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Motive. Der Wissenschafter geht jedoch anders vor: Sein Relevanzsystem ist im Erfahrungskontext seiner wissenschaftlichen Disziplin verankert. Bei seinen Beobachtungen greift er nicht auf Typisierungen der Alltagswelt zurück, sondern konstruiert wissenschaftliche idealtypische Deutungsschemata. Mit deren Hilfe soll der subjektive Sinn des Handelnden objektiv erfasst werden (vgl. Schütz 1971, S. 49; Schneider W. L. 2002, S. 273; Grathoff 1989, S. 37). Schütz fordert die folgende Vorgehensweise des Sozialwissenschafters: 80 1. Der Forscher muss ein theoretisches Problem formulieren, das den Bezugsrahmen für die Konstruktion der Idealtypen bildet; 2. Die Idealtypen konstruiert er, indem er einen typischen Handlungsablauf modelliert; 3. Die Konstruktion muss sich am Schema des rationalen Handelns orientieren (siehe Weber „Idealtyp“, S. 110); 4. Die vom Forscher eingeführten Begrifflichkeiten müssen verständlich sein. Damit soll gewährleistet werden, dass der objektive Sinnzusammenhang des Idealtypus dem subjektiven Sinn des realen Akteurs weitgehend entspricht (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 273ff.). Theoretische Positionen Die soziologische Theorie von Alfred Schütz wird in der Literatur als eine „mundane Phänomenologie“ (Welz 1996, S. 15) oder als eine „Soziologie des Alltags“ (Grathoff 1989, S. 22) charakterisiert. Sein phänomenologischer Ansatz nimmt den Ausgangspunkt in seiner spezifischen Auffassung über das zu untersuchende soziologische Forschungsobjekt: das erfahrende Subjekt in der Sozialwelt. Es bildet den leitenden Fixpunkt bei der Erforschung von sozialen Phänomenen. So wie Husserl, fordert Schütz also, dass der Forscher den Sinn von soziologischen Phänomenen, so wie sich dieser im Bewusstseinserleben konstituiert, versteht (vgl. Welz 1996, S. 15f., 148). Die Sozialwelt wird von den Akteuren als eine sinnhaft aufgebaute erlebt. Dieses sinnhafte Erleben und Erfassen der Sozialwelt wird als eine Konstruktionsleistung der in dieser Welt lebenden Akteure verstanden. Oder drastischer formuliert: „Wirklichkeit“ ist eine Leistung des Subjekts (vgl. ebd., S. 148). Die „Soziologie des Alltags“ analysiert die alltägliche Sozialwelt nach spezifischen Konstruktionsstilen des Erlebens und Erfassens. In dieser Hinsicht ist Soziologie eine „Konstruktion zweiter Stufe“, da sie selbst konstruktiv ist und die Konstruktionen der Alltagswelt analysiert (vgl. Grathoff 1989, S. 31). Schütz geht jedoch nicht, wie Husserl, von einer Lebenswelt aus, sondern konstruiert je nach Sinnbereich mehrere Welten: die unmittelbare „soziale Umwelt“, die mittelbare „soziale Mitwelt“ und die vergangene 80 Schütz´ idealtypische Methode unterscheidet sich kaum von M. Webers Methode. 135

„soziale Vorwelt“ Egos (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 263). Gegen Ende seines Schaffens fächert er diese Welten immer weiter auf (vgl. Grathoff 1989, S. 31). Charakterisierung der theoretischen Positionen Gesellschaft (I) V1 – Perspektive und Auffassung von Gesellschaft: V1.1 Unter „Gesellschaft“ könnte Schütz die alltägliche Sozialwelt mit ihren ausdifferenzierten „Teilwelten“ verstehen. Diese Welten bestehen aus dem Beziehungsgeflecht von einzelnen Akteuren oder anders formuliert: Den Welten können bestimmte Akteure zugerechnet werden (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 263). Die Gliederung der Sozialwelt in verschiedene Welten richtet sich danach, inwiefern der subjektive Sinn des Akteurs aus der Perspektive eines anderen zugänglich ist: in der „sozialen Umwelt“ wird ein besserer Zugang als in der „sozialen Mitwelt“ oder „Vorwelt“ unterstellt (vg. ebd.). Jede Welt hat die für sie charakteristischen Typisierungsschemata und Relevanzstrukturen, nach denen sich die Akteure in ihrem Handeln und Interagieren ausrichten. Fraglich ist, ob diese als eine „soziale Tatsache“ – also außerhalb der Menschen - gedeutet werden können. Das selbstverständlich erachtete Wissen weist zwar eine „höchst sozialisierte Struktur“ auf, dieses kommt aber eher nicht durch die gemeinsamen Glaubens- und Wertevorstellung der Menschen zustande, sondern ist vielmehr als Ergebnisse von Interpretationsleistungen von Alter und Ego in Interaktionsprozessen zu sehen. So auch: Welz 1996, S. 15, 126. V2 – Thematisierung der Ebenen: V2.1 In der Literatur wird von vielen Autoren betont, dass in Schütz´ Soziologie das erfahrende Subjekt der Sozialwelt und das soziale Handeln im Mittelpunkt stehen. So in: Welz 1996, S. 16,126; Grathoff 1989, S. 27; Mikl-Horke 2001, S. 146f. V3 – Prinzipien des sozialen Wandels: V3.1* Sozialer Wandel könnte als ein Wandel im Relevanz- und Typisierungssystem der Lebenswelt charakterisiert werden (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 251). In der vorliegenden Literatur wird nicht erläutert, wie Schütz diesen Wandel charakterisiert: ob als kontinuierlich oder diskontinuierlich. Der Bereich soziale Macht bleibt bei ihm offensichtlich ausgeklammert. Es wird auch nicht angeführt, ob er eine evolutionstheoretische Position vertritt. Da der sinnhafte Aufbau der Wirklichkeit durch wechselseitiges Handeln in Interaktionen fortlaufend konstituiert wird, könnten sich die Typisierungs- und Relevanzstrukturen auch kontinuierlich ändern (vgl. Endreß 1999, S. 334). Dies würde auf die Position V3.1 hindeuten. 136

Motive. Der Wissenschafter geht jedoch anders vor: Sein Relevanzsystem ist im Erfahrungskontext<br />

seiner wissenschaftlichen Disziplin verankert. Bei seinen Beobachtungen greift er<br />

nicht auf Typisierungen der Alltagswelt zurück, sondern konstruiert wissenschaftliche idealtypische<br />

Deutungsschemata. Mit deren Hilfe soll der subjektive Sinn des Handelnden objektiv<br />

erfasst werden (vgl. Schütz 1971, S. 49; Schneider W. L. 2002, S. 273; Grathoff 1989, S. 37).<br />

Schütz fordert die folgende Vorgehensweise des Sozialwissenschafters: 80 1. Der Forscher<br />

muss ein theoretisches Problem formulieren, das den Bezugsrahmen für die Konstruktion der<br />

Idealtypen bildet; 2. Die Idealtypen konstruiert er, indem er einen typischen Handlungsablauf<br />

modelliert; 3. Die Konstruktion muss sich am Schema des rationalen Handelns orientieren<br />

(siehe Weber „Idealtyp“, S. 110); 4. Die vom Forscher eingeführten Begrifflichkeiten müssen<br />

verständlich sein. Damit soll gewährleistet werden, dass der objektive Sinnzusammenhang<br />

des Idealtypus dem subjektiven Sinn des realen Akteurs weitgehend entspricht (vgl. Schneider<br />

W. L. 2002, S. 273ff.).<br />

Theoretische Positionen<br />

Die soziologische Theorie von Alfred Schütz wird in der Literatur als eine „mundane Phänomenologie“<br />

(Welz 1996, S. 15) oder als eine „Soziologie des Alltags“ (Grathoff 1989, S.<br />

22) charakterisiert. Sein phänomenologischer Ansatz nimmt den Ausgangspunkt in seiner<br />

spezifischen Auffassung über das zu untersuchende soziologische Forschungsobjekt: das erfahrende<br />

Subjekt in der Sozialwelt. Es bildet den leitenden Fixpunkt bei der Erforschung von<br />

sozialen Phänomenen. So wie Husserl, fordert Schütz also, dass der Forscher den Sinn von<br />

soziologischen Phänomenen, so wie sich dieser im Bewusstseinserleben konstituiert, versteht<br />

(vgl. Welz 1996, S. 15f., 148).<br />

Die Sozialwelt wird von den Akteuren als eine sinnhaft aufgebaute erlebt. Dieses sinnhafte<br />

Erleben und Erfassen der Sozialwelt wird als eine Konstruktionsleistung der in dieser Welt<br />

lebenden Akteure verstanden. Oder drastischer formuliert: „Wirklichkeit“ ist eine Leistung<br />

des Subjekts (vgl. ebd., S. 148). Die „Soziologie des Alltags“ analysiert die alltägliche Sozialwelt<br />

nach spezifischen Konstruktionsstilen des Erlebens und Erfassens. In dieser Hinsicht<br />

ist Soziologie eine „Konstruktion zweiter Stufe“, da sie selbst konstruktiv ist und die Konstruktionen<br />

der Alltagswelt analysiert (vgl. Grathoff 1989, S. 31). Schütz geht jedoch nicht,<br />

wie Husserl, von einer Lebenswelt aus, sondern konstruiert je nach Sinnbereich mehrere Welten:<br />

die unmittelbare „soziale Umwelt“, die mittelbare „soziale Mitwelt“ und die vergangene<br />

80 Schütz´ idealtypische Methode unterscheidet sich kaum von M. Webers Methode.<br />

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