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In „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1988) [1981] geht Habermas der wissenschaftlichen Begründung von Rationalität, genauer von „kommunikativer Rationalität“ nach. In der Theorie stehen mehrere Handlungsbegriffe sowie deren Zusammenhang mit den Begriffen „System“ und „Lebenswelt“ im Vordergrund. Diese kreisen um die Begriffe der „Vernunft“ oder „Rationalität“ und „Diskurs“, die der Klassiker bereits in früheren Publikationen 118 anthropologisch, geschichtlich und systemisch hergeleitet hat: „Vernunft“ 119 ist eine Fähigkeit des Menschen, die in seiner gattungsspezifischen Kompetenz, sich mittels Sprache verständigen zu können, begründet ist (vgl. Habermas 1976, S. 175f.; Gripp 1984, S. 39). Der linguistische Terminus „Kompetenz“, den Habermas von Noam Chomsky übernommen hat, meint die Fähigkeit zur Bildung eines grammatikalisch korrekt strukturierten Satzes (vgl. Gripp 1984, S. 39). Vereinfacht gesagt: weil der Mensch die Disposition zum Sprechen hat, ist er imstande, vernünftig zu sein (vgl. Habermas 1988a [1981], S. 44). Der Klassiker bezieht sich hier konkret auf die Anwendung dieser Sprachkompetenz in sozialen Situationen („Performanz“), d.h., es geht ihm um die kommunikative Verständigung 120 , die in einem sozialen, extra-verbalen Kontext (z.B. der Kaffeeklatsch) stattfindet (vgl. Gripp 1984, S. 40f.). 121 In Bezug auf die kommunikative Verständigung unterscheidet Habermas analytisch zwischen dem „kommunikativen Handeln“ als Sprechhandlung 122 , das in den extra-verbalen Kontext eingebunden ist, und dem „Diskurs“ als Interaktionssituation, in dem „[…] nur sprachliche Äußerungen thematisch zugelassen [sind, d. Verf.]“ (Habermas 1971, S. 115). Im Gegensatz zum kommunikativen Handeln, in dem Sinnzusammenhänge von den Kommunikanten unkritisch vorausgesetzt werden, sind im Rahmen des Diskurses eben diese Zusammenhänge Gegenstand der Diskussion (vgl. ebd., S. 116f.). Die Qualität eines rationalen Diskurses kommt dieser Diskussion zu, wenn sie herrschaftsfrei ist. D.h. kurz gesagt: erstens müssen alle Kommunikanten die gleichen Chancen zur Mitteilung ihrer Anliegen haben, zweitens bestimmen allein die besseren Argumente den Ausgang des Diskurses und drittens zielt dieser auf eine Einigung zwischen den Kommunikanten ab (vgl. ebd., S. 120ff.). Der Klassiker weist darauf hin, dass diese Diskursbedingungen, die wichtige Merkmale einer 118 Darunter in: Habermas/Luhmann (1971) und Apel (1976). 119 Den Begriff der „Vernunft“ verwendet Habermas normativ und lehnt sich damit am deutschen Idealismus von I. Kant an. 120 Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer kommunikativen Verständigung sieht Habermas, ähnlich wie A. Schütz, in der Idealisierung von Sprechsituationen durch die Kommunikanten. 121 Bei jeder kommunikativen Verständigung müssen sich, so Habermas, Sprecher und Hörer auf die Ebene der Intersubjektivität und auf die inhaltliche Ebene begeben. Auf der ersten Ebene sprechen die beiden miteinander, auf der zweiten sprechen sie über etwas (vgl. Habermas 1971, S. 105). 122 Sprechhandlungen sind Handlungen, die vollzogen werden, indem gesprochen wird (vgl. Gripp 1984, S. 46). 183
„kommunikativen Rationalität“ bilden, grundsätzlich in jeder zwischenmenschlichen Kommunikation realisierbar sind (vgl. Mikl-Horke 2001, S. 314; Van Reijen 1984, S. 170). Habermas stellt die Hypothese auf, dass „Rationalität“ aufgrund eines Wandels wichtiger gesellschaftlicher Steuerungs- und Legitimationsmechanismen (darunter vor allem in der Ökonomie, Politik und im Recht) im Laufe der Geschichte einerseits wichtiger, andererseits aber selbst vom Prozess sozialer Differenzierung ergriffen wurde. D.h., das politische und rechtliche System der modernen Gesellschaft ist nicht mehr an mythischen Weltbildern orientiert, sondern weist eine starke rationale Handlungsorientierung auf (vgl. Habermas 1988a [1981], S. 73). Mit der Ausdifferenzierung menschlicher Erfahrungshorizonte in die „Weltbezüge“: Soziales, Individuelles und Natur folgte auch die Trennung der ursprünglich einheitlichen Handlungssphäre 123 in ein instrumentales/zweckrationales 124 und kommunikatives Handeln, die schließlich eine Ausdifferenzierung der „Rationalität“ in eine instrumentale und eine auf Verständigung ausgerichtete Dimension bewirkte (vgl. Van Reijen 1984, S. 171). Der Begriff „Lebenswelt“ subsumiert die Werte und Normen einer Gesellschaft, die das Ergebnis früherer Verständigungsleistungen darstellen und die sprachlich vermittelten Interaktionen zwischen Individuen und sozialen Gebilden anleiten (vgl. Preglau 2001, S. 203). Die „Lebenswelt“ bildet sozusagen den institutionellen Rahmen der Gesellschaft, in dem Kommunikation stattfindet (Habermas 1968 zit. nach Gripp 1984, S. 24; Preglau 2001, S. 203). Unter „System“ versteht der Klassiker „technisch fortschreitende Systeme“ (Habermas 1968 zit. nach Gripp 1984, S. 24), z.B. politische und ökonomische Systeme; diese sind in die „Lebenswelt“ eingebettet. Während die „Lebenswelt“ das kommunikative Handeln als dominierenden Handlungstypus aufweist, ist dies im „System“ das instrumentale/zweckrationale Handeln (vgl. Gripp 1984, S. 23f.). Als „Gesellschaft“ dürfte Habermas den Zusammenhang zwischen diesen Kategorien bezeichnen. Der Klassiker geht davon aus, dass sich „Lebenswelt“ und „System“ im Zuge des beschriebenen gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses gebildet haben. „System und Lebenswelt differenzieren sich, indem die Komplexität des einen [= das System, d. Verf.] und die Rationalität der anderen [= die Lebenswelt, d. Verf.] wächst, nicht nur jeweils als System und als Lebenswelt – beide differenzieren sich gleichzeitig auch voneinander. […] Auf dieser Analyseebene [der Entwicklung von segmentären zu differenzierten Gesellschaften, d. Verf.] bildet sich die Entkoppelung von System und Lebenswelt 123 Diese als einheitlich angenommene Denk- und Handlungssphäre umfasste sowohl Tatsachenwissen als auch moralisches Wissen. Das Wissen über die Beschaffenheit von Sachverhalten war demnach mit den moralischen Maximen der Gesellschaft gleichsam verschmolzen (vgl. Van Reijen 1984, S. 171). 124 Das instrumentale oder zweckrationale Handeln ist mit dem Handlungstypus des zweckrationalen Handelns bei M. Weber weitestgehend identisch, allerdings betont Habermas darüber hinaus die Ausrichtung dieses Typs auf technische Regeln und auf empirisches Wissen. Es ist grundlegend „monologisch“, da der dem instrumentalen Handeln zugrunde gelegte Handlungsplan nicht auf das Handeln anderer Akteure orientiert ist (vgl. Preglau 2001, S. 202). 184
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„kommunikativen Rationalität“ bilden, grundsätzlich in jeder zwischenmenschlichen Kommunikation<br />
realisierbar sind (vgl. Mikl-Horke 2001, S. 314; Van Reijen 1984, S. 170).<br />
Habermas stellt die Hypothese auf, dass „Rationalität“ aufgrund eines Wandels wichtiger<br />
gesellschaftlicher Steuerungs- und Legitimationsmechanismen (darunter vor allem in der Ökonomie,<br />
Politik und im Recht) im Laufe der Geschichte einerseits wichtiger, andererseits<br />
aber selbst vom Prozess sozialer Differenzierung ergriffen wurde. D.h., das politische und<br />
rechtliche System der modernen Gesellschaft ist nicht mehr an mythischen Weltbildern orientiert,<br />
sondern weist eine starke rationale Handlungsorientierung auf (vgl. Habermas 1988a<br />
[1981], S. 73). Mit der Ausdifferenzierung menschlicher Erfahrungshorizonte in die „Weltbezüge“:<br />
Soziales, Individuelles und Natur folgte auch die Trennung der ursprünglich einheitlichen<br />
Handlungssphäre 123 in ein instrumentales/zweckrationales 124 und kommunikatives Handeln,<br />
die schließlich eine Ausdifferenzierung der „Rationalität“ in eine instrumentale und eine<br />
auf Verständigung ausgerichtete Dimension bewirkte (vgl. Van Reijen 1984, S. 171).<br />
Der Begriff „Lebenswelt“ subsumiert die Werte und Normen einer Gesellschaft, die das<br />
Ergebnis früherer Verständigungsleistungen darstellen und die sprachlich vermittelten Interaktionen<br />
zwischen Individuen und sozialen Gebilden anleiten (vgl. Preglau 2001, S. 203). Die<br />
„Lebenswelt“ bildet sozusagen den institutionellen Rahmen der Gesellschaft, in dem Kommunikation<br />
stattfindet (Habermas 1968 zit. nach Gripp 1984, S. 24; Preglau 2001, S. 203).<br />
Unter „System“ versteht der Klassiker „technisch fortschreitende Systeme“ (Habermas 1968<br />
zit. nach Gripp 1984, S. 24), z.B. politische und ökonomische Systeme; diese sind in die „Lebenswelt“<br />
eingebettet. Während die „Lebenswelt“ das kommunikative Handeln als dominierenden<br />
Handlungstypus aufweist, ist dies im „System“ das instrumentale/zweckrationale Handeln<br />
(vgl. Gripp 1984, S. 23f.). Als „Gesellschaft“ dürfte Habermas den Zusammenhang zwischen<br />
diesen Kategorien bezeichnen.<br />
Der Klassiker geht davon aus, dass sich „Lebenswelt“ und „System“ im Zuge des beschriebenen<br />
gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses gebildet haben.<br />
„System und Lebenswelt differenzieren sich, indem die Komplexität des einen [= das System, d. Verf.] und<br />
die Rationalität der anderen [= die Lebenswelt, d. Verf.] wächst, nicht nur jeweils als System und als Lebenswelt<br />
– beide differenzieren sich gleichzeitig auch voneinander. […] Auf dieser Analyseebene [der Entwicklung von<br />
segmentären zu differenzierten Gesellschaften, d. Verf.] bildet sich die Entkoppelung von System und Lebenswelt<br />
123 Diese als einheitlich angenommene Denk- und Handlungssphäre umfasste sowohl Tatsachenwissen als auch<br />
moralisches Wissen. Das Wissen über die Beschaffenheit von Sachverhalten war demnach mit den moralischen<br />
Maximen der Gesellschaft gleichsam verschmolzen (vgl. Van Reijen 1984, S. 171).<br />
124 Das instrumentale oder zweckrationale Handeln ist mit dem Handlungstypus des zweckrationalen Handelns<br />
bei M. Weber weitestgehend identisch, allerdings betont Habermas darüber hinaus die Ausrichtung dieses<br />
Typs auf technische Regeln und auf empirisches Wissen. Es ist grundlegend „monologisch“, da der dem instrumentalen<br />
Handeln zugrunde gelegte Handlungsplan nicht auf das Handeln anderer Akteure orientiert ist<br />
(vgl. Preglau 2001, S. 202).<br />
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