Nummer 5 (04.02.11) - Die Jüdische Zeitung
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<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />
Der jordanische König Abdullah II. entliess<br />
am <strong>Die</strong>nstag nach Strassenprotesten seine<br />
Regierung und bat einen Ex-Premierminister,<br />
ein neues Kabinett zu bilden. Er gab ihm den<br />
Auftrag, sofort politische Reformen zu starten.<br />
<strong>Die</strong> Entlassung folgte auf mehrere grosse Demonstrationen<br />
in ganz Jordanien – inspiriert<br />
von ähnlichen Demonstrationen in Tunesien<br />
und Ägypten – die den Rücktritt von Premierminister<br />
Samir Rifai forderten, der für den<br />
Anstieg der Benzin- und Nahrungsmittelpreise<br />
und langsame, politische Reformen<br />
verantwortlich gemacht wird.<br />
In einer Erklärung des königlichen Palasts<br />
hiess es, dass Abdullah Rifais Rücktritt<br />
angenommen wurde. Der König ernannte<br />
Marouf al-Bakhit zum neuen Premierminister<br />
und beauftragte ihn, „schnelle und sichtbare<br />
Schritte für echte, politische Reformen zu<br />
ergreifen, die unsere Vision für eine umfassende<br />
Modernisierung und Entwicklung in<br />
Jordanien beweisen“, hiess es in der Erklärung<br />
des Palasts. Bakhit war in den Jahren 2005-<br />
2007, Premierminister Jordaniens.<br />
Der König betonte, dass eine Wirtschaftsreform<br />
eine Notwendigkeit sei, um „unserem<br />
Volk ein besseres Leben zu ermöglichen, aber<br />
wir werden das nicht ohne echte politische<br />
Reformen erreichen können, die die Volks-<br />
Beteiligung an den Entscheidungen erhöhen<br />
6<br />
Nr. 5, 30. Schwat 5771 / 4. Februar 2011<br />
Nach Demonstrationen<br />
Jordaniens König entlässt Kabinett<br />
muss“. Er bat Bakhit um eine „umfassende<br />
Einschätzung, … um die Fehler der Vergangenheit<br />
zu korrigieren“.<br />
Als er 1999 den Thron bestieg, gelobte König<br />
Abdullah, die politischen Reformen weiterzuführen,<br />
die sein verstorbener Vater König Hussein<br />
begonnen hatte. Jene Reformen ebneten<br />
den Weg für die erste parlamentarische Wahl<br />
1989 nach einem 22jährigen Unterbruch, die<br />
Wiederzulassung eines Vielparteien-Systems<br />
und die Aufhebung des Kriegsrechts, das seit<br />
dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 in<br />
Kraft gewesen war. Seither<br />
ist jedoch wenig unternommen<br />
worden. Obwohl<br />
Gesetze erlassen wurden,<br />
um grössere Pressefreiheit<br />
zu garantieren, werden<br />
Journalisten immer noch<br />
verurteilt, wenn sie ihre<br />
Meinung ausdrücken oder<br />
Kommentare abgeben, die<br />
dem König und der königlichen<br />
Familie gegenüber<br />
als beleidigend betrachtet<br />
werden.<br />
Trotzdem wird der Ruf<br />
Jordaniens bezüglich<br />
der Menschenrechts im<br />
Allgemeinen als etwas<br />
besser betrachtet als derjenige<br />
von Tunesien und<br />
Ägypten.<br />
Bakhit ist ein gemässigter<br />
Politiker, der zu<br />
Beginn dieses Jahrzehnts<br />
Jordaniens Botschafter<br />
in Israel war. Er hat ähnliche<br />
Meinungen wie<br />
Abdullah bezüglich der<br />
Aufrechterhaltung guter<br />
Beziehungen mit Israel<br />
gemäss dem Friedensvertrag, der im Jahre<br />
1994 unterzeichnet wurde, und bezüglich<br />
der engen Beziehungen zu den USA, Jordaniens<br />
grösstem Spender und langjährigem<br />
Verbündeten.<br />
2005 ernannte Abdullah Bakhit nur Tage nach<br />
einem dreifachen Bombenanschlag auf Hotels<br />
in Amman, für den der irakische Führer, der in<br />
Jordanien geborene Abu Musab al-Zarqawi,<br />
die Verantwortung übernahm, zu seinem<br />
Premierminister.<br />
Während seiner Amtszeit von 2005-2007<br />
wurde Bakhit – ein Ex-Armeegeneral und<br />
hochrangiger Sicherheitsberater – zugeschrieben,<br />
die Sicherheit und Stabilität nach<br />
dem Anschlag, bei dem 60 Menschen getötet<br />
wurden und der als der schlimmste in der<br />
modernen Geschichte Jordaniens betrachtet<br />
wurde, aufrechterhalten zu haben.<br />
Was in der Region geschieht, wird möglicherweise<br />
das haschemitische Königreich<br />
stärken – und den König und sein Land<br />
besser zusammenzubringen. <strong>Die</strong> Unruhen in<br />
der Region vor kurzem sind ein schlechtes<br />
Vorzeichen für arabische Diktatoren. Ihre<br />
Vetternwirtschaft und die Korruption übersteigt<br />
die Toleranz der Araber.<br />
<strong>Die</strong> stürmischen Ereignisse, die den tunesischen<br />
Diktator entthronten, überrumpelten die<br />
Region. Es ist das erste Mal in der Geschichte,<br />
dass ein arabischer Despot die Macht wegen<br />
seiner Bürger verloren hat – nicht als Resultat<br />
ausländischer Panzer oder eines Staatstreichs.<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, dass das tunesische Militär sich<br />
weigerte, auf Demonstranten zu schiessen,<br />
besiegelte das Schicksal des Präsidenten und<br />
seiner korrupten Entourage.<br />
Der junge, arabische Mann, der sich aus<br />
Protest gegen die Brutalität der tunesischen<br />
Behörden selbst verbrannt hat, hat damit Ereignisse<br />
in Bewegung gesetzt, die arabische<br />
Diktatoren nur mit Schwierigkeiten werden<br />
eindämmen können, wenn überhaupt.<br />
In Jordanien gab es Protestmärsche in Amman<br />
und vielen weiteren Städten gegen die Verschärfung<br />
der Steuerpolitik der Regierung.<br />
Interessant war jedoch, dass das Land seinem<br />
König gegenüber loyal geblieben ist und sich<br />
nur gegen die Regierung wehrt. Kein einziger<br />
Demonstrant rief etwas gegen König Abdullah<br />
II. aus; er wird im Grund genommen als<br />
Reformer betrachtet. Demonstranten trugen<br />
sein Portrait, während manche Sicherheitsbeamte,<br />
anstatt Knüppel zu tragen, gratis<br />
Wasserflaschen verteilten.<br />
<strong>Die</strong>se Demonstrationen und die Art und Weise,<br />
wie sie durchgeführt wurden, könnten weitreichende<br />
Konsequenzen haben. <strong>Die</strong> Frage der<br />
jordanischen, nationalen Identität sollte nun<br />
mehr Aufmerksamkeit erhalten.<br />
Angesichts des Ausmasses der Unterstützung<br />
während den jüngsten Märschen ist der König<br />
imstande, beim Schmieden einer umfassende,<br />
nationalen Identität, die den sozialen Zusammenhalt<br />
erreichen soll, sich besser durchzusetzen–<br />
eine Identität, die an die Gesellschaft<br />
erinnert, die sein Vater einst aufgebaut hat,<br />
die auf einem Multikulturalismus basiert und<br />
erfolgreich war.<br />
Der Frage der Korruption der PA und deren<br />
Mangel an Demokratie ist international oft<br />
ignoriert worden. Jordaniens souveräne<br />
Rechte gegenüber der Westbank sind gross.<br />
Delegierte der Westbank haben die Westbank<br />
an der Jericho-Konferenz vom Dezember<br />
1948 einstimmig zum integralen Teil des<br />
haschemitischen Königreichs von Jordanien<br />
erklärt. JTA