Sachaktenerschließung - Fachhochschule Potsdam
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2. Die rechtlichen Grundlagen und die näheren Vorgaben zur Unterlagenerschließung 2.1. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz als archivrelevantes Recht Am 7. Messidor des Jahres II (25. Juni 1794) des französischen Revolutionskalenders verabschiedete der Nationalkonvent in Paris ein Dekret, das jedem Bürger das Recht auf ungehinderte Benutzung der staatlichen Archive einräumen sollte. Das Ereignis gilt unter Archivaren und Historikern als die Proklamation der „archivischen Menschenrechte“. An diesem Anspruch gemessen ist Deutschland für private Antragsteller bis heute ein Staat mit beschränkter Aktenöffentlichkeit. 1 Erst im letzten Stadium des Lebenszyklus von Unterlagen der Verwaltung wird dieses Prinzip zu Gunsten des Einzelnen durchbrochen, nach Maßgabe der Archivgesetze. Aus jüngster Zeit gibt es einige hoffnungsvolle Ausnahmen, die den Wirkungen der revolutionären Veränderungen im Jahre 1989 im Osten Deutschlands und der Hinwendung zu einem geeinten Europa anzurechnen sind: Im Dezember 1991 kam es zur Aktenöffnung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nach dem archivrelevanten Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) 2 . Unter einem Verzicht auf die sonst üblichen Schutzfristen erfolgt seit März 1992 die Unterlagennutzung in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) nach dem Bundesarchivgesetz (BArchG) 3 . Außerhalb der Archivgesetzgebung hat das Land Brandenburg den Schritt in eine größere Informationsfreiheit gewagt, im Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz aus dem Jahre 1998. 4 Die Bundesregierung hat Pläne für ein entsprechendes Einsichts- recht. 5 Beim Vergleich des Archivrechts mit dem Spezialgesetz StUG 6 zeigen sich Ähnlichkeiten vor allem in den grundsätzlichen Vorgaben zu einzelnen archivarischen Kernaufgaben. 7 Die für 1 Siehe dazu: Jörg Schlachter. Mehr Öffentlichkeit wagen. Eine Kritik des geltenden deutschen Verwaltungstransparenzrechts mit Vorschlägen für eine Neuregelung unter Berücksichtigung rechtsvergleichender Gesichtspunkte (Schriftenreihe Verwaltungsinformatik 9), Heidelberg 1993, S. 51-86. Zur Rechtslage anderenorts siehe: Derselbe. Verwaltungsöffentlichkeit in Industriestaaten aus Europa und Übersee, VOP 12 (1990), S. 306-311, 401-405. 2 Vgl.: Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz - StUG) vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I 1991, S. 2272), geändert durch 1. StUÄndG (Stasi-Unterlagen-Änderungsgesetz) vom 22. Februar 1994 (BGBl. I, S. 334), geändert durch 2. StUÄndG vom 26. Juli 1994 (BGBl. I, S. 1748), geändert durch Artikel 12 Abs. 22 des Gesetzes vom 14. September 1994 (BGBl. I, S. 2325), geändert durch 3. StUÄndG vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I, S. 2026), geändert durch Artikel 4 des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I, S. 164), geändert durch das 4. StUÄndG vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, S. 3778). 3 Es soll hier erwähnt werden, dass dies gemäß § 2a Abs. 4 BArchG geschieht. Andererseits können Unterlagen gemäß § 5 Abs. 2 StUG begrenzt gesperrt und gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 b - d StUG in gesonderte Verwahrung genommen werden, was sie dem Zugriff durch externe Forscher und durch die Medien längerfristig entzieht. 4 Das Recht auf Einsichtnahme in laufende oder abgeschlossene Verwaltungsvorgänge gilt unter einer Reihe von Einschränkungen sowohl für Betroffene und Dritte als auch für Bürgerinitiativen, Verbände und die Presse. Siehe: Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) vom 10.03.1998, GVBl. I, S.46. 5 Siehe dazu: Informationsfreiheit. Akteneinsicht für jedermann, in: Der Spiegel vom 05.03.2001, S. 18. 6 Zum StUG als archivrelevantem Recht außerhalb der Archivgesetzgebung siehe: Hans Joachim Schreckenbach. Archivrecht. Lehrmaterialien für Fernstudienbrückenkurse am Fachbereich Archiv-Bibliothek-Dokumentation der FHP Potsdam, Potsdam 1994, S. 37f. Das zuerst genannte, mittlerweile viermal novellierte StUG bestimmt 4
Archivgesetze typische Aufgabenverbindung von Materialienschutz und Datenschutz findet sich im StUG zuerst in den allgemeinen Vorgaben zur Zweckbestimmung des Gesetzes im § 1 und im § 2 Abs. 1 StUG. In den Vorgaben in § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StUG geht es dann expressis verbis um ein Erfassen sowie um ein Ordnen, Erschließen, Bewerten, Verwahren und Verwalten nach archivischen Grundsätzen. 8 Neben der Zuständigkeit regelt das StUG also auch die zulässige Verfügbarmachung der Unterlagen nach archivischen Grundsätzen. In § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG wird ein thematisch eingeschränkter Auswertungsauftrag erteilt. Eingeschlossen von diesen Regelungen ist der Hauptteil des StUG, wo die Anspruchsgrundlagen und Verfahrensvorschriften zur Einsichtsgewährung und Auskunftserteilung an Privatpersonen und an öffentliche und nichtöffentliche Stellen mit der für den Datenschutz üblichen Akribie abgehandelt sind. Die Zulässigkeit der Unterlagenverwendung und die Vorgaben zum Umgang mit den Nutzern sind dadurch im StUG sehr viel klarer formuliert, als in dem einen oder anderen Archivgesetz. Als Folge davon ist auch die Terminologie stärker als im Text der Archivgesetze durch die Begrifflichkeit des Datenschutzes geprägt. Im Kern geht es wie in den Archivgesetzen um das Spannungsfeld zwischen der Freiheit der Information und Forschung und das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und um die Lösung der daraus entstehenden Interessenkonflikte. 9 Durch die Vorschrift des § 43 Satz 1 StUG verdrängt das Stasi-Unterlagen-Gesetz, soweit es um Daten aus den MfS-Unterlagen geht, als lex specialis alle anderen Gesetze, die Regelungen über die Übermittlung personenbezogener Informationen enthalten. Das StUG konzentriert sich in seinen Anspruchsgrundlagen wie auch in den Verfahrensvorschriften für die Benutzung und in den Vorgaben für die Erschließung nicht auf den Akt oder über das wenige Jahre zuvor geschaffene bundesdeutsche Archivrecht hinweg die Zusammenführung der Unterlagen eines Ministeriums der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in einer eigens dazu geschaffenen oberen Bundesbehörde. Als Spezialgesetz greift das Gesetz in die Archivgesetze des Bundes und der Länder ein, indem es die Zuständigkeit des Bundesarchivs für die zentralen Stellen sowie die Zuständigkeit der Landesarchive der fünf neuen Bundesländer und Berlins für die regionalen Stellen des Ministeriums für Staatssicherheit und bestimmter Akten aus dem Polizei- und Justizbereich auf die Bundesbeauftragte überträgt und die Unterlagen ohne Schutzfristen öffnet. 7 Die Behörde ist an erster Stelle gehalten, die überkommenen Unterlagen verfügbar zu machen und sie für diesen Zweck zu ordnen und zu erschließen. § 1 StUG regelt die Erfassung und Erschließung, Verwaltung und Verwendung der Unterlagen, § 2 StUG annuliert ausdrücklich die nach Einigungsvertrag gesetzte Zuständigkeit des Bundesarchivs. § 37 StUG bestimmt die archivischen und archivarischen Aufgaben und Befugnisse des BStU, spricht aber an keiner Stelle von Archivgut, sondern stets nur von Unterlagen. Siehe: Dagmar Unverhau (Hrsg.). Archiv zur Staatssicherheit, Bd. 2. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz im Lichte von Datenschutz und Archivgesetzgebung. Referate der Tagung des BStU vom 26.–28.11.1997, Münster 1998, S. 173. 8 Die BStU hat die Unterlagen nach archivischen Grundsätzen zu bewerten, zu ordnen, zu erschließen, zu verwahren und zu verwalten. Ihr kommt die Rolle eines Archivars zu. Vgl.: Verwaltungsgericht Berlin. Urteil vom 23.11.1994 (VG 1 A 632.92). 9 Die Verabschiedung spezieller Archivgesetze in Bund und Ländern war durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (Volkszählungsurteil) und die daraufhin folgende Datenschutzgesetzgebung notwendig geworden. Seither steht das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der in Art. 5 Abs. 1 u. 3 GG verbürgten Freiheit der Information und Wissenschaft mit den daraus abgeleiteten Nutzungsrechten konkurrierend gegenüber. 5
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Archivgesetze typische Aufgabenverbindung von Materialienschutz und Datenschutz findet<br />
sich im StUG zuerst in den allgemeinen Vorgaben zur Zweckbestimmung des Gesetzes im<br />
§ 1 und im § 2 Abs. 1 StUG. In den Vorgaben in § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StUG geht es<br />
dann expressis verbis um ein Erfassen sowie um ein Ordnen, Erschließen, Bewerten, Verwahren<br />
und Verwalten nach archivischen Grundsätzen. 8 Neben der Zuständigkeit regelt das<br />
StUG also auch die zulässige Verfügbarmachung der Unterlagen nach archivischen<br />
Grundsätzen. In § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG wird ein thematisch eingeschränkter Auswertungsauftrag<br />
erteilt.<br />
Eingeschlossen von diesen Regelungen ist der Hauptteil des StUG, wo die Anspruchsgrundlagen<br />
und Verfahrensvorschriften zur Einsichtsgewährung und Auskunftserteilung an Privatpersonen<br />
und an öffentliche und nichtöffentliche Stellen mit der für den Datenschutz üblichen<br />
Akribie abgehandelt sind. Die Zulässigkeit der Unterlagenverwendung und die Vorgaben<br />
zum Umgang mit den Nutzern sind dadurch im StUG sehr viel klarer formuliert, als in dem<br />
einen oder anderen Archivgesetz. Als Folge davon ist auch die Terminologie stärker als im<br />
Text der Archivgesetze durch die Begrifflichkeit des Datenschutzes geprägt. Im Kern geht es<br />
wie in den Archivgesetzen um das Spannungsfeld zwischen der Freiheit der Information und<br />
Forschung und das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und um die Lösung<br />
der daraus entstehenden Interessenkonflikte. 9 Durch die Vorschrift des § 43 Satz 1<br />
StUG verdrängt das Stasi-Unterlagen-Gesetz, soweit es um Daten aus den MfS-Unterlagen<br />
geht, als lex specialis alle anderen Gesetze, die Regelungen über die Übermittlung personenbezogener<br />
Informationen enthalten.<br />
Das StUG konzentriert sich in seinen Anspruchsgrundlagen wie auch in den Verfahrensvorschriften<br />
für die Benutzung und in den Vorgaben für die Erschließung nicht auf den Akt oder<br />
über das wenige Jahre zuvor geschaffene bundesdeutsche Archivrecht hinweg die Zusammenführung der Unterlagen<br />
eines Ministeriums der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in einer eigens dazu geschaffenen<br />
oberen Bundesbehörde. Als Spezialgesetz greift das Gesetz in die Archivgesetze des Bundes und der Länder ein,<br />
indem es die Zuständigkeit des Bundesarchivs für die zentralen Stellen sowie die Zuständigkeit der Landesarchive<br />
der fünf neuen Bundesländer und Berlins für die regionalen Stellen des Ministeriums für Staatssicherheit und<br />
bestimmter Akten aus dem Polizei- und Justizbereich auf die Bundesbeauftragte überträgt und die Unterlagen<br />
ohne Schutzfristen öffnet.<br />
7 Die Behörde ist an erster Stelle gehalten, die überkommenen Unterlagen verfügbar zu machen und sie für diesen<br />
Zweck zu ordnen und zu erschließen. § 1 StUG regelt die Erfassung und Erschließung, Verwaltung und<br />
Verwendung der Unterlagen, § 2 StUG annuliert ausdrücklich die nach Einigungsvertrag gesetzte Zuständigkeit<br />
des Bundesarchivs. § 37 StUG bestimmt die archivischen und archivarischen Aufgaben und Befugnisse des<br />
BStU, spricht aber an keiner Stelle von Archivgut, sondern stets nur von Unterlagen. Siehe: Dagmar Unverhau<br />
(Hrsg.). Archiv zur Staatssicherheit, Bd. 2. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz im Lichte von Datenschutz und Archivgesetzgebung.<br />
Referate der Tagung des BStU vom 26.–28.11.1997, Münster 1998, S. 173.<br />
8 Die BStU hat die Unterlagen nach archivischen Grundsätzen zu bewerten, zu ordnen, zu erschließen, zu verwahren<br />
und zu verwalten. Ihr kommt die Rolle eines Archivars zu. Vgl.: Verwaltungsgericht Berlin. Urteil vom<br />
23.11.1994 (VG 1 A 632.92).<br />
9 Die Verabschiedung spezieller Archivgesetze in Bund und Ländern war durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 15. Dezember 1983 (Volkszählungsurteil) und die daraufhin folgende Datenschutzgesetzgebung<br />
notwendig geworden. Seither steht das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz<br />
(GG) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der in Art. 5 Abs. 1 u. 3 GG verbürgten Freiheit<br />
der Information und Wissenschaft mit den daraus abgeleiteten Nutzungsrechten konkurrierend gegenüber.<br />
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