstform ernst genommen werden.“<br />

Außerdem, fügt er hinzu, sei das Experimentieren mit Götterspeise<br />

nichts Neues. „Schon die alten Ägypter haben sie gern<br />

gegessen, und über die Jahrzehnte bildete sie den krönenden<br />

Abschluss üppiger Bankette.“ In Großbritannien war die Ära<br />

Queen Victorias das goldene Zeitalter des Wackelpuddings, als<br />

festliche Tafeln nicht mit Blumen, sondern mit Jellies geschmückt<br />

wurden. „An diese Tradition wollen wir anknüpfen.“<br />

Begonnen hat alles mit einer Freundschaft am Eton<br />

College. Sowohl Harry als auch Sam liebten elektronische Musik<br />

und gute Küche. Während ihre Mitschüler sich heimlich aus<br />

dem Internat schlichen, um die umliegenden Pubs zu frequentieren,<br />

sparten sie ihr Taschengeld, um ab und zu in Londons<br />

Gourmet-Tempeln zu speisen. Harry kochte auch gern selbst.<br />

Seine Beans on Toast, die er für Prinz William, der eine Klasse<br />

höher war, zubereitete, waren berühmt. Nach Eton studierte<br />

Harry Architektur, Sam entschied sich für Geografi e und arbeitete<br />

anschließend in der PR-Branche. In London wohn haft, koch-


ten beide abends gern für Freunde und zu neh mend für private<br />

Dinnerpartys. Immer wieder gepriesen für ihre originellen<br />

Desserts, kamen sie auf die Idee, daraus ein Geschäft<br />

zu machen. Das Timing war günstig: Im von Krisen geschüttelten<br />

London gab es wenig Arbeit für junge Architekten, und Sams<br />

Know-how im PR-Business konnte nur helfen. Da beide nicht<br />

nur Food lieben, sondern auch ein Faible für Architektur haben,<br />

initiierten sie noch im selben Jahr einen amüsanten Wett -<br />

bewerb: Beim Festival of Architecture ent warfen über 100 namhafte<br />

Architekten Modelle, die als Götterspeise konstruiert<br />

wurden. Die Resultate wurden versteigert; der Erlös ging an<br />

Article 25, eine Organisation, die sich um Wohnungsbau<br />

in Entwicklungsländern kümmert. Die Teilnehmer waren begeistert:<br />

„Es gibt viel zu wenig Humor in der Architektur“, kommentierte<br />

Will Alsop. Norman Foster zeigte gehörige Selbstironie,<br />

als er seine Millenniumsbrücke bei steuerte, deren<br />

Original bei der Einweihung im Jahr 2000 so bedenklich wackelte,<br />

dass sie gleich wieder ge schlossen werden musste. Siegerin<br />

war Anna Liu, eine aus Taiwan stammende Architektin, deren<br />

Pavillon in Blütenform alle Kriterien wie Innovation, Ästhetik<br />

Einatmen statt trinken<br />

Im Walk-in Cocktail wabert Alkohol durch die Luft<br />

und zeitigt ohne lange Umwege direkte Wirkung.<br />

und richtiger Glibberfaktor erfüllte. Doch die eigentlichen Gewinner<br />

waren Bompas & Parr, die mit ihrer Aktion viel Aufsehen<br />

erregten. Sind sie Performancekünstler, Köche oder einfach<br />

nur Witzbolde, rätselten die britischen Medien. „Food als Performance<br />

ist gut und schön, aber niemand will einen Zaubertrick<br />

mehr als zweimal sehen“, sagt Sam Bompas dazu. „Alles, was<br />

wir tun, hat mit unserer Liebe zu Food zu tun. Aber wir wollen<br />

nicht mit professionellen Köchen konkurrieren. Wir sehen unsere<br />

Arbeit ganzheitlich.“ Wie ihr Vorbild Agnes B. Marshall – die<br />

FOTO: DAN PRICE<br />

viktorianische Eiscreme-Queen, die nicht nur die Eistüte erfand,<br />

sondern auch Bücher schrieb und Vorträge hielt – wollen die<br />

beiden verschiedene Disziplinen zusammenbringen. So kam es<br />

zu ihrer Kooperation mit Naturwissenschaftlern des Londoner<br />

University College, mit denen sie eine Götterspeise ent wickelten,<br />

die durch Zugabe fl uoreszierenden Chinins im Dunkeln<br />

leuchtet. Dem folgte der Walk-in Cocktail: eine für zwei Wochen<br />

geöffnete Bar in der Nähe der Carnaby Street, in der Gin & Tonic<br />

nicht ausgeschenkt, sondern im Raum versprüht und in ha liert<br />

wurde. Besucher mussten zum Schutz ihrer Kleidung einen<br />

Overall überziehen, drei Ärzte waren Teil des Teams. „Alkohol<br />

strömt Dämpfe aus“, erklärt Sam Bompas. „Wenn man ihn einatmet,<br />

geht er direkt ins Blut und steigt in den Kopf.“<br />

Diesem „totalen, alle fünf Sinne involvierenden Erlebnis“<br />

folgte die von Courvoisier gesponserte Architectural Punchbowl:<br />

Bompas & Parr installierten in einem Raum eine riesige<br />

Glühweinschüssel – im Umfang so groß wie zwei Doppeldeckerbusse<br />

– und füllten sie mit einem Cocktail aus Courvoisier<br />

Exclusif, Granatapfel- und Preiselbeersaft. Auch ihr Projekt für<br />

das nächste Festival of Architecture verspricht unterhaltsam zu<br />

werden. Im Mittelpunkt steht ein Golfparcours aus Götterspeise,<br />

bei dem jedes der achtzehn Löcher von einem anderen Architekten<br />

entworfen wird. „Alle großen Namen sind wieder dabei“,<br />

verrät Harry Parr. Er verbringt viel Zeit an einem Computer<br />

der Architekturfakultät des University College, der Formentwürfe<br />

in dreidimensionale Modelle übersetzt. Für den Koch visi o när<br />

Heston Blumenthal haben Bompas & Parr Formen aus verzinktem<br />

Kupfer konzipiert, für den Nahrungsmittelkonzern Kraft<br />

andere Gussformen. Außerdem entwerfen sie neue Koch utensilien,<br />

veröffentlichen im Juni ihr erstes Koch buch und arbeiten<br />

an einer „magischen Marmelade“ für die Ausstellung „The<br />

Sur real House“ im Barbican Centre. Doch zunächst steht der<br />

Umzug in eine geräumige Werkstatt mit großer Industrieküche an.<br />

Bleibt die Frage: Wie macht man die perfekte Götterspeise?<br />

„Entscheidend ist das Verhältnis von frischem<br />

Obstsaft zur Gelatine“, antwortet Sam Bompas. „Je größer die<br />

Kon struktion, desto mehr Halt braucht sie. Grundsätzlich<br />

gilt: So wenig Gelatine wie möglich. Das garantiert ein vor zügliches<br />

Schwabbeln.“<br />

Weitere Informationen<br />

www.jellymongers.co.uk<br />

London Festival of Architecture: 19. 6.–4. 7. 2010, www.lfa2010.org<br />

The Surreal House: 10. 6.–17. 9. 2010, www.barbican.org.uk<br />

9


10 Inside Gaggenau<br />

Perfektion für alle Sinne<br />

Weingenuss und moderne Innenarchitektur:<br />

Der zeitgenössische Weinkeller ist ein sinnlicher<br />

Erlebnisraum im Zeichen der Entschleunigung


FOTOS: GAGGENAU<br />

Erlebnisraum Weinkubus<br />

Die Lagerung der Kostbar keiten<br />

wird inszeniert – und nicht, wie<br />

sonst häufi g, in den Keller<br />

verbannt. Gleichzeitig kann der<br />

Raum als Ort des Genießens<br />

genutzt werden.


„Wer sich Zeit nimmt und reale<br />

Nähe sucht, hat schon gewonnen.“<br />

Peter Wippermann


Gelungene ästhetische<br />

Symbiose<br />

Die Industriearchitektur<br />

des Berliner<br />

E-Werks als Rahmen<br />

eines „Wohnraums“.<br />

Inside Gaggenau 13<br />

„Rund um die Renaissance der Küche entwickelt sich ein<br />

Glücksmythos. Die Archetypen des Natürlichen und das Ritual<br />

der Gemeinschaft schaffen Vertrautheit und suggerieren<br />

zugleich Bedeutsamkeit. Da man Glück nicht kaufen kann, sondern<br />

selbst gestalten muss, bekommt gemeinsames Kochen,<br />

Essen und Trinken einen neuen Sinn.“ Kein Starkoch sagt dies,<br />

sondern ein Wissenschaftler, der sich mit neuen Lebenswelten<br />

und kulturellen Veränderungen befasst: der Zu kunftsforscher<br />

Peter Wippermann. Das Kochen dient – so die These – nicht<br />

mehr nur der Nahrungsaufnahme, sondern bekommt einen<br />

hohen sozialen Stellenwert. Kochen mit Familie oder Freunden<br />

wird zu einem Genusserlebnis, das sich natürlich nicht auf<br />

das Essen beschränkt, sondern auch den Weinkonsum mit einschließt.<br />

Teil des Genusses ist die Entschleunigung: „Wer<br />

sich Zeit nimmt und reale Nähe sucht, hat schon gewonnen“,<br />

sagt Peter Wippermann. Auch der Volksmund weiß: „Gut Ding<br />

will Weile haben“. Das gilt natürlich auch für den Wein.<br />

Er braucht Muße, um ein Genuss zu sein – bei der Herstellung,<br />

beim Trinken und vor allem auch bei der Lagerung. Und er<br />

möchte am liebsten eines: erst einmal zur Ruhe kommen.<br />

Je edler ein Wein, desto behutsamer ist er zu behandeln.<br />

Ein Grund mehr für Gaggenau, renommierte Sommeliers<br />

frühzeitig in die Ent wicklung von Weinklimaschränken mit einzubeziehen.<br />

Denn die perfekte Weinlagerung ist nicht allein<br />

eine Frage der Temperatur, auch Licht, Erschütterung, Belüftung<br />

und Hygiene des Lagerungsorts spielen für Wein eine große<br />

Rolle bei der Entfaltung seines Potenzials. Deshalb verfügen<br />

Gaggenau Weinklimaschränke innen über großfl ächige<br />

Edelstahlverkleidungen, komplexe Belüftungskonzepte und eine<br />

gedämpfte Kompressor aufhängung für einen fast vibrationsfreien<br />

Betrieb. Um bei unterschiedlichen Temperaturen lagern<br />

zu können, sind einige Geräte mit mehreren Klimazonen<br />

ausgestattet. Dadurch können beispielsweise Champagner und<br />

Weißweine bei idealer Trinktemperatur gelagert werden, während<br />

gleichzeitig Rotwein unter optimalen Bedingungen weiterreifen<br />

kann. Auf den voll ausziehbaren Aluminium-Ablagen<br />

ruhen die einzelnen Flaschen auf unbehandelten, runden Buchenholzstäben<br />

zur Schonung wertvoller Etiketten.<br />

Gemeinsam mit bulthaup führt Gaggenau in eine neue<br />

Dimension des Weingenusses: Als eine Symbiose von Architektur<br />

und Funktion bietet der sogenannte Weinkubus den perfekten<br />

Erlebnisraum für alle Sinne. Im Berliner E-Werk hatten<br />

geladene Journalisten und Partner fünf Tage lang Gelegenheit,<br />

den innovativen begehbaren Weinkeller kennenzulernen.<br />

Eingebettet in modernes Industrieambiente, wurde dieser<br />

Raum eigens für Gaggenau Weinklimaschränke „maßge schneidert“.<br />

„Wir zeigen hier einen Weinkeller, der ein völlig anderes<br />

Raumerlebnis als der freie Grundriss ermöglicht. Durch die ausgefeilte<br />

Weinlagertechnik von Gaggenau wird trotz der notwendigen<br />

Temperatur- und Feuchtigkeitsvorgaben der Weinlagerung<br />

eine sinnliche Atmosphäre geschaffen. Wir erkunden damit<br />

gemeinsam die Grenze zwischen Kunst, Technik und Architektur“,<br />

sagte Hartmut Röhrig, Leiter Vertrieb und Marketing International<br />

bei bulthaup, anlässlich der Eröffnung.


14 Best Practice<br />

Kommunikatives<br />

Zentrum des Hauses<br />

Der helle Schieferboden<br />

der Küche<br />

refl ektiert das Licht,<br />

das durch transparente<br />

Raumteiler fällt.<br />

Planung: baurmann.<br />

dürr Architekten,<br />

Karlsruhe.


Haus mit Herz<br />

Ein maßgeschneidertes Heim entstand<br />

idyllisch gelegen in den Hügeln<br />

zwischen Rheintal und Schwarzwald<br />

Text: Wolf-Christian Fink Fotos: Dominik Gigler


16 Best Practice<br />

Freunde empfangen, gemeinsam<br />

Mahlzeiten vorbereiten und Zeit am<br />

großen Le-Corbusier-Esstisch<br />

verbringen: das ist dem Paar wichtig.


Wohlgefühl auf<br />

allen Ebenen<br />

Die freundliche Retriever<br />

hündin Grace bewacht<br />

nicht nur den Treppenaufgang<br />

zum ersten Stock.<br />

Die Schaffelle auf den<br />

Stühlen des dänischen<br />

Designers Hans J. Wegner<br />

ergänzen die architektonische<br />

Strenge der<br />

Küche (links) um<br />

eine warme Note.


18 Best Practice<br />

Ein versteckter Solitär. Strahlend im weißen Sonnenlicht des<br />

Frühlings auf einer Kuppe in einer ländlichen Gegend zwischen<br />

Karlsruhe und Nordschwarzwald. Ein zweige schossiger Bungalow,<br />

so leicht und transparent gebaut, dass man ihm mitten ins<br />

Herz schauen kann, wenn man will. Das stört die Inhaber jedoch<br />

nicht weiter. Schließlich verirrt sich niemand in diesen Winkel,<br />

gelegen am Ende einer Sackgasse und direkt am Waldrand. Sie<br />

haben sich diesen 1200 Quadratmeter großen, geborgenen<br />

Platz in unauffälliger Nachbarschaft ausgesucht für ihr Projekt:<br />

das Haus. Ein Werk, bestehend „aus einem Jahr Planung,<br />

einem Jahr Bau und einem ersten Jahr Abstimmung mit den Behörden“,<br />

erzählt die Besitzerin zurückhaltend, doch mit dem<br />

Charme der gebürtigen Schwäbin. Unter den Leidenswegen,<br />

die jeder Erbauer eines neuen Hauses zurücklegt, war der<br />

des in Karlsruhe arbeitenden Ehepaars wohl einer der schwereren.<br />

Vernunft stand gegen Verordnung. Der Mindest abstand<br />

zum Waldrand (30 Meter) drohte unterschritten zu werden, also<br />

konterte der Architekt schließlich mit einer angeschrägten<br />

rechten Außenwand, parallel zur Kontur des Waldes. Was dem<br />

fertigen Haus heute einen besonderen Akzent verleiht: Da<br />

es auf einer Seite weniger rechte Winkel gibt, scheint der ohnehin<br />

so durchscheinende Bau in Bewegung zu sein, von innen<br />

vermittelt er gleichzeitig ein organisches Raumgefühl.<br />

Gesäumt von jungen Hecken aus Glanzmispel und<br />

Rosmarinblättriger Weide, lässt sich schon erahnen, wie harmonisch<br />

Grundstück und Haus künftig in die Natur eingebettet<br />

sein werden. Es war der große Wunsch des Paares, das sich<br />

aus der Stadt hierhergezogen fühlte, Wohnen und Natur<br />

in Verbin dung zu setzen. So bestehen die Außenwände im Parterre<br />

zum Teil aus großen, verschiebbaren Glasfl ächen:<br />

Scheinbar aufgehoben sind Innen- und Außensphäre, besonders<br />

im Sommer. „Wir lassen die Fenster offen und den<br />

Nachtwind durchs Haus wehen, da wir ja gut bewacht werden.“<br />

Das freilich möchte man der freundlich wedelnden Retrieverhündin<br />

Grace fast nicht zu trauen.<br />

Die Besitzer erfuhren erst im Laufe der Planung, wie viel<br />

Verantwortung selbst zu tragen war. Hunderte von Entscheidungen<br />

waren zu treffen, von der Wahl des hellen Schieferbodens<br />

bis zur Position des Wäscheabwurfs, vom Farbton des im<br />

ganzen Haus verwendeten Eichenholzes bis zum Entschluss,<br />

den Platz für die Badewanne letztendlich für eine kleine<br />

Sauna neben dem Badezimmer zu nutzen: „Mit unserem Architekten<br />

waren wir im Dauerkontakt. Das Besondere daran:<br />

Heute sind wir mit ihm befreundet. So geht es sicher nicht vielen<br />

Bauherren“ – eine Ge schichte mit glücklichem Ende.<br />

Besonders viel Diskussion gab es über den Standort der Küche.<br />

Rund 140 Quadratmeter Fläche stehen im Parterre zur Verfügung,<br />

nahezu ein einziger großer Raum. Lebensgewohnheiten<br />

gaben schließlich den Ausschlag. Freunde empfangen, gemeinsam<br />

Mahlzeiten vorbereiten und Zeit am großen Le-Corbusier-<br />

Esstisch verbringen: das ist dem kinderlosen Paar sehr wichtig.<br />

So kommt es, dass der Besucher heute fast unmerklich vom<br />

Eingangsbereich direkt in die Küche tritt. Die Kochinsel-Situa tion,<br />

die Verbindung aus weißen Hochglanzoberfl ächen und den<br />

teilweise verborgenen Geräten, schafft weniger Küchen- als Wohnatmosphäre.<br />

Es dominiert eher die Stimmung einer südländischen<br />

Sommerküche, mit viel Platz und allgegenwärtiger<br />

Verbindung nach draußen – in diesem Fall zur Terrasse.<br />

Was die beiden passionierten Freizeitköche nicht ahnen konnten:<br />

Binnen kurzem wurden sie in die Nachbarschaft, allesamt<br />

Zugezogene, integriert. Sie fanden sich in einer ganz und gar undörfl<br />

ichen Mischung wieder. „Wir haben hier mehr Freundschaften<br />

geschlossen als während unserer Zeit in der Stadt.“<br />

Eine Bilanz, die man immer häufi ger von Menschen hört, die<br />

aus der Stadt gefl ohen sind. Das Leben auf dem Land hat längst<br />

aufgehört, provinziell zu sein. Internet und iPhone ermöglichen<br />

jederzeit virtuelle Omnipräsenz. Und wer daneben auch noch gern<br />

Besonderes kocht, ist nicht mehr auf spartanische Sortimente<br />

angewiesen. Ganz im Gegenteil. Die beiden Eheleute schwärmen<br />

für das frische Biobrot und Biogemüse direkt aus der Umgebung.<br />

Ihr kreatives kulinarisches Spektrum reicht vom regionaltypischen<br />

Flammkuchen – perfekt zubereitet auf dem Gaggenau<br />

Backstein – bis zum selbst hergestellten Sushi, von den handgeschabten<br />

Spätzle bis zum Thai-Curry. Nur eines gibt es niemals:<br />

Kochen streng nach Rezept. „Schon aus Prinzip ver ändere ich die<br />

Zutaten“, sagt die begeisterte Gastgeberin energisch, „das<br />

fordert mich richtig heraus.“ Raffi niert gewürztes Gemüse kommt<br />

bei ihr in den Gaggenau Dampfbackofen, Kartoffelgerichte oder<br />

auch Lachs mit einer exotischen Sauce, bereitet aus Ingredienzien,<br />

über die spontan entschieden wird. Für den Wein ist der<br />

Ehemann zuständig. Sein Reich feiner Tropfen aus der nahen<br />

Pfalz befi ndet sich wohlbehütet im Keller.<br />

Genussinseln im Alltag, darauf kommt es dem beruflich<br />

stark beanspruchten Paar an. Und ein komplett persönlich gestaltetes<br />

Zuhause, ein perfekter Ort als Refugium und Kontrapunkt<br />

zu den Anforderungen des Alltags: „Seltsam ist, dass sich jetzt, da<br />

alles fertig ist, wieder neue kreative Kräfte regen. Als ob man<br />

wieder ein neues Haus bauen könnte“, sagt die Inhaberin und lacht.<br />

Zum Glück gibt es dann doch noch ein paar Pläne: Demnächst<br />

wird ein kleiner Pool hinten im Garten seinen Platz fi nden.


Naturverbundenheit und<br />

lichte Architektur<br />

Noch ist der Garten nicht<br />

ganz eingewachsen,<br />

aber schon lässt sich erkennen,<br />

wie sich die Architektur<br />

des Hauses mit<br />

der Natur verbündet (oben).<br />

Die großen, verschiebbaren<br />

Glasfronten heben<br />

die Trennung zwischen<br />

Drinnen und Draußen auf<br />

(rechts). Auch das großzügige<br />

Bad bekommt viel<br />

natürliches Licht (unten).<br />

Es war der große<br />

Wunsch der Besitzer,<br />

die sich aus der<br />

Stadt hierhergezogen<br />

fühlten, Wohnen<br />

und Natur in Verbindung<br />

zu setzen.<br />

FOTOS: BRUNO HELBLING<br />

19


20 Kitchen Love<br />

Erick van Egeraat, geboren 1956, gehört zu den bekanntesten<br />

Architekten der Niederlande. Er sieht sich als<br />

Vertreter einer sinnlichen Architektur, er spricht von<br />

„modernem Barock“ und mixt nach Herzenslust Formen,<br />

Farben und Materialien. Zu seinen wichtigsten Bauten<br />

zählen das Popzentrum MEZZ in Breda, das ING-Bürogebäude<br />

in Budapest, das Rathaus im holländischen<br />

Alphen, das Middlesborough Institute of Modern Art und<br />

das Büro hoch haus The Rock in Amsterdam.<br />

Zeit zum Essen. Die Fastfood-Ära ist für Erick<br />

van Egeraat vorbei. Bei dem Sohn eines Metzgers<br />

kommt vor allem frischer Fisch auf den Tisch<br />

Interview: Kerstin Schweighöfer<br />

Wie wichtig ist für Sie die Küche – als Privatmensch<br />

und als Architekt?<br />

Die Küche ist nach wie vor das Zentrum des Hauses, das<br />

ist auch bei uns so. Wir sind zwar nicht oft zu Hause,<br />

aber wenn, dann treffen wir uns in der Küche. Erst recht, wenn<br />

meine vier Kinder aus erster Ehe bei uns sind.<br />

Und als Architekt? Was für eine Küche wünscht sich<br />

ein Bauherr anno 2010?<br />

Oft muss sie größer sein als früher. Sehr beliebt sind nach wie<br />

vor offene Küchen mit einer Bar. Viele Leute wollen aber immer<br />

noch eine geschlossene Küche mit einem klassischen Esszimmer.<br />

Dann müssen sie, wenn Gäste kommen, nicht gleich alles<br />

aufräumen und können einfach die Tür zumachen. Die Küche<br />

kann ruhig klein sein, umso größer wird das Esszimmer. Aber<br />

eines haben alle gemeinsam: Die Küche muss in jedem Falle perfekt<br />

sein, mit allem Drum und Dran. Das gilt auch für uns, wir haben<br />

sogar gleich zwei Küchen in unserer Rotterdamer Wohnung.<br />

Wieso denn das?<br />

Eine kleine mit Bar, wenn wir im intimeren Kreis sind. Oder um<br />

mit Gästen an der Bar den Aperitif zu trinken. Und eine zweite,<br />

große Küche mit angrenzendem offenen Esszimmer. Aber beide<br />

Küchen sind voll funktionstüchtig und mit den neuesten Geräten<br />

ausgestattet. Ich bin zwar kein großer Koch, aber man muss<br />

ja bekanntlicherweise kein Formel-1-Fahrer sein, um sich einen<br />

Porsche leisten zu können.<br />

Wobei in diesem Falle Ihre Frau am Steuer sitzt …<br />

Stimmt, sie ist eine hervorragende Köchin mit hohen Ansprüchen<br />

und einem außergewöhnlichen Organisationstalent,<br />

da ist ruck, zuck alles wieder aufgeräumt. Ich selbst kann<br />

zwar auch kochen, aber ich entwerfe lieber Häuser. Im Anbraten<br />

von Fleisch war ich aber immer ganz gut …<br />

Ein Erbe Ihres Vaters, der Metzger war?<br />

Ja! Früher wurde bei uns zu Hause viel Fleisch gegessen,<br />

aber das ist heute ja alles anders geworden. Jetzt essen wir<br />

vor allem Fisch, also Scampi oder Thunfi sch – alles, was<br />

wenig Kalorien hat und sich auf den Teppan Yaki legen lässt,<br />

die japanische Grillplatte, eine fantastische Erfi ndung!<br />

Ist das der Einfl uss Ihrer Frau, eines ehemaligen<br />

Fotomodells?<br />

Heute weiß doch jedes Kind, dass man sich gesund ernähren<br />

sollte! Selbst in Russland, wo ich viele Bauaufträge habe,<br />

hat sich das herumgesprochen. Es schmeckt ja auch viel besser.<br />

Die Zeiten jedenfalls, in denen ich schnell eine Pizza ver drückte,<br />

sind vorbei. Und wenn meine Frau und ich essen, dann<br />

nehmen wir uns dafür auch Zeit. Das ist, denke ich, der Trend<br />

der Zukunft.<br />

Wie sieht die aus?<br />

Noch mehr Menschen werden außer Haus in Restaurants<br />

essen. Und wenn sie dann schon beschließen, selbst zu Hause<br />

zu kochen, dann muss das ebenso professionell geschehen<br />

wie im Restaurant, auf einem qualitativ hohen Niveau.<br />

Selbst meine Landsleute, die eher knausrigen kalvinistischen<br />

Niederländer, geben inzwischen mehr Geld aus für die Küche<br />

als früher. Wir haben gelernt, nicht mehr achtlos zu kochen<br />

und zu essen. Das halte ich für die wichtigste Bewusstseinsveränderung<br />

der vergangenen Jahrzehnte.


1 Topf von Iittala Tools<br />

Vielleicht liegt es an den großen<br />

Griffen, aber bei Töpfen und<br />

Pfannen gefällt mir kaum etwas<br />

besser. Da der Topf einen<br />

dicken, schweren Boden hat, kann<br />

man sehr gut darin kochen.<br />

2 Hocker von Ray Eames<br />

In einer modernen Designerküche<br />

würde man diesen Hocker defi nitiv<br />

nicht vermuten. Doch wir<br />

nutzen ihn gern überall. Selbst<br />

wenn er gar nicht in Gebrauch ist,<br />

wertet er jeden Raum auf.<br />

3 Tomatenmesser von Wüsthof<br />

Für mich gibt es kein besseres<br />

Messer als dieses. Es ist vielleicht<br />

typisch männlich, von solchen<br />

Haushaltsgegenständen fasziniert<br />

zu sein, obwohl ich sie kaum<br />

nutze. Aber wenn ich doch einmal<br />

in der Küche stehe und damit<br />

in eine weiche Tomatenhaut<br />

schneide, läuft es mir kalt den<br />

Rücken hinunter.<br />

4 Tetsubin (Gusseisen-Teekanne)<br />

Die schwarze Teekanne ist wegen<br />

ihrer Farbe ganz besonders cool.<br />

Mit den Wassertropfen auf der<br />

Oberfl äche wirkt sie wie ein Tier.<br />

Erst wenn man sie hochhebt,<br />

stellt man erstaunt fest, dass sie<br />

ein richtiges Schwergewicht ist.<br />

5 Gläser von Iittala<br />

Minimalistischem Design aus<br />

Skandinavien kann ich normalerweise<br />

überhaupt nichts abgewinnen.<br />

Dieses Gläserset garantiert<br />

jedoch ein außergewöhnlichesGeschmackser<br />

lebnis. Aus Gläsern mit<br />

so dünnem Rand schmeckt jedes<br />

Getränk ganz besonders gut.<br />

Diese Gläser sind für mich<br />

der Gegensatz zur Wegwerfgesellschaft!<br />

1<br />

2<br />

6<br />

6 Korkenzieher von Laguiole<br />

Dieser Korkenzieher ist ein gutes<br />

Beispiel dafür, dass die Franzosen<br />

uns bis heute einiges voraushaben.<br />

Eine Flasche Wein könnte<br />

man kaum besser öffnen als<br />

mit diesem Korkenzieher. Da ist es<br />

richtig schade, dass so viele<br />

gute Weine heute in Flaschen<br />

ohne Korken verkauft werden.<br />

3<br />

4<br />

5<br />

FOTOS: MARCO BAKKER (LINKS), BENNE OCHS


22 Thinking the Future II<br />

Shopping-Raumschiff<br />

Der MPREIS-Markt in Matrein sieht aus wie<br />

ein Ufo aus blitzendem Aluminium,<br />

das in der Alpenlandschaft gelandet ist.


Schöne neue Shoppingwelten<br />

Moderne Supermärkte sind weit mehr als nur<br />

Abverkaufsstationen für Discountware.<br />

Die besten machen aus dem Einkauf ein Erlebnis<br />

mit Wochenmarktatmosphäre im Weltraumlook<br />

Text: Tobias Moorstedt<br />

FOTO: PAUL OTT


Moderne Supermärkte arbeiten mit halbhohen<br />

Regalen, Produktinseln und Waren abteilungen<br />

„Wenn man einen schönen Raum hat, muss man<br />

ihn auch zeigen“, sagt ein Marktdesigner. Hohe<br />

Decken, viel Licht, stylishe Bistros, übersichtliche<br />

Wareninseln – die Kunden sollen sich wohlfühlen,<br />

von Niederndorf (ganz oben links) bis<br />

Achenkirch (unten ganz rechts).


„ Supermärkte sind die am<br />

meisten besuchten öffentlichen<br />

Räume. Es ist nicht<br />

gleichgültig, wie sie aussehen.“<br />

Hansjörg Mölk, MPREIS<br />

Eine Baustelle im Salzburger Land, eine tiefe Grube, von hohen<br />

Gipfeln umstellt. Die Kieshaufen, Stahlträger und Bagger an<br />

der Straßenecke in Bad Hofgastein ergeben kein schlüssiges<br />

Bild – alles ist möglich, die Baugrube ist das weiße Blatt Papier<br />

der Ingenieure. Wenig später können geübte Beobachter bereits<br />

erkennen, dass hier kein 08/15-Wohnkomplex oder ein Alpenkitsch-Hotel<br />

hochgezogen wird. Der Mix aus Beton, Holz und großen<br />

Fenstern legt nahe, dass an der Kreuzung extravagante<br />

moderne Architektur entsteht, eine Bibliothek etwa oder ein Konzerthaus.<br />

Die meisten Österreicher aber ahnten es schon:<br />

wird wohl ein Supermarkt. Im Dezember 2009 eröffnete dann der<br />

neueste MPREIS-Markt. Eine elegante Warenkiste mit fl ächigen<br />

Glasfenstern und messerscharfen Winkeln. Die schwarzen Stahlträger<br />

umfassen die Schaufenster und die darin ausgestellten<br />

Produkte wie ein edler Bilderrahmen.<br />

Die Supermarktkette MPREIS hat vor einiger Zeit<br />

erkannt, dass kleine Preise und große Buchstaben nicht mehr<br />

ausreichen, um Kunden anzulocken. „Die Herausforderung<br />

besteht darin, neben einer attraktiven Produktauswahl auch ein<br />

räumliches Erlebnis anzubieten“, sagt Geschäftsführer Hansjörg<br />

Mölk. MPREIS-Bauten gewannen inzwischen zahlreiche<br />

Architekturpreise wie „Neues Bauen in den Alpen“ (Astrid<br />

Ta schapeller und Peter Köbler, in Wenns) oder den World Architecture<br />

Community Award (Peter Lorenz, Niederndorf) und vertraten<br />

Österreich sogar auf der Biennale in Venedig. Die<br />

Design-Bibel Wallpaper ernannte die Design-Discounter gar zu<br />

„seriously sexy supermarkets“.<br />

Der prototypische Supermarkt des 20. Jahrhunderts hat<br />

defi nitiv keine verführerische Gestalt, sondern ähnelt eher den<br />

FOTOS (NUMMERIERUNG ZEILENWEISE ÜBER DIE DOPPELSEITE): THOMAS JANTSCHER (NR. 1, 7, 10), ANDRÉ MORIN (NR. 9), LUKAS SCHALLER (NR. 2–6, 8, 11, 12)


26 Thinking the Future II<br />

Packungen und Kartons, die im Innern in endlosen Regalen<br />

und unter dem kalten Feuer der Neonröhren verkauft wurden. Es<br />

galt das Motto: Quadratisch. Praktisch. Gut – in den pragmatischen<br />

Strukturen war der mathematisch-kühle Geist der Kosten-<br />

Nutzen-Rechnungen und Logistikoptimierung allgegenwärtig.<br />

Das Resultat: Bausünden. Schließlich, so Mölk, sind<br />

Supermärkte „die am meisten besuchten öffentlichen Räume.<br />

Es ist nicht gleichgültig, wie sie aussehen.“ Anfang der achtziger<br />

Jahre ließ er sich von dem Architekten Heinz Planatscher<br />

dazu überreden, Neues zu versuchen. Aus dem Experiment<br />

wurde eine wert volle Marke. In Österreich konkurrieren die Supermarktketten<br />

nicht mehr nur um die besten Standorte und<br />

die niedrigsten Preise, sondern auch um die beste Architektur.<br />

Selbst Stararchitekten wie Dominique Perrault haben mittlerweile<br />

für MPREIS gebaut. Aber auch in anderen Ländern wird<br />

immer mehr Wert auf das Design der modernen Markthallen<br />

gelegt: Die US-Bio-Kette Whole Foods zum Beispiel hat längst<br />

begriffen, dass man edle Bioprodukte nicht in gesichtslosen<br />

Betonboxen verkaufen kann, und beauftragte für den Flagship-<br />

Store in Pasadena die renommierten Architekten der KTGY<br />

Group. Der Kaufhausgigant Selfridges ließ seine Food Halls in<br />

Manchester und Birmingham von den Avantgardisten von<br />

Future Systems gestalten. Und in Deutschland haben die jungen<br />

Architekten von RobertNeun mit den Designs für die Fri sche-<br />

Paradies-Märkte bereits mehrere Preise gewonnen, da sie sich,<br />

wie die Jury des Deubau-Preises schrieb, der „stadtbildwirksamen<br />

Gestaltung von Zweckbauten für die Lagerung und Distribution<br />

von Waren“ widmeten. Oder anders: Die Lebensmittel-Lounges,<br />

die sie oft in alten Fabrikgebäuden errichten, sind schlicht sehr<br />

schöne Geschäfte, in denen man sich gern aufhält.<br />

Das Büro von RobertNeun liegt im Berliner Stadtteil Prenz lauer<br />

Berg in einem alten Industriegebäude. Eine schmale Treppe<br />

führt zum Studio von Thomas Baecker, Nils Buschmann und Tom<br />

Friedrich. An der Decke des weißen Raumes verlaufen Rohre<br />

und Leitungen. „Wir mögen die raue und authentische Industrieästhetik“,<br />

meint Baecker. In einem Supermarkt, so Baecker,<br />

„sind die Container und EU-Paletten ein in te graler Teil des Prozesses“,<br />

genau wie die „mächtigen Schiebetüren der Kühlhallen<br />

und die Fleischerhaken an der Decke“. 2009 eröffnete<br />

eine neue FrischeParadies-Filiale in Berlin, ein Bungalow mit<br />

6000 Quadratmetern Nutzfl äche, der den Architekturkritiker der<br />

FAZ an einen Entwurf von Le Corbusier erinnerte. Der Holzkörper<br />

wird von dunklen, abstrakt geformten Stahlträgern gestützt.<br />

Große, fugenlose Glasfl ächen lassen tief blicken. In der Dämmerung<br />

beleuchten gelbe LED-Lampen das verlassene Gebäude,<br />

die Einkaufswagen, Parkplätze und das bisschen Rest müll machen<br />

das Gelände zu einer veritablen Installation.<br />

FOTO: THOMAS JANTSCHER


Unter „Corporate Design“ verstanden Lebensmittelketten bis<br />

vor kurzem, dass jede Filiale in ähnlichem Look und Aufbau<br />

gestaltet werden muss, damit die Kunden den Laden fi nden und<br />

sich im Innern auch orientieren können – ob man sich in einem<br />

7Eleven in Hongkong oder Los Angeles befi ndet, spielt dabei<br />

keine Rolle. Erst in jüngster Zeit haben Konzerne realisiert, dass<br />

es nicht gleichgültig ist, in welchen Räumen sie ihre Produkte<br />

präsentieren, dass moderne Architektur eine Marke bereichern<br />

und Aufmerksamkeit herstellen kann – Autoher steller wie<br />

Mercedes, BMW oder VW liefern sich mit Museen, gläsernen<br />

Fabriken und Autostädten, die von Zaha Hadid oder Coop<br />

Himmel b(l)au gestaltet wurden, einen verrückten Wett kampf.<br />

Auch der MPREIS-Markt in Telfs sieht eher aus wie ein Ufo<br />

aus blitzendem Aluminium, das in der Alpenlandschaft gelandet<br />

ist. Jeder Markt ist ein Unikat. „Das Individu el le und Unverwechselbare<br />

ist unser Stil“, sagt Hansjörg Mölk. „Weil wir immer<br />

anders aussehen, erkennen uns die Menschen.“<br />

Ein Supermarkt wird trotzdem niemals zu einer Skulptur<br />

werden. „Wir werden vor allem daran gemessen, ob wir pünktlich<br />

liefern und ob die Türen breit genug für Gabelstapler sind“,<br />

sagt Thomas Baecker. Funktionalität und betriebswirtschaftliche<br />

Faktoren stehen im Vordergrund. Und auch MPREIS-Chef<br />

Mölk sagt: „Der Markt muss funktionieren.“ Aber was ist gute<br />

Architektur anderes als die Kunst, die Zwänge von Budget,<br />

Echte Gipfel statt Warenberge<br />

Die MPREIS-Läden wie der in Telfs (links)<br />

ver zichten lieber auf Regalfl äche, um den<br />

Kunden durch Transparenz und Großzügigkeit<br />

zu einem echten Einkaufs erlebnis zu verhelfen.<br />

Die Kollegen vom FrischeParadies denken<br />

ähnlich, setzen aber eher auf den Charme<br />

rauer Industrieästhetik wie beim Markt im<br />

Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg (oben).<br />

Raumkontext, Bauordnung und Funktion mit einer besonderen<br />

Form zu ver wirk lichen? Ketten wie MPREIS, FrischeParadies<br />

oder Whole Foods hätten verstanden, so Baecker, dass eine große<br />

Glasfassade zwar die absolute Regalfl äche eines Marktes<br />

verringern mag, dass auf der Habenseite das Gebäude aber auch<br />

eine stärkere Anziehungskraft auf Kunden entwickelt. Manchmal<br />

erfüllt die Form eben auch eine Funktion: „Wir machen die<br />

Decken bis zu 1,50 Meter höher als vorgeschrieben“, erzählt<br />

Mölk, „dadurch entsteht eine angenehme Atmosphäre, in der die<br />

Leute gern länger im Laden verbleiben.“ In einem Designermarkt<br />

darf dann natürlich keine Discounter-Ware liegen. Das<br />

FrischeParadies ist ein Delikatessengeschäft, das früher ausschließlich<br />

Hotels und Restaurants belieferte, nun aber auch<br />

für Privatkunden geöffnet hat. Am Eingang wirbt ein Schild für<br />

Kaviar und Trüffel, daneben: die eigene Ge würzabteilung.<br />

MPREIS betont, dass man viele regionale Anbieter und Marken<br />

führe. Der Super-Supermarkt ist der ideale Lebensraum für eine<br />

neue Subspe zies des Konsumenten: den New Consumer oder<br />

LoHa (Lifestyle of Health and Sustainability), für den Lebensmittel<br />

mehr als nur Nährstoffe sind. Der Einkaufszettel wird zum<br />

Personalausweis: Ich bin, was ich esse.<br />

Im klassischen Supermarkt geben Regal-Setup, die Plakate<br />

und die Anweisungen aus den Lautsprechern eine Ideallinie vor,<br />

die an jedem Produkt mindestens einmal vorbeiführt – das<br />

Verkehrsleitsystem des Verkaufs lässt manche Optionen frei und<br />

versperrt andere Wege. „Der moderne Kunde mag es aber<br />

nicht, wenn er eingesperrt wird“, sagt Baecker. Moderne Supermärkte<br />

arbeiten deshalb mit halbhohen Regalen, thematischen<br />

Produktinseln und Warenabteilungen. Manchmal werden sogar<br />

die Kassen mitten im Raum angeordnet und nicht am Ausgang,<br />

um auch diese ultimative Barriere zu entfernen. „Wenn man<br />

einen schönen Raum hat, muss man ihn auch zeigen.“<br />

Beim Design des Marktes in Berlin trieben Baecker und<br />

Kollegen diese Transparenz-Doktrin wei ter als je zuvor. Glasfenster<br />

und innovative Blickkanäle präsentieren hier nicht nur die<br />

Pro dukte, sondern auch das Ge sche hen hinter den Kulissen und<br />

im Lager. Ein gläserner Supermarkt – das Büropersonal steht<br />

in Beziehung zu den Kunden zwischen den Regalen, die Besucher<br />

werfen einen Blick auf das Lager und die ankommenden Lkw.<br />

Der Supermarkt, so wünscht es sich Hansjörg Mölk,<br />

solle kein Ort sein, an dem Kunden stur eine Liste abarbeiten,<br />

sondern ein Ort der Kommunikation, nicht unähnlich einem<br />

alten Wochenmarkt. Die Super-Supermärkte integrieren deshalb<br />

oft Bistros und Bars. Eine ähnliche Vision verfolgten Amanda<br />

Levete und Future Systems beim Design für die Food Halls in<br />

den englischen Selfridges-Kaufhäusern. Der Laden sieht aus<br />

wie die Brücke eines Raumschiffs. Kaltes, blaues Licht beleuchtet<br />

die biomorphen Vitrinen und Regale. Das Artifi zielle der Verkaufsumgebung<br />

betont die Natürlichkeit der Produkte. Das<br />

Konzept, so Future Systems, solle den Supermarkt als sozialen<br />

Treffpunkt reetablieren, als Ort, durch den man schlendert,<br />

einzelne Produkte ausprobiert und den man zusammen mit anderen<br />

Menschen erlebt. Ein Wochenmarkt im Weltraumlook.<br />

Weitere Informationen<br />

www.mpreis.at/standorte/architektur/architekturdesign/index.htm<br />

www.frischeparadies.de<br />

www.wholefoodsmarket.com<br />

FOTO: ANNETTE KISLING


28 Projects<br />

Ein grünes UFO im Hafen<br />

In Kopenhagen liegt ein<br />

kreisrundes Hausboot<br />

vertäut. Ein stilistisches<br />

Meisterwerk voll neuester<br />

Umwelttechnik Text: Oliver Stilling<br />

UFO mit Aussicht<br />

Fast rundum Meerblick – das<br />

Unique Floating Object<br />

im wintervereisten Hafen von<br />

Kopenhagen ist<br />

ein absoluter Hingucker.


Wer zu Fuß – oder wenn es das Wetter zulässt, mit dem Fahrrad<br />

– im Kopenhagener Hafen auf Entdeckungstour geht, wird unvermeidlich<br />

eine längere Pause vor einer großen, schwimmenden<br />

Konstruktion einlegen: Am Kalvebod-Kai, direkt gegenüber den<br />

beiden ehe maligen Getreidesilos, die das niederländische Architekturbüro<br />

MVRDV zu Luxuswohnungen umgebaut hat, und nur<br />

29<br />

einen Steinwurf entfernt von Kopenhagens beliebtem Hafenfreibad,<br />

liegt ein „UFO“ im Wasser. Der Name „Unique Floating<br />

Object“, kurz eben UFO, ist Programm. Mit seinem spektakulären<br />

Design scheint das Hausboot nicht von dieser Welt zu sein:<br />

Das UFO ist komplett kreisrund, verfügt über zwei offene Decks<br />

– und es steckt voll neuester Umwelttechnik. FOTOS: THOMAS IBSEN (RECHTS), CC <strong>DE</strong>SIGN (2)


30 Projects<br />

Renommierte Partner<br />

Auch die extravagante, aber elegante Inneneinrichtung ist beeindruckend.<br />

„Wir haben uns gefragt, wie die Welt in zwanzig<br />

Jahren aussehen wird, und das Design daran angepasst“, sagt<br />

Christian Christiansen, Chef und Gründer von CC Design.<br />

Sein Unternehmen hat diesen Prototypen in Zusammenarbeit<br />

mit den fi nnischen Spezialisten für schwimmende Bauten,<br />

Marina Housing (Helsinki), entwickelt und zusammen mit exklusiven<br />

Partnern wie Gaggenau eingerichtet.<br />

Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist ein „grünes“<br />

Hausboot aus nachhaltigen Materialien, 130 Tonnen schwer<br />

und 1,6 Millionen Euro teuer. Ausgestattet ist es mit der<br />

modernsten Technik, mit der Elektro- und Hausgerätemarken<br />

wie Danfoss, Duravit, Uno Form, Harman Nordic, Lauritz<br />

Knudsen, Samsung und vor allem Gaggenau aufwarten können.<br />

Sie alle haben ihre spannendsten Produkte für das Hausbootprojekt<br />

beigesteuert.<br />

Das UFO-Hausboot wurde kurz vor der UN-Welt klimakonferenz<br />

2009 in den Hafen geschleppt und war eine große<br />

Attraktion für eine Reihe internationaler Delegationen – unter<br />

anderem aus Ländern wie China und den USA –, die es während<br />

des Gipfels besichtigten, erzählt Christian Christiansen.<br />

Das UFO ist wie eine Luxuswohnung auf zwei Ebenen,<br />

irgendwo in einer Weltstadt – mit zwei wesentlichen Unterschieden:<br />

Es ist energieeffi zient und bietet fast einen 360-Grad-<br />

Blick aufs Meer. Besonders beeindruckend ist der Ausblick<br />

vom Küchenbereich im Mittel schiff, der mit Möbeln von Uno Form<br />

aus schwarz gebeizter italienischer Pappel eingerichtet ist. Dort<br />

sorgen die Kücheneinbaugeräte von Gaggenau für angemessenen<br />

Komfort – unter anderem Kühl- und Gefrierschrank<br />

aus der Vario Kälte-Serie 200, Backofen, Dampfbackofen und<br />

Kaffeevollautomat aus der Serie 200, ein 80 Zentimeter<br />

breites Induktionskochfeld mit Twist-Pad-Bedienung, ein Vario<br />

Geschirrspüler sowie Waschmaschine und Trockner.<br />

Whirlpool-Plantschen<br />

auf dem Wasser<br />

Das UFO ist ausgestattet<br />

wie eine Luxuswohnung<br />

in einer der Metropolen<br />

dieser Welt samt skandinavischem<br />

Design und<br />

Gaggenau Kücheneinbaugeräten<br />

(links). Die scheinbar<br />

schwebende Treppe<br />

(rechts unten) führt aufs<br />

Oberdeck. Der Holzboden<br />

im Wohnzimmer (rechts<br />

oben) wird von einer Fußbodenheizungtemperiert,<br />

die ihre Wärme aus<br />

dem Hafenwasser zieht.


Nachhaltig und exklusiv<br />

Auf jeder Etage des UFOs gibt es ein Bad, ausgestattet von<br />

Duravit, und im kleinen Serverraum des Hausboots, zwischen<br />

Küche und Flur, verbirgt sich das Herz des Audiosystems<br />

mit Produkten von Harman/Kardon und JVL. Alle Soundquellen<br />

können über eingebaute Konsolen und Fernbedienungen<br />

von jedem Raum aus gesteuert werden. Zu behaupten, der<br />

Sound der Musik sei „grün“, wäre wohl ein wenig vermessen,<br />

aber zumindest haben die Harman-Nordic-Produkte im<br />

Standby-Modus einen sehr geringen Verbrauch.<br />

Wer bis jetzt noch unbeeindruckt geblieben ist, wird spätestens<br />

dann seine Meinung ändern, wenn er beim Verlassen<br />

des Koch- und Essbereichs die Treppe auf der rechten Seite entdeckt.<br />

Jede Stufe scheint einzeln an der Wand zu schweben.<br />

Diese Stufen hinaufzugehen, ist ein wahrhaft erhebendes Gefühl.<br />

Oben befi nden sich ein großes Schlafzimmer und das zweite<br />

Sonnendeck des Bootes, wo das ganze Jahr über und bei jedem<br />

Wetter ein Whirlpool mit 40 Grad Wassertemperatur genutzt<br />

werden kann. Natürlich darf in einem fi nnischen Hausboot auch<br />

eine Sauna nicht fehlen. Bei der von EOOS designten Duravit-<br />

Sauna han delt es sich um ein Modell aus der Serie Inipi, was in<br />

der Sprache der Lakota-Indianer „Schwitzhütte“ bedeutet.<br />

Jedes kleinste Detail im UFO wurde mit äußerster Sorgfalt<br />

und Präzision ausgeführt, ob beim Holzfußboden oder beim<br />

Einbau der Fenster. „Wir haben für alle Arbeiten sehr gute<br />

Handwerker eingesetzt, die das Hausboot auf alte, traditionelle<br />

Weise gebaut haben“, erzählt Christian Christiansen.<br />

Wärme aus dem Wasser<br />

Besucher des Prototyps werden gebeten, ihre Schuhe aus zuziehen.<br />

Kalte Füße bekommen sie trotzdem nicht – unter den<br />

kompletten 250 Quadratmetern des Holzbodens arbeitet eine<br />

Fußbodenheizung. Überall im „Haus“ herrschen angenehme<br />

Temperaturen, selbst bei klirrender Kälte vor den riesigen Panoramafenstern.<br />

Kann das nachhaltig sein? Und ob, die Wärme<br />

kann man guten Gewissens genießen. Danfoss hat für die<br />

Klimatisierung eine Wärmepumpe, eine Fußbodenheizung und<br />

eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut –<br />

alles auf dem neuesten Stand der Technik. Energiequellen sind<br />

das Meer und seine indirekte Sonnenenergie.<br />

Wie Mads Rasmussen, Leiter Produktlösungen bei<br />

Dan foss, erklärt, ist es möglich, Wärme aus Meerwasser zu gewinnen.<br />

Dazu muss „eine mit Schläuchen umwickelte Spule unter<br />

dem Hausboot auf den Meeresgrund abgelassen werden“. Und<br />

genau da liegt sie nun, eine beeindruckend große Pumpe, die<br />

zwar unscheinbar aussieht, aber einen großartigen Job macht.<br />

Warum all die Topmarken beim Nachhaltigkeitsprojekt<br />

von CC Design und Marina Housing dabei sein wollten? Ganz<br />

einfach. So können sie zeigen, wie wichtig energieeffi ziente<br />

Produkte in einer Welt sind, die dringend Lösungen zur Ver hinderung<br />

des Klimakollaps braucht. Nach Einschätzung von<br />

Marina Housing können Hausboote wie das UFO vor allem auf<br />

Märkten in Nahost, beispielsweise Abu Dhabi, Bahrain oder<br />

Saudi-Arabien, verkauft werden, wo das fi nnische Unternehmen<br />

bereits einen großen Kundenstamm hat. Das futuristische<br />

UFO von Kopenhagen selbst wird demnächst in einen anderen<br />

Teil des Hafens verlegt und dort als Showroom genutzt.<br />

Weitere Informationen<br />

www.marinahousing.fi<br />

31<br />

FOTOS: THOMAS IBSEN


32 New Products<br />

Bedienkomfort und Sicherheit<br />

Die neuen vollelektronischen Gas-Kochfelder<br />

der Vario Kochgeräte-Serie 400


Höchst präzise und schnell: Das Kochen mit Gas hat viele<br />

Vorteile. Die neue Generation der Gas-Kochfelder aus der Vario<br />

Kochgeräte-Serie 400 verbinden Funktionalität und Sicherheit<br />

für das perfekte Ergebnis. Vollelektronisch gesteuert, sind die<br />

Kochfelder fl exibel anwendbar: Von der Simmerstufe bis zur<br />

6000-Watt-Leistung für den Gas-Wok bei Betrieb mit Erdgas –<br />

die Gasfl amme ist jederzeit blitzschnell auf zwölf verschiedene<br />

Leistungsstufen einstellbar. Mit der Simmerstufe, bei der die<br />

Gasfl amme alle 30 Sekunden automatisch erlischt und weitere<br />

30 Sekunden später neu zündet, lässt sich Gargut perfekt auf<br />

niedrigster Stufe köcheln.<br />

Besonders bedienerfreundlich: Durch die automatische<br />

Zündung kann die Gasfl amme auf jeder Leistungsstufe direkt<br />

aktiviert und exakt reproduziert werden. Sie wird zudem<br />

elektronisch überwacht und zündet automatisch neu, falls sie –<br />

zum Beispiel durch starken Luftzug – ungewollt erlischt.<br />

Optisch markant: Die mit frontal montierten Bedienknebeln<br />

versehenen Geräte bieten jetzt neu für Gas geräte die orangefarbenen<br />

Leuchtringe zur Betriebs- und Fehler anzeige. Sie werden<br />

aktiviert, wenn das Gerät eingeschaltet wird, und haben damit<br />

eine wichtige Sicherheitsfunktion.<br />

Produktinformation<br />

VG 441/ VG 442 Vollelektronische Vario Gas-Kochfelder Serie 400<br />

Maße Breite 38 cm<br />

Ausstattung Edelstahl, vollelektronische Leistungssteuerung,<br />

automatische Schnellzündung, elektronische<br />

Flammenüberwachung mit automatischer<br />

Wiederzündung, Restwärmeanzeige und<br />

Sicherheits abschaltung, Leistungsspektrum:<br />

Gas-Wok 300 bis 6000 W (bei Betrieb mit<br />

Erdgas) / Simmerstufe 150 W, 2 Brenner Gas-<br />

Kochfeld 165 bis 4000 W/Simmer stufe 80 W<br />

Weitere Informationen www.gaggenau.com<br />

33<br />

FOTOS: GAGGENAU


34 Gaggenau Online<br />

Durchgehend geöffnet:<br />

der Gaggenau<br />

Online Showroom<br />

Virtuelle Landschaften und Räume sind nicht nur ein Terrain<br />

für moderne Abenteuer- und Entdeckungsreisen, sie bieten auch<br />

Platz für eigene Kreativität. Das jedenfalls gilt für den neuen<br />

Gaggenau Online Showroom – der zum Start aus drei Räumen<br />

besteht. 365 Tage im Jahr haben Besucher die Ge legenheit,<br />

die karge Landschaft der mongolischen Wüste zum Startpunkt<br />

ganz unterschiedlicher Begegnungen mit der Welt von Gaggenau<br />

zu machen. Sie können selbst auspro bieren, welche Konfi -<br />

gurationen in einem bestimmten Ambiente die erwünschte Wirkung<br />

erzielen.<br />

Das Prinzip ist ebenso überraschend wie innovativ.<br />

Durch drei Portale führt der Weg des Besuchers auf<br />

www.gaggenau.com/onlineshowroom<br />

in drei unterschiedliche digitale Lebenswelten.<br />

Unter „New York“ betritt man die 42. Etage eines Hochhauses<br />

mit faszinierendem Ausblick über Manhattan. Ein großzügiges,<br />

mit Edelstahl und Holz ausgestattetes Loft ist die Bühne für<br />

die im Raum platzierten Gaggenau Geräte. Jedes davon kann<br />

mit einem Kamerazoom unter die Lupe genommen werden und<br />

wird dabei mit Bild und Text vorgestellt. Das ausgefeilte Innenleben<br />

der Geräte mit ihren vielfältigen Funktionen und Details<br />

steht dabei im Mittelpunkt.<br />

Neben den bestehenden weltweiten Gaggenau Showrooms<br />

und ihrem spektakulären, zwischen den Kontinenten<br />

reisenden mobilen Ableger ist der virtuelle Online Showroom<br />

Eine karge Steppenlandschaft. Drei Pavillons.<br />

Jeder davon bietet eine neue,<br />

intensive Berührung mit der Welt von Gaggenau.<br />

eine weitere und besonders bequeme Möglichkeit, einerseits<br />

Gaggenau hautnah zu erleben und andererseits eigene Ideen<br />

nahezu spielerisch-experimentell zu entfalten. Denn im virtuellen<br />

Ambiente lassen sich ganze Gerätekonfi gurationen austauschen<br />

und in denselben Raum integrieren, sodass sich eine Bandbreite<br />

von Optionen mühelos ausprobieren lässt.<br />

Während der Schwerpunkt bei „New York“ auf Lösungen<br />

für eine weit läufi ge Raumsituation liegt, stellt sich in der<br />

„Balinesischen Pagode“, eingebettet in unberührte Natur, eine<br />

andere Herausforderung: Hier gilt es, natürliche Materialien<br />

und Alu-Oberfl ächen harmonisch miteinander in Verbindung zu<br />

setzen – so organisch, wie die traditionelle balinesische Architektur<br />

mit der exotischen Landschaft korrespondiert.<br />

Die dritte digitale Reise vermittelt die aristokratische<br />

Grandezza eines venezianischen Palazzos. Ein Wohnraum mit<br />

besonders hohen Decken ist hier die anspruchsvolle Szenerie<br />

für eine mit Gaggenau Geräten ausgestattete Küche. Im<br />

Mittelpunkt steht dabei der Kontrast aus kühler Edelstahl-<br />

Optik und historisch-repräsentativen Räum lichkeiten, ganz im<br />

Flair der bekannten Lagunenstadt.<br />

Zu Gast in diesen verschiedenen Räumen, erfährt der<br />

Besucher nicht nur die vielfältige Kombinierbarkeit der<br />

Gaggenau Geräte in seiner Wunschküche ohne stilistische<br />

Grenzen. Der Online Showroom ist auch die neue Gaggenau<br />

Internetadresse für ein individuelles Markenerlebnis und<br />

wird künftig weiter ausgebaut – unter anderem mit vielfältigen<br />

Informationen zur Markenhistorie.<br />

FOTOS: GAGGENAU


Gaggenau<br />

<strong>new</strong> <strong>spaces</strong> <strong>07</strong><br />

Länder-Special Singapur<br />

1.<br />

Zwischenstopp in Singapur: der<br />

Gaggenau Mobile Showroom<br />

Tausende Besucher kamen im April zur Boat Asia in<br />

Singapur, wollten beim Waterfront Lifestyle Event<br />

maritimen Luxus hautnah erleben: am Steuer einer<br />

Superyacht, im Innern einer Edelkajüte, auf glänzenden<br />

Planken schnittiger Speedboote. Zwischen<br />

den 57 gediegenen Exponaten schaukelte auch<br />

eine außergewöhnliche Barkasse – mit extravaganter<br />

Ladung: dem Gaggenau Mobile Showroom. Nach<br />

den Zwischenstationen Phuket und Bangkok<br />

demonstrierte der reisende Marken-Botschafter, dass<br />

Gaggenau seinen Kunden sogar aufs Wasser folgt.<br />

Zudem bewiesen Kochveranstaltungen rund um die<br />

Backofen-Serie 200 und die Vario Kochgeräte der<br />

Serie 400, insbesondere den Teppan Yaki, dass ein<br />

Yachtleben ohne Highend-Küchenausstattung etwa<br />

so unvollkommen ist wie Nachtleben ohne Musik.<br />

Sights and Scenes 35


36 Sights and Scenes<br />

2.<br />

Der Freund der Bäume<br />

Der Singapurer Architekt Kay Ngee Tan setzt Pflanzen ein,<br />

um Alt und Neu zu verbinden –<br />

und er versucht, aus der Geschichte zu lernen<br />

Text: Roland Hagenberg<br />

Wie das New Yorker<br />

Guggenheim Museum<br />

verschmolzen mit einer<br />

riesigen Geburtstags<br />

torte: der Singapur-<br />

Pavillon für die Expo<br />

2010 in Schanghai.<br />

Das Leben am Äquator kennt keine Jahreszeiten,<br />

nur die tropische Abwechslung<br />

von Regenschauern und Sonnenschein.<br />

Im Singapurer Stadtviertel Duxton Hill am<br />

Rande von China Town scheint die Zeit<br />

überhaupt stehengeblieben zu sein, mit<br />

alten Kolonialbauten, behutsam restauriert,<br />

schläfrig im Schatten exotischer<br />

Bäume. Dass sie die explosive Stadtentwicklung<br />

der vergangenen Jahrzehnte<br />

überlebt haben, war Zufall und nicht geplant.<br />

Nun stehen sie unter Denkmalschutz.<br />

In den obersten Stockwerken<br />

wohnten früher Kaufleute, unten hatten<br />

sie ihre Straßengeschäfte, rauchten da-<br />

zwischen Opium. Heute bietet der architektonische<br />

Charme vergangener Zeiten<br />

Designern, Künstlern und Architekten<br />

Schutz vor der monoton-sachlichen Geschäftswelt<br />

Singapurs. Auch Kay Ngee<br />

Tan hat hier seine kreative Oase gefunden.<br />

Sein neuestes Projekt ist der Singapurer<br />

Pavillon für die diesjährige Weltausstellung<br />

in Schanghai, in dem zehn Millionen<br />

Besucher erwartet werden.<br />

„Urbane Sinfonie – das war unser<br />

Ausgangsthema“, erklärt der 53-jährige<br />

Architekt. „Unterschiedliche Klänge,<br />

Rhythmen und Instrumente vereinen sich<br />

zu einem harmonischen Ganzen, so wie<br />

FOTOS: PR KAY NGEE TAN


Singapur das mit seinen vielen Kulturen,<br />

Ethnien und Religionen macht.“ Da auf<br />

Englisch „square“ sowohl quadratisch als<br />

auch langweilig bedeutet, hat Tan bewusst<br />

Würfelstrukturen vermieden. „Der<br />

Pavillon ist rund wie eine Walzer-Spieldose,<br />

und wenn man genauer hinsieht, erkennt<br />

man an der Fassade auch ähnliche<br />

Muster, wie sie früher durch die Metallzungen<br />

auf einem Musikzylinder entstanden<br />

sind.“ Das Guggenheim-Museum in<br />

New York, verschmolzen mit einer minimalistischen<br />

Geburtstagstorte, das wäre<br />

ein anderer Vergleich – überschattet allerdings<br />

von tropischen Bäumen, die in<br />

Singapur nie fehlen dürfen. „Das Dach<br />

haben wir bepfl anzt, und gekühlt wird<br />

der Bau zusätzlich vom Wind, der sich in<br />

Fassadenunregelmäßigkeiten verfängt<br />

und dann nach innen gleitet.“<br />

Kay Ngee Tan ist wie fast alle Singapurer<br />

ein Nachfahre jener Einwanderer, die<br />

entweder aus der Heimat vertrieben wurden<br />

oder auf der Suche nach einem<br />

besseren Leben waren – anfangs entwurzelt,<br />

später gestrandet und nun fester<br />

Teil eines multiethnischen Experiments,<br />

das in der Welt einmalig ist: Unterschiedliche<br />

Ethnien leben integriert und<br />

harmonisch in einem Stadtstaat. „Unsere<br />

Trägerkulturen sind chinesisch, indisch,<br />

malaiisch und europäisch. Im Innern des<br />

Pavillons habe ich sie symbolisch mit vier<br />

zylindrischen Säulen dargestellt.“<br />

Seine Ausbildung als Architekt erhielt<br />

der Chinese an der Architectural Association<br />

School of Architecture in London.<br />

Als er Ende der achtziger Jahre den<br />

ersten Preis des internationalen Studentenwettbewerbs<br />

des Royal Institute<br />

of British Architects erhielt, stand seiner<br />

Karriere nichts mehr im Weg. „Die Aufgabe<br />

war, einen Ausstellungsraum für<br />

die Künstler David Hockney und Anthony<br />

Caro zu gestalten. Der legendäre Architekt<br />

und Bauphilosoph James Sterling<br />

saß in der Jury. Ihm gefi el mein Vorschlag<br />

am besten.“<br />

Insgesamt blieb Tan zwanzig Jahre<br />

in England, gründete dort sein erstes Archi<br />

tekturbüro – eines von heute insgesamt<br />

drei (neben Singapur und Istanbul).<br />

Dass die Entscheidung, nach so langer<br />

Zeit im Ausland wieder in die Vier-Millionen-Metropole<br />

heimzukehren, richtig war,<br />

bestätigte sich für Tan in einem Erlebnis<br />

vor der Abreise. „Ich stand im Palmenhaus<br />

von London, eingesperrt hinter Glas,<br />

vor all diesen fantastischen tropischen<br />

Bäumen und dachte, das ist absurd.<br />

Um die zu sehen, muss ich Eintritt zahlen,<br />

wo sie doch in Singapur vor jedem Haus<br />

und in jeder Straße stehen!“<br />

Tan glaubt, dass eine Stadt aus dem<br />

Nichts auf dem Reiß brett entstehen kann.<br />

Aber wenn deren Einzelteile keinen<br />

Bezug zu den Menschen haben, hilft auch<br />

der beste Bauplan nichts. „Hätten wir<br />

Singapur so gebaut, wie sich Le Corbusier<br />

seine futuristischen Städte vorgestellt<br />

hat, dann wäre das der reinste<br />

Horror. Ich glaube, China kann heute von<br />

uns lernen – von den Fehlern genauso<br />

wie den Erfolgen. Auch wir erlebten eine<br />

rasante wirtschaftliche Expansion, gefolgt<br />

von einem halsbrecherischen Bauboom,<br />

der vieles zerstört hat. Heute<br />

modernisieren wir weiter, versuchen aber<br />

auch, unsere Vergangenheit zu erhalten.“<br />

Eine gezielte Landschaftsarchitektur<br />

soll dabei Verbindungsstücke zwischen<br />

Alt und Neu herstellen: mit Parks auf<br />

Dächern, Kletterpfl anzen an Autobahnbrücken,<br />

baumüberdachten Straßen.<br />

Seit den sechziger Jahren suchen Singapurs<br />

Bürokraten in aller Welt dafür nach<br />

Kay Ngee Tan<br />

ist der spannendste<br />

Architekt Singapurs.<br />

In England ausgebildet,<br />

kehrte er „der Bäume<br />

wegen“ in den Stadtstaat<br />

zurück. Ganz unten<br />

sein Entwurf für das<br />

Singapurer Museum für<br />

buddhistische Kultur.<br />

37


38 Sights and Scenes<br />

geeigneten Pfl anzen. Kay Ngee Tans<br />

Projekte beginnen immer mit zwei Ritualen.<br />

Wenn er glaubt, den Charakter<br />

eines Baus instinktiv erfasst zu haben,<br />

dann zeichnet er das imaginäre Bild<br />

zunächst mit einem Buntstift auf lose<br />

Blätter. „Ich verwende dabei immer<br />

diesen Doppelstift, an einer Seite blau,<br />

an der anderen rot. Das erlaubt mir,<br />

zwei Aspekte gleichzeitig auszudrücken.“<br />

Und als würde von diesen Buntstiften<br />

sein kreatives Überleben abhängen, verwendet<br />

er nur die besten, lässt sie aus<br />

einem bekannten Tokioter Schreibwaren-<br />

Fassadentechnik<br />

Die Wohngebäude im<br />

Hu linduan-Viertel von<br />

Taipeh zeigen Ähnlichkeiten<br />

zu Computerschaltkreisen<br />

und dem Stadtbild<br />

aus der Luft.<br />

geschäft einfl iegen. Das zweite Ritual<br />

besteht darin, dass er und sein zwölf köpfi<br />

ges Team in Singapur monatelang<br />

die Geschichte des Projekt-Bauplatzes<br />

recherchieren. „Dadurch entsteht<br />

Vertrauen zwischen dem Bauherrn, dem<br />

Architekten, den Bewohnern in der<br />

Umgebung und natürlich den Leuten, die<br />

dort einziehen sollen.“ Das Wissen<br />

um die Vergangenheit fl ießt ein in das<br />

Design, und die Konstruktion kann<br />

sich dann gut in die Umgebung einbetten.<br />

Bei historischen Erkundigungen<br />

nutzt das Team auch Programme wie<br />

Google Earth. Als Tan einen Gebäudekomplex<br />

in Taipeh mit einer neuen Fassade<br />

ausstatten sollte, fi elen ihm bei der<br />

Recherche aus der Luft bestimmte Stadtmuster<br />

der taiwanischen Hauptstadt<br />

auf – Computerschaltkreisen ähnlich. Tan<br />

fi lterte diese Muster heraus und integrierte<br />

sie in seine Formgebung. Für<br />

Villen an einem See in Hangzhou südlich<br />

von Schanghai – bekannt für mystische<br />

Bambuswälder – machte sich der Architekt<br />

dagegen die Ringnarbenmuster<br />

von Bambusstöcken zunutze. Außerdem<br />

legte er Fußgängerstege an, ähnlich<br />

denen in Malereien aus dem 13. Jahr hundert<br />

von Huang Gongwang, der dort<br />

ein mal gelebt hat.<br />

Kein Wunder auch, wenn die neue Brotfabrik<br />

Bread Talk in Singapur bei Tan an<br />

aufgeschichtete Backwaren erinnert.<br />

Tans Spezialgebiet während des Londoner<br />

Studiums war die „Sprache der<br />

Originalität“. Er sieht sie heute noch als<br />

Grundlage jedes erfolgreichen Entwurfs.<br />

Ist sich Tan einer Sache nicht ganz<br />

sicher, dann setzt er sich hin und schreibt<br />

ein Buch, manchmal mehrere pro Jahr,<br />

wie zum Beispiel „Magnetic Fields of<br />

Cities“, das in Singapur als eine der zehn<br />

besten Arbeiten zur Architektur ausgezeichnet<br />

wurde. Auch darin befasst sich<br />

Kay Ngee Tan mit dem Bauen und wie es<br />

die unmittelbare Umgebung beeinfl usst.<br />

„Singapur ist eine Gesellschaft, in der<br />

bestimmte Spielregeln vorgegeben sind,<br />

was nicht heißt, dass Singapur als Ganzes<br />

‚square‘ wäre“, sagt Tan. „Es gibt hier<br />

eine unglaublich spannende Subkultur,<br />

die sich sehr wohl traut, kontroverse<br />

Themen anzusprechen, ob Minderheitenprobleme,<br />

Wehrdienst oder die Pressefreiheit.<br />

In den kleinen, experimentellen<br />

Theatern ist das alles möglich. Sie sind<br />

aus der Tradition des chinesischen Dramas<br />

hervorgegangen. Oft gestalte ich<br />

dafür Bühnenbilder. Zwar kommen zu den<br />

Veranstaltungen weniger als 200 Leute,<br />

aber die beeinfl ussen das kulturelle Leben<br />

unserer Stadt“, erklärt Kay Ngee Tan<br />

und schmunzelt. „200 Leute – was können<br />

die schon in Singapur anstellen?“<br />

www.kayngeetanarchitects.com


Eines der bemerkenswer testen<br />

Privathäuser Singapurs<br />

Cluny Park 8 mit einer Reihe<br />

von Kay Ngee Tans<br />

geliebten Palmen im Hof.<br />

Die Natur näher an die<br />

Architektur bringen<br />

Kay Ngee Tan hat dem Haus<br />

Cluny Park 8 zahlreiche<br />

Ausblicke gegeben – ob als<br />

schmale Schlitze<br />

(rechts) oder als Bullaugen<br />

(unten).<br />

39<br />

FOTOS: KAY NGEE TAN (LINKS), <strong>DE</strong>NNIS GILBERT (3)


40 Sights and Scenes<br />

3.<br />

Ein „Arminator“ in<br />

der Stadt des Kochens<br />

In Singapur hat<br />

der Tiroler Spitzenkoch<br />

Armin Leitgeb seine<br />

größte Herausforderung<br />

gefunden<br />

Text: Roland Hagenberg<br />

„In der vierten Klasse der Hauptschule<br />

hatten wir Schnupperwochen, um rauszufi<br />

nden, welcher Beruf uns Spaß macht“,<br />

erinnert sich Armin Leitgeb. „Ich versuchte<br />

es im Maschinenbau. Metallklötze abfeilen<br />

und danach eingerissene Fingernägel<br />

– das war nicht mein Bier.“ Und so<br />

zog der Tiroler aus dem Stubaital 40 Kilometer<br />

weiter zum Restaurant seiner<br />

Tante in Seefeld. „Schmecken, sehen, riechen,<br />

ausprobieren. Die Töpfe waren<br />

voller Leben und die Sache für mich entschieden:<br />

Ich wollte Koch werden!“<br />

Wenn der heute 34-jährige Chef zwischen<br />

den Wolkenkratzern von Singapur<br />

im knorrigen Dialekt von seiner kometenhaften<br />

Karriere erzählt, klingt immer noch<br />

jugendliche Begeisterung durch – mit<br />

einer Prise Abenteuerlust, mit einem<br />

Schuss Fernweh. „Während der Ausbildung<br />

hatten wir Lehrlinge immer eisern<br />

gespart, um dann am Ende der Saison<br />

das Geld zu verpulvern, im Ausland, für<br />

Ein Koch und<br />

seine Welt<br />

Armin Leitgeb vor seinem<br />

Arbeitsplatz, dem<br />

Singapurer Top -<br />

restaurant Les Amis.<br />

ein Abendessen bei einem berühmten<br />

Koch, meistens in Frankreich.“ Nach der<br />

Lehre fand Leitgeb eine Anstellung im<br />

Drei-Sterne-Restaurant Tantris in München.<br />

Meisterkoch Hans Haas wurde sein<br />

Mentor – ihm steht er heute noch nahe.<br />

„Wir treten oft bei internationalen Kochveran<br />

staltungen gemeinsam auf, zudem<br />

verbindet uns Gaggenau: Die Schule von<br />

Hans ist mit Gaggenau Geräten ausgestattet<br />

– und ich selbst bin ein Gaggenau<br />

Ambassador, habe bei der Gestaltung<br />

des Showrooms in Singapur mitgeholfen.“<br />

Nach dem Tantris ging es wieder weiter<br />

weg von Österreich, zunächst ins Elsass<br />

zum legendären Restaurant Auberge<br />

de l’Ill von Marc Haeberlin – Leitgebs Frau<br />

kommt aus der Gegend – und dann<br />

nach Südfrankreich zu Le Jardin des Sens<br />

von Jacques und Laurent Pourcel.<br />

„Schickt man nur seinen Lebenslauf herum,<br />

dann bringt das in unserem Beruf<br />

nicht viel. Wichtig sind persönliche Emp-


FOTOS: DARREN SOH<br />

fehlungen“, sagt Leitgeb. „Auch bei mir<br />

war das so – mit einer Ausnahme:<br />

Nachdem ich Erfahrungen in Kalifornien<br />

in der French Laundry gesammelt<br />

hatte, reizte mich plötzlich Asien. Mein<br />

Onkel war Direktor des Fullerton-<br />

Hotels in Singapur, und der verteilte tatsächlich<br />

meinen Lebenslauf, was mir<br />

einen Job im Hotel Raffl es einbrachte!<br />

Ich wollte mehr im Managementbereich<br />

dazulernen, um nicht eines Tages<br />

in die gleiche Falle zu tappen wie<br />

viele Küchenchefs vor mir: Sie arbeiteten<br />

Jahrzehnte in den besten Restaurants<br />

der Welt, machten sich selbständig und<br />

versagten dann, weil sie keine Kosten<br />

kalkulieren konnten.“ Noch gefährlicher<br />

als Unwissenheit ist für Leitgeb Sturheit<br />

und Ignoranz. „Du kannst nicht als<br />

ge feierter Küchenchef aus Europa<br />

nach Singapur kommen und auf Biegen<br />

und Brechen deine Sache durchziehen,<br />

einfach, weil du der Größte bist.<br />

Nur die beste Ware,<br />

der frischeste Fisch ist<br />

Leitgeb gut genug<br />

Der gebürtige Tiroler<br />

lässt sich seine Produkte<br />

aus der ganzen Welt<br />

einfl iegen, aber auch die<br />

lokalen Märkte sind<br />

immer für eine Trouvaille<br />

und eine Essenserfahrung<br />

gut.<br />

Gaumen sind in aller Welt verschieden.<br />

Die Leute wollen zwar immer was Neues<br />

probieren – den Fluchtweg zu vertrauten<br />

Geschmacks landschaften musst du<br />

ihnen dabei aber offen lassen! Die<br />

Gäste kommen sonst nicht wieder, und<br />

das Restaurant geht pleite.“<br />

Armin Leitgeb – Freunde nennen ihn<br />

bewundernd „Arminator“ – sieht das<br />

Geheimnis seines Erfolges in Singapur<br />

in der behutsamen Balance von Leichtigkeit<br />

und Geschmack. „In der Heimat<br />

könnte ich zum Beispiel einfach mehr<br />

Butter oder Schmalz zusetzen, um ein bestimmtes<br />

Genusserlebnis zu steigern,<br />

aber hier würde ich mich davor hüten.“<br />

Leitgeb ist nun Chef de Cuisine bei Les<br />

Amis – die größte Herausforderung in<br />

seiner bisherigen Karriere. Nicht nur, weil<br />

das Restaurant so berühmt ist, sondern<br />

auch, weil Singapur schlechthin die Stadt<br />

des Kochens ist. „Wer bei uns nicht zunimmt“,<br />

warnen die Singapurer, „mit dem<br />

stimmt was nicht“, wollen damit sagen,<br />

wie fantastisch hier alles schmeckt und<br />

wie vielfältig die Speisen sind – ob chinesisch,<br />

indisch, malaysisch, indonesisch<br />

oder europäisch. Oft lässt sich der Österreicher<br />

in den „Wet Markets“, wo rund<br />

um die Uhr frisches Gemüse, Fleisch und<br />

Fisch angeboten werden, einfach dahintreiben,<br />

um sich inspirieren zu lassen.<br />

Hie und da bleibt er stehen, wie im Tiong-<br />

Bahru-Markt, kostet, riecht, streichelt<br />

Blüten, bestellt sich eine Nudelsuppe am<br />

Straßenstand – und kehrt dann voll neuer<br />

Bilder im Kopf zurück zu Les Amis.<br />

„Die Zutaten meiner Gerichte richten<br />

sich nach den Jahreszeiten“, sagt er, „sind<br />

zudem sorgfältig ausgewählt. Ich rufe<br />

zum Beispiel in der Bretagne an, spreche<br />

dort direkt mit einem Fischer und nicht<br />

mit irgendeinem Großhändler. Der sagt<br />

mir, wenn er einen tollen Steinbutt gefangen<br />

hat, und in Gedanken beginne ich<br />

dann zu komponieren, experimentiere<br />

mit Eindrücken vom Singapurer Markt, bis<br />

die Lieferung vom Flughafen kommt.<br />

Ist in Europa Winter, dann weiche ich nach<br />

Australien aus, erkundige mich dort<br />

nach den besten Gemüsen. Bei Pfi fferlingen<br />

aber wird es schwierig. Die will ich<br />

nur aus Frankreich, genauso wie das Johannesgürtelkraut<br />

– für eine gute Gans.“<br />

So glamourös das Leben eines<br />

be gehr ten Küchenchefs in Lifestyle-Magazinen<br />

erscheinen mag – Leitgeb lässt<br />

sich vom Presselob nicht so schnell beirren,<br />

nimmt alles gelassen und mit<br />

Humor. Ange sprochen, ob ihn denn beim<br />

Kochen Musik inspiriere, antwortet der<br />

Arminator: „Ich stehe oft 15 Stunden in<br />

der Küche, da brauche ich über dem<br />

Kopf ein Radio – nicht wegen der Musik,<br />

sondern um Nach richten zu hören,<br />

sonst wüsste ich ja gar nicht, was draußen<br />

in der Welt passiert.“<br />

www.lesamis.com.sg<br />

41


42 Sights and Scenes<br />

4.<br />

Ein Multi-Showroom für Singapur<br />

Zusammen mit exklusiven Partnern hat<br />

Gaggenau ein Umfeld geschaffen,<br />

das alle fünf Sinne schärft und verfeinert<br />

Text: Roland Hagenberg<br />

Gaggenau<br />

Experience Center<br />

11 Bishan Street 21, 4. Stock<br />

Singapur 573943<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Freitag<br />

8–17.30 Uhr<br />

nur nach Vereinbarung<br />

Tel. +65 67515022<br />

E-Mail: Tiffany.Kok@bshg.com<br />

FOTO: DARREN SOH<br />

„Wenn Leute ihre Küchen selbst einrichten,<br />

dann machen sie oft zwei große<br />

Fehler: Sie knausern mit Raum, und sie<br />

platzieren Geräte unpraktisch“, sagt<br />

Starkoch Armin Leitgeb, der am Konzept<br />

für Singapurs brandneuen Gaggenau<br />

Showroom entscheidend mitarbeitete.<br />

„Er soll inspirieren, zeigen, wie edles<br />

Design, Funktionalität und individuelle<br />

Vorlieben aufeinander abgestimmt<br />

werden können.“ Durch breite Fensterfronten<br />

fl utet Tageslicht in die großzügigen<br />

Erlebnisräume herein, die an<br />

moderne Kunstgalerien erinnern und in<br />

denen Gaggenau Produkte eine Rolle<br />

übernehmen, die weit über die von Hausgeräten<br />

hinausgeht. „Das Showroom-<br />

Setting gibt uns die Möglichkeit, die zunehmende<br />

Integration ehemals separater<br />

Teile des Lebensraums zu visualisieren.<br />

Damit refl ektieren wir einen wichtigen<br />

Aspekt moderner Architektur“, erklärt<br />

Sven Szesny, Director Marketing,<br />

Südostasien. Und was wäre ein Showroom<br />

ohne eine Show? Mit telpunkt aller<br />

Präsentationen ist eine Live Cooking<br />

Area, wo sich Besucher an einen Tresen<br />

setzen können und herdnah Einblick<br />

haben in die Arbeitswelt und Zubereitungstricks<br />

von Spitzenköchen.<br />

Bei großem Andrang können natürlich<br />

nicht alle Besucher in der ersten Reihe<br />

sitzen, und so werden die Veranstaltungen<br />

gleichzeitig auf großformatigen Bildschirmen<br />

übertragen. Das audiovisuelle<br />

System installierte Bang & Olufsen, einer<br />

von mehreren Gaggenau Brand-Partnern.<br />

„Uns liegt viel daran zu zeigen, wie im<br />

Wohnbereich zwischen Gaggenau und<br />

anderen Premiummarken interessante<br />

Synergien entstehen können. Wir stellen<br />

diesen Partnern den Showroom für<br />

eigene Veranstaltungen zur Verfügung.<br />

Das unterstreicht unser Commitment,<br />

mit Gaggenau Produkten ein Umfeld zu<br />

schaffen, das alle fünf Sinne schärft,<br />

verfeinert, öffnet“, meint Szesny. Das<br />

Design von Walter Knoll erlaubt ein<br />

stilvoll-bequemes Sitzen im Showroom.<br />

Das Occhio-Leuchtsystem stammt von<br />

Axel Meise, die Edel-Weingläser für Wine-<br />

Tasting-Events sind von Zwiesel 1872.<br />

Im neuen Gaggenau Showroom Singapur<br />

heißt Interaktivität zudem auch, dass<br />

Besucher selbst aktiv werden können, sei<br />

es beim Mitkochen (Kräuter beete stehen<br />

parat), beim Mitdesignen (geplant sind<br />

Wettbewerbe für Studenten) oder beim<br />

Präsentieren neuer Ideen: Architekten<br />

soll der Showroom als Forum dienen, wo<br />

sie ihre Wohnkonzepte vorstellen können.<br />

Gleich beim Eingang gibt es zudem<br />

einen interaktiven Touch-Bildschirm<br />

mit Rezeptvorschlägen, Energie spartipps,<br />

Produktinformationen und einem Quiz.<br />

FOTOS: GAGGENAU (2)


2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

1<br />

What’s Next?<br />

What’s Next? 43<br />

Neue Projekte aus<br />

aller Welt<br />

1 AMOLFINI CONTEMPORARY ARTS CENTRE Bristol (GB) / Redevelopment / „The Good Life“ Designvorschlag / 51N4E, Brüssel / www.51n4e.com<br />

2 MAHANAKHON Bangkok (Thailand) / Tower mit 77 Etagen, Luxusshops, Hotel, Wohnungen / Fertigstellung 2012 / OMA / www.maha-nakhon.com<br />

3 TAICHUNG CONVENTION CENTER Taichung (Taiwan) / Büros, Hotel, Shops, Kongresszentrum / Städtisches Projekt / MAD Architects / www.i-mad.com<br />

4 MONT MAECBE Beirut (Libanon) / Kunst- und Kulturhaus (15 000 Quadratmeter) / Wettbewerbsbeitrag 2009 / L. A. St. (Benoît Meriac,<br />

Guillaume Relier) mit Remi Souleau / www.last-architecture.com<br />

5 CONFERENCE CENTER Ougadougou (Burkina Faso) / Wettbewerbssieger / Fertigstellung 2012 / Coldefy & Associés Architectes Urbanistes + JVC /<br />

www.coldefy-associes.com


Beschwingtes<br />

Leuchten und<br />

Uhr mit Humanwerk<br />

Die Ikarus-Lampe<br />

von Tord Boontje aus<br />

Schwanenfl ügeln.<br />

In Maarten Baas’ Standuhr<br />

(rechts) malt ein Mann<br />

die Zeit aufs Zifferblatt.


Gebaute<br />

Geschichten<br />

Lampen aus Federn, Gebäude wie Bauklötze –<br />

Designer und Architekten erzählen Geschichten.<br />

Ein Trend, der in Entwürfen lesbar wird<br />

Text: Andreas Toelke<br />

Thinking the Future III 45<br />

FOTO: ARTECNICA (LINKS), RICARDO SÀ DA COSTA


46 Thinking the Future III<br />

Die Funktion tritt in den<br />

Hintergrund, die Fantasie blüht auf<br />

Vom verspielten Lego-ähnlichen<br />

iPod-Lautsprecher „Retro Block“<br />

(oben) über Joep Verhoevens<br />

aufgefalteten Cinderella-Tisch<br />

(oben rechts) und Marcel Wanders’<br />

holländische, vom Wind gebeugte<br />

Vase (Mitte) bis zur legendären<br />

angekohlten Louis-XVI-Chaiselongue<br />

seines Landsmanns Maarten Baas<br />

reicht die Palette von Designstücken<br />

mit Geschichte(n).<br />

FOTOS (VON OBEN): HANS V/D MARS, FREDFLARE, BLOW AWAY VASE/FRONT/MOOOI, MAARTEN VAN HOUTEN


47<br />

Strahlende LED-Höhle<br />

Zaha Hadids leuchtende Sesselliftstationen in<br />

Hungerburg (Österreich) zeugen vom enormen<br />

technischen Fortschritt der vergangenen Jahre, der<br />

viele Entwürfe überhaupt erst möglich machte.<br />

FOTO: HELENE BINET


48 Thinking the Future III<br />

In der Wasserwolke wandern<br />

kann man am Neuenburger See in der Schweiz.<br />

Selbst das MIT nutzt inzwischen die Erkenntnisse<br />

des Designerteams Diller, Scofi dio + Renfro.<br />

FOTO: COURTESY OF DILLER SCOFIDIO + RENFRO


Gegenstände erzählen Geschichten. Gebäude erzählen<br />

Geschichten. Storys, die berühren, die zuweilen irritieren. Es<br />

sind gestaltete Geschichten, die in Form bringen, was Designer<br />

und Architekten nicht erzählen müssen, weil sie es „bauen“<br />

können. In der Literatur haben Erzählungen ihren Kontext, stehen<br />

in einem Zusammenhang mit Epoche, Handwerk und kulturellen<br />

Eigenheiten. Homer und die „Odyssee“, Cervantes und „Don<br />

Quijote“, James Joyce und „Ulysses“ … literarische Meilensteine.<br />

Wie baut man Geschichten? Wie sieht „Storytelling“ im<br />

Design aus? Das „Es war einmal …“ als Lampe?<br />

Was gedruckt unsere Fantasie befl ügelt, ist die vergangenen<br />

zehn, teilweise auch zwanzig Jahre in Dinge übersetzt<br />

worden. Ein Sessel, der wie ein Tropfen in Zeitlupe im Wohnzimmer<br />

landet, wäre zuvor technisch nicht umsetzbar gewesen.<br />

Die Technik, Gebäude wie Mikadostäbchen aufeinanderpurzeln<br />

zu lassen – erdacht von Rem Koolhaas –, ist das eine,<br />

das andere ist die Abstraktionsfähigkeit, die stilisierte Mitteilungslust<br />

der Macher, der Kreateure. „Form follows Function“,<br />

die Funktion ent scheidet über die Form – der Satz, mit dem<br />

der Bauhaus-Altvordere Mies van der Rohe seine Fußstapfen in<br />

der Geschichte hinterlassen hat – hat seine Allgemeingültigkeit<br />

verloren. Heute gilt: Ästhetik kann ideologiefrei sein. Das<br />

heißt: Bauhaus-Epigonen, streng und beinah unnahbar, existieren<br />

gleichberechtigt neben fl amboyantem, ausuferndem<br />

Design. Zum Beispiel dem der Campana-Brüder. Schön ist, was<br />

gefällt. Funktion ist eine Voraussetzung, mitnichten aber das<br />

Der Betrachter steht staunend vor und<br />

in einer Wolke, die über dem See<br />

schwebt, und lässt sich von der Poesie<br />

des Augenblicks gefangen nehmen.<br />

einzige Kriterium. Und „schön“ ist noch längst nicht „gefällig“.<br />

An dieser Stelle geht es wieder um die Lesbarkeit des Designs,<br />

der Architektur. Die brasilianischen Brüder sind ein Beispiel<br />

par excellence: Da wird Kinderspielzeug zum Sessel. Spielerei?<br />

„Wir setzen uns mit der Gegenwart auseinander“, sagt<br />

Fer nando Campana. Die Wirklichkeit hat sich von Funktionalität à<br />

la Bauhaus schon bei den Hippies der Siebziger verabschiedet.<br />

Und die Geschichten der Designer haben immer auch<br />

mit der eigenen Historie zu tun. So haben beide Brüder ihr<br />

Spielzimmer in Rio nie aufgegeben. Sie wühlen in Plüschtieren<br />

und bringen sie in einen märchenhaften Kontext.<br />

49<br />

So wird der Alltag zur Illusion. MTV, iPhone, Avatar – all das ist<br />

eine global prägende Realität, die Spuren hinterlässt. Die Antwort<br />

im Design und im umbauten Raum muss folgen – und sie<br />

folgt. In Kinderspielzeug zum Sitzen. Oder ganz trocken, wie<br />

Santiago Calatravas „Turning Torso“, eine gebaute Wirbelsäule,<br />

die sich über 54 Etagen in den Himmel von Schweden<br />

schraubt, mit dalíesk verzogenen Fenstern, die den Bewohnern<br />

neue Perspektiven eröffnen – surreal. Santiago Calatrava<br />

beginnt einen Entwurf zumeist mit Skizzen und Studien über<br />

Mensch und Tier. Die Zeichnungen haben große künstlerische<br />

Kraft, es werden ganze Ausstellungen damit bestückt. Im<br />

Metropolitan Museum of Modern Art wurde sichtbar, wie eine<br />

Calatrava-Ge schichte ihren Anfang nimmt. Mit leichten Federstrichen<br />

die erste Idee, die dann mithilfe von Ingenieuren<br />

und Handwerkern zum Hightech-Spektakel wird. Beim Turm in<br />

Malmö sind 820 Tonnen Stahl für das „Gerüst“ der Fassade<br />

verbaut worden, für die 2250 schrägen Fenster mussten<br />

komplett neue Herstellungsverfahren entwickelt werden.<br />

Ästhetische Spielerei? Nein. Jede Entwicklung im<br />

Bereich Design und Architektur führt zu Erkenntnissen, die in<br />

anderen Bereichen von Nutzen sind, von der Autoindustrie<br />

bis zum Recycling. Die Produkte der Designvordenker haben<br />

meist nicht nur optisch Sinn. Diller, Scofi dio + Renfros begehbare<br />

Wassersprühwolke im Neuenburger See in der Schweiz hat<br />

die Naturwissenschaftler des MIT so etwa auf die Lösung<br />

ge stoßen, wie bestimmte Wind- und Landschaftsverhältnisse<br />

Smog transportieren. Dem Betrachter ist das a priori egal. Der<br />

steht staunend vor und in einer Wolke, die über dem See schwebt,<br />

lässt sich von der Poesie des Augenblicks gefangen nehmen<br />

und erlebt seine Geschichte mit Architektur jenseits des Begrifflichen.<br />

Die Wolke ist ästhetischer Konsens, einfach schön.<br />

Die Plüschtiere sind es im bestimmten Rahmen auch noch.<br />

Dass Designgeschichten verstören können, zeigt<br />

Altmeister Philippe Starck. Der vergoldet Handfeuerwaffen mit<br />

18 Karat und macht Lampen daraus. Nachttisch-, wahlweise<br />

Steh lampen. Die erzählen sehr offensichtlich eine Geschichte,<br />

sind aber, befreit vom eigentlichen Zusammenhang aus Krieg


50 Thinking the Future III<br />

und Gewalt, im eigenen Heim dann ein Kunststück. Provokation?<br />

Blanker Zynismus? Philippe Starck meint dazu: „Ich habe diese<br />

Lampen entworfen, weil ich Pazifi st bin. Es ging mir darum, auf die<br />

überbordende Gewalt in unserer Gesellschaft hinzuweisen.“<br />

Aha. Ob das bei dem Betrachter so ankommt, die Frage muss<br />

sich jeder selbst stellen.<br />

Was Storytelling in der Gestaltung, also auch bei den<br />

Starckschen Waffen, auf jeden Fall erfüllt, ist die Abkehr vom rein<br />

Funktionalen hin zum Sinnlichen. Wie die Sesselliftstationen in<br />

Hungerburg bei Innsbruck von Zaha Hadid zeigen. In te ressan terweise<br />

ist nur wenige Kilometer von den Stationen entfernt eines<br />

der ersten Bauwerke der englisch-irakischen Architektin zu sehen.<br />

Die Ski schanze Bergisel ist gerade mal acht Jahre alt, und im<br />

Vergleich zeigen die 20<strong>07</strong> eröffneten vier Stationen einen technischen<br />

Quantensprung: hier Spritzbeton, da Glasfassaden<br />

wie Rochenfl ügel, die durch Hightech-LED des Nachts leuchten.<br />

Aber auch ganz simpel kann Design Geschichten erzählen.<br />

Die Ikarus-Lampe von Tord Boontje ist federleicht. Ein Schwanenfl<br />

ügel wickelt sich um den Leuchtkörper. That’s it. Der niederländische<br />

Designer beschreibt seine Arbeiten als „eine delikate<br />

Ehe von Design und Emotionen“ und erklärt: „Modernes Design<br />

bedeutet nicht Minimalismus.“ Tord Boontje spielt, ähnlich wie<br />

die Campana-Brüder, mit den Möglichkeiten: Vasen aus Papier,<br />

Möbel aus Holzresten … Alles geht, nichts muss. Sein Landsmann<br />

Maarten Baas geht die Dinge ähnlich unverkrampft an. Er wurde<br />

berühmt mit Louis-XVI-Mobiliar, das, schwarz angekokelt,<br />

zwischen den Hochglanz-Objekten der Designgalerien wie aus<br />

der Rumpel kammer eines vergessenen Schlosses zu kommen<br />

scheint. Baas’ Kampfschrei „Hey, Stuhl! Sei ein Regal“ geht über<br />

reines Story telling noch einen Schritt hinaus. Er holt nicht die<br />

Geschichten in das Design, er macht aus Design Geschichten.<br />

Die simpelste Möglichkeit, mit Möbeln Storys zu erzählen, ist es,<br />

die Möbel mit Geschichten zu pfl astern. Giuseppe Canevese<br />

kramt seinen Lieblingscomic raus und projiziert die Sixties-Ikone<br />

Valentina auf Kommoden und Schränke. Schlafzimmer möbel<br />

zeigen passenderweise einen Wecker im Detail. Der Italiener<br />

spielt mit der Kunst- und Designgeschichte: Hier ein bisschen<br />

Roy Lichtensteins Comic-Optik, dort ein wenig Gio Pontis Fünfziger-Jahre-Retro-Schick.<br />

Ge schichten kennen keine Grenzen<br />

außer die der eigenen Fantasie …<br />

Die macht bei Ora-ïto nicht mal halt vor der eigenen<br />

Person. Jung, kreativ, erfolglos, entwirft er ohne Auftrag Produk te<br />

für Louis Vuitton, Swatch und Apple, stellt die Fälschungen<br />

ins Netz und löst eine Lawine aus. Tausende wollen die Kreationen<br />

in den Markenshops erwerben. Die Verantwortlichen<br />

zeigen sich beeindruckt und geben dem Talent Aufträge. Keine<br />

Designgeschichte, aber ein Designermärchen. Heute entwirft<br />

der junge Wilde unter anderem eine ganze Küche. Und<br />

die erinnert an „2001 – Odyssee im Weltraum“. Wenn man<br />

mit offenen Augen hinschaut. Und das ist eigentlich alles,<br />

was man tun muss, um die Designge schichten zu lesen.<br />

Weitere Informationen<br />

www.tordboontje.com<br />

www.maartenbaas.com<br />

www.moooi.com<br />

www.marcelwanders.com<br />

www.vam.ac.uk/microsites/telling-tales<br />

www.dillerscofi dio.com<br />

www.demakersvan.com<br />

www.piekebergmans.com<br />

Verdreht wie eine Wirbelsäule<br />

Santiago Calatravas „Turning Corso“<br />

im schwedischen Malmö (links),<br />

für dessen surreal verzogene Fenster<br />

völlig neue Herstellungsmethoden<br />

gefunden werden mussten.<br />

Licht wie hingegossen<br />

Eine von Pieke Bergmans’ „Light<br />

Blub“-Lampen (rechts).


FOTOS: HUTHMACHER/ARTURIMAGES (LINKS), PIEKE BERGMANS


52 Thinking the Future IV<br />

Ein Schritt ins Leere<br />

Die gläserne Aussichtskanzel<br />

am Willis Tower<br />

(früher Sears Tower)<br />

in Chicago bietet<br />

freie Sicht nach unten.


Up, Up in the Sky<br />

Der wohlige Schrecken des Abgrunds<br />

lockt Schaulustige auf Skywalks und kühne<br />

Aussichtsplattformen von den Alpen bis<br />

zum Urwald. Nur dünnes Glas bewahrt sie<br />

vor dem Fall ins Leere Text: Isabelle Hofmann<br />

FOTO: SCOTT OLSON/GETTY IMAGES


54 Thinking the Future IV<br />

„Los, Leute!“ ruft eine Frauenstimme aus dem Off. „Traut euch!<br />

Lasst mal die Leinen los und schaut nach unten. Es passiert<br />

nichts.“ Während die Älteren wie auf rohen Eiern die ersten<br />

Schritte wagen, starten die Kids sofort durch. Fest in den Klettergurten<br />

verankert, schwingen sie begeistert über den kreisrunden<br />

Skywalk X – einen 233 Meter hohen und 1,50 Meter breiten<br />

Ring an der Außenwand des Macau Tower. Erfunden hat dieses<br />

schwindelerregende Abenteuer AJ Hackett, der Vater des<br />

kommerziellen Bungee-Jumpings. Mögen der Burj Khalifa in<br />

Dubai, der CN Tower in Toronto und das Shanghai World Financial<br />

Center mit doppelt so hohen Aussichtsdecks trumpfen –<br />

den Thrill, ohne Geländer zwischen Himmel und Erde herumzuturnen,<br />

erlebt man derzeit nur an zwei Orten: auf dem Fernsehturm<br />

der ehemaligen portugiesischen Kolonie und auf dem vier<br />

Jahre älteren Auck land Tower in Neuseeland, der Heimat des<br />

Bungee-Jumpings. Auf Youtube dokumentieren zahlreiche Videos<br />

die Mutproben von Teens und Twens, die mit weit ausgebreiteten<br />

Armen über dem Abgrund hängen. „Crazy“, schreit ein<br />

Mann in die Kamera. „Das ist ja der totale Wahnsinn!“<br />

Das ist es, in der Tat. Doch der Wahnsinn hat Methode.<br />

Die Gänsehaut beim Blick in den Abgrund, das perfekt gesicherte<br />

Balancieren in schwindelerregender Höhe sind auch zum<br />

architektonisch atemraubenden Marketinginstrument geworden.<br />

Marketingstrategen und Reiseveranstalter haben begriffen,<br />

dass sich aus diesem Nervenkitzel Kapital schlagen lässt – in<br />

den Metropolen wie in den entlegensten Urwaldgebieten.<br />

So entwarf das renommierte Architekturbüro Denton Corker<br />

Marshall für die Dachterrasse des Designhotels Adelphi in<br />

Melbourne einen 25 Meter langen „Sky-Swimmingpool“, der<br />

weit über die Fassade des Hauses hinausragt. Plantschen über<br />

dem Nichts. Und selbst das idyllische Mecheln in der belgischen<br />

Provinz wirbt mit einem gläsernen Rundgang um die nie<br />

vollendete Turmspitze der St.-Rombouts-Kathedrale: Uneingeschränkte<br />

Fernsicht von dem 95 Meter hohen UNESCO-Welterbe<br />

belohnt die tapferen Treppensteiger nach 536 Stufen.<br />

Eine kleine Kletterpartie verlangen auch die Einwohner von<br />

Pulau Langkawi ihren Gästen ab. Auf ihrer paradiesischen Ferieninsel<br />

vor der Nordwestküste Malaysias haben die Bumiputras,<br />

die „Söhne und Töchter der Erde“, die vielleicht faszinierendste<br />

Aussichtsbrücke dieser Erde geschaffen: ein kühnes, elegant<br />

geschwungenes Stahlbauwerk von 120 Metern Länge, das sich<br />

rund 700 Meter über dem Meeresspiegel wie ein Lindwurm<br />

durch die Wildnis schlängelt. Besser gesagt, über die Wildnis,<br />

denn de facto verbindet die Hängebrücke zwei Berggipfel<br />

des Naturschutzgebiets oberhalb des „Oriental Village“. Von<br />

dem künstlich angelegten Tourismusdorf gelangt man per<br />

Seilbahn auf den Berg Mat Cincang. Von dort führt dann ein


650 Meter über dem<br />

Aurlandfjord stockt den<br />

Besuchern der Atem<br />

Das Schutzglas am Ende<br />

der „Schanze“ ist kaum<br />

sichtbar (links). Die geschwungene<br />

Sky Bridge<br />

auf Pulau Langkawi<br />

hängt an einem einzigen<br />

Pylon. Sie führt<br />

700 Meter weit über den<br />

Regenwald (oben).<br />

steil abfallender Treppenweg zu der einzigartigen Langkawi Sky<br />

Bridge. Gehalten wird das dreieckförmige Meisterwerk lediglich<br />

von einem 83 Meter hohen Pylon, an dem acht Hängekabel<br />

und zwei Rückhaltekabel befestigt sind. Wem das noch nicht<br />

den Atem raubt – der Blick über Dschungel und die Andamanensee<br />

tut es bestimmt.<br />

Was für eine Leistung der Ingenieurskunst dieses Mammutprojekt<br />

darstellt, lässt sich nur erahnen: Mitten im Urwald,<br />

ohne Straßen, Strom oder Wasser, wurden 76 Tonnen Stahl per<br />

Helikopter transportiert und aus der Luft zum Teil auch montiert.<br />

Die Experten stammen übrigens aus der Schweiz – und wurden<br />

in ihrer Heimat auch gebührend gewürdigt: Der Tessiner Architekt<br />

Peter André Wyss und das Zürcher Ingenieurbüro Hötschi<br />

& Schurter erhielten für ihr Wunderwerk der Technik den<br />

Schweizerischen Stahlbaupreis 2005. Aber nicht nur die Schweizer<br />

verfügen über hervorragende Erfahrungen in Sachen<br />

55<br />

Brückenbau und Aussichtsplateaus. Die ganze Alpenregion<br />

ist heute durchsetzt von aufregenden „Erlebnisbauten“ französischer,<br />

italienischer oder österreichischer Topkonstrukteure.<br />

Man denke nur an den Dachstein Skywalk in der Steiermark:<br />

Über dem Hunerkogel, gleich neben der Seilbahnstation des<br />

Dachsteingletschers, entstand vor fünf Jahren eine 15 Meter lange<br />

Bühne mit Bodenfenstern, die das Gefühl vermitteln, ins<br />

Nichts zu sehen: insgesamt 40 Tonnen Gewicht, Tragkraft bis zu<br />

150 Personen beziehungsweise acht Meter Schnee pro Quadratmeter.<br />

Standfest (hoffentlich) bis zu einer maximalen Windgeschwindigkeit<br />

von 210 Stundenkilometern.<br />

Seit Inbetriebnahme der Anlage verzeichnen die Bahnbetreiber<br />

deutlich mehr Besucher. Klar, dass andere alpine<br />

Urlaubs orte nachzogen. Auf dem Krippenstein, an der Nordseite<br />

des Dachsteinmassivs, locken heute die „5fi ngers“, ein aus<br />

der Steilwand herausragendes Observationsdeck in Form einer<br />

Hand. Sölden errichtete futuristisch anmutende Aussichtsterrassen<br />

auf den drei hauseigenen Dreitausendern. Und im<br />

norwegi schen Aurland, 650 Meter über dem Aurlandfjord,<br />

setzten die Architekten Todd Saunders und Tommie Wilhelmsen<br />

eine aus neh mend schlichte, formschöne, 33 Meter lange<br />

„Sprungschanze“ aus Holz in den Hang. Gänsehaut-Feeling vor<br />

Prachtpanorama, denn die diagonal stehende (Wind-)Schutzscheibe<br />

am äußeren Bogen ist kaum sichtbar.<br />

FOTOS: TODD SAUN<strong>DE</strong>RS (LINKS), BERTRAND GAR<strong>DE</strong>L/HERMIS.FR/LAIF


Neue Einnahmequelle<br />

für einen Indianerstamm<br />

Der Grand Canyon<br />

Skywalk, 1200 Meter<br />

über dem Colorado River,<br />

lehrt Besucher mit<br />

Höhen angst das Fürchten.<br />

FOTO: CHRIS MALUSZYNSKI/MOMENT/AGENTUR FOCUS


Mutproben<br />

Nur dünne Seile halten<br />

die Abenteuerlustigen<br />

bei ihren luftigen Ausfl ügen<br />

am Macau Tower (rechts),<br />

und für kleine Kinder<br />

ist auch der Spaziergang<br />

auf dem gläsernen<br />

Steg des Pearl Tower in<br />

Schanghai eine spannende<br />

Sache (unten).<br />

Zur alpinen Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen rüsten<br />

die österreichischen Nachbarn nun mit einer nächsten Sensation<br />

auf: Unterhalb der Alpspitze, direkt an der Bergstation der<br />

Osterfelder bahn, baut das Wiener Architektenbüro Dieter<br />

Wallmann derzeit den AlpspiX – zwei sich überkreuzende Stege,<br />

die jeweils 13 Meter frei über dem Abgrund schweben.<br />

Umweltbewusste Bauingenieure bemühen sich für derart<br />

avantgardistische Architektur inzwischen um möglichst „sanfte“<br />

Interventionen und zurückhaltende Eingriffe in die Natur. So versuchte<br />

das Innsbrucker Architekturbüro LAAC beispielsweise<br />

bei seinem geschwungenen Skywalk „Top of Tyrol“, die Topografi<br />

e am Stubaier Gletscher aufzunehmen. In der Tat ähnelt die<br />

neun Meter über den Großen Isidor hinausragende Rampe von<br />

weitem einer Bergkuppe. Im Winter verschwinden die Stahllamellen<br />

sogar unter der Eisdecke und verleihen dem Lookout<br />

die Anmutung einer Schneewehe. Sehr gekonnt in die Landschaft<br />

integriert ist auch der große „Adler horst“ aus Draht auf<br />

dem Gschöll kopf (Achensee, Tirol). Und der fi ligrane, stählerne<br />

„Spir“ über der Rheinschlucht in Conn, Kanton Graubünden<br />

(Schweiz), ein Entwurf der Churer Architektin Corinna Menn,<br />

empfi ndet den Flug eines Mauerseglers nach. Am überzeugendsten<br />

jedoch hat Paolo Bürgi sein Landschaftsprojekt auf<br />

der Cardada bei Locarno gestaltet. Sicher kein Zufall, dass<br />

Bürgi wie sein Kollege Wyss aus dem Schweizer Kanton Tessin<br />

stammt, in dem Mario Botta neue architektonische Maßstäbe<br />

setzte. In 1340 Metern Höhe schuf der international bekannte<br />

Landschafts architekt ein Ensemble aus geologischer Beobachtungsstation,<br />

Spielspazierweg, musikalischem Wald und<br />

Aussichtsplattform. Ein langer, schmaler Steg aus Metall<br />

und Stein, der durch Wald und Wipfel bis zu einem freischwebenden<br />

„Kap“ führt, von dem aus sich die Landschaft rund<br />

um den Lago Maggiore auftut.<br />

Will Bürgi mit seinem preisgekrönten Werk ganz<br />

bewusst die Sensibilität für Umweltschutz und die Zukunft der<br />

Alpen schärfen, so scheint der Architekt und Investor David<br />

Jin aus Arizona offenbar nur ein Motto zu kennen: „Pimp my<br />

Berg“. Frei nach dieser Losung baute er 1200 Meter über dem<br />

Colorado River den Grand Canyon Skywalk – ein überdimensionales<br />

Hufeisen aus Stahl und Glas, das sich 21 Meter weit in<br />

die Schlucht schiebt. Mit dicken Trägern tief im Gestein verankert,<br />

soll das 480 Tonnen schwere und insgesamt 45 Meter<br />

lange Halbrund Stürmen bis zu 160 Kilometern pro Stunde<br />

Thinking the Future IV 57<br />

und Erdbeben bis zur Stärke 8 trotzen. Das Know-how stammt<br />

übrigens wieder aus Europa. Zumindest ist das eisenoxidarme<br />

Spezialglas des Bodens und der Brüstung „Made in Germany“<br />

– aus Glasfabriken in Köln und Berlin. Internationale<br />

Aufmerksamkeit erhielt die 30 Millionen Dollar teure Anlage jedoch<br />

aus einem ganz anderen Grund: Sie gehört dem Stamm<br />

der Hualapai. Der Ältestenrat setzte sich über alle Bedenken hinweg<br />

und gab dem Investor grünes Licht, auf Reservatsgebiet<br />

zu bauen. Begründung des Häuptlings bei der Eröffnung 20<strong>07</strong>:<br />

Die Zukunft des Stammes sei wichtiger als eine mögliche<br />

Entweihung des heiligen Bergs. Rund 2000 Besucher pro Tag<br />

lassen seitdem die Vision der Indianer von einer ewig sprudelnden<br />

Einnahmequelle wahr werden.<br />

FOTOS: KARL JOHAENTGES/LOOK-FOTO (OBEN), LIU XINGZHE/CHINAFOTOPRESS/LAIF


58 Worldwide<br />

London<br />

One Hyde Park<br />

Eines der ambitioniertesten und luxuriösesten<br />

Bauprojekte Londons entsteht<br />

an prominenter Adresse: Auf dem Gelände<br />

des ehemaligen Bowater House<br />

aus den fünfziger Jahren entwarf Richard<br />

Rogers Londons neueste Architektur-<br />

Ikone. One Hyde Park bietet Platz für<br />

80 Apartments und drei exklusive Boutiquen<br />

in einem vier Pavillons umfassenden<br />

Komplex. Zwischen den lebendigen<br />

Einkaufsstraßen des großbürgerlichmondänen<br />

Stadtviertels Knightsbridge<br />

und der ruhigen Parklandschaft steht<br />

One Hyde Park für die perfekte Verbindung<br />

aus Urbanität und Ruhe. Verantwortlich<br />

für die Innenarchitektur der mit<br />

Gaggenau Geräten ausgestatteten<br />

Apartments ist das Londoner Büro Candy<br />

& Candy. Ende dieses Jahres wird<br />

das Projekt der Mandarin Oriental Residences<br />

fertiggestellt sein.<br />

www.onehydepark.com<br />

Zürich<br />

Mobimo Tower<br />

Ein Blickfang im Zürcher Westen:<br />

Der 80 Meter hohe Mobimo Tower des<br />

Schweizer Architektenbüros Diener<br />

& Diener (verantwortlich auch für die<br />

Schweizer Botschaft in Berlin) ist ein<br />

Symbol für erfolgreiche Stadtentwicklung<br />

auf einem ehemaligen Industriegelände.<br />

Das Gebäude umfasst 24 Etagen, von<br />

denen elf an ein Hotel vermietet werden.<br />

In den obersten neun Stockwerken befi<br />

nden sich 33 Apartments, die ausschließlich<br />

mit Gaggenau Geräten ausgestattet<br />

werden. Die neuen Eigentümer<br />

erwarten nicht nur ein faszinierendes<br />

Panorama in einem der höchsten Gebäude<br />

der Stadt, sondern auch nach neuesten<br />

Maßstäben der Energieeffi zienz gestaltete<br />

Wohnungen. Buchstäbliches<br />

Highlight des Turms ist die Endetage. Das<br />

Penthouse auf 1000 Quadratmetern<br />

Wohnfl äche bietet einen 360-Grad-Blick<br />

– die wahrscheinlich schönste Aussicht<br />

auf die Stadt und den Zürichsee.<br />

www.mobimotower.ch<br />

Apeldoorn<br />

Kochschule<br />

De Echoput<br />

Eine Gourmet-Attraktion auf königlichem<br />

Grund: Das Gelände, auf dem der niederländische<br />

Starkoch Peter Klosse sein<br />

renommiertes Restaurant-Hotel De Echoput<br />

(„Der Wunschbrunnen“) eröffnete,<br />

gehört zum Areal des Barockschlosses<br />

Het Loo bei Apeldoorn. Jüngste Attraktion<br />

ist Peter Klosses Kochschule, ausgestattet<br />

mit einer bulthaup-Küche und<br />

Geräten von Gaggenau. Dort werden<br />

kulinarische Anfänger- und Meisterklassen<br />

angeboten, abgestimmt auf das jahreszeitliche<br />

Zutatenangebot. Besonders gefragt:<br />

Wildspezialitäten, die hier im<br />

Rahmen einer „Nationalen Wildakademie“<br />

fachgerecht zubereitet werden.<br />

Die Kochschule wurde in einem<br />

Dependance-Gebäude des Hotels eingerichtet<br />

und bietet außerdem sehr<br />

beliebte Weinseminare an, die sich je<br />

einen Abend lang einer bestimmten<br />

Weinre gion widmen.<br />

www.echoput.nl


FOTOS (VON LINKS): COURTESY OF CANDY & CANDY, MOBIMO AG (2), GAGGENAU (2), FRANCISCO <strong>DE</strong> ALMEIDA DIAS (2)<br />

Scottsdale<br />

Trainingseinheiten<br />

für Küchenprofis<br />

Sechs Design-Workshops pro Jahr: Im<br />

Gaggenau Showroom in Scottsdale (Arizona)<br />

erhalten Küchenspezialisten jetzt<br />

umfassende Schulungen für ihre Kundenkontakte.<br />

Die Teilnehmer erleben während<br />

ihrer Wochenendseminare Gaggenau<br />

Designkompetenz und innovative Technologie<br />

aus erster Hand. Dabei geht es<br />

auch um die tägliche Küchenpraxis –<br />

die Schulungsteilnehmer werden selbst<br />

aktiv, um später optimal auf die Wünsche<br />

ihrer Kunden eingehen zu können. Doch<br />

die Showroom-Trainingsseminare bieten<br />

noch mehr. Neben dem Markenerlebnis<br />

sowie Produkt in Theorie und Praxis steht<br />

jeweils auch ein Besuch in der Frank<br />

Lloyd Wright Foundation School of Architecture<br />

(Taliesin) in Scottsdale auf dem<br />

Programm, bei dem große Design- und<br />

Architekturhistorie lebendig wird.<br />

BSH Showroom und Training Center<br />

8435 North 90th St., Suite 2<br />

Scottsdale, AZ 85258<br />

Tel. +1 480 278 81<strong>07</strong><br />

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag<br />

9–16 Uhr (nur nach Vereinbarung)<br />

Kontakt: Amber Carlson<br />

Luxemburg<br />

Willkommen im<br />

Marken-Schaufenster<br />

Seit 2009 operiert Gaggenau in Luxemburg<br />

unter dem Dach der neu gegründeten<br />

BSH Electroménagers S. A.<br />

Aus diesem Anlass wurde auch für ein<br />

neues Marken-Schaufenster gesorgt:<br />

Der geräumige Showroom im Gewerbegebiet<br />

Breedewues in Senningerberg<br />

bietet Gelegenheit für exklusive Kochvorführungen<br />

und Trainings.<br />

13–15 Zone Industrielle Breedewues<br />

1259 Senningerberg, Luxemburg<br />

Tel. +352 26349-1<br />

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag<br />

8–12 und 13–17 Uhr<br />

Lissabon<br />

Neue Markenpräsenz<br />

mit Altstadtcharme<br />

Ein neuer Auftritt für Gaggenau dort, wo<br />

Lissabon am malerischsten ist: im feinem<br />

Altstadtviertel Chiado. An diesem Ort,<br />

inmitten von prächtigen Boulevards und<br />

edlen Einkaufsmeilen, kommt die Lust<br />

aufs Kochen und Genießen von allein:<br />

Auf 240 Quadratmetern können Besucher<br />

im kombinierten bulthaup und<br />

Gaggenau Showroom Geräte kennenlernen<br />

und in zwei vollständig ausgestatteten<br />

Kochzonen praktisch zur Anwendung<br />

bringen. Der großzügig gestaltete<br />

Raum bietet einen herrlichen Blick auf<br />

Lissabons Altstadt, das Schloss und das<br />

Meer – und vermittelt zugleich Individualität,<br />

Wohnqualität und Ästhetik für<br />

höchste Ansprüche.<br />

www.bulthaupchiado.com<br />

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Q9G1LA0060

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