Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg
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schaftungsprozess und entwickelt dann einen analytischen „dynamischen Pendelprozess“, in<br />
dem Ursache und Wirkung fortlaufend umgekehrt werden. 68 Hier kommen zwei Methoden<br />
zum Einsatz: Einerseits die Kausalanalyse, die jedoch in einem zirkulären Prozess angewandt<br />
wird. D.h., Simmel untersucht die Wechselwirkungen von Ursachen und Wirkungen und<br />
tauscht dabei beide Aspekte gegeneinander aus.<br />
„Wenn die Wirkung, die ein Element auf ein anderes ausübt, für dieses zur Ursache wird, auf jenes erste eine<br />
Wirkung zurückzustrahlen, die so wiedergegebene aber, ihrerseits wieder zur Ursache einer Rückwirkung werdend,<br />
das Spiel von neuem beginnen läßt.“ (Simmel 2005 [1900], S. 85).<br />
Andererseits spielt auch die Methode des „Verstehens“ bei Simmel eine große Rolle (vgl.<br />
Helle 2001, S. 29). So könnte das Verstehen von Wechselwirkungen für die zirkuläre Kausalanalyse<br />
wichtig sein. Dieses Verstehen müsste jedoch gesichtspunktbezogen bzw. relativ sein:<br />
Was als Ursache oder Wirkung gilt, ist abhängig von der Perspektive des Forschers; d.h.<br />
bspw., ob er eher die Form oder den Inhalt berücksichtigt. 69<br />
Theoretische Positionen<br />
Simmels theoretische Position kennzeichnet sich darin, dass Individuen, soziale Gebilde<br />
und Objekte immer unter dem Aspekt der Wechselverhältnisse diskutiert und erforscht werden.<br />
Dem Individuum kommt in Bezug auf Wechselverhältnisse eine zweifache Bedeutung zu:<br />
erstens werden Wechselwirkungen erst durch die Aktivitäten des Individuums geschaffen,<br />
andererseits ist es selbst von diesen betroffen, d.h., es „leidet“ auch unter diesen Wechselwirkungen<br />
(vgl. Nedelmann 1999, S. 134). Simmel erläutert diese Ambivalenz anhand eines evolutiven<br />
Gesetzes der Individualität: Das einzelne Individuum wird im Laufe der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung zunehmend mehr vergesellschaftet, d.h., es hat Kontakte zu immer mehr<br />
sozialen Gebilden und tritt damit aus der Enge der traditionalen Verbindung heraus. Damit<br />
einher geht die Auflösung traditioneller Sozialverbände durch zunehmende gesellschaftliche<br />
Differenzierung und Arbeitsteilung als Folge des stetigen Wachstums von sozialen Gruppen<br />
und der Konkurrenz zwischen deren Mitgliedern. Dieser Prozess führt zu einer Individualisierung,<br />
die einerseits einen Austausch mit sozialen Gruppen und Gebilden anderer Kulturen<br />
68<br />
Nedelmann (1984) hat vier Prozesse der Dynamik von Treue und Liebe bei Simmel identifiziert: Zunächst<br />
entwickelt Simmel die Genese der Treue aus der Liebe (z.B. aus der Liebe zum Beruf wird die Berufstreue),<br />
dann bestimmt er die Bedeutung der Treue für den Vergesellschaftungsprozess. In einem dritten Prozess analysiert<br />
Simmel die Genese der Liebe aus der Treue und erörtert auch hier die Bedeutung der Liebe für die Vergesellschaftung.<br />
Dann entwickelt Simmel einen analytischen „dynamischen Pendelprozess“, in dem die Liebe<br />
und Treue fortlaufend umgekehrt werden. Simmel arbeitet dadurch die Wechselwirkungen zwischen beiden<br />
sozialen Phänomenen heraus (vgl. Nedelmann 1984, S. 99f.).<br />
69<br />
Die Rekonstruktion eines gemeinten Sinns eines Akteurs ist allerdings nicht Teil der Forschungsarbeit von<br />
Simmel (vgl. Cavalli 1994, S. 231f.).<br />
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