Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg
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Der Klassiker kritisiert den Objektivismus, weil dieser die Wahrnehmung, das Denken und<br />
Handeln des Individuums untergräbt (vgl. Schwingel 2000, S. 44). Der „Habitus“ repräsentiert<br />
die Dispositionen eines Individuums und ist gleichsam in seinem Körper eingeschrieben.<br />
Der Habitus bestimmt nicht inhaltlich, welche alltäglichen „Praktiken“ (Wahrnehmung, Denken<br />
und Handeln) ausgeführt werden, sondern die Art und Weise der Durchführung (z.B. wie<br />
eine Person ein Kunstgemälde wahrnimmt und darauf reagiert, wie es darüber denkt). Damit<br />
ist aber nicht gemeint, dass der Habitus die Praktiken eines Individuums durchwegs determiniert.<br />
Er wirkt vielmehr „praxisanleitend“: dem Individuum wird innerhalb eines durch den<br />
Habitus vorgegebenen Kontinuums Handlungsfreiheit zugestanden (vgl. Bohn/Hahn 1999, S.<br />
259).<br />
Andererseits dürfte dieser Freiraum nicht allzu groß sein: Erstens ist das „Erzeugungsprinzip<br />
des Habitus“ nicht so zu verstehen, dass Individuen gesellschaftliche Strukturen schaffen,<br />
die sich in einem zweiten Schritt verselbständigen. Es sind vielmehr die Wahrnehmungs-,<br />
Denk- und Handlungsschemata einer sozialen Klasse, die die externen, objektiven Strukturen<br />
generieren (vgl. Bourdieu 1997 [1979], S.382ff.). Zweitens dürfte der Klassiker den Individuen<br />
keine wirkliche Autonomie zugestehen, weil er gerade mit dem Begriff des „Habitus“ ausdrückt,<br />
dass sämtliche Schemata dem Individuum von außen erst eingeschrieben werden müssen,<br />
bevor es in der Praxis bestehen kann. So auch: Schwingel 2000, S. 34; Fuchs-Heinritz<br />
2003, S. 223f.<br />
Wissenschaftsforschung (III)<br />
V8 – Entdeckungszusammenhang: V8.2<br />
Zu Beginn von Bourdieus soziologischem Schaffen steht die Auseinandersetzung mit dem<br />
Subjektivismus und Objektivismus. Ein wichtiges Forschungsmotiv beim Übergang von der<br />
Ethnologie zur Soziologie könnte daher die Konzeption einer Synthese dieser beiden theoretischen<br />
Richtungen gewesen sein. Sein Interesse für bestimmte soziologische Themen wie das<br />
praktische Wissen, der Geschmack, die Wahrnehmung von sozialen Gruppen bildete ebenfalls<br />
ein wichtiges Motiv. Für Bourdieu war es wichtig, sich auf die Ethnologie einer Gesellschaft<br />
und damit auf ethnologische Fragestellungen und Themen einzulassen (vgl. Bohn/Hahn 1999,<br />
S. 253). Da Bourdieu seine Theorie der Praxis erst im Rahmen seiner empirischen Untersuchungen<br />
zu diesen Themen entwickelt hat, deutet die Verfasserin das Interesse an Frage- und<br />
Themenstellungen als ein wichtiges Forschungsmotiv. 141<br />
141 Angesichts Bourdieus Kritik an intellektuellen „Weltverbesserern“ könnte auch das Motiv der Gesellschaftskritik<br />
vermutet werden. Der Klassiker grenzt sich jedoch anfangs von den „Weltverbesserern“ ab, indem er die<br />
199