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Selbstbeobachtung, hat ihren „blinden Fleck“. Es gibt daher kein soziales und psychisches System (und dies gilt auch für das Wissenschaftssystem), das sich von anderen durch eine höhere Reflexionsstufe auszeichnet (vgl. ebd.). Die Frage nach der sozialen Ordnung beantwortet der Klassiker, indem er das Problem doppelter Kontingenz radikalisiert: „Wenn jeder kontingent handelt, also jeder auch anders handeln kann und jeder dies von sich selbst und den anderen weiß und in Rechnung stellt, ist es zunächst unwahrscheinlich, daß eigenes Handeln überhaupt Anknüpfungspunkte (und damit: Sinngebung) im Handeln anderer findet;“ (Luhmann 1994 [1984], S. 165). Übertragen auf das Problem sozialer Ordnung geht Luhmann zunächst von deren Unmöglichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit aus, d.h., die Selbstverständlichkeit der sozialen Ordnung wird in Frage gestellt. 149 Erst in einem zweiten Schritt stellt er fest, dass das Problem der doppelten Kontingenz offensichtlich „sich selbst löst“, also „[…] das Auftreten des Problems einen Prozeß der Problemlösung in Gang setzt.“ (ebd., S. 166). Die Möglichkeit von sozialer Ordnung könnte, so Luhmann, ihre Keimzelle in folgendem selbstreferentiellen Zirkel finden: „Ich tue, was Du willst, wenn Du tust, was ich will.“ (ebd.). Dieser Zirkel birgt zwar die Möglichkeit sozialer Ordnung, aber er impliziert eine „[…] extrem instabile Kernstruktur, die sofort zerfällt, wenn nichts weiter geschieht.“ (ebd., S. 167). Daraus muss folgen, dass soziale Systeme grundsätzlich auf Instabilität gründen (vgl. ebd.). Charakterisierung der theoretischen Positionen Gesellschaft (I) V1 –Perspektive und Auffassung von Gesellschaft: V1.3 Luhmann versteht unter der „Gesellschaft“ das Sozialsystem, das alle Interaktions- und Organisationssysteme umfasst. Dieses Sozialsystem ist ein System einer höheren Ordnung (vgl. Kneer/Nassehi 1994, S. 43). Eine Grundvoraussetzung für die Lösung des Problems der sozialen Ordnung ist überhaupt, dass mindestens zwei Systeme in einen Austausch miteinander treten, die bestimmte neuronale, organische und psychische Zustände ermöglichen. Das Ereignis des sozialen Systems ist die „Kommunikation“, die Struktur ist der „Sinn“. Sinn ist aber auch ein struktureller Moment des psychischen Systems. Psychische und soziale Systeme reduzieren Komplexität auf der Grundlage von Sinn. Sinn ist das fortlaufende Aktualisieren von Ereignissen (Kommunikation). Luhmanns Analyse des Sozialsystems setzt am 149 Luhmann ist sich hier der Nähe zur Ethnomethodologie durchaus bewusst (vgl. Luhmann 1994 [1984], S. 165, Fußnote 23). 205
Sinn und an der Kommunikation an. Damit erfasst er gleichzeitig auch sämtliche Interaktionsund Organisationssysteme. V2 – Problematisierung der Ebenen: V2.4 Luhmanns Soziologie charakterisiert sich durch das Denken in Differenzen. Denn erst dadurch werden Beobachten und Bezeichnen möglich. Die Systemtheorie beobachtet andere Systeme beim Beobachten (Beobachtung zweiter Ordnung). Sie beobachtet auch das Mehrebenenmodell, indem sie mittels einer weiteren Differenzierung die Unterscheidung von Ebenen und Nicht-Ebenen unterscheiden kann. Luhmann bewegt sich also auf einer abstrakten systemtheoretischen Ebene. Diese Vermutung könnte durch folgendes Zitat Luhmanns bestätigt werden: „Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt. Sie beginnen also nicht mit einem erkenntnistheoretischen Zweifel. Sie beziehen auch nicht die Rückzugsposition einer ‚lediglich analytischen Relevanz’ der Systemtheorie. Erst recht soll die Engstinterpretation der Systemtheorie als eine bloße Methode der Wirklichkeitsanalyse vermieden werden.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 30). V3 – Verlauf des sozialen Wandels: V3.1 Von sozialem Wandel bzw. Änderung kann, so Luhmann, nur in Bezug auf Strukturen von sozialen Systemen gesprochen werden. „Ereignisse können sich nicht ändern, weil zwischen ihrem Entstehen und Vergehen keine Dauer besteht, in der etwas ‚Ereignishaftes’ besteht, was trotz Änderung kontinuieren könnte.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 472). Der Klassiker betont, dass ein Strukturwandel „situativ überzeugen muss“ (ebd., S. 476), damit das System überhaupt weiter existieren kann. Änderungen ergeben sich demnach jeden Moment oder auch nicht, daher kann über den Verlauf des sozialen Wandels nichts gesagt werden. Einige Autoren betonen jedoch, dass Luhmann die Entwicklung sozialer Systeme innerhalb seiner Theorie des Gesellschaftssystems unter dem Aspekt der „Evolution“ diskutiert (Evolutionstheorie): „ein gerichteter Prozeß gesteigerter Umweltkontrolle durch interne Differenzierung“ (Haferkamp/Schmid 1987, S. 32). So auch: Stichweh 1999, S. 220. V4 – Gesetzmäßigkeiten des sozialen Wandels: V4.2***; V4.3** In den letzten Unterkapiteln wurde der Begriff der „Kontingenz“ mehrmals genannt. Könnte Luhmann sozialen Wandel als kontingent charakterisieren? „Da ein soziales System (wie viele andere temporalisierte Systeme, wie alles Leben überhaupt) aus ereignishaften Elementen besteht, steht es in jedem Moment vor der Alternative: Aufhören oder Weitermachen. Die ‚Substanz’ verschwindet sozusagen kontinuierlich und muß mit Hilfe der Strukturmuster reproduziert werden.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 474). 206
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Sinn und an der Kommunikation an. Damit erfasst er gleichzeitig auch sämtliche Interaktionsund<br />
Organisationssysteme.<br />
V2 – Problematisierung der Ebenen: V2.4<br />
Luhmanns Soziologie charakterisiert sich durch das Denken in Differenzen. Denn erst dadurch<br />
werden Beobachten und Bezeichnen möglich. Die Systemtheorie beobachtet andere<br />
Systeme beim Beobachten (Beobachtung zweiter Ordnung). Sie beobachtet auch das Mehrebenenmodell,<br />
indem sie mittels einer weiteren Differenzierung die Unterscheidung von Ebenen<br />
und Nicht-Ebenen unterscheiden kann.<br />
Luhmann bewegt sich also auf einer abstrakten systemtheoretischen Ebene. Diese Vermutung<br />
könnte durch folgendes Zitat Luhmanns bestätigt werden:<br />
„Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt. Sie beginnen also nicht mit einem erkenntnistheoretischen<br />
Zweifel. Sie beziehen auch nicht die Rückzugsposition einer ‚lediglich analytischen Relevanz’<br />
der Systemtheorie. Erst recht soll die Engstinterpretation der Systemtheorie als eine bloße Methode der<br />
Wirklichkeitsanalyse vermieden werden.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 30).<br />
V3 – Verlauf des sozialen Wandels: V3.1<br />
Von sozialem Wandel bzw. Änderung kann, so Luhmann, nur in Bezug auf Strukturen von<br />
sozialen Systemen gesprochen werden.<br />
„Ereignisse können sich nicht ändern, weil zwischen ihrem Entstehen und Vergehen keine Dauer besteht, in<br />
der etwas ‚Ereignishaftes’ besteht, was trotz Änderung kontinuieren könnte.“ (Luhmann 1994 [1984], S. 472).<br />
Der Klassiker betont, dass ein Strukturwandel „situativ überzeugen muss“ (ebd., S. 476),<br />
damit das System überhaupt weiter existieren kann. Änderungen ergeben sich demnach jeden<br />
Moment oder auch nicht, daher kann über den Verlauf des sozialen Wandels nichts gesagt<br />
werden.<br />
Einige Autoren betonen jedoch, dass Luhmann die Entwicklung sozialer Systeme innerhalb<br />
seiner Theorie des Gesellschaftssystems unter dem Aspekt der „Evolution“ diskutiert (Evolutionstheorie):<br />
„ein gerichteter Prozeß gesteigerter Umweltkontrolle durch interne Differenzierung“<br />
(Haferkamp/Schmid 1987, S. 32). So auch: Stichweh 1999, S. 220.<br />
V4 – Gesetzmäßigkeiten des sozialen Wandels: V4.2***; V4.3**<br />
In den letzten Unterkapiteln wurde der Begriff der „Kontingenz“ mehrmals genannt. Könnte<br />
Luhmann sozialen Wandel als kontingent charakterisieren?<br />
„Da ein soziales System (wie viele andere temporalisierte Systeme, wie alles Leben überhaupt) aus ereignishaften<br />
Elementen besteht, steht es in jedem Moment vor der Alternative: Aufhören oder Weitermachen. Die<br />
‚Substanz’ verschwindet sozusagen kontinuierlich und muß mit Hilfe der Strukturmuster reproduziert werden.“<br />
(Luhmann 1994 [1984], S. 474).<br />
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