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Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg

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Beide Aspekte sind voneinander unabhängig analysierbar, weil sie prinzipiell austauschbar<br />

sind. 63 Auf der erkenntnistheoretischen Ebene steht der „Inhalt“ für eine intersubjektiv überprüfbare,<br />

messbare Einheit, die „Form“ ist dann Ausdruck der subjektiven Perspektive des<br />

Beobachters. 64 Diese Trennung von „Inhalt“ und „Form“ wendet Simmel schließlich, wie<br />

noch gezeigt wird, als methodisches Prinzip in seiner Soziologie an.<br />

Ein weiterer zentraler Begriff ist die „Wechselwirkung“. In seiner ersten Bedeutung als Relationsbegriff<br />

beschreibt er die Beziehungen zwischen Individuen, kleinen und großen sozialen<br />

Gebilden, die von einer Dynamik in Form eines mehr oder weniger intensiven Austauschprozesses<br />

gekennzeichnet ist (vgl. Nedelmann 1984, S. 93). Zweitens kommt dem Begriff die<br />

Bedeutung eines Prinzips zum Verstehen historischer Erscheinungen zu, nach dem „das Einzelne<br />

und Substanzielle in Wechselwirkungen aufzulösen [ist] [d. Verf.]“ (Simmel 1968<br />

[1908], S. 2). Der Begriff hat damit auch Bedeutung bezüglich der Auffassung von der Konstitution<br />

von Individuen und sozialen Gebilden, die demnach nicht substanziell, sondern relationell<br />

begriffen werden. In Verbindung mit dem Begriff der „Form“ bzw. „Formung“ kommt<br />

der Wechselwirkung eine weitere Bedeutung zu: In der dynamischen Wechselwirkung zwischen<br />

Individuen und sozialen Gebilden schaffen und stellen diese Kultur (wie z.B. Sprache,<br />

Schrift) her. Dies ist der Formungsprozess von Kultur, der immer zu einer Objektivierung der<br />

Kultur 65 führt (vgl. Helle 2001, S. 118). Auf einer anderen Ebene schaffen Individuen aufgrund<br />

ihrer Wechselwirkungen abstraktere soziale Gebilde (wie z.B. soziale Gruppen). Dies<br />

ist ein Formungsprozess, in dem soziale Gebilde objektiviert werden, d.h., sie existieren auch<br />

unabhängig von den Individuen, die sie konstituieren, und sind mehr als die Summe ihrer<br />

Einzelteile (vgl. ebd., S. 130). Der Prozess der Formung kann also nur durch Wechselwirkungen<br />

in Gang gesetzt werden, so dass „Formen“ in der Regel eine Wechselwirkung voraussetzen.<br />

66 Dies gilt auch für das „Leben“: Nur in der Wechselbeziehung zu anderen Individuen<br />

und Objekten erlebt ein Individuum seine Welt auf eine sinnliche Weise, wodurch es neue<br />

Erfahrungen macht und damit „reines Denken“ 67 ermöglicht wird, das wiederum zu neuen<br />

Erfahrungen oder auch zur Schaffung neuer Formen führen kann (vgl. ebd., S. 54).<br />

63<br />

D.h., die Konkurrenz kann ein bestimmtes Interesse oder ein Gefühl von Liebe zum Inhalt haben. Umgekehrt<br />

realisiert sich ein Interesse bspw. durch einen Streit oder eine Überordnung (vgl. ebd.).<br />

64<br />

Helle (2001) bringt hierzu ein einleuchtendes Beispiel: Ein Beobachter kann ein Glas mit Wasser als halbvoll<br />

oder als halbleer sehen, dies wäre der Aspekt der „Form“. Wie viel Wasser tatsächlich in diesem Glas drinnen<br />

ist, kann in cm³ gemessen werden (= Aspekt des „Inhalts“) und das hat mit der subjektiven Perspektive des<br />

Beobachters nichts zu tun. Beide Aspekte sind also analytisch voneinander trennbar (vgl. Helle 2001, S. 4).<br />

65<br />

Hier ist wohl ein gewisser Einfluss der geisteswissenschaftlichen Kulturtheorie von Wilhelm Dilthey, bei dem<br />

Simmel studiert hatte, offensichtlich.<br />

66<br />

Dies gilt aber nicht für materiale Objekte der „tatsächlichen Wirklichkeit“ (Genaueres dazu siehe S. 122).<br />

67<br />

Vermutlich ist damit das abstrakte Denkvermögen des Menschen gemeint, das die Grundlage für die Erbringung<br />

geistiger Leistungen (z.B. Schaffung von Kunstobjekten, Lösung von Problemen) ist.<br />

117

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