SaisonKlänge 2004/15 - Jecklin & Co. AG
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England – ein Land<br />
ohne Musik?<br />
Für ihr Konzert am Freitag, 22. Oktober<br />
<strong>2004</strong>, haben Howard Griffiths und das<br />
Zürcher Kammerorchester ein Pro-<br />
gramm zusammengestellt, das aus-<br />
schliesslich britischen Komponisten<br />
gewidmet ist. Mark Schulze Steinen<br />
sprach mit dem Künstlerischen Leiter<br />
des ZKO über Edward Elgar, Benjamin<br />
Britten und <strong>Co</strong>.<br />
Ein deutscher Musikwissenschaftler hat Gross-<br />
britannien einmal als «Land ohne Musik» be-<br />
zeichnet. Sind die Engländer eine unmusikali-<br />
sche Nation?<br />
Howard Griffiths: Ganz und gar nicht!<br />
Wenn ich Konzerte in meiner Heimat di-<br />
rigiere, fällt mir immer wieder auf, wie<br />
gross das Interesse an klassischer Musik<br />
ist – und das in allen gesellschaftlichen<br />
Schichten. Es kann Ihnen gut passieren,<br />
dass Sie bei einem Konzert in der Royal<br />
Festival Hall zwischen einem Maurer und<br />
einem Professor aus Cambridge sitzen.<br />
Das Problem ist, dass wir Engländer im<br />
Bereich der Klassik und Romantik kaum<br />
namhafte Komponisten aufweisen kön-<br />
nen. Nach einer Blütezeit im 16. und 17.<br />
Jahrhundert haben wir da irgendwie<br />
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den Anschluss verloren. Das mag daran<br />
liegen, dass wir uns nach den Erfolgen,<br />
die Georg Friedrich Händel oder Franz<br />
Joseph Haydn in England feierten, daran<br />
gewöhnt haben, Komponisten zu «im-<br />
portieren». Es hat aber auch etwas mit<br />
unserer Geschichte zu tun: Abgesehen<br />
vom Königshaus gab es bei uns keine<br />
Fürstenhöfe, die sich eigene Orchester<br />
und Musiker hielten. Daher hatten es<br />
unsere Komponisten viel schwerer als<br />
etwa Haydn oder Mozart. Erst Ende des<br />
19. Jahrhunderts haben wir Engländer<br />
mit Edward Elgar, Frederick Delius oder<br />
Ralph Vaughan Williams wieder engli-<br />
sche Komponisten von internationalem<br />
Rang hervorgebracht. Und auch in der<br />
Moderne sind wir stark vertreten: Man<br />
denke nur an Benjamin Britten, Michael<br />
Tippett oder Harrison Birtwistle.<br />
In der Schweiz sind Komponisten wie Edward<br />
Elgar oder Benjamin Britten ja längst keine Un-<br />
bekannten mehr. Was für Überraschungen<br />
haben Sie aus England mitgebracht?<br />
Howard Griffiths: Gerald Finzi ist si-<br />
cherlich ein Komponist, der eine Ent-<br />
deckung wert ist. In England gibt es<br />
bereits eine regelrechte Finzi-Fange-<br />
meinde, und meine Einspielung seines<br />
Klarinettenkonzertes war wochenlang<br />
ein Spitzenreiter der Klassik-Top Ten.<br />
Als «verspäteter» Romantiker galt Finzi<br />
lange als «unzeitgemäss». Heute scheint<br />
jedoch seine Musik wieder einen beson-<br />
deren Nerv beim Publikum zu treffen.<br />
Kommen Freunde des britischen Humors bei<br />
dem Konzert auch auf ihre Kosten?<br />
Howard Griffiths: Aber ganz bestimmt.<br />
James Woolrich hat die elf Sätze von<br />
«It is midnight Dr. Schweitzer» nach<br />
Skulpturen von Jean Tinguely kompo-<br />
niert, die ja jede Menge Witz besitzen.<br />
Und das wird auch in der Musik zu<br />
hören sein …<br />
Konzert-Tipp<br />
Fr, 22.10.04, 20 Uhr, Tonhalle Zürich<br />
Details siehe Konzertkalender<br />
CD-Tipp<br />
G. Finzi: Klarinetten-Konzert, Fünf Bagatellen,<br />
Three Sololozzies from «Love’s Labours Lost».<br />
Robert Plane, Klarinette, Northern Sinfonia of<br />
England, Howard Griffiths, Dirigent.<br />
Fr. 12.–, Best-Nr. 1<br />
Ein Fest für den<br />
«Vater der Klassik»<br />
Nach dem grossen Erfolg der beiden<br />
Mozart-Feste in den Jahren 2001 und<br />
<strong>2004</strong> widmet das Zürcher Kammeror-<br />
chester nun auch Franz Joseph Haydn,<br />
dem «Vater der Klassik» ein Fest.<br />
Schwerpunkt sind Werke aus der Epo-<br />
che des «Sturm und Drang».<br />
Haydn ist das wohl am meisten un-<br />
terschätzte Kompositionsgenie der<br />
Musikgeschichte. Grund genug, diesem<br />
einmalig kreativen und mit unvergleich-<br />
lichem Humor ausgestatteten Gross-<br />
meister mit dem Haydn-Fest eine wür-<br />
dige Plattform zu geben. Franz Joseph<br />
Haydn wurde 1732 in Niederösterreich<br />
geboren und starb 1809 in Wien, be-<br />
rühmt und hochverehrt. Fast 30 Jahre<br />
seines Lebens, nämlich von 1761 bis 1790,<br />
stand er als Kapellmeister in Diensten<br />
der Fürsten Esterhazy und verbrachte die<br />
meiste Zeit auf Schloss Esterhazy nahe<br />
dem Neusiedler See. Diese für einen<br />
Komponisten einzigartige Situation, eine<br />
feste Anstellung, das heisst, eine für da-<br />
malige Verhältnisse gesicherte Existenz,<br />
ein «eigenes» Orchester sowie die relati-<br />
ve Isolierung von der Musikwelt, ermög-<br />
lichten es Haydn, seinen ganz individu-<br />
ellen Kompositionsstil zu entwickeln.<br />
Hauptcharakteristika von Haydns Musik<br />
sind Humor, Originalität, überraschen-<br />
de Effekte und vor allem seine bis zuletzt<br />
nicht ermüdende Innovationsfreude. Er<br />
war die «Vaterfigur» für die Komponisten<br />
der Wiener Klassik und wurde später<br />
etwas abfällig «Papa Haydn» genannt.<br />
Erst in den letzten Jahrzehnten erkann-<br />
te man wieder die ungeheure Leistung<br />
Haydns für die Musikgeschichte.<br />
Konzerte im ZKO-Haus<br />
Das Haydn-Fest beginnt im ZKO-Haus<br />
mit einem Extra-Konzert für die ganz<br />
Jungen: Thema «Eine Begegnung mit<br />
Maestro Haydn auf Schloss Esterhazy».<br />
Kindgerecht, spannend und humorvoll<br />
erzählt Howard Griffiths Geschichten aus<br />
Haydns Leben und stellt einige Sätze aus<br />
berühmten Sinfonien vor. In zwei weiteren<br />
Konzerten wird Haydn auch als Komponist<br />
von Kammermusik gewürdigt. Die intime<br />
Atmosphäre des modernen Saals im ZKO-<br />
Haus bietet hierzu den idealen Rahmen.<br />
Die beiden jungen Schweizer Pianisten<br />
Karl-Andreas Kolly und Benjamin Engeli<br />
spielen je drei Klaviersonaten aus op. 13.<br />
Das «Amar-Quartett» (vorgestellt in Sai-<br />
sonKlänge Mai <strong>2004</strong>) sorgte innerhalb<br />
kurzer Zeit für Furore und präsentiert am<br />
Haydn-Fest drei Streichquartette aus op.<br />
20 und op. 33.<br />
Erstklassige Solisten<br />
In zwei sinfonischen Konzerten kommt<br />
dann eine der grossen Stärken des ZKO<br />
zur Geltung, gehören doch die Werke<br />
von Haydn zum Kernbereich ihres Reper-<br />
toires. Zusammen mit Howard Griffiths<br />
und hochkarätigen Solisten, die Haydn<br />
nicht als Pf lichtübung verstehen, son-<br />
dern seine Werke mit grossem stilisti-<br />
schen Verständnis und emotionalem<br />
Engagement vermitteln können, inter-<br />
pretiert es vier Instrumental-Konzerte<br />
und vier Sinfonien. Isabelle van Keulen<br />
übernimmt den Solopart im Violinkon-<br />
zert G-Dur. Über die junge holländische<br />
Geigerin schrieb kürzlich der «Guar-<br />
dian»: «… Isabelle van Keulen schritt auf<br />
die Bühne, und spielte die beste Auffüh-<br />
rung des Werks (Bruch Violinkonzert<br />
Nr. 1), die ich je gehört habe. Van Keulen,<br />
die durchweg mit einem samtigen, sinn-<br />
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