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ein kritischen Variante ist sie aufklärerisch „negativ“ (Genaueres dazu siehe S. 157). Einem „traditionellen Theorieverständnis“ entgegengesetzt, das sich auf soziale Phänomene und Ereignisse bezieht, erfasst die „kritische Theorie“ das durch die gesellschaftliche (Herrschafts- )Praxis bestimmte „Wesen“ der Gesellschaft (vgl. Horkheimer 1968, zit. nach Wulf 1977, S. 142). Die kritische Wissenschaft unterscheidet sich von den beiden anderen Wissenschaften durch eine gesellschaftlich fundierte Perspektive. Prinzipiell enthalten die Theorien in den Sozialwissenschaften zentrale Hypothesen über Zusammenhänge, die von bestimmten Prämissen ausgehen, sowie Definitionen der grundlegenden Begriffe. Dieser „Kern einer Theorie“ (Diekmann 2003, S. 122f.) ist in der Regel empirisch schwer überprüfbar. Ihm folgen Grundannahmen abgeleiteter Hypothesen sowie Regeln zur Messung von Variablen, die die prüfbare „Peripherie“ einer Theorie darstellen (vgl. ebd.). Theorien können unterschiedliche Reichweiten haben. Eine Globaltheorie hat eine große Reichweite, da sie den Anspruch erhebt, eine große Anzahl empirisch beobachteter Gleichförmigkeiten des sozialen Verhaltens herzuleiten (vgl. Merton 1995, S. 3). Diese Theorien streben typischerweise eine einheitliche Wissenschaftssprache an. Die „Theorien mittlerer Reichweite“ (ebd.) sind zwischen den kleinen Arbeitshypothesen der alltäglichen Forschungsroutine und den Globaltheorien angesiedelt und streben keine einheitliche Wissenschaftssprache an (vgl. ebd.). Unter Verzicht einer phänomenologischen Analyse von „soziologischer Theorie“ sollen folgende Bestimmungen in den neueren Einführungen zur Soziologie herangezogen werden: Nach Treibel (2000) machen soziologische Theorien Aussagen zur Gesellschaft bzw. zu gesellschaftlichen Phänomenen auf einem generellen bzw. abstrakten Niveau (vgl. Treibel 2000, S. 10). Wesentliche Aufgaben einer soziologischen Theorie bestehen in der Beschreibung der Merkmale einer Gesellschaft, in der Untersuchung der Ursachen für sozialen Fortschritt oder soziale Stagnation, der Analyse von Handlungen der Gesellschaftsmitglieder sowie der Beziehung zwischen Handlungen von Individuen, Gruppen und gesellschaftlichen Strukturen (vgl. ebd.). Bauer (2001) führt zusätzlich das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft als Problembereich und die damit verbundenen Menschenbilder, soziale Integration, soziale Differenzierung und die Handlungsorientierung mit ihrer sozialen Bedingtheit als Kernfragen an (vgl. Bauer 2001, S. 2). W. L. Schneider (2002) beschränkt soziologische Theorien hingegen auf Theorien des sozialen Handelns und die damit verbundenen Problemstellungen wie das Intersubjektivitätsproblem und die Erfassung von Handlungstypen (vgl. Schneider, W. L. 2002a, S. 15). 11

Richter (2001) sieht eine wichtige Aufgabe von soziologischen Theorien in der Rekonstruktion von sozialer Wirklichkeit: Interaktionen und soziale Systeme. In Anlehnung an René König (1967) unterscheidet er zwischen „soziologischen Theorien“, die Verknüpfungen von Variablen, Sätzen und Begriffen darstellen, und „Theorien von der Gesellschaft“, die sich durch eine hohe Reichweite auszeichnen und sich empirischer Beobachtung oft entziehen (vgl. Richter 2001, S. 10, S. 16ff.). Eine ähnliche Position vertreten auch die Autoren des Instituts für Soziologie und Sozialforschung der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (2002). Werden in den soziologischen Theorien Aussagen über einen sehr großen Problemkreis auf einem abstrakten bzw. generellen Niveau formuliert, dann ist die Reichweite relativ groß. Es handelt sich also um „große Theorien“, sofern der Bezug zur konkreten gesellschaftlichen Wirklichkeit (d.h. bestimmte Probleme, Krisen und Entwicklungen einer Gesellschaft) gering ist und sich die Theorien nicht lediglich in einer Gesellschaftsdiagnose erschöpfen. D.h., die Reichweite bestimmt sich durch die Distanz von einer „praxisnahen Peripherie“. In Übereinstimmung mit Treibel (2000) soll im Rahmen dieser Arbeit von „großen Theorien“ der Soziologie die Rede sein. Obwohl die neueren Handbücher der Soziologie ein relativ einheitliches Bild über die Aufgaben und den Gegenstand der Soziologie zeichnen, ist bisher noch keine Konsolidierung soziologischer Theorien mit dem Ziel der „progressiven Erweiterung“ (Schneider, W. L. 2002, S. 15) soziologischer Erkenntnis gelungen. Merton (1995) führt diese nicht-lineare Theorieentwicklung auf eine fehlende „kumulative Tradition“ (ebd., S. 3) soziologischer Theorien zurück. D.h., dass jüngere Theorien überwiegend nicht auf den Werken anderer (älterer) Soziologen aufgebaut sind. „Wir Soziologen von heute mögen zwar nur geistige Zwerge sein, aber anders als der allzu bescheidene Newton sind wir nicht Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen. Die kumulative Tradition ist immer noch schwach, dass die Schulter der Riesen der soziologischen Wissenschaft keine sehr solide Grundlage abgeben, um sich auf sie zu stellen.“ (Merton 1995, S. 3) Mögliche Gründe für diese fehlende kumulative Tradition bestehen im besonders umfangreichen Objektbereich der Soziologie, dessen hochgradiger Komplexität und insbesondere im beschleunigten sozialen Wandel (vgl. Hillmann 1994, S. 824). Soziologische Theorien sind daher vielmehr als konkurrierende und alternative Entwürfe zu verstehen (vgl. Merton 1995, S. 3). 2.2 Soziologische Klassiker Nachdem erläutert wurde, was eine soziologische Theorie kennzeichnet, soll nun gefragt werden, was aus einem Forscher einen „soziologischen Klassiker“ macht. Diese Frage be- 12

ein kritischen Variante ist sie aufklärerisch „negativ“ (Genaueres dazu siehe S. 157). Einem<br />

„traditionellen Theorieverständnis“ entgegengesetzt, das sich auf soziale Phänomene und Ereignisse<br />

bezieht, erfasst die „kritische Theorie“ das durch die gesellschaftliche (Herrschafts-<br />

)Praxis bestimmte „Wesen“ der Gesellschaft (vgl. Horkheimer 1968, zit. nach Wulf 1977, S.<br />

142). Die kritische Wissenschaft unterscheidet sich von den beiden anderen Wissenschaften<br />

durch eine gesellschaftlich fundierte Perspektive.<br />

Prinzipiell enthalten die Theorien in den Sozialwissenschaften zentrale Hypothesen über<br />

Zusammenhänge, die von bestimmten Prämissen ausgehen, sowie Definitionen der grundlegenden<br />

Begriffe. Dieser „Kern einer Theorie“ (Diekmann 2003, S. 122f.) ist in der Regel empirisch<br />

schwer überprüfbar. Ihm folgen Grundannahmen abgeleiteter Hypothesen sowie Regeln<br />

zur Messung von Variablen, die die prüfbare „Peripherie“ einer Theorie darstellen (vgl.<br />

ebd.). Theorien können unterschiedliche Reichweiten haben. Eine Globaltheorie hat eine große<br />

Reichweite, da sie den Anspruch erhebt, eine große Anzahl empirisch beobachteter Gleichförmigkeiten<br />

des sozialen Verhaltens herzuleiten (vgl. Merton 1995, S. 3). Diese Theorien<br />

streben typischerweise eine einheitliche Wissenschaftssprache an. Die „Theorien mittlerer<br />

Reichweite“ (ebd.) sind zwischen den kleinen Arbeitshypothesen der alltäglichen Forschungsroutine<br />

und den Globaltheorien angesiedelt und streben keine einheitliche Wissenschaftssprache<br />

an (vgl. ebd.).<br />

Unter Verzicht einer phänomenologischen Analyse von „soziologischer Theorie“ sollen<br />

folgende Bestimmungen in den neueren Einführungen zur Soziologie herangezogen werden:<br />

Nach Treibel (2000) machen soziologische Theorien Aussagen zur Gesellschaft bzw. zu<br />

gesellschaftlichen Phänomenen auf einem generellen bzw. abstrakten Niveau (vgl. Treibel<br />

2000, S. 10). Wesentliche Aufgaben einer soziologischen Theorie bestehen in der Beschreibung<br />

der Merkmale einer Gesellschaft, in der Untersuchung der Ursachen für sozialen Fortschritt<br />

oder soziale Stagnation, der Analyse von Handlungen der Gesellschaftsmitglieder sowie<br />

der Beziehung zwischen Handlungen von Individuen, Gruppen und gesellschaftlichen<br />

Strukturen (vgl. ebd.). Bauer (2001) führt zusätzlich das Verhältnis zwischen Individuum und<br />

Gesellschaft als Problembereich und die damit verbundenen Menschenbilder, soziale Integration,<br />

soziale Differenzierung und die Handlungsorientierung mit ihrer sozialen Bedingtheit als<br />

Kernfragen an (vgl. Bauer 2001, S. 2). W. L. Schneider (2002) beschränkt soziologische Theorien<br />

hingegen auf Theorien des sozialen Handelns und die damit verbundenen Problemstellungen<br />

wie das Intersubjektivitätsproblem und die Erfassung von Handlungstypen (vgl.<br />

Schneider, W. L. 2002a, S. 15).<br />

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