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und den „Bayesianismus“, der die induktive Logik erneut aufgreift (vgl. Mittelstraß 1996b, S. 741f.). Der „Mainstream“ der modernen Wissenschaftstheorie war – zumindest bis 1980 - ausdrücklich analytisch ausgerichtet. D.h., Wissenschaft wird als ein System von logisch miteinander verbundenen Aussagen aufgefasst. Der Begründungszusammenhang einer Theorie wird dabei im Hinblick auf die formale Logik untersucht (vgl. ebd.; Bayertz 1981, S. 8). Die Logik ist die Lehre von der Folgerichtigkeit des Schließens. Die Folgerichtigkeit ist jedoch nicht von der inhaltlichen Bedeutung von Ausdrücken (graphische Zeichen) bzw. des Systems von Ausdrücken (die Sprache), sondern von ihrer syntaktischen Form abhängig. Die klassische Logik ist zweiwertig, kennt also nur die Werte „wahr“ und „falsch“ (Brinkmann 1989, S. 10ff.). Es gilt: „Eine Aussage kann nicht zugleich und unter derselben Rücksicht wahr und falsch sein“ (Brinkmann 1989, S. 12). Die beiden Werte sind innerhalb der Logik nicht definiert, sie gehören ihrer Metasprache an: der Semiotik. Daher ist es nicht Aufgabe der Logik festzustellen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist (vgl. ebd.). Ob sich eine formal-logische Untersuchung und Begründung von Hypothesen auf soziologische Theorien sämtlicher Paradigmen übertragen lässt, ist zweifelhaft. Die kritischen Wissenschaften (insbesondere der dialektische Materialismus) verbindet erkenntnis- und gesellschaftstheoretische Fragestellungen. Sie behaupten, dass die (gesellschaftliche) Wirklichkeit durch den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen gekennzeichnet ist und daher die Aussagen der Wissenschaft, die Teil dieser Wirklichkeit sind, Widersprüche enthalten müssen (vgl. ebd., S. 9). Diese Vorstellung ist mit der formalen Logik nicht vereinbar, zumal der Begriff „Widerspruch“ ein Teil ihrer Metasprache ist und in der Wirklichkeit selbst nicht existiert. Ähnliche Unvereinbarkeiten ergeben sich beim Neukantianismus und beim Konstruktivismus der „Erlanger Schule“, die ebenfalls an der Erkenntnis(kritik) ansetzen. 11 Der Neukantianismus und die sog. „Marburger Schule“ vertreten die Auffassung, dass Erkenntnis ein Erzeugnis ist. Erkenntnis ist eine „Synthese“ aus der (spontan) wahrgenommenen mannigfaltigen Wirklichkeit und der Erzeugung dieser Mannigfaltigkeit. D.h., wissenschaftliche Tatsachen wie auch die Wissenschaften selbst sind nichts anderes als eine Leistung der Vernunft. Daher konzentrieren sich der Neukantianismus und die „Marburger Schule“ auf die Begründung vorwissenschaftlicher Erkenntnis (vgl. Wenturis et al. 1992, S. 40f.). Der Konstruktivismus der „Erlanger Schule“ geht davon aus, dass wir nur das sicher wissen, was wir selbst 11 Nach Brinkmann (1989) ist die Wissenschaftstheorie ein Spezialfall der Erkenntnistheorie. D.h., die Erkenntnistheorie hat eine größere Reichweite als die Wissenschaftstheorie, da sie zusätzlich das Problem der Erkenntnis aufwirft (vgl. Brinkmann 1989, S. 8). 17

konstruieren können. Daher können Axiome und gesicherte Entscheidungen erst dann begründet werden, wenn das dahinter stehende Konstruktionsprinzip befolgt wird. Die „Erlanger Schule“ besitzt ihre eigene „Orthosprache“, eine konstruktive Logik und Ethik, die festlegen, wie Behauptungen aufgrund ihrer Form in Dialogen zu verteidigen und wissenschaftliche Sätze zu begründen sind (vgl. Wenturis et al. 1992, S. 309). Eine empirisch-analytisch ausgerichtete Wissenschaftstheorie fordert darüber hinaus die intersubjektive Nachprüfbarkeit von Erkenntnissen bzw. Aussagen (Objektivität) auf empirischem Wege. Daraus ergibt sich folgende Problematik: Erstens können die Orientierungshypothesen der soziologischen Theorien empirisch nicht bewiesen werden. Zweitens leugnen die idealistischen und relativistischen Erkenntnistheorien 12 , die einigen soziologischen Theorien zugrunde liegen, die Möglichkeit von Beweisbarkeit und Objektivität (vgl. Brinkmann 1989, S. 8f.). Darüber hinaus lässt die Wissenschaftstheorie viele Fragen unbeantwortet: Welche Auswirkungen hat eine Wissenschaft auf die Lebensbedingungen von Menschen? Welche Wechselbeziehung besteht zwischen der Wissenschaft und anderen Formen ideeller Betätigung der Menschen? Welche Rolle spielt die Institutionalisierung einer wissenschaftlichen Disziplin für die Entwicklung dieser Disziplin? (vgl. Bayertz 1981, S. 8). 2.4.2 Die institutionalistische Wissenschaftssoziologie Die Wissenschaftssoziologie beschäftigt sich mit den sozialen Prozessen wissenschaftlicher Erkenntnis (vgl. Knoblauch 2005, S. 233). Sie nimmt gegenüber der analytischen Wissenschaftstheorie eine eher „externalistische Interpretation“ (ebd.) von Theorien vor, wonach gesellschaftliche und wissenschaftsstrukturelle Gründe für die Wissenschaftsentwicklung ausschlaggebend sind. Die Wissenschaftssoziologie erlangte durch die funktionalistischen Konzeptionen Robert K. Mertons an Bedeutung (vgl. ebd.; Hesse et al. 1994, S. 225). An dieser Stelle soll der institutionalistische Zweig der Wissenschaftssoziologie kurz angeschnitten werden: Dieser Zweig geht auf die „korrelative Wissenssoziologie“ Robert K. Mertons zurück. Es wird gefragt, wie geistige Prozesse (Denkkategorien) und Gehalte und soziale Prozesse und Strukturen aufeinander bezogen sind (vgl. Knoblauch 2005, S. 126). Im Vordergrund steht eine „korrelationistische“ Betrachtung der Wechselbeziehung zwischen einer Wissenschaft und den verschiedenen gesellschaftlichen Institutionsbereichen (z.B. Wirtschaft, Politik und Religion). Die Soziologie ist nach dieser Auffassung mit politischen Programmen oder mit 12 Dazu können auch der Neukantianismus, die „Marburger Schule“ und der Konstruktivismus gezählt werden. 18

und den „Bayesianismus“, der die induktive Logik erneut aufgreift (vgl. Mittelstraß 1996b, S.<br />

741f.).<br />

Der „Mainstream“ der modernen Wissenschaftstheorie war – zumindest bis 1980 - ausdrücklich<br />

analytisch ausgerichtet. D.h., Wissenschaft wird als ein System von logisch miteinander<br />

verbundenen Aussagen aufgefasst. Der Begründungszusammenhang einer Theorie wird<br />

dabei im Hinblick auf die formale Logik untersucht (vgl. ebd.; Bayertz 1981, S. 8). Die Logik<br />

ist die Lehre von der Folgerichtigkeit des Schließens. Die Folgerichtigkeit ist jedoch nicht von<br />

der inhaltlichen Bedeutung von Ausdrücken (graphische Zeichen) bzw. des Systems von<br />

Ausdrücken (die Sprache), sondern von ihrer syntaktischen Form abhängig. Die klassische<br />

Logik ist zweiwertig, kennt also nur die Werte „wahr“ und „falsch“ (Brinkmann 1989, S.<br />

10ff.). Es gilt: „Eine Aussage kann nicht zugleich und unter derselben Rücksicht wahr und<br />

falsch sein“ (Brinkmann 1989, S. 12). Die beiden Werte sind innerhalb der Logik nicht definiert,<br />

sie gehören ihrer Metasprache an: der Semiotik. Daher ist es nicht Aufgabe der Logik<br />

festzustellen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist (vgl. ebd.).<br />

Ob sich eine formal-logische Untersuchung und Begründung von Hypothesen auf soziologische<br />

Theorien sämtlicher Paradigmen übertragen lässt, ist zweifelhaft. Die kritischen Wissenschaften<br />

(insbesondere der dialektische Materialismus) verbindet erkenntnis- und gesellschaftstheoretische<br />

Fragestellungen. Sie behaupten, dass die (gesellschaftliche) Wirklichkeit<br />

durch den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen gekennzeichnet<br />

ist und daher die Aussagen der Wissenschaft, die Teil dieser Wirklichkeit sind, Widersprüche<br />

enthalten müssen (vgl. ebd., S. 9). Diese Vorstellung ist mit der formalen Logik<br />

nicht vereinbar, zumal der Begriff „Widerspruch“ ein Teil ihrer Metasprache ist und in der<br />

Wirklichkeit selbst nicht existiert.<br />

Ähnliche Unvereinbarkeiten ergeben sich beim Neukantianismus und beim Konstruktivismus<br />

der „Erlanger Schule“, die ebenfalls an der Erkenntnis(kritik) ansetzen. 11 Der Neukantianismus<br />

und die sog. „Marburger Schule“ vertreten die Auffassung, dass Erkenntnis ein Erzeugnis<br />

ist. Erkenntnis ist eine „Synthese“ aus der (spontan) wahrgenommenen mannigfaltigen<br />

Wirklichkeit und der Erzeugung dieser Mannigfaltigkeit. D.h., wissenschaftliche Tatsachen<br />

wie auch die Wissenschaften selbst sind nichts anderes als eine Leistung der Vernunft.<br />

Daher konzentrieren sich der Neukantianismus und die „Marburger Schule“ auf die Begründung<br />

vorwissenschaftlicher Erkenntnis (vgl. Wenturis et al. 1992, S. 40f.). Der Konstruktivismus<br />

der „Erlanger Schule“ geht davon aus, dass wir nur das sicher wissen, was wir selbst<br />

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Nach Brinkmann (1989) ist die Wissenschaftstheorie ein Spezialfall der Erkenntnistheorie. D.h., die Erkenntnistheorie<br />

hat eine größere Reichweite als die Wissenschaftstheorie, da sie zusätzlich das Problem der Erkenntnis<br />

aufwirft (vgl. Brinkmann 1989, S. 8).<br />

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