Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg
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Ein Telos, ein Gesetz der Entwicklung, wie auch Gesetzmäßigkeiten und Vorstellungen,<br />
wie sich sozialer Wandel vollziehen könnte, sind mit dieser Annahme nicht vereinbar, weil in<br />
jedem Moment neu entschieden werden muss. 150<br />
Jedes System kann in seiner Umwelt andere Systeme beobachten, dazu muss es zuerst eine<br />
Unterscheidung vornehmen. Wenn die Umwelt tiefenscharf aufgenommen werden kann,<br />
„[…] verfügt das System, von dem wir ausgehen, über die Fähigkeit zu verstehen, kann es die<br />
Systeme in seiner Umwelt aus deren Umwelt begreifen. […] Dann erscheint dem System<br />
seine Umwelt als differenziert in verschiedene System/Umwelt-Perspektiven, die sich wechselseitig<br />
überschneiden und insofern insgesamt die Einheit der Umwelt repräsentieren.“ [Hervorheb.<br />
i. Orig.] (Luhmann 1994 [1984], S. 256f.).<br />
Daher kann auch die Systemtheorie den sozialen Wandel beobachten und ihn in seiner<br />
Umwelt aus dessen Umwelt begreifen: Luhmanns These ist, dass soziale Systeme durch Ausdifferenzierung<br />
(„Systemdifferenzierung“) entstehen. Ausgangspunkt der Systemdifferenzierung<br />
sind neue Unterscheidungen von System – Umwelt innerhalb eines Systems. „Durch<br />
Systemdifferenzierung multipliziert sich gewissermaßen das System in sich selbst durch immer<br />
neue Unterscheidungen von Systemen und Umwelten im System.“ (Luhmann 1999b<br />
[1997], S. 598). Vom Standpunkt der „doppelten Kontingenz“ ist jeder Wandel zufällig, aber<br />
nicht beliebig. Da aber die Systemtheorie auf Basis von Differenzen beobachten kann, kann<br />
sie auch den sozialen Wandel aus ihrer Sicht erfassen. ** Haferkamp/Schmid 1987, S. 30.<br />
V5 – Bewertung des sozialen Wandels: V5.4*<br />
Zur Relevanz des Diskussionsthemas „Ökologische Probleme“ merkt Luhmann an, dass die<br />
Soziologie „[…] für eine bestimmte Systemreferenz zuständig [ist, d. Verf.], für das Gesellschaftssystem<br />
und dessen Umwelt. […] Ihr Thema ist die Gesellschaft und alles andere, sofern<br />
es von der Gesellschaft aus gesehen Umwelt ist.“ [Hervorheb. i. Orig.] (Luhmann 1999a<br />
[1997], S. 129). Der Klassiker bestreitet nicht, dass ökologische Probleme Systemoperationen,<br />
sofern eine „strukturelle Kopplung“ besteht, kausal verändern können. Allerdings hat<br />
diese Umweltkausalität die Bedingungen der Selektion weiterer Operationen im sozialen System<br />
nicht gravierend verändert, denn über ökologische Probleme kann im Kommunikationssystem<br />
Gesellschaft kommuniziert werden (vgl. ebd.).<br />
150 Der Klassiker nennt folgendes Beispiel: „ ‚Ich mag gar keinen Pflaumenkuchen’ erklärt der Mann seiner<br />
überraschten Frau an seinem 57. Geburstag im 31. Jahre seiner Ehe, und dann muß die Frage des Geburtstagskuchens<br />
neu entschieden werden. Wenn nicht zugleich Geburtstag und Kuchen, eheliches Leben und Redlichkeit<br />
ihren Sinn verlieren, kann die Struktur sinnvoll geändert werden.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 474).<br />
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