Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg
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auf, unterstützt sie und wird damit gleichsam zum Gegenstand der Herrschaft und Unterdrückung<br />
(vgl. Theunissen 1983, S. 43). Das Denken unterstützt jedoch nicht nur die gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse (in diesem Sinne als „identifizierendes Denken“), sondern es hat<br />
auch das Potenzial zum Widerstand gegen das Negative der Gesellschaft - im Sinne einer Kritik:<br />
Das Denken bezieht sich hier auf das Nichtsollensein von gesellschaftlichen Verhältnissen<br />
(„Denken in Negationen“ (ebd., S. 44)). Dadurch setzt Adorno Negativität mit Kritik<br />
praktisch gleich. Kritik gegen das, was nicht sein soll, bedeutet dann aber auch die Aktivierung<br />
einer Gegenmacht (Widerstand) gegen die gesellschaftlichen Bedingungen (vgl. ebd.). 100<br />
Im Rahmen der Gesellschaftstheorie schreiben Horkheimer und Adorno der modernen Gesellschaft<br />
drei Merkmale zu: Sie ist erstens durch anonyme Regelmechanismen des ökonomischen<br />
Tauschgeschäftes, zweitens durch eine Dynamik der Entautonomisierung der Individuen<br />
und drittens durch eine sozialintegrative Wirkungsweise der Massenkommunikation gekennzeichnet.<br />
Die Kapitalismuskritik und Kulturkritik der Klassiker beziehen sich auf diese<br />
Merkmale: Die moderne Gesellschaft ist eine kapitalistische Gesellschaft, deren Konkurrenzmechanismus<br />
die Autonomie des Individuums untergräbt, weil sich diese infolgedessen<br />
nicht mehr als selbst bestimmt erleben (vgl. Müller-Doohm 1999, S. 62). Eine Konsequenz<br />
dieser Entautonomisierung stellt die mangelhafte Individuation dar, die sich in der Ich-<br />
Schwäche von Individuen äußert. Als Bestandteil der Kultur tragen die Massenmedien mit<br />
ihren Inszenierungsangeboten auch zur Selbstinszenierung der Individuen bei. D.h., die von<br />
den Massenmedien vorgegaukelten stereotypen Persönlichkeitsmuster bilden ein Schema,<br />
nach dem sich Individuen im Zuge ihrer Persönlichkeitsbildung orientieren können (vgl.<br />
ebd.).<br />
Die drei Wesensmerkmale der Gesellschaft werden durch Kräfte ausgelöst, die auf die Gesellschaft<br />
wirken und tief in dieser verankert sind: dies ist der Kapitalismus, der Faschismus<br />
und die Aufklärung. Das Individuum verliert seine Autonomie von daher deshalb, weil diese<br />
Kräfte dessen Bedürfnisse abwertet, wodurch das menschliche Leben an sich abgewertet wird<br />
(vgl. Van Reijen 1984, S. 58 f): Es wird vom Kapitalismus als Rädchen im Produktionsprozess,<br />
vom Faschismus als Rädchen in der Kriegs- und Propagandamaschinerie und von der<br />
Wissenschaft als wissenschaftliches Objekt reduziert und damit „verdinglicht“ 101 (vgl. ebd., S.<br />
45). Folgt man dem Argumentationszusammenhang der Kapitalismus- und Kulturkritik, dann<br />
100<br />
„Ontische Negativität des Nichtsollenseins“ bedeutet, dass das, was nicht sein soll, falsch ist. Adorno geht<br />
weiter und verlangt, dass das Nichtsollensein auch nicht sein darf. D.h., die Kritik übt selbst Macht aus: über<br />
die negativen gesellschaftlichen Verhältnisse. Allerdings handelt es sich dabei um eine positive im Sinne von<br />
guter Macht, mit deren Hilfe Widerstand gegen die Gesellschaft ausgeübt wird (vgl. ebd.).<br />
101<br />
Mit dem Begriff der „Verdinglichung“ meinen die Klassiker die Reduzierung des Menschen auf seine rein<br />
ökonomische Bedeutung (vgl. ebd., S. 10).<br />
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