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lich der Natur und sozialen Umwelt. Diese nimmt er zum Zeitpunkt des Handelns als fraglos und selbstverständlich hin. „Die nicht in Frage gestellten Erfahrungen werden von vornherein als typisch erfahren, das heißt, sie tragen offene Horizonte erwarteter, ähnlicher Erfahrungen mit sich. Zum Beispiel wird die fraglos hingenommene äußere Welt vom Anfang an nicht als eine Ansammlung individueller, einzigartiger Gegenstände erfahren, die in Raum und Zeit verteilt sind, sondern sie wird in ‚Bergen,’ ‚Bäumen,’ ‚Tieren’ und Mitmenschen’ erfahren. Ich brauche zum Beispiel niemals ein Tier dieser Art gesehen zu haben, das jetzt gerade vor mir ist, aber ich weiß doch, daß dies ein Tier und insbesondere ein Hund ist.“ [Hervorheb. durch d. Verf.] (Schütz 1971, S. 85). Dieses als selbstverständlich erachtete Wissen weist eine „höchst sozialisierte Struktur“ (ebd., S. 86) auf, da es von „Jedem-der-zu-uns-gehört“ (ebd.) als selbstverständlich hingenommen wird. Es erlangt dadurch einen objektiven Charakter. Damit ist die Herstellung eines intersubjektiven Sinns angesprochen: Zwei Interagierende (Ego und Alter) verstehen den subjektiven Sinn der Handlung des jeweils anderen, weil sie das daran Typische erkennen. Alter und Ego typisieren ihr eigenes und fremdes Handeln. 78 Unter „gelungener Intersubjektivität“ kann der für eine Interaktion hinreichende Grad an Verstehen des subjektiven Sinns gemeint sein, damit sich Ego und Alter auf einer bestimmten Basis verständigen können. Ein vollständiges Verstehen ist damit also nicht gemeint. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Orientierung an einem gemeinsamen Typisierungsschema, das der Interpretation des Handlungssinns zugrunde liegt. Die Typik wird in der Alltagswelt durch Sprache vermittelt (vgl. Grathoff 1989, S. 51). Schütz unterstellt, dass Alter und Ego zur Herstellung von Intersubjektivität zwei miteinander verbundene Idealisierungen vornehmen („Generalthese der Reziprozität der Perspektiven): 1. „Die Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte“: In einem wechselseitig bezogenen Austauschprozess können beide die Perspektiven des anderen übernehmen (im Sinne einer Rollenübernahme) und dann feststellen „[…], daß mein Mitmensch und ich typisch die gleichen Erfahrungen von der gemeinsamen Welt machen würden, wenn wir unsere Plätze austauschten.“ (Schütz 1971, S. 365). 2. „Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme“: Das handlungsleitende Wissen eines Akteurs ist zu einem bestimmten Grad durch seine Erfahrungen geprägt, die bestimmen, was in einer konkreten Situation als interessant, gewinnbringend – oder generell: als relevant – erlebt wird. Trotz unterschiedlicher Erfahrungen und der daraus resultierenden verschiedenen Relevanzsysteme unterstellen Alter und Ego, dass der jeweils andere einen Gegenstand ähnlich deutet (vgl. Schütz 1971, S. 365). 79 78 Die Typisierung könnte insofern als kognitive Leistung eines Individuums charakterisiert werden. 79 Bsp.: Alter und Ego unterstellen, dass sie einen Vogel auf eine übereinstimmende Weise deuten, insofern sie sich beide in ihrem Handeln auf den Vogel beziehen. Der Vogel wird als Vogel gedeutet, auch wenn Ego ihn 133
Eine Kongruenz von Relevanz und Typik erwartet der Klassiker insbesondere dann, wenn Alter und Ego der gleichen sozialen Gemeinschaft zugehörig sind. Jede soziale Gemeinschaft besitzt ein sie kennzeichnendes Relevanz- und Typisierungssystem, das sich in dessen Vergangenheit ausgebildet hat und das ihre Mitglieder weitgehend übernehmen (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 251). Methodik Im Vordergrund von Schütz´ Soziologie steht die wissenschaftliche Analyse der Sinnsetzungsprozesse in der alltäglichen Lebenswelt. Diese setzt sowohl am Verstehen als auch in der Erklärung von sozialem Handeln an. Der Klassiker untersucht den Zusammenhang zwischen Sinn- und Handlungsstrukturen, indem er eine Differenzierung im zeitlichen Ablauf (vom Handlungsentwurf bis zur Vollendung des Handelns) und in Bezug auf den Standpunkt unternimmt, von dem aus eine Handlung verstanden werden kann (Akteur versus Beobachter) (vgl. Endreß 1999, S. 338). Handlungsverstehen ist für Schütz in erster Linie Motivverstehen. Mit „Motiv“ meint Schütz einen Sinneszusammenhang, der dem Akteur oder dem Beobachter als Grund – bezogen auf die Ursache und das Ziel - der Handlung erscheint (vgl. Schneider W. L. 2002, S. 239). Der Klassiker trennt analytisch zwischen zwei Motivformen des Handelns: das „Um-zu- Motiv“ und das „Weil-Motiv“. Das erste Motiv bezieht sich von der Position des Akteurs aus auf den Entwurf des Handelns sowie auf dessen Zukunft (Ziel des Handelns). Das zweite verweist auf die vergangenen Erfahrungen des Akteurs, d.h. die biographische Bedingtheit der Einstellung zum Handeln (vgl. Schütz 1971, S 80f). Das „Um-zu-Motiv“ bezeichnet der Soziologe als eine subjektive Kategorie, die nur für den Akteur unmittelbar erschließbar ist. Dem wissenschaftlichen Beobachter ist es nur mittelbar zugänglich, wenn er fragt, welchen Sinn der Handelnde seinem Handeln gibt. Das „Weil-Motiv“ ist hingegen eine objektive Kategorie, die „[…] dem Beobachter zugänglich ist, der die Einstellung des Handelnden auf sein Handeln von der ausgeführten Handlung her rekonstruieren muß, das heißt, von dem Zustand her, der durch das Handeln des Handelnden in der äußeren Welt geschaffen wurde.“ (ebd., S. 82). Der Beobachter erfasst den subjektiven Sinn des Akteurs von seiner Perspektive aus anders als der Akteur selbst. D.h., Selbstverstehen ist niemals völlig identisch mit Fremdverstehen. Im Alltagshandeln lösen Alter und Ego dieses Problem durch ihre Fokussierung auf typische als schützenswertes Tier und Alter ihn als köstlichen Fasanbraten erachtet. Die Deutung ist gleich, die Relevanzsysteme sind unterschiedlich. Diese Differenz bleibt solange für Alter und Ego unproblematisch, wie sie für den Verlauf der Interaktion ohne Bedeutung ist (vgl. Schütz 1971, S. 365; Schneider W. L. 2002, S. 251f.). 134
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und selbstverständlich hin.<br />
„Die nicht in Frage gestellten Erfahrungen werden von vornherein als typisch erfahren, das heißt, sie tragen<br />
offene Horizonte erwarteter, ähnlicher Erfahrungen mit sich. Zum Beispiel wird die fraglos hingenommene<br />
äußere Welt vom Anfang an nicht als eine Ansammlung individueller, einzigartiger Gegenstände erfahren, die in<br />
Raum und Zeit verteilt sind, sondern sie wird in ‚Bergen,’ ‚Bäumen,’ ‚Tieren’ und Mitmenschen’ erfahren. Ich<br />
brauche zum Beispiel niemals ein Tier dieser Art gesehen zu haben, das jetzt gerade vor mir ist, aber ich weiß<br />
doch, daß dies ein Tier und insbesondere ein Hund ist.“ [Hervorheb. durch d. Verf.] (Schütz 1971, S. 85).<br />
Dieses als selbstverständlich erachtete Wissen weist eine „höchst sozialisierte Struktur“<br />
(ebd., S. 86) auf, da es von „Jedem-der-zu-uns-gehört“ (ebd.) als selbstverständlich hingenommen<br />
wird. Es erlangt dadurch einen objektiven Charakter.<br />
Damit ist die Herstellung eines intersubjektiven Sinns angesprochen: Zwei Interagierende<br />
(Ego und Alter) verstehen den subjektiven Sinn der Handlung des jeweils anderen, weil sie<br />
das daran Typische erkennen. Alter und Ego typisieren ihr eigenes und fremdes Handeln. 78<br />
Unter „gelungener Intersubjektivität“ kann der für eine Interaktion hinreichende Grad an<br />
Verstehen des subjektiven Sinns gemeint sein, damit sich Ego und Alter auf einer bestimmten<br />
Basis verständigen können. Ein vollständiges Verstehen ist damit also nicht gemeint. Eine<br />
wichtige Voraussetzung dafür ist die Orientierung an einem gemeinsamen Typisierungsschema,<br />
das der Interpretation des Handlungssinns zugrunde liegt. Die Typik wird in der Alltagswelt<br />
durch Sprache vermittelt (vgl. Grathoff 1989, S. 51).<br />
Schütz unterstellt, dass Alter und Ego zur Herstellung von Intersubjektivität zwei miteinander<br />
verbundene Idealisierungen vornehmen („Generalthese der Reziprozität der Perspektiven):<br />
1. „Die Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte“: In einem wechselseitig<br />
bezogenen Austauschprozess können beide die Perspektiven des anderen übernehmen (im<br />
Sinne einer Rollenübernahme) und dann feststellen „[…], daß mein Mitmensch und ich typisch<br />
die gleichen Erfahrungen von der gemeinsamen Welt machen würden, wenn wir unsere<br />
Plätze austauschten.“ (Schütz 1971, S. 365). 2. „Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme“:<br />
Das handlungsleitende Wissen eines Akteurs ist zu einem bestimmten Grad<br />
durch seine Erfahrungen geprägt, die bestimmen, was in einer konkreten Situation als interessant,<br />
gewinnbringend – oder generell: als relevant – erlebt wird. Trotz unterschiedlicher Erfahrungen<br />
und der daraus resultierenden verschiedenen Relevanzsysteme unterstellen Alter<br />
und Ego, dass der jeweils andere einen Gegenstand ähnlich deutet (vgl. Schütz 1971, S.<br />
365). 79<br />
78 Die Typisierung könnte insofern als kognitive Leistung eines Individuums charakterisiert werden.<br />
79 Bsp.: Alter und Ego unterstellen, dass sie einen Vogel auf eine übereinstimmende Weise deuten, insofern sie<br />
sich beide in ihrem Handeln auf den Vogel beziehen. Der Vogel wird als Vogel gedeutet, auch wenn Ego ihn<br />
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