Dokument_1.pdf (3044 KB) - OPUS Augsburg - Universität Augsburg
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zeichnet die Bindung der Individuen an die Gesellschaft (vgl. Müller 1999, S. 157), die maßgeblich<br />
für einen Konsensus in der Gesellschaft ist (vgl. Aron 1971b, S. 20), sich aber erst im<br />
Erleben und Handeln der Individuen realisiert (vgl. Luhmann 1996, S. 25). Die Solidarität<br />
kann grundsätzlich zwei Formen annehmen: Sie ist „mechanisch“, wenn die Solidarität auf<br />
der Ähnlichkeit der Gesellschaftsmitglieder basiert. D.h., die Mitglieder unterscheiden sich<br />
bezüglich ihrer Wertvorstellungen und Empfindungen kaum voneinander. Damit verbunden<br />
ist das Kollektivbewusstsein, das „[…] im Bewusstsein aller nicht nur eingeprägt, sondern<br />
darin tief eingeprägt [ist, d. Verf.].“ (Durkheim 1996 [1893], S. 128), die Individualität hat<br />
dabei einen geringen Stellenwert (vgl. ebd., S. 181f.; Müller 1999, S. 157). Die Solidarität<br />
einer Gesellschaft ist „organisch“, wenn sie auf der Verschiedenartigkeit ihrer Mitglieder fußt.<br />
Jedes Mitglied hat ein „eigenes Betätigungsfeld“ (Durkheim 1996 [1893], S. 183) und ist damit<br />
autonom.<br />
Durkheim bettet die zwei Formen der Solidarität in den Kontext der soziohistorischen Entwicklung<br />
ein. Mechanische Solidarität ist ein Kennzeichen von sog. „segmentären Gesellschaften“,<br />
die relativ autark und ohne regelmäßigen Austausch mit anderen Gesellschaften<br />
leben. Diese entwickeln sich zu einer „organisierten Gesellschaft“, wenn sich das Prinzip der<br />
„sozialen Differenzierung“ – genauer gesagt der „Arbeitsteilung“ 53 - zunehmend durchsetzt.<br />
Dies ist genau dann der Fall, wenn die Bevölkerungszahl einer Gesellschaft wächst und damit<br />
auch der Wettbewerb um Lebenschancen steigt (vgl. Hillmann 1994, S. 164). Das Prinzip der<br />
Arbeitsteilung manifestiert sich zunächst in der Ausbildung verschiedener Funktionen, die<br />
Individuen wie auch soziale Gebilde ausüben (vgl. Müller 1999, S. 158). 54 Dadurch werden<br />
diese sozialen Einheiten interdependent und realisieren immer mehr Kooperationen (vgl. La-<br />
Capra 1985, S. 85). Die Autonomie und Individualität lösen als „Notbehelf“ (Luhmann 1996,<br />
S. 26) das Kollektivbewusstsein in seiner Funktion ab, da dieses aufgrund der Verschiedenartigkeit<br />
seine wichtige Stellung in der Gesellschaft per Definition verlieren muss (vgl. ebd.;<br />
Fenton 1984, S. 19). „Also wächst hier die Individualität des Ganzen zur gleichen Zeit wie die<br />
Individualität der Teile.“ (Durkheim 1996 [1893], S. 183). Dies bringt mit einer gewissen<br />
Wahrscheinlichkeit das Fehlen eines gemeinsamen verbindlichen Werte- und Normensystems<br />
53 „Arbeitsteilung“ entleiht Durkheim der Ökonomie von Adam Smith, er tauscht jedoch den ursprünglichen<br />
ökonomischen Sinn durch einen sozialen Sinn aus (Luhmann 1996, S. 22f.).<br />
54 Der gestiegene Leistungswettbewerb bedroht das Kollektivbewusstsein. Die Spezialisierung auf Funktionen<br />
im Rahmen der Arbeitsteilung sieht Durkheim als geeignete Möglichkeit zur Abwendung dieser Bedrohung<br />
(vgl. Hillmann 1994, S. 164).<br />
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