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Ablehnung einer wissenschaftlichen Einförmigkeit aufgrund einer Denkweise und der Forderung nach einer Theorienvielfalt besteht (vgl. Feyerabend 1977, S. 53ff.). 14 2.5 Theorienvergleich in den Sozialwissenschaften und Selbstreflexion der Soziologie Ein zentrales Problem beim Vergleichen von soziologischen Theorien ist, was eigentlich verglichen werden soll. Dieses Problem entsteht dadurch, dass „[...] ‚Ansätze’ ein Konglomerat heterogener Elemente bilden, weshalb unklar bleibt was überhaupt verglichen werden soll. [!]“ (Wippler/Lindenberg 1978, S. 220). Da die Soziologie nicht „normal“ ist und damit prinzipiell kein klares Bild ihrer selbst existiert, gestaltet sich eine Lösung als besonders schwierig (Baecker 1990, S. 243). Wippler/Lindenberg (1978) beschreiben den bisherigen Theorienvergleich als den Übergang von einem begriffebasierenden zu einem auf theoretischen Ansätzen beruhenden zu einem hypothesenbasierenden Vergleich (vgl. Wippler/Lindenberg 1978, S. 231). Beim Vergleichen von theoretischen Begriffen und theoretischen Ansätzen stößt man zwangsläufig auf das von Kuhn erörterte „Problem der Inkommensurabilität“ (vgl. Kuhn 1979, S. 115). Eine soziologische Theorie beschreibt und erklärt soziale Phänomene bzw. Ereignisse mittels ihres eigenen Begriffssystems. Ein theoretischer Begriff in einer Theorie kann nur dann verstanden werden, wenn die zentralen Behauptungen der Theorie bekannt sind. Sofern die Bedeutung eines Begriffs durch seine Verwendung in der Theorie bestimmt wird, ist er nicht ohne weiteres zwischen Theorien übertragbar (z.B. „Handeln“ im Rahmen einer Verstehenden Soziologie des sozialen Handelns oder „Handeln“ im Rahmen der Systemtheorie). 15 Denn der Gegenstandsbereich einer Theorie wird durch die Begriffe festgelegt wie auch der Begriff durch eine theorieinterne Interpretation bestimmt wird (vgl. Giesen/Schmid 1978, S. 234). Eine geringfügige Modifikation der Theorie bringt daher einen Bedeutungswandel der Begriffe mit sich (vgl. Kuhn 1979, S. 115). Mitunter führt das dazu, dass die Vertreter verschiedener Paradigmen im Rahmen von Theoriedebatten aneinander vorbeireden (vgl. Bayertz 1981, S. 79). Ein Paradigma bestimmt, welche Forschungsfragen wissenschaftlich zu lösen sind und nach welchem „konstruierten Paradigma“ (Musterbeispiel) dies zu geschehen hat. Im Umkehrschluss gibt sie an, welche nicht lösbar und daher vernachlässigbar sind. Die Vertreter verwenden in Bezug auf die Problemdefinitionen, Lösungsnormen und die Sicht der Welt ihr 14 Paul Feyerabends Position stellt eine Forderung nach „Anarchie“ in der Wissenschaft dar mit dem Ziel der Erkenntniserweiterung. Damit wird ein ganz anderer Aspekt angesprochen als in der wissenschaftsgeschichtlichen Theorie Thomas S. Kuhns. 15 Niklas Luhmann will, so Kneer/Nassehi 1994, durch Begriffsverfremdung überhaupt gewährleisten, dass seine Systemtheorie verstanden werden kann (vgl. Kneer/Nassehi 1994, S. 14). 21
eigenes Paradigma als Maßstab zur Beurteilung von Theorien. Damit würde automatisch jede Theorie gleicher paradigmatischer Provenienz diesem Maßstab genügen, eine andere paradigmatische Herkunft wäre mit einem Scheitern verbunden. Denn: „Jede Gruppe verwendet ihr eigenes Paradigma zur Verteidigung eben dieses Paradigmas“ (Kuhn 1979, S. 106). Derartige Zirkelschlüsse zu überbrücken war ein wichtiges Ziel des sozialwissenschaftlichen Theorienvergleichs der 1970er Jahre. Anstoß dafür gaben der „Positivismusstreit“ (Popper 1969) und die „Luhmann-Habermas-Diskussion“ (Habermas/Luhmann 1971), deren Ziel in der Verständigung über das Verständnis von Soziologie und soziologischen Theorien lag (vgl. Matthes 1978, S. 7). Den Höhepunkt der Diskussion bildeten wahrscheinlich der 17. Deutsche Soziologentag 1974 in Kassel und der Bielefelder Soziologentag (1976). Im Anschluss an diese Tagungen wurden zahlreiche Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht, die jedoch nicht ausschließlich auf den vorangegangenen Kontroversen aufbauten (vgl. ebd.). Der von Karl Otto Hondrich und Joachim Matthes (1978) herausgegebene Sammelband „Theorienvergleich in den Sozialwissenschaften“ enthält eine Reihe von Publikationen, die sich mit dieser Thematik eingehend befassen. Darin fordert Matthes, dass „[...] jenseits aller Darstellungs- und Abgrenzungsstrategien, wie sie im Geschäft der Konkurrenz von ‚Theorieansätzen’ geläufig werden, nach Lösungsmöglichkeiten für gemeinsam definierbare Probleme Ausschau zu halten [ist, d. Verf.].“ (Matthes 1978, S. 9). Matthes spricht sich für einen problembezogenen Theorienvergleich aus auf der Ebene von Orientierungshypothesen von Theorien verschiedener paradigmatischer Herkunft. Dementsprechend analysiert bspw. Opp (1978) die Hypothesen der marxistischen und verhaltenstheoretischen Ansätze zum Problem „abweichendes Verhalten“ und setzt dabei die Hypothesenformulierungen und Operationalisierungen von Begriffen systematisch miteinander in Beziehung. Weitere Versuche bestehen darin, verschiedene Theorieansätze in eine umgreifende vergleichende Perspektive zu bringen. Hier wird sowohl deskriptiv als auch methodologisch vorgegangen. Ein deskriptiver Vergleich findet sich, so Giesen/ Schmid (1978), „[...] in der bloßen unverbindlichen Darstellung mehrerer Theorien, die gleichsam als ‚historiographische Fakten’ der soziologischen Theoriegeschichte präsentiert werden.“ (Giesen/ Schmid 1978, S. 178). Dazu zählen sie die Einreihung von Ansätzen in Theorietraditionen und die systematische Zuordnung von Theorien zu Paradigmen. Der methodologische Theorienvergleich selegiert zwischen den Theorien durch Kritik und methodologische Werturteile (vgl. ebd.). Wippler (1978) und Opp (1978) beurteilten die Theorien und ihre entsprechenden Orientierungshypothesen nach den Kriterien des Wahrheitswerts von Aussagen (d.h. Standhalten von Widerlegungsversuchen), dem Informationsgehalt (d.h. auf einen großen Objektbereich zu- 22
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Ablehnung einer wissenschaftlichen Einförmigkeit aufgrund einer Denkweise und der Forderung<br />
nach einer Theorienvielfalt besteht (vgl. Feyerabend 1977, S. 53ff.). 14<br />
2.5 Theorienvergleich in den Sozialwissenschaften und Selbstreflexion der<br />
Soziologie<br />
Ein zentrales Problem beim Vergleichen von soziologischen Theorien ist, was eigentlich<br />
verglichen werden soll. Dieses Problem entsteht dadurch, dass „[...] ‚Ansätze’ ein Konglomerat<br />
heterogener Elemente bilden, weshalb unklar bleibt was überhaupt verglichen werden soll.<br />
[!]“ (Wippler/Lindenberg 1978, S. 220). Da die Soziologie nicht „normal“ ist und damit prinzipiell<br />
kein klares Bild ihrer selbst existiert, gestaltet sich eine Lösung als besonders schwierig<br />
(Baecker 1990, S. 243).<br />
Wippler/Lindenberg (1978) beschreiben den bisherigen Theorienvergleich als den Übergang<br />
von einem begriffebasierenden zu einem auf theoretischen Ansätzen beruhenden zu einem<br />
hypothesenbasierenden Vergleich (vgl. Wippler/Lindenberg 1978, S. 231). Beim Vergleichen<br />
von theoretischen Begriffen und theoretischen Ansätzen stößt man zwangsläufig auf<br />
das von Kuhn erörterte „Problem der Inkommensurabilität“ (vgl. Kuhn 1979, S. 115). Eine<br />
soziologische Theorie beschreibt und erklärt soziale Phänomene bzw. Ereignisse mittels ihres<br />
eigenen Begriffssystems. Ein theoretischer Begriff in einer Theorie kann nur dann verstanden<br />
werden, wenn die zentralen Behauptungen der Theorie bekannt sind. Sofern die Bedeutung<br />
eines Begriffs durch seine Verwendung in der Theorie bestimmt wird, ist er nicht ohne weiteres<br />
zwischen Theorien übertragbar (z.B. „Handeln“ im Rahmen einer Verstehenden Soziologie<br />
des sozialen Handelns oder „Handeln“ im Rahmen der Systemtheorie). 15 Denn der Gegenstandsbereich<br />
einer Theorie wird durch die Begriffe festgelegt wie auch der Begriff durch<br />
eine theorieinterne Interpretation bestimmt wird (vgl. Giesen/Schmid 1978, S. 234). Eine geringfügige<br />
Modifikation der Theorie bringt daher einen Bedeutungswandel der Begriffe mit<br />
sich (vgl. Kuhn 1979, S. 115). Mitunter führt das dazu, dass die Vertreter verschiedener Paradigmen<br />
im Rahmen von Theoriedebatten aneinander vorbeireden (vgl. Bayertz 1981, S. 79).<br />
Ein Paradigma bestimmt, welche Forschungsfragen wissenschaftlich zu lösen sind und<br />
nach welchem „konstruierten Paradigma“ (Musterbeispiel) dies zu geschehen hat. Im Umkehrschluss<br />
gibt sie an, welche nicht lösbar und daher vernachlässigbar sind. Die Vertreter<br />
verwenden in Bezug auf die Problemdefinitionen, Lösungsnormen und die Sicht der Welt ihr<br />
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Paul Feyerabends Position stellt eine Forderung nach „Anarchie“ in der Wissenschaft dar mit dem Ziel der<br />
Erkenntniserweiterung. Damit wird ein ganz anderer Aspekt angesprochen als in der wissenschaftsgeschichtlichen<br />
Theorie Thomas S. Kuhns.<br />
15<br />
Niklas Luhmann will, so Kneer/Nassehi 1994, durch Begriffsverfremdung überhaupt gewährleisten, dass seine<br />
Systemtheorie verstanden werden kann (vgl. Kneer/Nassehi 1994, S. 14).<br />
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